JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 7. Dezember 1994
1. Als Jesus Jünger in seine Nachfolge berief, schärfte er ihnen die Notwendigkeit eines unbedingten Gehorsams seiner Person gegenüber ein. Es handelte sich nicht nur um die allgemeine Beobachtung des göttlichen Gesetzes und der Gebote des rechten und wahrhaftigen menschlichen Gewissens, sondern um eine weit höhere Verpflichtung. Christus nachfolgen heißt, das, was er selbst befohlen hat, vollbringen zu wollen und sich für die Ankunft des Reiches Gottes im Dienst des Evangeliums seiner Führung zu unterordnen (Lk 9,60.62).
Außer der Verpflichtung zum Zölibat und zur Armut forderte Jesus mit seinem „Folge mir!” auch die zum Gehorsam. Dadurch dehnte er auf die Jünger seinen Gehorsam aus, den er dem Vater gegenüber als fleischgewordenes Wort, als „Knecht Jahwes” (vgl. Jes 42,1; 52,13–53,12; Phil 2,7), erwiesen hat. Wie die Armut und die Keuschheit, so war auch der Gehorsam kennzeichnend für die Erfüllung der Sendung Jesu, ja sogar deren Grundprinzip und – in ein tiefes, lebendiges Gefühl übersetzt – der Antrieb zu den Worten: „Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat, und sein Werk zu Ende zu führen” (Joh 4,34; vgl. Redemptionis donum, Nr. 13). Wir wissen aus dem Evangelium, dass Jesus aufgrund dieser Haltung in voller Selbsthingabe bis zum Opfertod am Kreuz ging, wo er, der göttlicher Natur war, „sich erniedrigte und gehorsam war bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz”, wie Paulus schreibt (Phil 2,8). Der Brief an die Hebräer unterstreicht, dass Jesus Christus, „obwohl er der Sohn war, durch Leiden den Gehorsam gelernt hat” (Hebr 5,8).
Jesus selbst ließ durchblicken, dass er die Absicht hatte, sich selbst ganz hinzugeben, gleichsam angezogen durch ein geheimnisvolles „pondus Crucis”, eine Art Schwerkraft des Opferlebens, das seine höchste Ausdrucksform im Gebet von Getsemani findet: „Abba, Vater, alles ist dir möglich. Nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht, was ich will, sondern was du willst” (Mk 14,36).
2. Als Erben der von Jesus unmittelbar zur Nachfolge in seiner messianischen Sendung berufenen Jünger bringen die Ordensleute – so lehrt das jüngste Konzil – im Gelübde des Gehorsams die „volle Hingabe ihres Willens gleichsam als Opfer ihrer selbst Gott dar. Dadurch werden sie fester und sicherer dem göttlichen Heilswillen geeint” (Perfectae caritatis, Nr. 14). In Übereinstimmung mit dem göttlichen Heilswillen ist der Verzicht auf die eigene Freiheit gerechtfertigt. Offen für den Heilsplan Gottes in dem ganzen Ausmaß, in dem der Vater alle Geschöpfe umfängt, geht der Gehorsam nach dem Evangelium weit über die einzelne Bestimmung der Jünger hinaus: Er ist eine Teilhabe am Werk der universalen Erlösung.
Dieser Heilswert wurde von Paulus in Bezug auf den Gehorsam Christi unterstrichen. Wenn die Sünde durch einen Akt des Ungehorsams die Welt überflutet hat, dann wurde das universale Heil durch den Gehorsam des Erlösers erlangt: „Wie durch den Ungehorsam des einen Menschen die vielen zu Sündern wurden, so werden auch durch den Gehorsam des einen die vielen zu Gerechten gemacht werden” (Röm 5,19). In der Patristik der ersten Jahrhunderte wird der von Paulus gezogene Vergleich zwischen Adam und Christus aufgegriffen und weiterentwickelt, ebenso der Hinweis auf Maria im Verhältnis zu Eva im Hinblick auf den Gehorsam. So schreibt der hl. Irenäus: „Der Knoten von Evas Ungehorsam wurde durch Marias Gehorsam gelöst” (vgl. Adversus Haereses, 3, 22, 4). „Wie jene zum Ungehorsam gegenüber Gott verführt worden war, so ließ sich diese zum Gehorsam gegenüber Gott überreden” (vgl. ebd.). Deshalb wurde Maria Gehilfin beim Heilswerk: „causa salutis” (ebd.).
3. Der hl. Thomas sieht im Ordensgehorsam die vollkommenste Form der Nachfolge Christi, von dem Paulus sagt: „Er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz” (Phil 2,8). Der Gehorsam steht deshalb in der Hingabe durch das Ordensgelübde an erster Stelle (vgl. II-II, q. 186, aa. 5, 7, 8).
Auf den Spuren dieser schönen und ausgeprägten christlichen Tradition betont das Konzil, dass sich die Ordensleute „unter der Anregung des Heiligen Geistes … im Glauben den Oberen (unterstellen), die Gottes Stelle vertreten, nach dem Beispiel Jesu Christi … Durch die Oberen werden sie zum Dienst an allen Brüdern in Christus bestellt, wie auch Christus selbst im Gehorsam gegen den Vater den Brüdern diente und sein Leben als Lösepreis für viele dahingab” (Perfectae caritatis, Nr. 14). Der Gehorsam gegenüber dem Vater wurde von Jesus verwirklicht, ohne dass er menschliche Mittlerschaft ausschloss. Jesus gehorchte in seiner Kindheit Josef und Maria: Lukas sagt, er „war ihnen gehorsam” (Lk 2,51).
So ist Jesus das Vorbild derer, die einer menschlichen Autorität gehorchen und in dieser Autorität ein Zeichen des göttlichen Willens sehen. Und durch den evangelischen Rat des Gehorsams werden die Ordensleute aufgerufen, den Oberen als den Stellvertretern Gottes zu gehorchen. Deshalb betont Thomas, wo er einen Text (c. 68) der Regel des hl. Benedikt erläutert, dass der Ordensmann sich an das Urteil des Oberen halten soll (vgl. I-II, q. 13, a. 5 ad 3).
4. Leicht zu verstehen ist, dass bei der Erkenntnis dieser göttlichen Stellvertretung in einem Menschen oft die Schwierigkeit des Gehorsams auftritt. Wenn hier nun das Geheimnis des Kreuzes aufscheint, darf man es nicht aus den Augen verlieren. Man soll immer daran denken, dass der Ordensgehorsam nicht einfach menschliche Unterordnung unter eine menschliche Autorität ist. Wer gehorcht, unterwirft sich Gott, dem göttlichen Willen, der im Willen der Oberen Ausdruck findet. Es ist eine Sache des Glaubens. Die Ordensleute wollen an Gott glauben, der ihnen seinen Willen durch die Oberen mitteilt. Auch in den Fällen, in denen die Fehler der Oberen erscheinen, drückt ihr Wille, wenn er nicht im Gegensatz zu Gottes Gesetz oder zur Regel steht, den göttlichen Willen aus. Selbst wenn nach menschlichem Ermessen eine Entscheidung unklug zu sein scheint, nimmt die Einsicht des Glaubens das Geheimnis des göttlichen Willens an: mysterium Crucis.
Im Übrigen trägt die wenn auch unvollkommene menschliche Mittlerschaft ein authentisches Kennzeichen: das der Kirche, die durch ihre Vollmacht die Ordensinstitute und ihre Gesetze als sichere Wege der christlichen Vollkommenheit approbiert. Zu diesem Beweis der Kirchlichkeit kommt noch ein anderer; er entspringt der Zielsetzung der Ordensinstitute, „zur Auferbauung des Leibes Christi nach Gottes Absicht beizutragen” (Perfectae caritatis, Nr. 14). Für die Ordensleute, die den Gehorsam so verstehen und üben, wird er der Schlüssel zum wahren Glück, das aus der christlichen Gewissheit erwächst, nicht dem eigenen, sondern dem göttlichen Willen mit einer starken Liebe zu Christus und zur Kirche zu gehorchen.
Den Oberen hingegen empfiehlt das Konzil, als Erste auf den Willen Gottes zu hören, sich ihrer Verantwortung bewusst zu sein, den Geist des Dienstes zu entfalten, die Liebe zu ihren Mitbrüdern zum Ausdruck zu bringen, die Person ihrer Untergebenen zu achten, eine Atmosphäre der Zusammenarbeit zu fördern und bereitwillig ihre Mitbrüder anzuhören, jedoch unter voller Wahrung ihrer Entscheidungsbefugnis (vgl. Perfectae caritatis, Nr. 14).
5. Die Liebe zur Kirche stand am Anfang der Regeln und Konstitutionen der Ordensfamilien, die manchmal ausdrücklich die Verpflichtung der Unterordnung unter die kirchliche Obrigkeit aussprachen. So erklärt sich das Beispiel des hl. Ignatius von Loyola, der, um Christus und der Kirche besser zu dienen, der Gesellschaft Jesu das bekannte „vierte Gelübde” gab, das des „besonderen Gehorsams gegenüber dem Papst in Bezug auf die Missionen”. Dieses Gelübde hebt eine Regel hervor, die in jedem Ordensgelübde mitenthalten war und ist. Auch andere Institute haben diese Regel in der einen oder anderen Weise deutlich dargelegt. Heute stellt sie der Codex des kanonischen Rechts entsprechend der besten Tradition der aus dem Evangelium erwachsenen Lehre und Spiritualität heraus: „Die Institute des geweihten Lebens unterstehen, weil sie in besonderer Weise dem Dienst für Gott und die ganze Kirche gewidmet sind, aus einem eigenen Grunde ihrer höchsten Autorität” (can. 50, § 1). „Die einzelnen Mitglieder sind gehalten, dem Papst als ihrem höchsten Oberen auch kraft der heiligen Gehorsamsbindung Folge zu leisten” (ebd., § 2). Es sind Lebensregeln, die – im Glauben angenommen und befolgt – die Ordensleute weit über einen Rechtsbegriff, der die Beziehungen in die christliche Gemeinschaft einordnet, hinausführt: Sie haben das Bedürfnis, sich mit ihrer Arbeit oder wenigstens mit ihrem Gebet und immer mit kindlicher Liebe so weit wie möglich in die geistlichen Ausrichtungen und apostolischen Initiativen der Kirche einzugliedern.
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Mit dem Wunsch, liebe Schwestern und Brüder, in dieser Adventszeit in Gebet und mit Werken der Nächstenliebe unserem Erlöser Jesus Christus entgegenzugehen, begrüße ich Euch alle sehr herzlich. Euch, Euren lieben Angehörigen und Freunden zu Hause sowie allen, die uns in diesem Augenblick verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen.
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Herzlich grüße ich den Chor „Drienka” der Katholischen Union von Trnava. Wir wissen, dass das heiligste und von Gott am meisten geliebte Geschöpf der Welt die Jungfrau Maria ist. Morgen begehen wir ihr großes Fest. Auch der Lobgesang Marias – das Magnifikat – war Gott am angenehmsten, weil er aus ihrem unbefleckten Herzen kam. Liebe Sänger von Trnava, auch ihr bemüht euch, euren Glauben mit reinem Herzen musikalisch zum Ausdruck zu bringen. Möge euer ganzes Leben ein Gesang mit dem Ausdruck der Herrlichkeit Gottes sein. In dieser edlen Aufgabe stärke euch bei eurer Pilgerfahrt nach Rom mein Apostolischer Segen.
Gelobt sei Jesus Christus.
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