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JOHANNES PAUL II.

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 23. März 1994

DE  - ES  - IT

1. Das II. Vatikanische Konzil hat, als es dem Apostolat der Laien neuen Auftrieb geben wollte, eifrig bekräftigt, dass die erste, grundlegende und unersetzliche Tätigkeit für den Aufbau des Leibes Christi von den einzelnen Gliedern der Kirche ausgeübt wird (vgl. Apostolicam actuositatem, Nr. 16). Jeder Christ ist zum Apostolat berufen, jeder Laie ist berufen, sich durch sein persönliches Zeugnis einzusetzen und an der Sendung der Kirche teilzuhaben.

Das setzt voraus und bringt mit sich eine persönliche Überzeugung, die aus dem Glauben und dem sensus Ecclesiae erwächst, den er in den Herzen entzündet. Wenn man glaubt und wenn man Kirche sein will, kann man nicht umhin, von der „originellen, unersetzlichen und nicht übertragbaren Aufgabe” überzeugt zu sein, die jeder Gläubige „zum Wohl aller erfüllen muss” (Christifideles laici, Nr. 28).

Man kann den Gläubigen nie genug die Verpflichtung einschärfen, am Aufbau der Kirche und an der Ankunft des Reiches mitzuarbeiten. Den Laien kommt es zu, die zeitlichen Wirklichkeiten mit dem Evangelium zu durchdringen. Vielfältig sind die Einsatzmöglichkeiten, besonders in den Bereichen der Familie, am Arbeitsplatz, im Beruf, in Kultur- und Erholungseinrichtungen usw.; und in der Welt gibt es heute viele Menschen, die etwas tun wollen, um das Leben zu verbessern, die Gesellschaft gerechter zu machen und zum Wohl ihrer Mitmenschen beizutragen. Für sie könnte die Entdeckung des christlichen Auftrags zum Apostolat die höchste Entfaltungsstufe der natürlichen Berufung zum Gemeinwohl bedeuten, die den Einsatz bedeutsamer, motivierter, edler und vielleicht auch hochherziger machte.

2. Aber es gibt eine andere natürliche Berufung, die im kirchlichen Apostolat verwirklicht werden kann und soll: die in Form von Gruppen und Vereinigungen. Auf übernatürlicher Ebene ist die Neigung der Menschen, sich zusammenzuschließen, eine Bereicherung und Erhebung in den Stand der brüderlichen Gemeinschaft in Christus: Man hat so „ein Zeichen der Gemeinschaft und der Einheit der Kirche in Christus, der gesagt hat: ,Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen’ (Mt 18,20)” (Apostolicam actuositatem, Nr. 18).

Diese kirchliche Tendenz zum gemeinschaftlichen Apostolat hat zweifellos einen übernatürlichen Ursprung in der „Liebe” (vgl. Röm 5,5), aber ihre theologische Bedeutung trifft mit dem soziologischen Erfordernis zusammen, das in der modernen Welt zur Vereinigung und zur Organisation der Kräfte führt, damit die gesteckten Ziele erreicht werden. Auch in der Kirche, so das Konzil, „ist allein ein enges Verbundensein der Kräfte imstande, alle Ziele des heutigen Apostolates voll zu erreichen und seine Werte wirksam zu verteidigen” (vgl. Apostolicam actuositatem, Nr. 18). Es geht darum, die Tätigkeiten derer zu vereinen und zu koordinieren, die sich vornehmen, durch die Botschaft des Evangeliums auf den Geist und die Mentalität der Leute einzuwirken, die unter den verschiedenen sozialen Bedingungen leben. Es handelt sich darum, eine Evangelisierung in Gang zu setzen, die imstande ist, Einfluss auf die öffentliche Meinung und die Institutionen auszuüben; und um dieses Ziel zu erreichen, ist eine von Gruppen durchgeführte und gut organisierte Tätigkeit erforderlich (vgl. ebd.).

3. Deshalb ermutigt die Kirche das individuelle und das gemeinschaftliche Apostolat und bekräftigt mit dem Konzil das Recht der Laien, Vereinigungen für das Apostolat zu bilden: „Unter Wahrung der erforderlichen Verbundenheit mit der kirchlichen Autorität haben die Laien das Recht, Vereinigungen zu gründen, zu leiten und den gegründeten Vereinigungen beizutreten” (Apostolicam actuositatem, Nr. 19).

Die Beziehung zur kirchlichen Obrigkeit setzt den grundlegenden Willen zur Harmonie und kirchlichen Zusammenarbeit voraus, behindert jedoch nicht die eigene Selbstständigkeit der Vereinigungen. Während in der bürgerlichen Gesellschaft das Recht, eine Vereinigung zu bilden, als ein Personenrecht anerkannt wird, das auf der Freiheit des Menschen gründet, sich mit anderen Menschen zusammenzuschließen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen, so erwächst in der Kirche für die gläubigen Laien das Recht, eine Vereinigung zur Verwirklichung religiöser Zielsetzungen zu bilden, aus der Taufe, die für jeden Christen die Möglichkeit, die Pflicht und die Kraft zur aktiven Teilhabe an der Gemeinschaft und an der Sendung der Kirche mit sich bringt (vgl. Christifideles laici, Nr. 29). In diesem Sinn sagt auch der Codex des kanonischen Rechts: „Den Gläubigen ist es unbenommen, Vereinigungen für Zwecke der Caritas oder der Frömmigkeit oder zur Förderung der christlichen Berufung in der Welt frei zu gründen und zu leiten und Versammlungen abzuhalten, um diese Zwecke gemeinsam zu verfolgen” (can. 215).

4. In der Tat nehmen die Laien in der Kirche diese Freiheit immer mehr wahr. Früher mangelte es zwar nicht an Vereinigungen von Gläubigen, die in Formen der damaligen Zeit entsprechend gebildet wurden. Aber heute hat dieses Phänomen zweifellos eine neue Ausdehnung und Vielfalt angenommen. Neben den alten Bruderschaften, den Barmherzigen und Frommen Vereinigungen und Drittorden usw. sehen wir überall neue Formen von Zusammenschlüssen entstehen.

Es sind Gruppen, Gemeinschaften und Bewegungen, die eine große Vielfalt von Zwecken, Methoden und Tätigkeitsfeldern besitzen, aber immer mit der einen grundlegenden Zielsetzung: die Förderung des christlichen Lebens und die Mitarbeit an der Sendung der Kirche (vgl. Christifideles laici, Nr. 29).

Die vielfältigen Gemeinschaftsformen sind weit entfernt davon, ein Übel zu sein; sie sind hingegen eine Kundgebung der höchsten Freiheit des Heiligen Geistes, der die Verschiedenheit der Neigungen, Temperamente, Berufungen, Fähigkeiten usw. unter den Menschen achtet und ermutigt. Aber in der Vielfalt muss man gewiss immer die Sorge um die Einheit bewahren, indem man Rivalitäten, Spannungen und Bestrebungen nach einem Monopol des Apostolats oder nach Führungsstellungen vermeidet, die das Evangelium selbst ausschließt, und indem man unter den einzelnen Vereinigungen immer den Geist des Teilens und der Gemeinschaft nährt, um wirklich zur Verbreitung der Botschaft des Evangeliums beizutragen.

5. Die Eigenschaften, welche die Kirchlichkeit, das heißt den authentischen katholischen Charakter der verschiedenen Vereinigungen erkennen lassen, sind:

• der Vorrang, den man der Heiligkeit und der Vollkommenheit der Liebe als Ziel der christlichen Berufung gibt;

• das Bemühen, den katholischen Glauben in Einheit mit dem Lehramt der Kirche verantwortungsbewusst zu bekennen;

• die Teilhabe an der apostolischen Zielsetzung der Kirche, indem man sich bemüht, in der menschlichen Gesellschaft gegenwärtig zu sein und zu handeln;

• das Zeugnis konkreter Verbundenheit mit dem Papst und mit dem eigenen Bischof (vgl. Christifideles laici, Nr. 30).

Diese Kriterien werden im örtlichen, diözesanen, regionalen und nationalen Bereich verfolgt und angewandt, ebenso auf der Ebene der internationalen Beziehungen zwischen kulturellen, sozialen und politischen Einrichtungen gemäß der universalen Sendung der Kirche, die versucht, in Völker und Staaten und in neue Gemeinschaften, die diese bilden, den Geist der Wahrheit, der Liebe und des Friedens einzugießen.

Die Beziehungen der Laienvereinigungen mit der kirchlichen Obrigkeit können auch besondere Anerkennung und Zustimmung erhalten, wenn das aufgrund ihrer Ausdehnung oder der Einsatzform im Apostolat als angemessen oder auch notwendig erachtet wird (vgl. Christifideles laici, Nr. 31). Das Konzil nennt diese Möglichkeit und Zweckmäßigkeit bei „Vereinigungen und Werken, die unmittelbar ein geistliches Ziel anstreben” (Apostolicam actuositatem, Nr. 24). Was die „ökumenischen” Vereinigungen mit katholischer Mehrheit und nichtkatholischer Minderheit betrifft, so steht es dem Päpstlichen Rat für die Laien zu, die Bedingungen für ihre Approbation zu bestimmen (vgl. Christifideles laici, Nr. 31).

6. Das Konzil nennt unter den Formen des gemeinschaftlichen Apostolats ausdrücklich und besonders die Katholische Aktion (Apostolicam actuositatem, Nr. 20). Obwohl in den verschiedenen landesüblichen Formen und trotz der Veränderungen, die im Laufe der Zeit erfolgt sind, zeichnet sich die Katholische Aktion durch die ständige, äußerst enge Bindung zur Hierarchie aus: nicht zuletzt der Grund für die reichen Früchte, die sie in der Kirche in ihrer langjährigen Geschichte und in der Welt erbracht hat.

Die unter dem Namen Katholische Aktion bekannten Vereinigungen (aber auch unter anderen Namen und von ähnlicher Art) haben als Zielsetzung die Evangelisierung und die Heiligung des Nächsten, die christliche Gewissensbildung, die Beeinflussung der Sitten und die religiöse Belebung der Gesellschaft.

Die Laien übernehmen die Verantwortung in Gemeinschaft mit dem Bischof und den Priestern. Sie „handeln unter der Oberleitung der Hierarchie selbst. Diese kann die Mitarbeit auch durch ein ausdrückliches Mandat bestätigen” (ebd.). Vom Maß ihrer Treue zur Hierarchie und ihrer kirchlichen Eintracht hängt der Grad ihrer Aufbaufähigkeit des Leibes Christi ab und wird immer abhängen, während die Erfahrung lehrt: Wenn dem eigenen Handeln der Dissens zugrundeliegt und man fast programmatisch eine Konflikthaltung einnimmt, baut man nicht nur nicht die Kirche auf, sondern setzt einen selbstzerstörerischen Prozess in Gang, der die Arbeit zunichte macht und im Allgemeinen zur eigenen Auflösung führt.

Die Kirche, das Konzil und der Papst hoffen und bitten, dass in den zusammenfassenden Formen des Laienapostolats und besonders in der Katholischen Aktion immer die Ausstrahlung der kirchlichen Gemeinschaft in ihrer Einheit, ihrer Liebe und ihrer Sendung der Verbreitung des Glaubens und der Heiligkeit in der Welt zu erkennen ist.

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Liebe Schwestern und Brüder!

Nach dieser kurzen Betrachtung grübe ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher nochmals sehr herzlich. Mein besonderer Grub gilt den Bürgermeistern, die an einem Exerzitienkurs der Erzabtei Beuron teilnehmen sowie den Akademikern und Studenten des Kartellverbandes katholischer deutscher Studentenvereine, insbesondere der Verbindung ”Ravensberg“ aus Münster. Ferner grübe ich die Pilger der Schönstattbewegung aus den Diözesen Basel, Chur und Sankt Gallen, die Pfarrgemeinde Heilig Geist aus Hüsten sowie die Bezirksschützen aus Südtirol.

Euch allen, Euren lieben Angehörigen zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan verbundenen Gläubigen erteile ich mit meinen besten Wünschen für ein frohes Osterfest von Herzen meinen Apostolischen Segen.