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PAPST FRANZISKUS

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 11. Oktober 2017

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Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Heute möchte ich über eine weitere Dimension der Hoffnung sprechen: die wache Bereitschaft. Das Thema der Wachsamkeit ist einer der Leitfäden des Neuen Testaments. Jesus sagt zu seinen Jüngern: »Legt euren Gürtel nicht ab, und lasst eure Lampen brennen! Seid wie Menschen, die auf die Rückkehr ihres Herrn warten, der auf einer Hochzeit ist, und die ihm öffnen, sobald er kommt und anklopft« (Lk 12,35-36). In dieser Zeit, die auf die Auferstehung Jesu folgt und in der friedliche und beängstigende Augenblicke einander abwechseln, machen die Christen es sich nie bequem. Das Evangelium legt uns nahe, wie Knechte zu sein, die nicht schlafen gehen, solange ihr Herr nicht nach Hause zurückgekehrt ist.

Diese Welt erfordert unsere Verantwortung, und wir übernehmen sie ganz und mit Liebe. Jesus will, dass unser Leben arbeitsam sei, dass wir nie die Achtsamkeit verlieren, um mit Dankbarkeit und Staunen jeden neuen Tag anzunehmen, der uns von Gott geschenkt wird. Jeder Morgen ist ein leeres Blatt, das der Christ mit guten Taten zu beschreiben beginnt. Wir sind bereits gerettet durch die Erlösung Jesu, aber jetzt erwarten wir die vollkommene Offenbarung seiner Herrschaft: wenn Gott schließlich über alles und in allem herrschen wird (vgl. 1 Kor 15,28). Nichts ist im Glauben der Christen gewisser als dieser »Termin «, diese Begegnung mit dem Herrn, wenn er kommen wird. Und wenn dieser Tag kommen wird, dann wollen wir Christen wie jene Knechte sein, die die Nacht gegürtet und mit brennenden Lampen verbracht haben: Man muss bereit sein für das kommende Heil, bereit zur Begegnung. Habt ihr schon einmal darüber nachgedacht, wie jene Begegnung mit Jesus sein wird, wenn er kommen wird? Nun, es wird eine Umarmung sein, eine enorme Freude, eine große Freude! Wir müssen in Erwartung dieser Begegnung leben!

Der Christ ist nicht für die Langeweile geschaffen, sondern vielmehr für die Geduld. Er weiß, dass auch in der Eintönigkeit gewisser Tage, die immer gleich sind, ein Geheimnis der Gnade verborgen liegt. Es gibt Menschen, die durch die Beharrlichkeit ihrer Liebe gleichsam zu Brunnen werden, die die Wüste bewässern. Nichts geschieht umsonst, und keine Situation, in der ein Christ eingebunden ist, ist völlig resistent gegen die Liebe. Keine Nacht ist so lang, dass sie die Freude der Morgenröte vergessen ließe. Und je finsterer die Nacht ist, desto näher ist die Morgenröte.

Wenn wir mit Jesus vereint bleiben, dann lähmt uns die Kälte der schwierigen Augenblicke nicht; und selbst wenn die ganze Welt gegen die Hoffnung predigen würde, wenn sie sagen würde, dass die Zukunft nur dunkle Wolken bringt, dann weiß der Christ, dass in derselben Zukunft die Wiederkunft Christi liegt. Wann das geschehen wird, weiß niemand, aber der Gedanke, dass am Ende unserer Geschichte der barmherzige Jesus steht, genügt, um Vertrauen zu haben und das Leben nicht zu verfluchen. Alles wird gerettet werden. Alles. Wir werden leiden, es wird Augenblicke geben, die Wut und Empörung hervorrufen, aber die süße und machtvolle Erinnerung an Christus wird die Versuchung vertreiben zu meinen,  dass dieses Leben falsch sei.

Nachdem wir Jesus kennengelernt haben, können wir nichts anderes tun, als mit Vertrauen und Hoffnung die Geschichte zu erforschen. Jesus ist wie ein Haus, und wir sind drinnen, und durch die Fenster dieses Hauses betrachten wir die Welt. Daher dürfen wir uns nicht in uns selbst verschließen, dürfen nicht sehnsüchtig einer Vergangenheit nachweinen, die man als golden betrachtet. Vielmehr müssen wir stets nach vorn schauen, auf eine Zukunft, die nicht nur das Werk unserer Hände, sondern vor allem eine beständige Sorge der Vorsehung Gottes ist. Alles, was trüb ist, wird eines Tages licht werden.

Und denken wir daran, dass Gott sich selbst nicht verleugnet. Nie. Gott enttäuscht uns nie. Sein Wille uns gegenüber ist nicht nebulös, sondern er ist ein genau entworfener Heilsplan: »Er will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen« (1 Tim 2,4). Daher dürfen wir uns nicht mit Pessimismus dem Fluss der Ereignisse überlassen, so als wäre die Geschichte ein Zug, der außer Kontrolle geraten ist. Resignation ist keine christliche Tugend, ebenso wie es nicht christlich ist, mit den Schultern zu zucken oder den Kopf zu senken angesichts eines Schicksals, das unvermeidlich erscheint.

Wer Hoffnung in die Welt bringt, ist nie ein nachgiebiger Mensch. Jesus legt uns nahe, auf ihn zu warten, ohne die Hände in den Schoß zu legen: »Selig die Knechte, die der Herr wach findet, wenn er kommt« (Lk 12,37). Es gibt keinen Friedensstifter, der letztendlich nicht seinen persönlichen Frieden in Mitleidenschaft gezogen hat, indem er die Probleme der anderen auf sich genommen hat. Die nachgiebige Person ist kein Friedensstifter, sondern ein fauler Mensch, jemand, der es bequem haben will. Der Christ dagegen ist ein Friedensstifter, wenn er etwas riskiert, wenn er den Mut hat, etwas zu riskieren, um Gutes zu bringen, das Gute, das Jesus uns geschenkt hat, das er uns als Schatz gegeben hat. An jedem Tag unseres Leben müssen wir jene Bitte wiederholen, die die ersten Jünger in ihrer aramäischen Sprache mit dem Wort »Maranatha« zum Ausdruck brachten, im vorletzten Vers der Bibel: »Komm, Herr Jesus!« (Offb 22,20). Das ist der Kehrreim jeden christlichen Lebens: In unserer Welt brauchen wir nichts weiter als eine Liebkosung Christi. Welch eine Gnade, wenn wir im Gebet, in den schwierigen Tagen dieses Lebens, seine Stimme hören, die antwortet und uns versichert: »Siehe, ich komme bald« (Offb 22,7)!

* * *

Einen herzlichen Gruß richte ich an die Pilger deutscher Sprache, besonders an die vielen Jugendlichen und an die Teilnehmer an der Informationswoche der Päpstlichen Schweizergarde. Jesus klopft weiter an die Tür unseres Herzens. Wir wollen ihn bereitwillig aufnehmen, indem wir für die anderen da sind, vor allem für die Armen, die Kranken und die Flüchtlinge. Der Heilige Geist führe euch auf euren Wegen.

 



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