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ANSPRACHE VON JOHANNES PAUL II.
AN EINE GRUPPE ABGEORDNETER DER CDU-FRAKTION IM LANDTAG VON
BADEN-WÜRTTEMBERG

Samstag, 30. April 1988

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

Sie alle, Abgeordnete der CDU-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg und ihre Ehegatten, heiße ich herzlich willkommen. Es freut mich, daß bei Ihrem Besuch in der Ewigen Stadt auch eine Begegnung mit dem Bischof von Rom und Nachfolger des Petrus möglich wurde. Ich danke Ihnen für diesen Ausdruck der Verbundenheit sowie für die freundlichen Worte Ihres Fraktionsvorsitzenden.

Sie sind Mitglieder der Christlich Demokratischen Union. Dieser Name ist eine große Verpflichtung. Im Rahmen einer repräsentativen Demokratie verpflichtet er zum uneigennützigen Dienst an den Bürgern und zu einer Politik aus christlicher Verantwortung. Als Parlamentsabgeordnete vertreten Sie nicht Lediglich Gruppeninteressen, sondern sind auch aufgerufen, anzuführen, zu inspirieren und unabdingbare Werte auch gegen die Zeitmode zu verteidigen.

Die Rechte der Menschen und die Wahrung ihrer Würde sind oberstes Prinzip für ihre Arbeit. Der Mensch ist von Gott geschaffen nach seinem Bilde. Er hat Rechte, die nicht aus dem Wohlwollen des Staates, sondern aus der Hand Gottes stammen. Hier wurzelt die Menschenwürde; hier haben politische Freiheit und Glaubensfreiheit ihren gemeinsamen Ursprung.

Jeder Mensch hat einen Anspruch auf ein menschenwürdiges Dasein. Ihre Sorge wird deshalb besonders denen gelten, die in Not sind und sich aus eigener Kraft nicht helfen können. Gerade deswegen trägt ja auch das in Ihrer Heimat bestehende System für Produktion und Handel den Namen ”Soziale Marktwirtschaft“. Gleichzeitig aber reicht Ihre Verantwortung über die Grenzen Ihres Landes hinaus. Das Elend und die soziale Ungerechtigkeit, in der viele Menschen in Asien, Afrika und Lateinamerika leben, ist eine große Herausforderung für die reicheren Völker Europas, die zu konkreten Verpflichtungen führen muß. Brüderliches Teilen ist eine sittliche Pflicht; Entwicklungshilfe ist zugleich Friedensdienst.

Jeder Mensch hat ein Recht auf Leben. Dieses Recht hat des ungeborene Kind von Anfang an genauso wie ein geborenes Kind, ein alter und siecher Mensch genauso wie ein gesunder. Ich sage auch Ihnen als Politikern, was ich Ihren Bischöfen gesagt habe, als sie mich vor wenigen Wochen besuchten: ”Tut alles, was Ihr könnt, um die Gewissen der Menschen zu wecken und das Leben der ungeborenen Kinder zu retten. An diesem Zeugnis für das Lebensrecht aller menschlichen Wesen am Anfang und am Ende unseres irdischen Weges entscheidet sich die Glaubwürdigkeit unserer Hoffnung für alle Menschen, ganz besonders in Euren Land, das doch so viele Lebenschancen bietet“.

Mit Genugtuung sehe ich, daß Sie sich in Ihrer Politik besonders auch der Förderung der Familie annehmen. Die Familie ist die wichtigste menschliche Gemeinschaft. Sie ist die Wiege des Lebens und der erste Hort der Menschlichkeit. Weil in der Familie Wesentliches grundgelegt wird für das spätere Leben eines Menschen, haben Kinder auch einen Anspruch auf die Zuwendung ihrer Eltern und müssen Zeit und Kraft dieser Zuwendung auch sozialpolitisch und ökonomisch hinreichend gewertet werden.

Ihr Dichter Ernst Wiechert hat den Satz geprägt: ”Es fällt niemand aus der Welt heraus, der nicht zuvor aus Gott herausgefallen ist“. Unsere heutige Zivilisation erschwert oft durch ihre einseitige Hinwendung zu den irdischen Wirklichkeiten das Verständnis und den Einsatz für die tieferen, sittlich-religiösen Werte des Lebens und letztlich auch den Zugang zu Gott. Öffnen Sie als christliche Politiker den Horizont Ihres Wirkens auf das ganzheitliche Wohl des Menschen hin. Setzen Sie Ihr Vertrauen auf Gott, den Herrn der Geschichte und Ziel unseres Lebens, sowie auf unseren Erlöser Jesus Christus, der für uns Weg, Wahrheit und Leben ist. Die Treue Gottes ist jedem Menschen nahe und gibt niemanden auf; er wird auch einmal das Bruchstückhafte und Unvollkommene an unserer Arbeit ausgleichen und vollenden.

Ich erbitte Ihnen und Ihren Familien, Ihrem Volk und Ihrem schönen Land von Herzen den Segen des dreifaltigen Gottes.

 

© Copyright 1988 - Libreria Editrice Vaticana

 



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