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BENEDIKT XVI.

GENERALAUDIENZ

Audienzhalle
Mittwoch, 5. Januar 2011

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Liebe Brüder und Schwestern!

Ich freue mich, euch zu dieser ersten Generalaudienz des neuen Jahres zu empfangen und entbiete euch und euren Familien aufrichtige gute Wünsche. Der Herr der Zeit und der Geschichte möge unsere Schritte auf dem Weg des Guten leiten und gewähre einem jeden überreichen Segen und Wohlergehen. Noch umgeben vom Licht des heiligen Weihnachtsfestes, das uns zur Freude über das Kommen des Herrn einlädt, stehen wir heute am Vortag der Epiphanie, an der wir die Erscheinung des Herrn vor allen Völkern feiern. Das Weihnachtsfest zieht uns heute wie eh  und je an, mehr als andere große Feste der Kirche; es zieht uns an, weil alle irgendwie spüren, daß die Geburt Jesu mit den tiefsten Wünschen und Hoffnungen des Menschen zu tun hat. Das Konsumdenken kann von dieser inneren Sehnsucht ablenken, aber wenn im Herzen der Wunsch besteht, jenes Kind anzunehmen, das die Neuheit Gottes bringt, der gekommen ist, um uns das Leben in Fülle zu schenken, dann können die Lichter des Weihnachtsschmucks vielmehr zu einem Widerschein des Lichts werden, das durch die Menschwerdung Gottes entzündet wurde.

In den liturgischen Feiern dieser heiligen Tage haben wir in geheimnisvoller, aber realer Weise den Eintritt des Sohnes Gottes in die Welt erlebt und sind erneut vom Licht seines Glanzes erleuchtet worden. Jede Feier ist die aktuelle Gegenwart des Geheimnisses Christi, und in ihr setzt sich die Heilsgeschichte fort. In bezug auf Weihnachten sagt der heilige Papst Leo der Große: »Auch wenn die Aufeinanderfolge der leiblichen Handlungen jetzt vorüber ist, wie es im ewigen Plan im voraus bestimmt wurde…, so verehren wir dennoch ohne Unterlaß die Jungfrauengeburt, die unser Heil hervorbringt« (Predigt auf Weihnachten 29,2). Und er erläutert: »Denn jener Tag ist nicht so vergangen, daß auch die Kraft des Werkes vergangen wäre, die damals offenbart wurde« (Predigt auf Epiphanie, 36,1). Die Ereignisse der Menschwerdung des Sohnes Gottes zu feiern ist nicht nur einfach eine Erinnerung an Tatsachen der Vergangenheit, sondern eine Vergegenwärtigung der heilbringenden Geheimnisse. In der Liturgie, in der Feier der Sakramente werden diese Geheimnisse vergegenwärtigt und für uns heute wirksam. Der hl. Leo der Große sagt auch: »Alles, was der Sohn Gottes tat und lehrte, um die Welt zu versöhnen, kennen wir nicht nur durch den Bericht von Taten, die in der Vergangenheit durchgeführt wurden, sondern wir stehen unter der Wirkung der Dynamik dieser gegenwärtigen Taten« (Predigt 52,1).

In der Konstitution über die heilige Liturgie hebt das Zweite Vatikanische Konzil hervor, daß das von Christus gewirkte Heilswerk in der Kirche durch die Feier der heiligen Geheimnisse dank des Wirkens des Heiligen Geistes fortgesetzt wird. Bereits im Alten Testament, auf dem Weg zur Fülle des Glaubens, haben wir Zeugnisse davon, daß die Gegenwart und das Wirken Gottes durch Zeichen vermittelt werden, zum Beispiel durch das Zeichen des Feuers (vgl. Ex 3,2ff.; 19,18). Doch von der Menschwerdung an geschieht etwas Erschütterndes: Die Ordnung der heilbringenden Berührung mit Gott verwandelt sich grundlegend, und das Fleisch wird zum Heilswerkzeug: »Verbum caro factum est«, »das Wort ist Fleisch geworden«, schreibt der Evangelist Johannes, und ein christlicher Autor des 3. Jahrhunderts, Tertullian, sagt: »Caro salutis est cardo«, »das Fleisch ist der Angelpunkt des Heils« (De carnis resurrectione, 8,3: PL 2,806).

Weihnachten ist bereits die Erstlingsfrucht des »sacramentum-mysterium paschale«, also der Beginn des zentralen Heilsgeheimnisses, das im Leiden, im Tod und in der Auferstehung seinen Höhepunkt hat, denn Jesus beginnt seine Selbsthingabe aus Liebe vom ersten Augenblick seines menschlichen Lebens im Schoß der Jungfrau Maria an. Die Weihnachtsnacht ist daher zutiefst mit der großen Nachtwache von Ostern verbunden, wenn die Erlösung im glorreichen Opfer des gestorbenen und auferstandenen Herrn vollbracht wird. Die Krippe selbst, als Bild der Fleischwerdung des Wortes, spielt im Licht des Evangeliumsberichtes bereits auf Ostern an, und es ist interessant zu sehen, daß in einigen Weihnachtsikonen in der östlichen Überlieferung das Jesuskind in Windeln gewickelt und in einer Krippe dargestellt ist, die die Form eines Grabes hat: eine Anspielung auf den Augenblick, in dem er vom Kreuz genommen, in ein Leinentuch gehüllt und in ein Felsengrab gelegt werden wird (vgl. Lk 2,7; 23,53). Menschwerdung und Ostern stehen nicht nebeneinander, sondern sind zwei untrennbare Schlüsselpunkte des einen Glaubens an Jesus Christus, den menschgewordenen Sohn Gottes und Erlöser. Kreuz und Auferstehung setzen die Menschwerdung voraus. Nur weil der Sohn und in ihm Gott selbst »herabgestiegen« und »Fleisch geworden« ist, sind der Tod und die Auferstehung Jesu Ereignisse, die in unsere Zeit gehören und uns betreffen, die uns dem Tod entreißen und uns auf eine Zukunft hin öffnen, in der dieses »Fleisch«, die irdische und vergängliche Existenz, in die Ewigkeit Gottes eingehen wird. In dieser einheitlichen Sicht des Geheimnisses Christi richtet der Besuch bei der Krippe auf den Besuch der Eucharistie aus, wo wir dem gekreuzigten und auferstandenen Christus, dem lebendigen Christus, als wirklich gegenwärtig begegnen.

Die liturgische Feier des Weihnachtsfestes ist also nicht nur Erinnerung, sondern sie ist vor allem Geheimnis; sie ist nicht nur Gedenken, sondern auch Gegenwart. Um den Sinn dieser beiden untrennbaren Aspekte zu erfassen, muß man die ganze Weihnachtszeit intensiv leben, so wie die Kirche sie uns darbietet. Wenn wir sie in einem weiten Sinn betrachten, erstreckt sie sich über 40 Tage, vom 25. Dezember bis zum 2. Februar, von der Feier der Weihnachtsnacht zur Mutterschaft Mariens, zur Erscheinung des Herrn, zur Taufe Jesu, zur Hochzeit von Kana, zur Darstellung des Herrn, gerade in Analogie zur Osterzeit, die bis zum Pfingstfest eine Einheit von 50 Tagen bildet. Das Offenbarwerden Gottes im Fleisch ist das Ereignis, das die göttliche Wahrheit in der Geschichte offenbart hat. Das Datum des 25. Dezember, das mit der Vorstellung der Erscheinung der Sonne verbunden ist Gott erscheint als nicht vergehendes Licht am Horizont der Geschichte , erinnert uns nämlich daran, daß es sich nicht nur um eine Vorstellung handelt daß Gott die Fülle des Lichts ist , sondern um eine Wirklichkeit für uns Menschen, die bereits verwirklicht und stets aktuell ist: Heute wie damals offenbart sich Gott im Fleisch, also im »lebendigen Leib« der in der Zeit pilgernden Kirche, und in den Sakramenten schenkt er uns heute das Heil.

Die Symbole der weihnachtlichen Feiern, die durch die Lesungen und die Gebete ins Gedächtnis gerufen werden, geben der Liturgie dieser Zeit einen tiefen Sinn der »Epiphanie« Gottes in seinem Christus, dem menschgewordenen Wort, also des »Offenbarwerdens«, das auch einen eschatologischen, das heißt auf die Endzeit ausgerichteten Sinn besitzt. Bereits im Advent war das zweifache Kommen, in der Geschichte und am Ende der Geschichte, unmittelbar miteinander verbunden; aber besonders in der Epiphanie und in der Taufe Jesu wird das Offenbarwerden des Messias aus der Sicht der eschatologischen Erwartung heraus gefeiert: Die messianische Salbung Jesu, des fleischgewordenen Wortes, durch die Ausgießung des Heiligen Geistes in sichtbarer Form bringt die Zeit der Verheißungen zur Erfüllung und eröffnet die Endzeit.

Die Weihnachtszeit muß von einer zu moralistischen und sentimentalen Ummantelung befreit werden. Die Feier der Weihnacht stellt uns nicht nur Vorbilder vor Augen, die es nachzuahmen gilt, wie die Demut und die Armut des Herrn, seine Güte und Liebe gegenüber den Menschen, sondern sie ist vielmehr die Einladung, uns vollkommen verwandeln zu lassen von dem, der unser Fleisch angenommen hat. Der hl. Leo der Große ruft aus: »Der Sohn Gottes … hat sich mit uns vereint und hat uns so mit sich vereint, daß der Abstieg Gottes zum menschlichen Dasein zum Aufstieg des Menschen zur Höhe Gottes wurde« (Predigt auf Weihnachten, 27,2). Das Offenbarwerden Gottes ist auf unsere Teilhabe am göttlichen Leben ausgerichtet, auf die Verwirklichung des Geheimnisses seiner Menschwerdung in uns. Dieses Geheimnis ist die Vollendung der Berufung des Menschen. Der hl. Leo der Große erläutert auch die konkrete und stets zeitgemäße Bedeutung des Weihnachtsgeheimnisses für das christliche Leben: »Die Worte des Evangeliums und der Propheten … entflammen unseren Geist und lehren uns, die Geburt des Herrn, das Geheimnis des Wortes, das Fleisch geworden ist, nicht so sehr als eine Erinnerung an ein vergangenes Ereignis zu verstehen, sondern vielmehr als eine Tatsache, die sich vor unseren Augen abspielt … Es ist, als würde uns am heutigen Hochfest noch einmal verkündet: ›Ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr‹« (Predigt auf Weihnachten, 29,1). Und er fügt hinzu: »Erkenne, o Christ, deine Würde, und zum Teilhaber an der göttlichen Natur gemacht gib acht, nicht durch unwürdiges Verhalten von dieser Größe in die einstige Niedrigkeit zurückzufallen« (Predigt auf Weihnachten, 3).

Liebe Freunde, wir wollen diese Weihnachtszeit intensiv erleben: Wenn wir den menschgewordenen und in eine Krippe gelegten Gottessohn verehrt haben, sind wir aufgerufen, uns zum Altar des Opfers zu begeben, wo sich Christus, das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist, uns als wahre Speise für das ewige Leben darbietet. Und was wir mit unseren Augen gesehen haben, am Tisch des Wortes und des Brotes des Lebens, was wir betrachtet haben, was unsere Hände berührt haben, das heißt das fleischgewordene Wort, wollen wir mit Freude der Welt verkündigen und großherzig mit unserem ganzen Leben bezeugen. Ich entbiete euch und euren Angehörigen erneut von Herzen aufrichtige gute Wünsche für das neue Jahr und wünsche euch ein gutes Fest der Erscheinung des Herrn.

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Einen herzlichen Gruß richte ich an alle Pilger und Besucher deutscher Sprache. Weihnachten offenbart uns die Liebe Gottes zu uns Menschen und zeigt uns zugleich unsere Würde als Kinder Gottes, als Familie Gottes. Nehmen wir also das Angebot seiner Liebe an, leben wir in Gemeinschaft mit ihm und so in einer tieferen Gemeinschaft auch untereinander. Der Herr schenke euch allen seinen Segen und ein gutes neues Jahr.

 

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