JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 8. Juni 1994
Liebe Brüder und Schwestern!
1. Übermorgen ist das Fest des Heiligsten Herzens Jesu. Von diesem liturgischen Fest strahlt ein besonderes Licht auf den ganzen Monat Juni aus. Es ist wichtig, dass die Gläubigen ihre Sensibilität für die damit verbundene Botschaft bewahren: Im Herzen Christi ist die Liebe Gottes der ganzen Menschheit entgegengekommen.
Es handelt sich um eine Botschaft, die in unseren Tagen außerordentlich aktuell ist. Denn der Mensch von heute ist oft zerstreut, gespalten, fast ohne ein inneres Prinzip, das in seinem Denken und Handeln Einheit und Harmonie schafft. Vielverbreitete Verhaltensmodelle verschärfen die technologisch-rationelle oder, umgekehrt, die triebmäßige Dimension, während die Mitte der Person weder die reine Vernunft noch der Instinkt ist. Die Mitte der Person ist das, was die Bibel das „Herz**“** nennt. Am Ende des 20. Jahrhunderts scheint der Unglaube nach Art der Aufklärungszeit, der so lange herrschte, überholt zu sein. Die Menschen spüren eine starke Sehnsucht nach Gott, sie haben gleichsam den Weg des inneren Heiligtums verloren, in dem sie seine Gegenwart beherbergen. Dieses Heiligtum ist das Herz, wo Freiheit und Vernunft mit der Liebe des himmlischen Vaters zusammentreffen.
Das Herz Christi ist der universale Sitz der Gemeinschaft mit Gott, dem Vater, der Sitz des Heiligen Geistes. Um Gott zu kennen, muss man Jesus kennen und im Einklang mit seinem Herzen leben, indem man wie er Gott und den Nächsten liebt.
2. Die Verehrung des Heiligsten Herzens, wie sie sich in Europa vor zwei Jahrhunderten unter dem Antrieb der mystischen Erfahrungen der hl. Margherita Maria Alacoque entwickelt hat, war die Antwort auf den jansenistischen Rigorismus, der schließlich die unendliche Barmherzigkeit Gottes verkannt hatte. Die Herz-Jesu-Verehrung bietet der Menschheit heute, die auf eine einzige Dimension abgeflacht oder sogar versucht ist, Formen von, wenn nicht theoretischem, dann gewiss praktischem Nihilismus nachzugeben, eine authentische und harmonische Fülle im Hinblick auf die Hoffnung, die nicht trügt. Vor etwa einem Jahrhundert verkündete ein bekannter Denker den „Tod Gottes”. Nun, gerade aus dem Herzen des Sohnes Gottes, der am Kreuz gestorben ist, entsprang die immerwährende Quelle des Lebens, die jedem Menschen Hoffnung gibt. Aus dem Herzen des gekreuzigten Christus geht die neue, von der Sünde erlöste Menschheit hervor. Der Mensch des Jahres 2000 braucht das Herz Christi, um Gott zu erkennen und sich selbst zu erkennen; er bedarf seiner, um die Zivilisation der Liebe aufzubauen.
Deshalb lade ich euch, liebe Brüder und Schwestern, ein, voll Zuversicht auf das Heiligste Herz Jesu zu schauen und oft, vor allem jetzt im Monat Juni, zu wiederholen: „Heiligstes Herz Jesu, ich vertraue auf dich!“
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Mein herzlicher Willkommensgruß gilt auch Euch, liebe Schwestern und Brüder aus den deutschsprachigen Ländern.
Am kommenden Freitag feiert die Kirche das Hochfest des Heiligsten Herzens Jesu. Wer Gott erkennen will, muß Jesus erkennen und in Übereinstimmung mit seinem Herzen leben und Gott und den Nächsten so lieben, wie er selbst es getan hat.
Mit diesem Wunsch erteile ich Euch allen meinen Apostolischen Segen.
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