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JOHANNES PAUL II.

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 10. Mai 1995

DE  - ES  - IT

1. Wir setzen die in der vorigen Katechese begonnenen Überlegungen in Bezug auf die Einwände und Zweifel am Wert der missionarischen Tätigkeit und insbesondere hinsichtlich ihrer Zielsetzung, der Evangelisierung, fort. Manch einer wollte die Missionstätigkeit auch als einen Versuch auslegen, anderen die eigenen Überzeugungen und Entscheidungen aufzuzwingen, im Gegensatz zu einem gewissen modernen Denken, das sich rühmt, die absolute persönliche Denk- und Gewissensfreiheit errungen zu haben.

In dieser Sicht sollte die Evangelisierungstätigkeit durch einen interreligiösen Dialog ersetzt werden, der in einem Meinungs- und Informationsaustausch bestünde, bei dem die beteiligten Partner das eigene „Credo“ kundtun und sich das Denken des anderen aneignen, ohne sich darum zu kümmern, ob man zu einem Schluss gelangt. Das sollte – so sagt man – die Christen zu dreierlei veranlassen: zum Verzicht auf die absichtliche Hinführung der Nichtchristen zum Evangelium, zur Enthaltung davon, die Bekehrung anzubieten oder zu begünstigen, und zum Ausschluss der voraussichtlichen Taufe. So würde der Heilsweg respektiert, den jeder Einzelne entsprechend seiner eigenen religiösen Erziehung und Tradition gehe (vgl. Redemptoris missio, Nr. 4).

2. Aber eine solche Auffassung scheint unvereinbar mit dem der Kirche überlieferten Auftrag Christi an die Apostel und mit der authentischen Ekklesiologie, auf die sich das II. Vatikanische Konzil berufen hat, um die zweifelsfreie Notwendigkeit der Missionstätigkeit zu beweisen. Dabei geht es um einige Grundwahrheiten: Gott will das Heil aller; Jesus Christus ist der einzige „Mittler“, „der sich als Lösegeld hingegeben hat für alle“ (1 Tim 2,4–6), so dass „in keinem anderen das Heil zu finden ist“ (Apg 4,12); deshalb ist es notwendig, „dass sich alle zu ihm, der durch die Verkündigung der Kirche erkannt wird, bekehren sowie ihm und seinem Leib, der Kirche, durch die Taufe eingegliedert werden“ (Ad gentes, Nr. 7).

Das Konzil nimmt Bezug auf die Worte Jesu Christi über die den Aposteln auferlegte unverzichtbare missionarische Verpflichtung. Indem Jesus ausdrücklich die Notwendigkeit des Glaubens und der Taufe einschärfte (vgl. Mk 16,16; Joh 3,5), bekräftigte er zugleich die Rolle der Kirche, in die man notwendigerweise eintreten und in der man ausharren muß, wenn man gerettet werden will (vgl. Ad gentes, Nr. 7). Diese durch die Verkündigung der Kirche angenommene Notwendigkeit des Glaubens in Bezug auf das Heil ist nicht nur eine theologische Folgerung, sondern eine von unserem Herrn offenbarte Lehre. Aus ihr ergibt sich die Dringlichkeit des missionarischen Wirkens durch Verkündigung des Evangeliums und Spendung der Taufe, die den Eintritt in die Gemeinschaft der Kirche zusichert. Diese überlieferte Lehre der Kirche enthüllt die Unhaltbarkeit und Oberflächlichkeit einer relativistischen und irenischen Haltung im Hinblick auf den Heilsweg in einer Religion, die anders ist als die auf dem Glauben an Christus gegründete.

3. Ohne Zweifel darf man an das Vorhandensein verborgener Wege des göttlichen Heilsplanes für diejenigen glauben, die ohne eigene Schuld nicht in die Kirche eintreten können; dennoch darf man aufgrund dieser Wege nicht die Missionstätigkeit verringern oder aufgeben. Dazu sagt das Konzil: „Wenngleich Gott Menschen, die das Evangelium ohne ihre Schuld nicht kennen, auf Wegen, die er weiß, zum Glauben führen kann, ohne den es unmöglich ist, ihm zu gefallen, so liegt also doch auf der Kirche die Notwendigkeit und zugleich das heilige Recht der Evangeliumsverkündigung. Deshalb behält heute und immer die missionarische Tätigkeit ihre ungeschmälerte Bedeutung und Notwendigkeit“ (Ad gentes, Nr. 7).

4. Hinsichtlich der „Bedeutung und Notwendigkeit“ des missionarischen Wirkens erläutert das Konzil vor allem die ekklesiologischen Gründe, die das innere Leben der Kirche betreffen. „Durch sie (die missionarische Tätigkeit) sammelt und ordnet der mystische Christusleib immerfort Kräfte zum eigenen Wachstum.“ Die Glieder der Kirche wollen, „durch die Liebe getrieben“, „mit allen Menschen in den geistlichen Gütern des gegenwärtigen wie des künftigen Lebens Gemeinschaft haben“. Gott wird verherrlicht, indem „die Menschen sein Heilswerk, das er in Christus vollzogen hat, bewusst und in seiner Ganzheit annehmen“. So erfüllt sich der Plan Gottes, dem Christus sich ganz geweiht hat, das heißt, „dass das ganze Menschengeschlecht ein Volk Gottes bilde, in den einen Leib Christi zusammenwachse und zu dem einen Tempel des Heiligen Geistes aufgebaut werde“ (Ad gentes, Nr. 7).

Die missionarische Tätigkeit entspricht ganz dem Plan des Schöpfers, der von der patristischen Tradition ins Licht gestellt wurde, auf die sich das II. Vatikanische Konzil bezieht. Er wird Wirklichkeit, „wenn alle, die an der menschlichen Natur teilhaben, in Christus durch den Heiligen Geist wiedergeboren, in einmütigem Schauen der Herrlichkeit Gottes sagen können: ,Vater unser‘“. Aber zugleich entspricht die Evangelisierung „ganz den innersten Wünschen aller Menschen“ (Ad gentes, Nr. 7), die mehr oder weniger bewusst und – man könnte sagen – beinahe instinktiv Gott suchen und damit brüderliche Eintracht, Frieden und ewiges Leben. Die Missionstätigkeit zielt genau darauf hin.

5. Zu den Grundbestrebungen des Menschen, auf die die Missionstätigkeit der Kirche das Licht der Offenbarung Christi wirft, gehört das Erkennen der Wahrheit über sich selbst und seine eigene Bestimmung. Das Konzil bekräftigt: „Ebendadurch nämlich, dass sie Christus verkündet, offenbart die Kirche zugleich dem Menschen die ursprüngliche Wahrheit dessen, was es um ihn ist und worin seine volle Berufung liegt. Christus ist ja Ursprung und Urbild jener erneuerten, von brüderlicher Liebe, Lauterkeit und Friedensgeist durchdrungenen Menschheit, nach der alle verlangen. Christus und die Kirche, die von ihm durch die Predigt des Evangeliums Zeugnis gibt, überschreiten alle Besonderheit der Rasse oder der Nation und können deshalb von niemandem und nirgendwo als fremd erachtet werden“ (Ad gentes, Nr. 8).

Hier muss man wiederholen, worauf wir mehrmals hingewiesen haben: Die Wahrheit des Evangeliums ist nicht an eine bestimmte Nation oder Kultur gebunden; sie ist die Wahrheit Christi, die jeden Menschen ohne Unterschied von Tradition oder Rasse erleuchtet. Deshalb ist es notwendig, der gesamten Menschheit zu verkünden: „Christus selbst ist die Wahrheit und der Weg, welche die Predigt des Evangeliums allen zugänglich macht“ (Ad gentes, Nr. 8).

6. Wir können die heutigen Überlegungen abschließen, indem wir die volle Gültigkeit der Missionen und der Missionsarbeit auch für unsere Zeit bekräftigen; durch sie verwirklicht die Kirche hervorragend ihre Sendung, Christus, das Mensch gewordene Wort, den Erlöser des Menschen, zu verkünden. Denn durch die Missionsarbeit wendet die Kirche die Heilsmacht Jesu, unseres Herrn, auf das ganzheitliche Wohl des Menschen an, in Erwartung und Vorbereitung seines neuen Kommens in die Welt, in der eschatologischen Vollendung des Reiches Gottes. Von den Missionaren kann man heute noch das sagen, was man von Paulus sagte, als er als Missionar nach Rom gekommen war: „Vom Morgen bis in den Abend hinein erklärte und bezeugte er ihnen das Reich Gottes und versuchte, sie vom Gesetz des Mose und von den Propheten aus für Jesus zu gewinnen“ (Apg 28,23). In diesem Abschnitt der Apostelgeschichte ist die Rede von einer Begegnung mit den Brüdern der jüdischen Gemeinde Roms. Bei diesem Anlass ließen sich die einen „durch seine Worte überzeugen, die anderen blieben ungläubig“ (Apg 28,24). Der Apostel traf jedoch seine endgültige Entscheidung: „Darum sollt ihr nun wissen: Den Heiden ist dieses Heil Gottes gesandt worden. Und sie werden hören!“ (Apg 28,28). Wir können sagen, dass an jenem Tag in Rom in der Mietwohnung von Paulus eine neue Entwicklungsphase der Geschichte des Christentums begann: der Geschichte des Glaubens, der Zivilisation und der dem Evangelium entsprechenden Werte, die für das Wohl der Menschheit immer wertvoll und förderlich ist.

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Nach diesen kurzen Ausführungen grüe ich Euch, liebe Schwestern und Brüder, die Ihr so zahlreich aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zu dieser Audienz gekommen seid, sehr herzlich. Einen besonderen Gru richte ich an die Teilnehmer am Romseminar des Bistums Hildesheim. Euch allen, Euren lieben Angehörigen und Freunden zu Hause erteile von Herzen meinen Apostolischen Segen.