zoomText
  • A
  • A
  • A

JOHANNES PAUL II.

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 21. Oktober 1987

DE  - ES  - IT

1. Die Fakten, die wir in der voraufgegangenen Katechese untersucht haben, sind, zusammengenommen, sprechend und beweisend im Hinblick auf das Bewusstsein von der eigenen Göttlichkeit, das Jesus zeigt, wenn er auf sich selbst den Namen Gottes bezieht, die göttlichen Eigenschaften, die Vollmacht des Endgerichts über die Taten aller Menschen, die Vollmacht, Sünden zu vergeben, selbst die Vollmacht über das Gesetz Gottes. Sie alle sind Aspekte der einen Wahrheit, die er eindringlich bekräftigt, jener Wahrheit, wahrer Gott, eines Wesens mit dem Vater, zu sein. Das sagt er offen zu den Juden, während er mit ihnen am Tag des Tempelweihfestes im Tempel spricht: „Ich und der Vater sind eins“ (Joh 10,30). Und doch spricht Jesus, wenn er sich die Attribute zulegt, die Gott eigen sind, von sich selbst als dem „Menschensohn“, sei es aufgrund der personalen Einheit von Mensch und Gott in ihm, sei es mit dem Ziel, der geplanten Pädagogik zu folgen und die Jünger allmählich — beinahe an der Hand haltend — zu den geheimnisvollen Höhen und Tiefen seiner Wahrheit zu führen. Als „Menschensohn“ zögert er nicht, zu fordern: „Glaubt an Gott, und glaubt an mich!“ (Joh 14,1).

Der Ablauf des ganzen Gesprächs in den Kapiteln 14–17 bei Johannes und besonders die Antworten, die Jesus Thomas und Philippus gibt, beweisen, dass, wenn er fordert, sie mögen an ihn glauben, es sich nicht nur um den Glauben an den Messias als den Gesalbten und Gesandten Gottes handelt, sondern um den Glauben an den Sohn, der eines Wesens mit dem Vater ist. „Glaubt an Gott und glaubt an mich!“ (Joh 14,1).

2. Diese Worte sind im Zusammenhang mit dem zwischen Jesus und den Aposteln beim letzten Abendmahl geführten Gespräch zu untersuchen, das im Johannesevangelium wiedergegeben wird. Jesus sagt zu den Aposteln, er gehe, um für sie einen Platz im Haus des Vaters vorzubereiten (vgl. Joh 14,2–3). Und als Thomas ihn nach dem Weg zu diesem Haus, zu diesem neuen Reich fragt, antwortet Jesus, dass „er der Weg, die Wahrheit und das Leben ist“ (vgl. Joh 14,6). Als Philippus ihn bittet, den Jüngern den Vater zu zeigen, wiederholt Jesus ganz eindeutig: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen. Wie kannst du sagen: Zeig uns den Vater? Glaubst du nicht, dass ich im Vater bin und dass der Vater in mir ist? Die Worte, die ich zu euch sage, habe ich nicht aus mir selbst. Der Vater, der in mir bleibt, vollbringt seine Werke. Glaubt mir doch, dass ich im Vater bin und dass der Vater in mir ist; wenn nicht, glaubt wenigstens aufgrund der Werke“ (Joh 14,9–11).

Es ist nicht möglich, sich des tiefen Eindrucks zu erwehren, den diese Erklärung Jesu auf den menschlichen Verstand macht, wenn man nicht schon von vornherein von einem gegen Gott gerichteten Vorurteil ausgeht. Jenen, die den Vater annehmen und ihn sogar in ihrer Frömmigkeit suchen, zeigt Jesus sich selbst und sagt: Seht, der Vater ist in mir!

3. Allenfalls, um Gründe für die Glaubwürdigkeit zu bieten, beruft Jesus sich auf seine Werke: auf all das, was er vor den Augen der Jünger und aller Leute vollbracht hat. Es handelt sich um heilige und oft wunderwirkende Werke, die als Zeichen seiner Wahrheit getan wurden. Deshalb verdient er, dass man an ihn glaubt. Jesus sagt es nicht nur im Kreis seiner Apostel, sondern vor dem ganzen Volk. So lesen wir, dass am Tag nach dem triumphalen Einzug in Jerusalem die große Menschenmenge, die zum Paschafest gekommen war, über die Gestalt des Christus diskutierte und zumeist nicht an Jesus glaubte, obwohl er „so viele Zeichen vor ihren Augen getan hatte“ (Joh 12,37). „Jesus aber rief aus: Wer an mich glaubt, glaubt nicht an mich, sondern an den, der mich gesandt hat, und wer mich sieht, sieht den, der mich gesandt hat“ (Joh 12,44). Man kann deshalb sagen, dass Jesus Christus sich mit Gott identifiziert als Gegenstand des Glaubens, der von seinen Jüngern gefordert und ihnen angeboten wird. Und er erklärt ihnen: „Was ich also sage, sage ich so, wie es mir der Vater gesagt hat“ (Joh 12,50); eine offensichtliche Anspielung auf das göttliche Aussprechen des ewigen Wortes, in dem der Vater den Sohn als Wort im trinitarischen Leben zeugt.

Dieser Glaube, gebunden an die Taten und Worte Jesu, wird zur „logischen Konsequenz“ für jene, die Jesus aufrichtig anhören, seine Taten beobachten und über seine Worte nachdenken. Aber er ist auch die unerläßliche Voraussetzung und Bedingung, die Jesus von denen fordert, die seine Jünger werden oder aus seiner göttlichen Vollmacht Nutzen ziehen wollen.

4. Kennzeichnend in dieser Hinsicht ist das, was Jesus zum Vater des epileptischen Jungen sagt, der von Kindheit an von einem „stummen Geist“ besessen ist, der in ihm schrecklich wütet. Der arme Vater bittet Jesus: „Wenn du kannst, hilf uns; hab Mitleid mit uns!“ Jesus sagte zu ihm: ‚Wenn du kannst? Alles kann, wer glaubt.‘ Da rief der Vater des Jungen: ‚Ich glaube, hilf meinem Unglauben!‘ (Mk 9,22–23). Und Jesus bewirkt die Heilung und die Befreiung jenes Unglücklichen. Er verlangt jedoch vom Vater des Jungen eine Öffnung der Seele im Glauben. Diese haben ihn im Laufe der Jahrhunderte so viele einfache Menschen in Bedrängnis geboten, die sich wie der Vater des Besessenen an ihn um Hilfe wandten – in den zeitlichen und vor allem geistlichen Nöten.

5. Wo hingegen die Menschen, gleich welcher sozialen und kulturellen Lage, ihm aufgrund von Stolz und Unglauben Widerstand entgegensetzen, bestraft Jesus diese ihre Haltung, indem er ihnen keinen Zugang gewährt zu den Wohltaten, die von seiner göttlichen Vollmacht gewährt werden. Bezeichnend und eindrucksvoll ist das, was man über die Bewohner von Nazaret liest, zu denen Jesus kurz nach Beginn seines Wirkens und den ersten vollbrachten Wundern zurückgekehrt war. Sie staunten nicht nur über seine Lehre und seine Taten, sondern nahmen sogar Anstoß an ihm, d. h., sie sprachen darüber und behandelten ihn voll Misstrauen und Feindseligkeit als unerwünschte Person.

„Da sagte Jesus zu ihnen: Nirgends hat ein Prophet so wenig Ansehen wie in seiner Heimat, bei seinen Verwandten und in seiner Familie. Und er konnte dort kein Wunder tun; nur einigen Kranken legte er die Hände auf und heilte sie. Und er wunderte sich über ihren Unglauben“ (Mk 6,4–6). Die Wunder sind „Zeichen“ der göttlichen Vollmacht Jesu. Wenn die Anerkennung dieser Vollmacht hartnäckig verhindert wird, verliert das Wunder seinen Daseinsgrund. Im Übrigen antwortet er auch den Jüngern, die Jesus fragen, warum sie, obwohl sie von ihm die Vollmacht erhalten hatten, den Dämon nicht austreiben konnten: „Weil euer Glaube so klein ist. Amen, das sage ich euch: Wenn euer Glaube auch nur so groß ist wie ein Senfkorn, dann werdet ihr zu diesem Berg sagen: ‚Rück von hier nach dort!‘, und er wird wegrücken. Nichts wird euch unmöglich sein“ (Mt 17,19–20).

6. Dies unterstreicht Jesus auch nach der Wunderheilung des Blindgeborenen, als er ihm begegnet und ihn fragt: „Glaubst du an den Menschensohn?“ Der Mann antwortete: „Wer ist das, Herr? (Sag es mir,) damit ich an ihn glaube.“ Jesus sagte zu ihm: „Du siehst ihn vor dir; er, der mit dir redet, ist es.“ Er aber sagte: „Ich glaube, Herr!“ Und er warf sich vor ihm nieder“ (Joh 9,35–38). Es ist der Glaubensakt eines einfachen Menschen, das Bild aller Demütigen, die Gott suchen (vgl. Dtn 29,3; Jes 6,9; Jer 5,21; Ez 12,2); er erlangt die Gnade eines nicht nur physischen, sondern geistlichen Augenlichts, damit er den „Menschensohn“ erkennt – zum Unterschied der Selbstgenügsamen, die nur ihrer eigenen Urteilsfähigkeit trauen und das Licht ablehnen, das von oben kommt, und sich deshalb selbst vor Christus und vor Gott zur Blindheit verdammen (vgl. Joh 9,39–41).

7. Die entscheidende Bedeutung des Glaubens wird noch deutlicher im Gespräch zwischen Jesus und Marta vor dem Grab des Lazarus: „Jesus sagte zu ihr: Dein Bruder wird auferstehen. Marta sagte zu ihm: Ich weiß, dass er auferstehen wird bei der Auferstehung am Letzten Tag. Jesus erwiderte ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben. Glaubst du das? Marta antwortete ihm: Ja, Herr, ich glaube, dass du der Messias bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll“ (Joh 11,23–27). Und Jesus erweckt Lazarus von den Toten – nicht nur zum Zeichen der eigenen Vollmacht, die Toten aufzuerwecken, weil er Herr des Lebens ist, sondern auch aufgrund der Vollmacht, den Tod zu besiegen, denn – so hat er zu Marta gesagt – er ist die Auferstehung und das Leben!

8. Die Lehre Jesu über den Glauben als Bedingung des Heilswirkens wird im nächtlichen Gespräch mit Nikodemus zusammengefasst und gefestigt. Dieser, „ein führender Mann unter den Juden“, ist ihm wohlgesinnt und bereit, ihn als „Lehrer, der von Gott gekommen ist“, anzuerkennen (Joh 3,2). Jesus führt mit ihm ein langes Gespräch über das „neue Leben“ und schließlich über die neue Heilsordnung, die auf dem Glauben an den Menschensohn gründet, der „erhöht“ werden muss, „damit jeder, der (an ihn) glaubt, in ihm das ewige Leben hat“ (Joh 3,15). Der Glaube an Christus ist also grundlegende Voraussetzung für die Rettung, das ewige Leben; der Glaube an den eingeborenen Sohn, der eines Wesens mit dem Vater ist und in dem sich die Liebe des Vaters kundtut.

„Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird“ (Joh 3,17). Das Gericht ist in Wirklichkeit immanent zur Entscheidung, die man trifft, indem man den Glauben an Christus annimmt oder ablehnt: „Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er an den Namen des einzigen Sohnes Gottes nicht geglaubt hat“ (Joh 3,18).

Im Gespräch mit Nikodemus weist Jesus auf das Ostergeheimnis als den Kernpunkt des Glaubens hin, der rettet: „Der Menschensohn muss erhöht werden, damit jeder, der (an ihn) glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3,14–15). Dies kann auch der „kritische Punkt“ des Glaubens an Christus genannt werden. Das Kreuz war die endgültige Glaubensprobe für die Jünger und die Apostel Christi.

Aber die Tatsache, dass er am dritten Tag auferstanden ist, half ihnen, die letzte Prüfung erfolgreich zu überwinden. Auch Thomas, der als letzter die österliche Glaubensprobe bestand, brach bei seiner Begegnung mit dem Auferstandenen in jenes herrliche Glaubensbekenntnis aus: „Mein Herr und mein Gott“ (Joh 20,28). Wie zuvor Petrus in Cäsarea Philippi (vgl. Mt 16,16), so lässt Thomas bei dieser Osterbegegnung spontan den Glaubensruf ertönen, der vom Vater kommt: Jesus, der Gekreuzigte und Auferstandene, ist „Herr und Gott“!

9. Gleich nach dem Bericht über dieses Bekenntnis des Glaubens und Jesu Antwort, der die „selig“ nennt, „die nicht sehen und doch glauben“ (Joh 20,29), bietet Johannes ein erstes Schlusswort zu seinem Evangelium an: „Noch viele andere Zeichen, die in diesem Buch nicht aufgeschrieben sind, hat Jesus vor den Augen seiner Jünger getan. Diese aber sind aufgeschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Messias ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen“ (Joh 20,30–31).

All das, was Jesus tat und lehrte, alles, was die Apostel verkündet und bezeugt und die Evangelisten niedergeschrieben haben, alles, was die Kirche von deren Lehre bewahrt und wiederholt, soll dem Glauben dienen, damit wir, glaubend, das Heil erlangen. Das Heil – und damit das ewige Leben – ist an die messianische Sendung Jesu Christi gebunden, aus der die ganze „Logik“ und Ordnung des christlichen Glaubens kommt. Das verkündet Johannes bereits im Prolog seines Evangeliums: „Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden“ (Joh 1,12).

___________________________

Liebe Brüder und Schwestern!

Der Evangelist Johannes schildert uns besonders deutlich, welches Selbstbewusstsein Jesus in sich trug und auch vor den Menschen bezeugte: Er bekennt sich dort eindeutig als gottgleich und eins mit Gottvater. „Ich und der Vater sind eins“, so bekundet er mitten im Tempel vor einer großen Volksmenge. Verschiedene bekannte Gottestitel bezieht Jesus auf sich selbst; er beansprucht das endgültige Urteil über die Taten der Menschen; er vertieft und vollendet das überlieferte Gesetz des Mose wie der göttliche Gesetzgeber selbst. Und so ist es ganz folgerichtig, dass der Herr dann auch den gleichen Glauben der Menschen einfordert, wie sie ihn bisher nur Gott selbst entgegengebracht haben.

In einem Gespräch über den Weg zum Vater sagt Jesus zu den Aposteln: „Glaubet an Gott und glaubt an mich!“ (Joh 14,1). Und auch in dieser liebevollen Begegnung des Meisters mit seinen Jüngern betont er seine völlige Einheit mit Gottvater. So sagt er dem Philippus: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen. Wie kannst du also sagen: Zeig uns den Vater?“ (Joh 14,9). Dann fügt er hinzu: „Glaubt mir doch, dass ich im Vater bin und dass der Vater in mir ist“ (Joh 14,11).

Diese und ähnliche Worte stellen auch für uns eine ganz klare Glaubensforderung dar. Wer mit reinem Herzen und ohne Vorurteile das gesamte Leben und Wirken Jesu betrachtet, kann mit der Gnade Gottes durchaus ein verantwortetes Ja zu diesem Anspruch des Herrn sprechen. Ohne ein solches bewusstes Ja zur Gottesgleichheit Jesu kann jedoch niemand sein Jünger sein oder sich Christ nennen; ohne einen solchen Glauben kann niemand Anteil gewinnen an seiner befreienden und erlösenden Vollmacht.

Darum geht es dem Herrn letztlich: um unser Heil; oder in den Worten des Evangelisten Johannes, mit denen er sein Evangelium vorläufig abschließt: „Noch viele andere Zeichen, die in diesem Buch nicht aufgeschrieben sind, hat Jesus vor den Augen seiner Jünger getan. Diese aber sind aufgeschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Messias ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen“ (Joh 20,30 f.).

Beten wir füreinander, daß uns dieser Glaube unser ganzes Leben hindurch gelinge, an hellen wie an dunklen Tagen. Mit diesem Gebetswunsch grüße ich euch alle noch einmal von Herzen. Einem besonderen Gruß richte ich heute an die Gruppe der Niels-Stensen-Gemeinschaft und wünsche euch einen guten Erfolg bei den vielfältigen Vorbereitungen auf die nicht mehr ferne Seligsprechung eures großen Bischofs und Patrons. Ein froher Glückwunsch gilt dann der Pilgergruppe der Pfarrei Sankt Severus in Boppard zum siebenhundertfünfzigsten Bestehen dieser bekannten Ortsgemeinde am Rheinstrom. Lebt die besten Ideale dieser langen Vergangenheit mit neuer Frische in der gegenwärtigen Zeit, als Bürger und Christen von heute, zum Wohl für Stadt und Gemeinde. Euch und allen anwesenden Besuchern deutscher Sprache gelten mein Dank und meine Verbundenheit.