ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN DEN NEUEN BOTSCHAFTER DES KÖNIGREICHS NEPAL
BEIM HL. STUHL, MADAN KUMAR BHATTARAI*
Donnerstag, 1. Dezember 2005
Herr Botschafter!
Ich heiße Sie herzlich willkommen und nehme das Beglaubigungsschreiben entgegen, mit dem Sie zum außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafter des Königreichs Nepal beim Heiligen Stuhl ernannt werden. Ich danke Seiner Majestät König Gyanendra Bir Bikram Shah für seine Grüße und guten Wünsche, die Sie mir übermittelt haben und bitte Sie, im Gegenzug zu seiner freundlichen Geste ihm, seiner Regierung und der Bevölkerung Nepals meine Hochachtung auszudrücken und alle meines Gebetes für das Wohlergehen und Gedeihen Ihrer Nation zu versichern.
Ihr Land und den Heiligen Stuhl verbindet eine freundschaftliche Zusammenarbeit, die durch die gemeinsame Verpflichtung zum Einsatz für den Frieden und die Sicherheit unter den Völkern auf jeder Gesellschaftsebene noch verstärkt werden. In diese gemeinsame Aufgabe sind alle Männer und Frauen guten Willens einbezogen, wobei das Ziel die Unterstützung und Förderung der internationalen Solidarität ist, ohne die es keinen wahren Frieden geben kann. Sowohl Arme als auch Reiche haben das Recht, an den materiellen Gütern der Erde Anteil zu haben und die Arbeitsfähigkeit, die Gott ihnen geschenkt hat, zur Anwendung zu bringen. Mein ehrwürdiger Vorgänger, Papst Johannes Paul II., lehrte, daß wir die ernste Verpflichtung haben, eine Welt zu schaffen, in der es mehr Gerechtigkeit und Wohlstand für alle Menschen gibt. In seiner Enzyklika »Centesimus annus« sagte er: »Die Hebung der Armen ist eine große Gelegenheit für das sittliche, kulturelle und wirtschaftliche Wachstum der gesamten Menschheit« (Nr. 28).
Dieser Aufruf zu größerer Solidarität ist an die gesamte internationale Gemeinschaft gerichtet, besitzt aber für die asiatischen Länder besondere Relevanz. Wie Sie wissen, werden die einzelnen Nationen Ihres Kontinents weiterhin eng zusammenarbeiten müssen, wenn sie die durch Konflikte und Armut verursachten Schwierigkeiten überwinden wollen. Es ist unbestreitbar, daß Ihre Region mit zahlreichen Männern und Frauen gesegnet ist, die die menschlichen und geistigen Fähigkeiten besitzen, die notwendig sind, um sich den Herausforderungen unserer Zeit zu stellen. Jeder Versuch, diese Talente konstruktiv zu nutzen, trägt dazu bei, jene Zusammenarbeit zu fördern, die zur Unterstützung von Ländern, die sich in schwierigen Lagen befinden, notwendig ist. Daher bitte ich Sie dringend, auch weiterhin mit Ihren Nachbarn zusammenzuarbeiten, um sicherzustellen, daß die Probleme, die es auf dem Kontinent gibt, erfolgreich bekämpft werden können. Eine Weiterführung der internationalen Zusammenarbeit zum Zweck der Untersuchung und Beurteilung politischer und gesellschaftlicher Alternativen und der Förderung von Frieden und Versöhnung werden Ihre Region in den Augen der restlichen Welt einflußreicher machen. Sie wird außerdem zu einer intensiveren Unterstützung der ärmeren Länder und größerer Achtung ihrer staatlichen Souveränität führen.
Ferner möchte ich meine Sorge über die Gewalttaten, die von Ihrem Land einen verheerenden Tribut gefordert haben, zum Ausdruck bringen. Ich bitte inständig darum, daß alle Beteiligten jenem Blutvergießen, das der Nation noch immer so viel Leid zufügt, ein Ende setzen und statt dessen den Weg des Dialogs und der Verhandlungen einschlagen mögen. Nur er kann alle Menschen Nepals in die Lage versetzen, in Gerechtigkeit, Frieden und Eintracht zu leben. Nur durch den Dialog können wir die Konflikte und Spannungen überwinden, die sich unseren Bemühungen in den Weg stellen, eine feste Grundlage für den Frieden und das brüderliche Zusammenleben zu schaffen (vgl. Ansprache an das Diplomatische Korps, 12. Mai 2005: in O.R. dt., Nr. 20, 20.5.2005, S. 7). Die Anwendung von Gewalt muß als Mittel für politische Veränderungen stets vermieden werden, während der Aufbau gegenseitiger Verständigung und der konstruktive Gedankenaustausch jederzeit unterstützt werden sollten. Gegnerische Parteien müssen durch die Gnade der Vergebung die Hoffnung auf künftigen Frieden wecken und so das Leid der Vergangenheit auslöschen und die Tränen der Vergangenheit abwischen. Dadurch, daß wir die Größe und Würde des Menschen immer wieder betonen und die Einheit der menschlichen Familie deutlicher zu Bewußtsein bringen, können wir gemeinsam die Ursachen von Gewalt und Ungerechtigkeit ausrotten.
Ihrerseits orientiert sich die katholische Kirche mit ihrer Pflicht, dem ganzheitlichen Wohl des Menschen zu dienen, auch an dem hohen Grundsatz der Solidarität. Obgleich sie nur wenige sind, haben die Katholiken Nepals ihre Aufmerksamkeit auf die Notwendigkeit gerichtet, die Armen im Kampf gegen die Armut zu unterstützen. Die Bemühungen der Kirche sind nicht nur Ausdruck ihrer Sorge für die Benachteiligten, sondern sie veranschaulichen ihren innigen Wunsch, zusammen mit der Regierung und den Obrigkeiten für das geistige und materielle Wohl aller Bürger zu arbeiten.
Durch ihre Anwesenheit in Schulen, Waisenhäusern, Krankenhäusern und Hospitälern ist die Kirche aktiv an der Förderung der Entwicklung der Menschen in Nepal beteiligt. Ich bin zuversichtlich, daß eine weitergehende Unterstützung der gesetzlichen Gewährleistung der Religionsfreiheit den Christen erlauben wird, ihre Mission auch weiterhin zu erfüllen, die darin besteht, die Heilsbotschaft zu verkünden und sie durch konkrete Gesten der Liebe und Barmherzigkeit zu bezeugen. Die katholische Gemeinschaft bleibt den Grundsätzen des interreligiösen Dialogs verpflichtet und verspricht, immer mit den zivilen Obrigkeiten in ihren Bemühungen, diesen wichtigen Gedankenaustausch zu fördern, zusammenzuarbeiten.
Herr Botschafter, ich bin überzeugt, daß Ihre Mission die zwischen uns bestehenden Bande des Einvernehmens und der Freundschaft noch verstärken wird. Sie können sicher sein, daß der Heilige Stuhl auch in Zukunft ein engagierter Partner Nepals sein wird, in seinen Bestrebungen, die eigene Entwicklung zu fördern und eine treibende Kraft zugunsten von Stabilität und Frieden in Asien und in der größeren Staatengemeinschaft zu sein. Für Sie und das geliebte nepalesische Volk erbitte ich von Herzen reichen Segen des Friedens und der Eintracht.
*L'Osservatore Romano 2006 n. 7 p. 8.
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