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JOHANNES PAUL II.

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 2. Mai 200
1

Jedes Geschöpf lobe den Herrn
(Lesung: Dan 3, 57 – 88. 56) 

1. »Preist den Herrn, all ihr W rke des Herrn« (Dan 3,57). Ein kosmischer Hauch durchzieht diesen Lobgesang aus dem Buch Daniel, den das Stundengebet für die Laudes am Sonntag der ersten und dritten Woche vorsieht. Dieses wundervolle litaneiartige Gebet paßt sehr gut zum »Dies Domini«, zum Tag des Herrn, der uns im auferstandenen Christus den Höhepunkt des Heilsplanes Gottes für den Kosmos und die Geschichte betrachten läßt. Denn in ihm, Alpha und Omega, Anfang und Ende der Geschichte (vgl. Offb 22,13), erhält die Schöpfung selbst ihren ganzen Sinn, weil – wie Johannes im Prolog seines Evangeliums schreibt – »alles …durch das Wort geworden [ist]« (1,3). In der Auferstehung Christi gipfelt die Heilsgeschichte, und die Menschheit öffnet sich für die Gabe des Geistes und der Gotteskindschaft in Erwartung der Wiederkehr des göttlichen Bräutigams, der die Welt an Gott, den Vater, übergeben wird (vgl.1 Kor 15,24). 

2. In diesem litaneiartigen Text werden uns alle Dinge gleichsam vor Augen geführt. Der Blick richtet sich auf die Sonne, den Mond und die Sterne; er legt sich auf die unermeßliche Weite der Wasser, er erhebt sich zu den Bergen, er macht Halt bei den unterschiedlichen Wetterphänomenen; er geht von der Wärme zur Kälte, vom Licht zur Finsternis; er berücksichtigt die Welt der Mineralien und der Pflanzen und verweilt bei den verschiedenen Tierarten. Der Aufruf wird dann universaler Art: Er bezieht die Engel Gottes mit ein und wendet sich an alle Menschenkinder, besonders betrifft er jedoch das Volk Gottes, Israel, dessen Priester und Gerechte. Es ist ein großer Chor, eine Symphonie, in der die vielen Stimmen ihren Gesang zu Gott erheben, dem Schöpfer des Universums und Herrn der Geschichte. Im Lichte der christlichen Offenbarung vorgetragen, wendet er sich an den dreifaltigen Gott. Eben hierzu fordert uns ja die Liturgie auf, die dem Canticum eine trinitarische Formel hinzufügt: »Laßt uns preisen den Vater und den Sohn mit dem Heiligen Geist …«.

3. In diesem Lobgesang spiegelt sich in einem gewissen Sinn die universale religiöse Seele wider, die in der Welt die Spuren Gottes erkennt und sich zur Betrachtung des Schöpfers emporhebt. Im Zusammenhang des Buches Daniel hingegen stellt sich diese Hymne dar als Dank dreier junger Israeliten: Hananja, Asarja und Mischaël. Sie waren zum Tod durch Verbrennen in einem Ofen verurteilt, weil sie sich geweigert hatten, die goldene Statue Nebukadnezars anzubeten, jedoch wurden sie auf wunderbare Weise vor den Flammen bewahrt. Hintergrund dieses Ereignisses ist jene besondere Heilsgeschichte, in der Gott das Volk Israel als sein Volk erwählt und mit ihm einen Bund schließt. Und genau diesem Bund wollen die drei jungen Israeliten treu bleiben, sogar um den Preis des Märtyrertods im Feuerofen. Ihre Treue findet eine Antwort in der Treue Gottes, der ihnen einen Engel sendet, um die Flammen von ihnen fernzuhalten (vgl. Dan 3,49). 

Somit steht dieser Lobpreis in der Reihe jener Lobgesänge aufgrund überstandener Gefahren, wie wir sie im Alten Testament finden. Unter ihnen ist das Siegeslied in Kapitel 14 des Buches Exodus besonders berühmt: In ihm zeigen die Juden ihre Dankbarkeit gegenüber dem Herrn für jene Nacht, in der sie unweigerlich vom Heer des Pharao übermannt worden wären, wenn der Herr ihnen nicht eine Straße zwischen den Wassern gebahnt und »Rosse und Wagen« ins Meer geworfen hätte (Ex 15,1). 

4. Nicht zufällig läßt uns die Liturgie jedes Jahr in der feierlichen Osternacht die von den Israeliten beim Auszug gesungene Hymne wiederholen. Die Straße, die ihnen damals bereitet wurde, verkündete prophetisch den neuen Weg, den der auferstandene Christus in der heiligen Nacht seiner Auferstehung von den Toten für die Menschheit eröffnet hat. Unser symbolischer Durchgang durch das Taufwasser erlaubt es uns, eine ähnliche Erfahrung des Übergangs vom Tod zum Leben zu machen, dank des Sieges über den Tod, den Jesus für uns alle errungen hat. 

Wenn wir in der sonntäglichen Liturgie der Laudes den Lobpreis der drei jungen Israeliten wiederholen, wollen wir Jünger Christi in gleicher Weise Dank sagen für die großen Werke Gottes in der Schöpfung und vor allem im Ostergeheimnis. 

Der Christ erkennt nämlich eine Verbindung zwischen der Befreiung der drei jungen Männer, von denen im Lobgesang die Rede ist, und der Auferstehung Jesu. In ihr sieht die Apostelgeschichte die Erfüllung des Gebets des Gläubigen, der – wie der Psalmist – vertrauensvoll singt: »Denn du gibst mich nicht der Unterwelt preis, noch läßt du deinen Frommen die Ve rwesung schauen« (Apg 2,27; Ps 15,10). 

Diese Verbindung zwischen diesem Lobgesang und der Auferstehung ist tief in der Tradition verwurzelt. Es gibt uralte Zeugnisse dafür, daß dieser Hymnus ein Bestandteil des Gebetes am Tag des Herrn ist, dem wöchentlichen Osterfest der Christen. Außerdem sind in den römischen Katakomben ikonografische Fundstücke erhalten, auf denen die drei Jugendlichen betend und unversehrt zwischen den Flammen zu sehen sind und auf diese Weise die Wirksamkeit des Gebets und die Gewißheit des Eingreifens unseres Herrn bezeugen. 

5. »Gepriesen bist du am Gewölbe des Himmels, gerühmt und verherrlicht in Ewigkeit« (Dan 3,56). Wenn der Christ diese Hymne am Sonntagmorgen singt, fühlt er sich dankbar – nicht nur für das Geschenk der Schöpfung, sondern auch weil er der Adressat der väterlichen Fürsorge Gottes ist, der ihn in Christus zur Würd eines Kindes Gottes erhoben hat. 

Eine väterliche Fürsorge, die mit neuen Augen auf die Schöpfung schauen und deren Schönheit auskosten läßt, denn in ihr erkennt man – wie bei einem Wasserzeichen – die Liebe Gottes. Mit diesen Empfindungen betrachtete der hl. Franziskus von Assisi die Schöpfung und erhob sein Lob zu Gott, der letztendlichen Quelle aller Schönheit. Ganz spontan können wir uns vorstellen, daß die Preisungen dieses Bibeltextes in seinem Gemüt widerhallten, als er in San Damiano, nachdem er schwerstes Leid an Leib und Geist erfahren hatte, seinen Sonnengesang verfaßte. 


Liebe Schwestern und Brüder!

Heute haben wir einen Text gehört, der dem Buch Daniel entnommen ist: ein Loblied auf Sonne und Mond, auf alles, was Gott geschaffen hat. Doch dieser Hymnus ist mehr als ein Gesang auf den Urheber der Schöpfung. Er ist ein Lied auf den Herrn, der das Los der Geschichte in seinen Händen hält. 

Das trifft zunächst auf die drei Jünglinge im Feuerofen zu, die trotz des Todesurteils nicht klagen, sondern singen. Einen Götzen aus Gold wollten sie nicht anbeten, dafür setzten sie ihr ganzes Leben auf Jahwe. Deshalb sollten sie den Feuertod sterben. Doch die Flammen konnten ihnen nichts anhaben. 

Der Gesang der Jünglinge bleibt kein Trio; er weitet sich zu einem großen Chor. Es ist der österliche Chor, in dem seit fast zweitausend Jahren die Stimmen der Christen zusammenklingen, um aus voller Kehle das "Halleluja" zu singen: Der Tod hat den Kürzeren gezogen. Jesus lebt, mit ihm auch ich! Tod, wo sind nun deine Schrecken?

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Von Herzen grüße ich die Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Besonders heiße ich den Behindertenclub aus Ergoldsbach und die Ehejubilare aus dem Bistum Speyer willkommen. Ich freue mich, daß so viele Jugend- und Schülergruppen heute auf den Petersplatz gekommen sind. Danke dem Jugendorchester der Paul-Winter-Realschule aus Neuburg an der Donau! Die drei jungen Männer im Feuerofen seien für euch ein Vorbild, um der Feuerprobe des Glaubens in der heutigen Zeit standzuhalten. Gern erteile ich euch, euren Lieben daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, den Apostolischen Segen. 

                                              



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