ANSPRACHE VON PAPST JOHANNES PAUL II.
AN DIE BISCHÖFE AUS ÖSTERREICH ANLÄSSLICH IHRES
"AD-LIMINA"-BESUCHES
Dienstag, 6. Juli 1982
Verehrte, liebe Mitbrüder!
1. Es ist mir ein besonderes Anliegen, die Bischöfe eines Landes oder einer Region während ihres ad-limina-Besuches auch gemeinsam zu empfangen. Trotz der Eigenverantwortung eines jeden Bischofs für seine Diözese verbindet alle Bischöfe der Kirche - unabhängig von den jeweiligen konkreten seelsorglichen Fragen und Schwierigkeiten - der ihnen von Christus anvertraute gemeinsame Auftrag, seine Heilssendung im Volk Gottes und in der Welt fortzusetzen und für die Menschen unserer Zeit fruchtbar zu machen.
Im Geist dieser kollegialen bischöflichen Verbundenheit und gemeinsamen pastoralen Verantwortung grüße ich heute Euch, die Oberhirten von Österreich, von Herzen zu dieser brüderlichen Begegnung im Vatikan. Ich grüße besonders den hochwürdigsten Herrn Erzbischof von Wien und Präsidenten der Österreichischen Bischofskonferenz, Kardinal Franz König, sowie die Bischöfe von Innsbruck, Linz und Klagenfurt, die erst vor kurzer Zeit mit der Bürde des Bischofsamtes betraut worden sind.
Euch alle heiße ich mit großer Freude zu Eurem ad-limina-Besuch willkommen und bekunde Euch zugleich meine innige Verbundenheit mit den Diözesen und mit der ganzen Kirche in Österreich, die Ihr hier als deren Oberhirten vertretet. Erst kürzlich hatte ich Gelegenheit, mich in einer kurzen Grußbotschaft unmittelbar an alle Glaubensbrüder und -schwestern in Eurem Land zu wenden und sie zu dem Jahr der religiösen Erneuerung zu ermutigen, mit dem Ihr Euch auf die Feier des Österreichischen Katholikentages im September 1983 geistig vorbereiten wollt. ”Hoffnung leben und Hoffnung geben“ ist das anspruchsvolle Leitwort Eurer gemeinsamen Vorbereitungsarbeit und der abschließenden großen Glaubensfeier, an der ich, so Gott will, Eurer freundlichen Einladung entsprechend gern auch persönlich teilnehmen werde.
2. ”Hoffnung leben und Hoffnung geben“ kann uns auch heute als Leitwort dienen, da wir uns bei dieser kurzen Begegnung anläßlich Eures ad-limina-Besuches neu auf unseren pastoralen Auftrag inmitten des Volkes Gottes besinnen. Über den vielfältigen Pflichten und Aufgaben Eures bischöflichen Amtes, über allen Sorgen und Schwierigkeiten, die mit der täglichen treuen Arbeit im Weinberg des Herrn unvermeidlich verbunden sind, muß vor allem die Hoffnung stehen. Euer Besuch und betendes Verweilen bei den Gräbern der Apostel in der Ewigen Stadt und unser brüderliches Gespräch sollen hauptsächlich dazu dienen, uns gegenseitig wieder neu darin zu bestärken. Ohne Hoffnung wären wir nicht nur unglückliche und beklageswerte Menschen, unser ganzes seelsorgliches Wirken würde unfruchtbar; wir würden überhaupt nichts mehr zu unternehmen wagen. In der Unbeugsamkeit unserer Hoffnung liegt das Geheimnis unserer Sendung. Sie ist stärker als die wiederholten Enttäuschungen und ermüdenden Zweifel, denn sie schöpft ihre Kraft aus einer Quelle, die weder unsere Unachtsamkeit noch unsere Nachlässigkeit zum Versiegen bringen können. Die Quelle unserer Hoffnung ist Gott selber, der durch Christus für uns die Welt ein für allemal überwunden hat und heute durch uns seine Heilssendung unter den Menschen fortsetzt.
3. ”Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt“ (1 Petr. 3, 15), so ermahnt uns der hl. Petrus. Unser Zeugnis für die Hoffnung ist auf das engste verbunden mit der mutigen und unverkürzten Verkündigung der Frohen Botschaft Christi und der Entschlossenheit, mit der wir unser eigenes Leben aus dem Glauben gestalten und uns für christliche Brüderlichkeit unter den Menschen und für Gerechtigkeit und Frieden in der Gesellschaft einsetzen. Wir bezeugen unsere Hoffnung, die auf dem Glauben gründet, am wirksamsten dadurch, daß wir sie selber den anderen vorleben. Wir vermitteln sie am besten an die vielen verzagten, mut- und hoffnungslosen Mitmenschen unter uns, indem wir sie durch unsere Taten, durch unseren Einsatz für sie, durch die Verteidigung ihrer Menschenrechte und ihrer Menschenwürde Hoffnung, Lebenssinn und menschliche Erfüllung konkret erfahren lassen.
Das II. Vatikanische Konzil ermahnt insbesondere die Priester,” vor ihren Gläubigen . . . ein Zeichen unerschütterlicher Hoffnung (zu geben), damit sie die, die in irgendwelcher Bedrängnis leben, trösten können durch die Ermutigung, mit der auch sie von Gott ermutigt werden“ (Presbyterorum Ordinis, 4). Nehmt deshalb, liebe Mitbrüder, dieses Jahr der Vorbereitung auf Euren Österreichischen Katholikentag zum Anlaß, zuallererst bei Euch selber, bei den Priestern und deren Mitarbeitern in der Seelsorge die Tugend der Hoffnung neu zu wecken und sie im täglichen pastoralen Dienst in den Gemeinden, in den Familien und am einzelnen Mitmenschen konkret zu üben.
4. ”Hoffnung leben und Hoffnung geben“ - Zunächst selber die christliche Hoffnung beispielhaft verwirklichen, um sie dann anderen mitteilen zu können. Dieser Leitgedanke Eures Katholikentages eignet sich vorzüglich auch für ein längerfristiges Pastoralprogramm in Euren Diözesen und Pfarreien wie auch, auf der Ebene der Bischofskonferenz, in der ganzen Kirche Eures Landes. Er zielt nicht nur auf eine Vertiefung und Erneuerung des persönlichen religiösen Lebens, sondern ruft zugleich auf zu einem verstärkten missionarischen Einsatz der Gläubigen in der Kirche und in der Gesellschaft. Es ist hier nicht die Gelegenheit, um einen solchen Pastoralplan im einzelnen vor Euch näher zu erläutern und zu entfalten. Es wird Eure eigene Aufgabe sein, liebe Mitbrüder, aus Eurem Aufruf zum Katholikentag einzeln und gemeinsam - das heißt in kollegialer pastoraler Verantwortung und Zusammenarbeit - die konkreten Schlußfolgerungen für Eure künftige Seelsorgsarbeit zu ziehen. Worauf es mir bei dieser kurzen Begegnung anläßlich Eures ad-limina-Besuches vor allem ankommt, ist dies, Euch nachdrücklich darin zu ermutigen, selber die Hoffnung zum Prinzip und zur Seele Eures ganzen pastoralen Handelns zu machen und sie durch gemeinsame seelsorgliche Anstrengungen über den Katholikentag hinaus auch all Euren Priestern und durch sie den Gläubigen weiterzuvermitteln. Welch pfingstlicher Neuaufbruch könnte in allen Bereichen des kirchlichen Lebens erfolgen, wenn der Geist der Hoffnung in allen Christen wieder voll lebendig und wirksam würde! Resignation und Kleinmut wären verschwunden! Die Tugend der Hoffnung eröffnet uns neu den Zugang zur übernatürlichen, endzeitliche Dimension unseres Glaubens. Sie überwindet zugleich den Geist der Säkularisation, der Verabsolutierung der jetzigen Welt, welcher gerade heute das menschliche Zusammenleben und auch das Glaubensbewußtsein der Christen so bedroht.
5. Die christliche Hoffnung führt uns über die Enge und Begrenztheit des rein Faktischen des Augenblicks hinaus und verweist uns in die unermeßliche Weite des Zukünftigen, des Unsichtbaren, Ewigen, auf Gottes Verheißung endzeitlicher Vollendung. Indem sie sich auf die Erlösung gründet, die in Christus bereits geschehen ist, bezieht sie sich jedoch auf eine Zukunft, die schon begonnen hat. Die Hoffnung des Christen hat den Besitz jener Heilsgüter zum Inhalt und Ziel, die zum Reich Gottes gehören und die - wie dieses - schon gegenwärtig und zugleich noch zukünftig sind. Deshalb sagt der hl. Paulus im Römerbrief: ”An die Hoffnung ist unsere Rettung gebunden“ (Rom. 8, 24). Der Christ hofft noch auf die Vollendung des Reiches Gottes, die Wiederkunft Christi, die Auferstehung und das ewige Leben; er offt auf die Teilnahme an der Herrlichkeit Christi und an den verheißenen Heilsgütern, deren Größe und Schönheit noch kein menschliches Auge gesehen und von denen noch kein menschliches Ohr Kunde erhalten hat.
Die christliche Hoffnung, die uns diese in die Zukunft weisende, endzeitliche Heilsdimension unseres Christseins eröffnet, wird für den Christen zur unversiegbaren Quelle der Freude, des Freimuts, der Kraft und der Zuversicht - auch und gerade für den Dienst am Mitmenschen in der Kirche und in der Welt von heute. Zusammen mit dem Glauben und der Liebe, mit denen sie eng verbunden ist, bildet die Hoffnung das innere Leben des Christen, die Seele, die sein apostolisches Wirken zutiefst prägt und ihm Fruchtbarkeit verleiht. Sie gibt dem Einsatz des Christen für Fortschritt und Wohlfahrt unter den Menschen und Völkern, seinen Kampf gegen Ungerechtigkeit, Unterdrückung und alle Formen der Unfreiheit in der Welt die spezifisch christliche Dimension und Tiefe.
6. Erneuerung der Hoffnung bedeutet also zugleich Erneuerung des ganzen christlichen Lebens wie auch Erneuerung des missionarischen Einsatzes für den Menschen und die Errichtung des Reiches Gottes in der Welt. Da diese Tugend jedoch, wie ich in meiner schon erwähnten Grußbotschaft an die österreichischen Katholiken hervorgehoben habe, zutiefst ein Geschenk ist, muß sie vor allem durch persönliche Besinnung und Umkehr, durch eine ständige Glaubenserneuerung und gelebte Gottes- und Nächstenliebe immer wieder neu von Gott erbeten und erwirkt werden. Eure vordringliche Aufgabe als Hirten des Volkes Gottes ist es, den Priestern und durch sie den Gläubigen durch eine zeitgemäße Verkündigung des Gotteswortes, durch eingehende katechetische Unterweisung, durch eine Verlebendigung der Sakramentenpastoral, durch intensive Betreuung der Familien und eine beständige Erwachsenenkatechese dazu alle dienlichen Wege und Hilfsmittel zu erschließen.
Es geht nicht so sehr darum, etwas Neues zu erfinden und zu tun, sondern darum, das Gewohnte und bereits Bewährte in einem neuen Geist, eben im Geist der Hoffnung, zu tun und diesen den anderen mitzuteilen. Gebt, liebe Mitbrüder, Hoffnung, Mut und Zuversicht vor allem Euren engsten Mitarbeitern, den Priestern und Ordensleuten. Im Vertrauen auf Gottes unwandelbare Treue werden sie ihre eigenen heiligen Versprechen und Verpflichtungen um so fruchtbarer zu machen wissen für ihren Heilsdienst an den Mitmenschen. Gebt den Eheleuten und Familien wieder neuen Mut zum Leben und zum Schutz der Würde des Menschen in allen Phasen seiner Existenz. Vermittelt neue Hoffnung insbesondere der Jugend, damit sie sich mitverantwortlich fühlt für die Zukunft der Kirche und des Volkes. Ermutigt die jungen Männer und Frauen, im Geist der Hoffnung ihr Leben auch ganz für Christus zu wagen, seinem Ruf zum Priestertum oder Ordensstand entschlossen zu folgen oder ihm auch als Laien im apostolischen Auftrag der Kirche mit Hingabe zu dienen. Gerade die Jugend ist die Hoffnung der Welt von morgen. Deshalb richtet sich auf sie auch weltweit die Aufmerksamkeit, wenn 1985 unter der verantwortlichen Planung der Vereinten Nationen in Wien das Internationale Jahr der Jugend begangen wird. Gewiß wird die katholische Kirche in Österreich ihre Möglichkeiten nutzen, daß dem Geist des Evangeliums bei seiner Durchführung der ihm gebührende Raum gegeben wird und möglichst viele Jugendliche die Freude aus Gott erfahren können. Unterstütz sodann auch weiterhin alle hochherzigen Initiativen in Eurem Land, durch die Eure Landsleute, besonders auch die katholischen Organisationen notleidenden Mitmenschen, Unterdrückten und Verfolgten in aller Welt in Wort und Tat großzügig Beistand leisten. Durch dieses konkrete Zeugnis weltweiter christlicher Solidarität erfahren die geprüften Brüder und Schwestern nicht nur Linderung in ihrer leiblichen Not, sondern werden zugleich auch in ihrer Hoffnung und in ihrem Eintreten für jene höheren unveräußerlichen Werte und Rechte bestärkt, die den wahren Adel des Menschen begründen und deren Wahrung und Verwirklichung allein ein menschenwürdiges Zusammenleben der Menschen und Völker gewährleisten.
7. ”Hoffnung leben und Hoffnung geben“. Nur wenn wir Christen zuerst selber durch ein überzeugtes Leben in Glauben, Hoffnung und Liebe alle Lebensangst, Resignation und Gleichgültigkeit überwunden haben, können wir auch für andere Menschen in den vielfältigen Verwirrungen und Bedrohungen unserer Zeit zu wirklichen Boten und Vermittlern von Hoffnung werden, und zwar nicht nur auf eine bessere Welt von morgen, sondern vor allem auf das von Gott in Christus allen Menschen angebotene Heil, das alles erstrebenswerte irdische Glück unendlich übersteigt.
Möge die Vorbereitung und Durchführung des bevorstehenden Österreichischen Katholikentages die pastorale Arbeit in Euren Diözesen und Pfarreien und das religiöse Leben in Eurem Land im Geist der Hoffnung tiefgreifend erneuern und dadurch die Kirche für die Menschen unserer Zeit immer mehr zur”unzerstörbaren Keimzelle der Einheit, der Offnung und des Heils“ (Lumen Gentium, 9) werden. Dafür erfülle Euch, die verdienten Oberhirten sowie alle Gläubigen in Österreich” der Gott der Hoffnung . . . durch den Glauben mit aller Freude und mit allem Frieden, damit ihr reich werdet an Hoffnung in der Kraft des Heiligen Geistes“ (Rom. 15, 13). Das erbitte ich Euch von Herzen mit meinem besonderen Apostolischen Segen.
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