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APOSTOLISCHE REISE NACH RUMÄNIEN (7.-9. MAI 1999)

FEIER DER GÖTTLICHEN LITURGIE IM BYZANTINISCHEN RITUS

PREDIGT VON JOHANNES PAUL II.

Kathedrale des Hl. Josef (Bukarest) - Samstag, 8. Mai 1999

   

1. »Gürte dich, und zieh deine Sandalen an!« (Apg 12,8). Diese Worte sagt der Engel zum Apostel Petrus, den die erste Lesung uns als Inhaftierten im Gefängnis vorgestellt hat. Vom Engel geführt, kann Petrus aus dem Kerker hinausgehen und die Freiheit wiedererlangen.

Auch Jesus, der Herr, hat in dem eben verkündigten Abschnitt des Evangeliums von Freiheit zu uns gesprochen: »Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch befreien« (Joh 8,32). Seine Zuhörer begreifen nicht: »Von welcher Sklaverei müssen wir befreit werden?«, fragen sie sich. Und Jesus erklärt, daß die heimtückischste und bedrückendste Sklaverei diejenige der Sünde ist (vgl . Joh 8, 34). Aus dieser Sklaverei kann nur Er befreien.

Das ist die Verkündigung, welche die Kirche der Welt bringt: Christus ist unsere Freiheit, weil Er die Wahrheit ist. Nicht eine abstrakte Wahrheit, wie sie gleichsam tastend von der stets ruhelosen Vernunft des Menschen gesucht wird. Die Wahrheit ist für uns die Person des Christus. Er hat es uns gesagt: »Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben« (Joh 14,6). Wenn die Finsternis der Sünde vom Licht des Lebens besiegt ist, dann gibt es keine Sklaverei, die imstande wäre, die Freiheit zu unterdrücken.

2. Dir ist diese Wahrheit gut bekannt, lieber Bruder Alexandru Todea, Kardinal der Heiligen Römischen Kirche, und dir, Erzbischof Gheorge Gutiu, denn vor euch hat sich, wie vor Petrus, von selbst die schwere Tür der Unterjochung geöffnet, und ihr seid euren Kirchen zurückgegeben worden, zusammen mit vielen anderen Brüdern und Schwestern. Hier, bei dieser Feier der byzantinischen Göttlichen Liturgie, haben wir die Freude und Ehre, einige von ihnen zu grüßen und im Geist zu umarmen. Andere hingegen wurden in den Tagen der Verfolgung in die Umarmung des Vaters aufgenommen, ohne in ihrer Heimat die Wiederherstellung der grundlegenden Rechte, einschließlich des Rechtes auf Religionsfreiheit, erfahren zu können. Geliebte Brüder, eure Ketten, die Ketten eures Volkes sind die Ehre, der Stolz der Kirche: Die Wahrheit hat euch frei gemacht! Man hat versucht, eure Freiheit zum Schweigen zu bringen, sie zu ersticken, aber es ist ihnen nicht gelungen. Ihr seid innerlich frei geblieben, auch in Ketten; frei, auch in Leid und Entbehrung; frei, auch wenn eure Gemeinden geschändet und geschlagen wurden. »Die Kirche aber betete inständig zu Gott« (vgl. Apg 12, 5) für euch, für sie, für alle an Christus Glaubenden, mit denen die Lüge ein Ende machen wollte. Kein Sohn der Finsternis kann das Lied der Freiheit dulden, denn es hält ihm seinen Irrtum und seine Sünde vor.

Ich bin in diesen Tagen gekommen, um dem rumänischen Volk meine Hochachtung zu bezeigen, das in der Geschichte ein Zeichen für die Ausstrahlung der römischen Zivilisation in diesem Teil Europas ist, wo die Sprache und die Kultur die Erinnerung an sie bewahrt hat. Ich bin gekommen, um den Brüdern und Schwestern Hochachtung zu bezeigen, die dieses Land mit dem Zeugnis ihres Glaubens geweiht haben und eine vom Evangelium Christi inspirierte Zivilisation in ihm zur Blüte brachten; zu einem christlichen Volk, das auf seine Identität stolz ist, die es, oft um teuren Preis, in den Mühen und Plagen, von denen seine Existenz gekennzeichnet war, verteidigt hat.

Heute bin ich hier, um euch, den Söhnen und Töchtern der griechisch-katholischen Kirche, die ihr seit drei Jahrhunderten mit manchmal unerhörten Opfern euren Glauben an die Einheit bezeugt, meine Hochachtung zu bezeigen. Ich komme zu euch, um die Dankbarkeit der katholischen Kirche zum Ausdruck zu bringen. Und nicht nur ihre: Der ganzen christlichen Ökumene, allen Menschen guten Willens habt ihr Zeugnis gegeben für die Wahrheit, die frei macht.

Von dieser Kathedrale aus kann ich nicht anders als in Gedanken auch nach Blaj [Blasendorf in Siebenbürgen] zu gehen. Im Geist küsse ich jenes Land des Martyriums und mache mir die bewegten Worte des großen Dichters Mihai Eminescu zu eigen, die sich darauf beziehen: »Ich danke dir, o Gott, daß du mir geholfen hast, es sehen zu können.« Dem geliebten Bruder Lucian Muresan, Metropolit eurer rumänischen griechisch-katholischen Kirche, den Bischöfen, Priestern, Diakonen, Ordensleuten und allen Gläubigen gilt in dieser heiligen Feier mein herzlicher Gruß.

3. Im Lauf eurer Geschichte haben sich verschiedene Lebensströme des Christentums - der lateinische, der konstantinopolitanische und der slawische - zu dem eurem Volk eigenen Genius verschmolzen. Wie bei den Geschwistern der rumänischen orthodoxen Kirche wurde dieses kostbare religiöse Erbe von euren östlichen Gemeinschaften bewahrt.

Eure Väter wollten die sichtbare Einheit mit der Kirche Roms wiederherstellen. In der Clausula unionis bekräftigten sie unter anderem: »Wir Obengenannten haben uns vereinigt mit unserer ganzen Tradition: Die kirchlichen Riten, die Göttliche Liturgie, das Fasten und unser Kalender sollen unangetastet erhalten bleiben.« Seit jener Union sind es fast dreihundert Jahre. Ich erachte es als providentiell und bedeutungsvoll, daß die Dreihundertjahrfeiern mit dem Großen Jubiläum des Jahres 2000 zusammentreffen.

Jene Union trug das Echo von Jahrhunderten der Geschichte und Kultur des rumänischen Volkes mit sich. Zu dieser Geschichte und Kultur leistete auch gerade jene Union einen Beitrag von großer Bedeutung. Das zeigt die Schule, die in jenem Blaj entstand, das selbst Eminescu nicht von ungefähr als »kleines Rom« bezeichnete. Ihr setzt euch ein, liebe Brüder und Schwestern der griechisch katholischen Kirche, für die Treue zu eurer Geschichte und Tradition. Gestalten wie Teofilo Szeremi und Anghel Atanasio Popa, die ihre kulturelle Identität tapfer gegen jeden verteidigt haben, der sie anzugreifen suchte, zeigen, wie Katholischsein und nationale Kultur nicht nur miteinander leben, sondern sich auch gegenseitig befruchten können, wenn sie sich dazu noch für eine Universalität öffnen, welche die Horizonte erweitert und Verschlossenheit und Rückzug in sich selbst verhindern hilft. Zu Füßen der prächtigen Ikonostase eurer Kathedrale haben schließlich die irdischen Reste des verehrten Bischofs Inochentie Micu Klein ihren Ruheort gefunden. Auch er war ein Mensch, der seinen katholischen Glauben, fest verbunden mit seiner rumänischen Identität, liebte und hochherzig und mutig verteidigte. Ein Beweis für diese fruchtbare Synthese ist die Tatsache, daß in eurer Kirche die schöne rumänische Sprache in die Liturgie Eingang fand und daß die griechisch-katholischen Rumänen viel für die intellektuelle Erneuerung und das Wiedererstarken der nationalen Identität getan haben.

4. Dieses Erbe fand auch reichlich Nahrung in den Schätzen der Liturgie und der byzantinischen Tradition, die ihr mit den Geschwistern der orthodoxen Kirche gemeinsam habt. Ihr seid berufen, dieses Erbe wieder lebendig werden zu lassen und, wo notwendig, es wieder instand zu setzen. Inspiriert euch dabei an dem Empfinden derer, welche die Union mit Rom gewollt haben, und an dem, was die katholische Kirche sich von euch erwartet. Die Treue zu eurer Tradition, so reich in ihrer Zusammensetzung, muß heute, da euch neue Freiheitsräume gegeben sind, ständig erneuert werden, damit eure Kirche in der Rückkehr zu ihren Wurzeln und in der Offenheit für den Ruf des Geistes immer mehr sie selbst sein und gerade auf Grund dieser vielseitigen Identität zum Wachsen der Universalkirche beitragen kann.

Es erwartet euch eine begeisternde Aufgabe, nämlich: die Hoffnung neu beleben in den Herzen der Gläubigen eurer Kirche, die wieder ersteht. Schenkt den Laien Raum und Aufmerksamkeit, besonders den Jugendlichen, die ja die Zukunft der Kirche sind. Lehrt sie, Christus im liturgischen Gebet zu begegnen, das nach den Zwängen des Untergrunddaseins wieder in Schönheit und Feierlichkeit hergestellt ist; ihm zu begegnen in der eifrigen Betrachtung der Heiligen Schrift, in Anlehnung an die Väter, Theologen und Mystiker. Erzieht die Jugendlichen auf schwierige Ziele hin, wie es Nachkommen von Martyrern ziemt. Lehrt sie, die leichtfertigen Täuschungen des Konsumdenkens zurückzuweisen; in ihrem Land zu bleiben, um gemeinsam eine glückliche, friedliche Zukunft aufzubauen; sich für Europa und die Welt zu öffnen; den Armen zu dienen, die das Bild Christi sind; sich als Christen auf ihre Berufsaufgabe vorzubereiten, um in die bürgerliche Gesellschaft Redlichkeit und Solidarität einzubringen; der Politik nicht mißtrauisch gegenüberzustehen, sondern sich daran zu beteiligen in jenem Geist des Dienstes, den sie besonders nötig hat.

Arbeitet für eine Qualifizierung der theologischen Unterweisung, in dem Bewußtsein, daß die zukünftigen Priester die Führungskräfte sind, welche die Gemeinden ins neue Jahrtausend leiten. Macht gemeinsame Anstrengungen, bildet die Dozenten und die Erzieher aus und verwurzelt sie in eurer besonderen Identität und zugleich im universalen Atem der Kirche. Tragt Sorge für das Ordensleben und wirkt für das Wiedererstehen des Mönchtums, das so eng mit dem Wesen der Ostkirchen verbunden ist.

5. »Vor allem aber liebt einander« (Kol 3,14), sagt der hl. Paulus. Noch ehe euch das wirklich unschätzbare Geschenk der Freiheit und selbst das Leben genommen wurde, habt ihr darunter gelitten, daß ihr euch nicht geliebt fühltet, daß ihr zum Untergrunddasein gezwungen wart, mit schmerzlicher Isolierung vom nationalen und internationalen Leben. Vor allem wurde den Beziehungen zu den Brüdern und Schwestern der orthodoxen Kirche eine schmerzende Wunde beigebracht, obgleich ihr mit vielen von ihnen die Leiden wegen des Zeugnisses für Christus in der Zeit der Verfolgung geteilt habt. Wenn auch die Gemeinschaft zwischen Orthodoxen und Katholiken noch nicht vollständig ist, so glaube ich doch, »daß sie darin schon vollkommen ist, was wir alle als den Gipfel des Gnadenlebens betrachten, den Märtyrertod, die intensivste Gemeinschaft, die es mit Christus geben kann, der sein Blut vergießt und durch dieses Opfer jene, die einst in der Ferne waren, in die Nähe kommen läßt (vgl. Eph 2,13)« (Ut unum sint, 84).

Diese Tage sind für die Christen Tage der Vergebung und der Versöhnung. Ohne dieses Zeugnis wird die Welt nicht glauben: Wie können wir glaubhaft von Gott sprechen, der die Liebe ist, wenn es keinen Waffenstillstand für das Gegeneinanderstehen gibt? Heilt die Wunden der Vergangenheit durch die Liebe. Das gemeinsame Leiden soll keine Trennung verursachen, sondern das Wunder der Versöhnung wecken. Ist das nicht das Wunder, das die Welt sich von den Gläubigen erwartet? Auch ihr, liebe Brüder und Schwestern, seid berufen, nach den Weisungen des II. Vatikanischen Konzils und des kirchlichen Lehramts euren wertvollen Beitrag zum ökumenischen Dialog in der Wahrheit und in der Liebe zu leisten.

6. Ich komme eben vom katholischen Friedhof dieser Stadt. An den Gräbern der wenigen bekannten Märtyrer und der vielen, deren sterblichen Resten nicht einmal die Ehre eines christlichen Begräbnisses zuteil wurde, habe ich für euch alle gebetet. Und ich habe eure Märtyrer und die Bekenner des Glaubens angerufen, daß sie für euch beim Vater im Himmel Fürsprache einlegen. Insbesondere habe ich die Bischöfe angerufen, daß sie vom Himmel aus weiterhin eure Hirten sein mögen: Vasile Aftenie und Ioan Balan, Valeriu Traian Frentiu, Ioan Suciu, Tit Liviu Chinezu, Alexandru Rusu. Am Anfang eures Martyrologiums steht geistigerweise die Konzelebration dieser Bischöfe, deren Blut sich vermischt hat mit dem des eucharistischen Opfers, das sie täglich gefeiert hatten. Ich habe auch Kardinal Iuliu Hossu angerufen, der es vorzog, bis zum Tod bei den Seinen zu bleiben, und der darauf verzichtete, nach Rom überzusiedeln, um vom Papst das Kardinalsbirett zu empfangen, weil das bedeutet hätte, sein geliebtes Land zurückzulassen.

Auf eurem Weg zu Christus, der Quelle wahrer Freiheit, begleiten sie euch, zusammen mit Maria, der heiligen Gottesmutter. Ihr vertraue ich euch an mit den Worten des Liedes, das ihr in der Verfolgung vertrauensvoll an sie gerichtet habt: »Laß uns nicht, Mutter, erschöpft auf dem Weg zurück; wir sind ja die Kinder deiner Tränen.«

 



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