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LEO XIV.

GENERALAUDIENZ

Petersplatz
Mittwoch, 5. November 2025

[Multimedia]

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Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!
Seid herzlich willkommen!

Das Pascha Jesu ist kein Ereignis, das einer fernen Vergangenheit angehört und nunmehr zum festen Bestandteil der Überlieferung geworden ist, wie viele andere Episoden der Menschheitsgeschichte. Die Kirche lehrt uns, der Auferstehung zu gedenken, indem wir sie uns vergegenwärtigen, jedes Jahr am Ostersonntag und jeden Tag in der Eucharistiefeier, in der sich die Verheißung des auferstandenen Herrn in ganzer Fülle verwirklicht: »Siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt« (Mt  28,20).

Darum stellt das Ostergeheimnis den Angelpunkt des Lebens des Christen dar, um den sich alle anderen Ereignisse drehen. Wir können daher ohne jegliche Irenik oder Sentimentalität sagen, dass jeden Tag Ostern ist. Inwiefern?

Wir machen Stunde für Stunde viele verschiedene Erfahrungen: Schmerz, Leid, Traurigkeit, verknüpft mit Freude, Staunen, innerer Ruhe. Aber durch jede Situation hindurch sehnt sich das menschliche Herz nach Fülle, nach tiefer Glückseligkeit. Eine große Philosophin des 20. Jahrhunderts, die heilige Teresia Benedicta vom Kreuz, mit bürgerlichem Namen Edith Stein, die tief in das Geheimnis des Menschen eingedrungen ist, führt uns diese Dynamik der beständigen Suche nach Vollendung vor Augen. Sie schreibt: »Der Mensch verlangt nach dem immer neuen Beschenktwerden mit dem Sein, um das ausschöpfen zu können, was der Augenblick ihm zugleich gibt und nimmt« (Endliches und ewiges Sein. Versuch eines Aufstiegs zum Sinn des Seins, Edith Stein Gesamtausgabe 11/12, Freiburg i.Br. 2006, S. 479). Wir sind in das Begrenzte eingebettet, aber wir sind auch darauf ausgerichtet, es zu überwinden.

Die Osterbotschaft ist die schönste, freudigste und erschütterndste Nachricht, die im Laufe der Geschichte jemals erklungen ist. Sie ist das »Evangelium« schlechthin, das den Sieg der Liebe über die Sünde und den Sieg des Lebens über den Tod bezeugt, und darum ist nur sie allein in der Lage, das Verlangen nach Sinn zu sättigen, das unseren Verstand und unser Herz beunruhigt. Der Mensch ist von einer inneren Regung beseelt, auf ein Jenseits ausgerichtet, das ihn beständig anzieht. Keine nebensächliche Wirklichkeit befriedigt ihn. Wir streben nach dem Unendlichen und dem Ewigen. Das steht im Gegensatz zur Erfahrung des Todes, die von den Leiden, den Verlusten, dem Scheitern vorausgenommen wird. Dem Tod »kann kein Mensch lebend entrinnen«, singt der heilige Franziskus (vgl. Sonnengesang).

Alles verändert sich dank jenes Morgens, an dem die Frauen, die sich zum Grab begeben haben, um den Leib des Herrn zu salben, es leer vorfinden. Die an die Sterndeuter, die aus dem Osten nach Jerusalem gekommen waren, gerichtete Frage: »Wo ist der neugeborene König der Juden?« (Mt 2,2), findet ihre endgültige Antwort in den Worten des geheimnisvollen jungen Mannes, der mit einem weißen Gewand bekleidet ist und am frühen Ostermorgen zu den Frauen spricht: »Ihr sucht Jesus von Nazaret, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden; er ist nicht hier« (Mk 16.6).

Von jenem Morgen bis heute wird Jesus jeden Tag auch diesen Titel tragen: der Lebendige, wie er selbst sich in der Offenbarung vorstellt: »Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, doch siehe, ich lebe in alle Ewigkeit« (Offb 1,17-18). Und in ihm haben wir die Sicherheit, immer den Leitstern zu finden, auf den wir unser Leben ausrichten können, das chaotisch erscheint, geprägt von Tatsachen, die uns oft verwirrend, unannehmbar, unverständlich vorkommen: das Böse in seinen zahlreichen Facetten, das Leiden, der Tod, Ereignisse, die alle und jeden betreffen. Wenn wir über das Geheimnis der Auferstehung nachdenken, finden wir die Antwort auf unseren Durst nach Sinn.

Angesichts unserer schwachen menschlichen Natur wird die Osterbotschaft zu Fürsorge und Heilung; sie nährt die Hoffnung angesichts der erschreckenden Herausforderungen, vor die uns das Leben jeden Tag stellt, auf persönlicher und planetarischer Ebene. In der österlichen Perspektive verklärt sich die »Via Crucis« zur »Via Lucis«. Wir haben das Bedürfnis, nach dem Schmerz die Freude zu kosten, über sie nachzudenken und im neuen Licht alle Etappen, die der Auferstehung vorangegangen sind, noch einmal zu durchlaufen.

Ostern löscht das Kreuz nicht aus, sondern besiegt es in dem unbegreiflichen Zweikampf, der die Menschheitsgeschichte verändert hat. Auch unsere Zeit, die von so vielen Kreuzen gezeichnet ist, ruft nach dem Morgengrauen der österlichen Hoffnung. Die Auferstehung Christi ist keine Idee, keine Theorie, sondern ein Ereignis, das dem Glauben zugrunde liegt. Er, der Auferstandene, ruft es uns durch den Heiligen Geist weiterhin in Erinnerung, damit wir auch dort seine Zeugen sein können, wo die Menschheitsgeschichte kein Licht am Horizont sieht. Die österliche Hoffnung lässt nicht zugrunde gehen. Auf dem täglichen Weg wirklich an Ostern zu glauben bedeutet, unser Leben zu revolutionieren, verwandelt zu sein, um die Welt zu verwandeln mit der sanften und mutigen Kraft der christlichen Hoffnung.

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                                                                               APPELL

Brüder und Schwestern, ich lade euch ein, euch meinem Gebet für all jene anzuschließen, die unter den bewaffneten Konflikten in verschiedenen Teilen der Welt leiden. Ich denke dabei insbesondere an Myanmar und fordere die internationale Gemeinschaft auf, die Bevölkerung Myanmars nicht zu vergessen und die notwendige humanitäre Hilfe zu leisten

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Liebe Brüder und Schwestern deutscher Sprache, das Licht der Auferstehung Christi leuchte euch in den schwierigen Situationen des Lebens. Ich wünsche euch stets die Erfahrung der lebendigen Gegenwart des Auferstandenen, der euch mit seiner Freude erfülle.