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ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN HERRN ROBERT CAREY MOORE-JONES,
NEUER BOTSCHAFTER VON NEUSEELAND BEIM HL. STUHL*


Freitag, 29. Mai 2009

 

Herr Botschafter!

Ich freue mich, Sie im Vatikan willkommen zu heißen und das Beglaubigungsschreiben entgegenzunehmen, durch das Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter von Neuseeland beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden. Ich möchte Sie bitten, dem Generalgouverneur sowie Premierminister John Key und seiner Regierung zusammen mit dem ganzen Volk von Neuseeland meine besten Wünsche und die Zusicherung meines Gebets für das Wohlergehen des Landes zu übermitteln.

Der Einsatz der Kirche in der Zivilgesellschaft ist in ihrer Überzeugung verankert, daß wahrer menschlicher Fortschritt – sowohl für den Einzelnen als auch für die Gemeinschaften – von der Anerkennung der geistlichen Dimension abhängt, die jeder Person zu eigen ist. Von Gott erhalten Männer und Frauen ihre grundlegende Würde (vgl. Gen 1,27) und die Fähigkeit, über Einzelinteressen hinauszugehen, um nach der Wahrheit und nach dem Guten zu suchen und so ein Ziel und einen Sinn in ihrem Leben zu finden. Dieser weite Blickwinkel schafft einen Rahmen, in dem es möglich ist, jeder Tendenz zur Übernahme oberflächlicher sozialpolitischer Ansätze entgegenzutreten, die statt der Wurzeln nur die Symptome negativer Trends im Familienleben und in den Gemeinschaften angehen. Wenn das geistliche Herz der Menschheit ans Licht gebracht wird, dann wird der Einzelne dahin geführt, über sich selbst hinauszugehen, um über Gott und die Wunder des menschlichen Lebens nachzudenken: über Sein, Wahrheit, Schönheit, sittliche Werte und Beziehungen, die die Würde der anderen achten. Auf diese Weise läßt sich eine sichere Grundlage finden, um die Gesellschaft zusammenzuführen und eine gemeinsame Sichtweise der Hoffnung zu wahren.

Die jungen Menschen von Aotearoa stehen zu Recht in dem Ruf, großherzig zu sein und einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn zu besitzen. Sie wissen die vielen Privilegien, die ihnen geboten werden, zu schätzen und engagieren sich bereitwillig im Ehrenamt und im Dienst an anderen, während sie die Chancen wahrnehmen, die ihnen in bezug auf ihre persönlichen Ziele sowie auf ihre kulturelle und akademische Entwicklung reichlich geboten werden. Der Weltjugendtag, der letztes Jahr zum ersten Mal in Ozeanien stattfand, hat mir Gelegenheit gegeben, etwas vom Geist der Tausenden jungen Neuseeländer, die daran teilnahmen, zu erleben. Ich bete dafür, daß diese neue Generation von Christen in Neuseeland ihre Begeisterung darauf ausrichten wird, über jede Kluft hinweg Freundschaften zu schließen und Orte lebendigen Glaubens in unserer Welt und für unsere Welt zu schaffen, Orte der Hoffnung und der tätigen Nächstenliebe. Auf diese Weise können sie anderen jungen Menschen helfen, die vielleicht durch die Verlockung falscher Versprechungen von Glück und Erfüllung in die Irre geleitet wurden oder die sich mühsam am Rande der Gesellschaft durchschlagen müssen.

Exzellenz, die kulturellen Unterschiede bringen viel Reichtum in das heutige gesellschaftliche Gefüge Neuseelands. Die zunehmende Präsenz von Migrantengemeinschaften aus verschiedenen religiösen Traditionen und die gleichzeitige wachsende Beteiligung der Regierung an pazifischen und asiatischen Angelegenheiten hat das Bewußtsein für die Frucht gestärkt, die aus dem interreligiösen Dialog erwachsen kann. Vor nicht allzu langer Zeit war Ihre Nation Gastgeber des »Third Asian-Pacific Regional Interfaith Dialogue«, der am historischen Ort Waitangi stattfand. Dennoch stellen einige auch weiterhin den Platz der Religion im öffentlichen Leben in Frage und können sich nur schwer vorstellen, wie sie der Gesellschaft dienen kann, besonders in einer hochgradig säkularen Kultur. Das erhöht natürlich die Verantwortung der Gläubigen, Zeugnis zu geben von der Bedeutung der grundlegenden Beziehung jeden Mannes und jeder Frau zu Gott, als dessen Ebenbild sie geschaffen sind. Wenn die menschliche Vernunft, die eine Gabe Gottes ist, mit Bezug auf die Wahrheit genutzt wird, die er uns offenbart, dann wird unsere Denkfähigkeit mit Weisheit versehen. So übersteigt sie das Empirische und das Willkürliche und verleiht statt dessen unseren tiefsten gemeinsamen menschlichen Bestrebungen Ausdruck. Auf diese Weise bleibt die öffentliche Debatte nicht im engen Horizont bestimmter Interessengruppen stecken, sondern wird erweitert und trägt Verantwortung vor der wahren Quelle des Gemeinwohls und der Würde eines jeden Glieds der Gesellschaft. Weit davon entfernt, die Toleranz gegenüber Unterschieden oder kultureller Vielfalt zu bedrohen, ermöglicht die Wahrheit einen Konsens. Sie stellt sicher, daß politische Entscheidungen von Grundsätzen und Werten bestimmt sind, und bereichert die Kultur mit all dem, was gut, erbaulich und gerecht ist.

Die diplomatische Arbeit Neuseelands, die im Pazifikraum tonangebend ist und in Asien und darüber hinaus eine wichtige Rolle spielt, ist von einem starken Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden, guter Regierungsführung, nachhaltiger wirtschaftlicher Entwicklung und der Förderung der Menschenrechte geprägt. Ihr großherziger personeller Einsatz für Initiativen zur Friedenssicherung ist von den Salomonen bis in den Sudan erkennbar, und die Entwicklung des Ökotourismus in Afghanistan ist ein hervorragendes neueres Beispiel für die innovativen Ansätze Neuseelands in der Auslandshilfe. Wie Sie, Exzellenz, erwähnten, hat der Heilige Stuhl eng mit Neuseeland bei der Entwicklung der Konvention zum Verbot von Streumunition zusammengearbeitet. Diese Leistung zeigt sehr anschaulich, daß die Notwendigkeit einer Ethik, die der Wahrheit der menschlichen Person entspringt, die Grundlage für alle internationalen Beziehungen ist.
Herr Botschafter, die katholische Kirche in Neuseeland tut auch weiterhin alles, was in ihren Kräften steht, um die christlichen Grundlagen des öffentlichen Lebens zu wahren. Sie ist in die geistliche und intellektuelle Ausbildung der Jugendlichen stark eingebunden, besonders durch ihre Schulen. Zusätzlich ist ihre karitative Arbeit auf jene ausgerichtet, die am Rande der Gesellschaft leben, und ich bin zuversichtlich, daß sie durch ihre Sendung des Dienstes neuen sozialen Herausforderungen, die auftreten mögen, großherzig begegnen wird. In diesem Zusammenhang möchte ich die Gelegenheit nutzen, jenen Familien in Neuseeland meine geistliche Nähe zum Ausdruck zu bringen, die wie viele andere auf der ganzen Welt unter den Auswirkungen der gegenwärtigen wirtschaftlichen Unsicherheit leiden. Ich denke besonders an jene, die ihren Arbeitsplatz verloren haben und an die jungen Menschen, die Schwierigkeiten haben, eine Arbeit zu finden.

Exzellenz, ich vertraue darauf, daß Ihre Ernennung dazu dienen wird, die freundschaftlichen Bande, die zwischen Neuseeland und dem Heiligen Stuhl bereits bestehen, weiter zu stärken. Bei der Übernahme Ihrer neuen Verantwortungen werden Sie sehen, daß die zahlreichen Dikasterien der Römischen Kurie Sie bereitwillig bei der Erfüllung Ihrer Pflichten unterstützen werden. Auf Sie und Ihre Mitbürger rufe ich von Herzen den überreichen Segen des allmächtigen Gottes herab.


*L'Osservatore Romano n. 25 pp.8,9.

 

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