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JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 21. Juli 1982
1. „Aber auch wir, obwohl wir als Erstlingsgabe den Geist haben, seufzen in unserem Herzen und warten darauf, dass wir mit der Erlösung unseres Leibes als Söhne offenbar werden“ (Röm 8, 23). Der hl. Paulus sieht im Brief an die Römer die „Erlösung des Leibes“ in einer anthropologischen und zugleich kosmischen Dimension. Denn die Schöpfung „ist der Vergänglichkeit unterworfen“ (Röm 8, 20). Die ganze sichtbare Schöpfung, der ganze Kosmos zeigt die Auswirkungen der Sünde des Menschen. „Denn wir wissen, dass die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt“ (Röm 8, 22). Und gleichzeitig „wartet die ganze Schöpfung sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes“ und „hegt die Hoffnung, dass auch sie von der Sklaverei und Verlorenheit befreit werden soll zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes“ (Röm 8, 19, 20–21).
2. Die Erlösung des Leibes ist nach Paulus Gegenstand der Hoffnung. Diese Hoffnung ist im Herzen des Menschen gewissermaßen gleich nach der Erbsünde eingepflanzt. Man braucht nur an die Worte aus dem Buch Genesis (3, 15) zu denken, die von der Tradition als Protoevangelium (Urevangelium) und darum, könnten wir sagen, als der Anfang der Frohbotschaft, als die erste Heilsverkündigung bezeichnet werden. Die Erlösung des Leibes verbindet sich nach den Worten des Römerbriefes eben mit dieser Hoffnung, in welcher wir „gerettet sind“ (Röm 8, 24), wie wir lesen. Durch die Hoffnung, die bis zu den Anfängen des Menschen zurückreicht, erhält die Erlösung des Leibes ihre anthropologische Dimension: Es ist die Erlösung des Menschen. Gleichzeitig strahlt sie gewissermaßen auf die gesamte Schöpfung aus, die von Anfang an in besonderer Weise mit dem Menschen verbunden und ihm unterworfen ist (vgl. Gen 1, 28–30). Die Erlösung des Leibes ist also die Erlösung der Welt: Sie hat eine kosmische Dimension.
3. In dem „kosmischen“ Bild von der Erlösung, das Paulus von Tarsus im Römerbrief bietet, steht im Mittelpunkt der Mensch, so wie dieser „im Anfang“ in den Mittelpunkt des Schöpfungsbildes gestellt worden war. Es ist der Mensch, es sind die Menschen, jene, die „die Erstlingsgabe des Geistes“ besitzen, die in ihrem Herzen seufzen und auf die Erlösung ihres Leibes warten (vgl. Röm 8, 23). Christus, der gekommen ist, um dem Menschen den Menschen selbst voll zu enthüllen, indem er ihm seine höchste Berufung erschließt (vgl. Gaudium et spes, Nr. 22), spricht im Evangelium von der göttlichen Tiefe des Erlösungsmysteriums selbst, das in ihm seinen besonderen „geschichtlichen“ Träger findet. Christus spricht demnach im Namen jener Hoffnung, die bereits im Protoevangelium in das Herz des Menschen eingepflanzt worden ist. Christus erfüllt diese Hoffnung nicht nur durch die Worte seiner Lehre, sondern vor allem durch das Zeugnis seines Todes und seiner Auferstehung. So hat sich also die Erlösung des Leibes in Christus bereits erfüllt. In ihm hat sich jene Hoffnung bestätigt, in der „wir gerettet sind“. Und zugleich hat sich jene Hoffnung wieder neu auf ihre endgültige eschatologische Erfüllung hin geöffnet. „Das Offenbarwerden der Söhne Gottes“ in Christus ist endgültig auf jene „Freiheit und Herrlichkeit“ ausgerichtet, deren die „Kinder Gottes“ endgültig teilhaftig werden sollen.
4. Um alles zu begreifen, was nach dem Römerbrief des Paulus mit der „Erlösung des Leibes“ zusammenhängt, ist eine echte Theologie des Leibes erforderlich. Wir haben versucht, sie aufzubauen, wobei wir uns vor allem auf die Worte Christi beriefen. Die Grundelemente der Theologie des Leibes finden sich in dem, was Christus unter Hinweis auf den „Anfang“ von der Unauflöslichkeit der Ehe sagt (vgl. Mt 19, 8), in dem, was er in der Bergpredigt unter Bezugnahme auf das menschliche Herz von der Begierde sagt (vgl. Mt 5, 28), und auch in dem, was er von der Auferstehung sagt (vgl. Mt 22, 30). All diese Aussagen schließen einen anthropologisch wie ethisch reichen Gehalt in sich. Christus spricht zum Menschen – und er spricht vom Menschen: vom Menschen, der „Leib“ ist und der als Mann und Frau als Bild und Gleichnis Gottes geschaffen wurde; er spricht von dem Menschen, dessen Herz der Begierde ausgesetzt ist, und schließlich von dem Menschen, vor dem sich der eschatologische Ausblick auf die Auferstehung des Leibes auftut.
Der „Leib“ bedeutet (nach dem Buch Genesis) den sichtbaren Aspekt des Menschen und seine Zugehörigkeit zur sichtbaren Welt. Für den hl. Paulus bedeutet er außer dieser Zugehörigkeit bisweilen auch die Entfernung des Menschen vom Einfluss des Geistes Gottes. Die eine wie die andere Bedeutung steht in Beziehung zur „Erlösung des Leibes“.
5. Weil in den zuvor analysierten Texten Christus von der göttlichen Tiefe des Erlösungsmysteriums spricht, dienen seine Worte eben jener Hoffnung, von welcher im Römerbrief die Rede ist. „Die Erlösung des Leibes“ ist nach dem Apostel schließlich das, worauf wir „warten“. So warten wir auf den Endsieg über den Tod, von dem Christus vor allem in seiner Auferstehung Zeugnis gegeben hat. Im Licht des Ostergeheimnisses haben seine Worte über die Auferstehung des Leibes und die Wirklichkeit der „anderen Welt“, wie sie von den Synoptikern wiedergegeben werden, ihre vollgültige Bedeutung gewonnen. Sowohl Christus als auch später Paulus von Tarsus haben den Aufruf zur Ehelosigkeit „um des Himmelreiches willen“ gerade im Namen dieser endzeitlichen Wirklichkeit verkündet.
6. Doch die „Erlösung des Leibes“ findet ihren Ausdruck nicht nur in der Auferstehung als Sieg über den Tod. Sie ist auch in den Worten Christi gegenwärtig, die er an den „geschichtlichen“ Menschen richtet, ob diese Worte nun das Prinzip der Unauflöslichkeit der Ehe als vom Schöpfer selbst stammenden Grundsatz bekräftigen oder ob – in der Bergpredigt – Christus zur Überwindung der Begierde auffordert, und das bis in die Regungen des menschlichen Herzens hinein. Von der einen und der anderen dieser Schlüsselaussagen muss man sagen, dass sie sich auf die menschliche Sittlichkeit beziehen, dass sie einen ethischen Sinn haben. Hier handelt es sich nicht um die endzeitliche Hoffnung auf die Auferstehung, sondern um die Hoffnung auf den Sieg über die Sünde, die man die tägliche Hoffnung nennen kann.
7. In seinem täglichen Leben muss der Mensch aus dem Geheimnis der Erlösung des Leibes die Inspiration und Kraft für die Überwindung des Bösen schöpfen, das in Gestalt der dreifachen Begierde in ihm schlummert. Mann und Frau, die in der Ehe miteinander verbunden sind, müssen täglich neu die Pflicht der unauflöslichen Einheit jenes Bundes auf sich nehmen, den sie miteinander geschlossen haben. Aber auch ein Mann oder eine Frau, die freiwillig die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen gewählt haben, müssen täglich ein lebendiges Zeugnis der Treue zu dieser Entscheidung geben, indem sie den Weisungen Christi im Evangelium und des Apostels Paulus im ersten Korintherbrief folgen. Es handelt sich in jedem Fall um die tägliche Hoffnung, die im Rahmen der normalen Aufgaben und Schwierigkeiten des menschlichen Lebens „das Böse mit dem Guten“ besiegen hilft (Röm 12, 21). Denn „in der Hoffnung sind wir gerettet“: Die tägliche Hoffnung offenbart ihre Kraft in den menschlichen Werken und sogar in den innersten Regungen des menschlichen Herzens, wenn sie in gewissem Sinn der großen, mit der Erlösung des Leibes verbundenen endzeitlichen Hoffnung Raum schafft.
8. Wenn die Erlösung des Leibes das Alltagsleben mit der Dimension der menschlichen Moral durchdringt, trägt sie vor allem zur Entdeckung all des Guten bei, in dem der Mensch den Sieg über die Sünde und über die Begierde erringt. Die Worte Christi, die aus der göttlichen Tiefe des Erlösungsmysteriums stammen, erlauben die Entdeckung und Stärkung jenes Bandes, das zwischen der Würde des Menschen (des Mannes oder der Frau) und der „bräutlichen“ Bedeutung ihres Leibes besteht. Sie ermöglichen aufgrund jener Bedeutung das Verständnis und die Verwirklichung der zur Hingabe reifen Freiheit, die einerseits in der unauflöslichen Ehe und andererseits in der Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen ihren Ausdruck findet. Auf diese verschiedenen Weisen enthüllt Christus dem Menschen voll den Menschen, indem er ihm „seine höchste Berufung“ zeigt. Diese Berufung ist dem Menschen entsprechend seiner psychisch-physischen Gesamtstruktur gerade durch das Geheimnis der Erlösung des Leibes eingeschrieben.
Alles, was wir im Laufe unserer Überlegungen versucht haben, um die Worte Christi zu verstehen, hat seinen letzten Grund im Geheimnis von der Erlösung des Leibes.
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Liebe Brüder und Schwestern!
Herzlich grüße ich Euch zur jetzigen Ferienzeit in der Ewigen Stadt. Mögen die vielen und reichen Erlebnisse dieser Tage Euch in Eurem Glauben bestärken und Euch näher zu Gott bringen, der der Herr unseres Lebens und aller Zeit ist. Bei unseren heutigen Überlegungen erinnert uns der hl. Paulus daran, daß die Schöpfung der Vergänglichkeit unterworfen ist.
Wie die ganze Schöpfung seufzt und voller Sehnsucht auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes wartet, so ”seufzen auch wir in unseren Herzen und warten darauf, daß wir mit der Erlösung unseres Leibes als Söhne offenbar werden“. Wir besitzen als Christen zwar schon die ”Erstlingsgabe des Geistes“, Ziel unserer Hoffnung bleibt aber noch die Erlösung des Leibes und die Erlösung der Welt. Wir halten noch Ausschau nach der endzeitlichen Vollendung.
Die ”Erlösung des Leibes“ wird in ihrer endgültigen Weise im eschatologischen Sieg über den Tod, in der Auferstehung, erfolgen. Dennoch hat sie auch schon jetzt schrittweise in der Geschichte zu geschehen, und zwar im ständigen Kampf gegen die Sünde, in der Überwindung der sinnlichen Begierde. Aus der endzeitlichen Berufung des Leibes und aus der Hoffnung auf seine endgültige Erlösung muß der Mensch für sein sittliches Streben im Alltag Hoffnung und Kraft ziehen, um das Böse mit dem Guten zu besiegen. ”An die Hoffnung ist unsere Rettung gebunden“, sagt der hl. Paulus: an die Hoffnung auf unseren Sieg über die Sünde und an die Hoffnung auf die endzeitliche, endgültige Erlösung unseres Leibes.
Mit nochmaligen besten Ferienwünschen erteile ich allen hier anwesenden Pilgern aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und den Niederlanden von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen.
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