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ANSPRACHE VON JOHANNES PAUL II. 
AN DIE TEILNEHMER DES
INTERNATIONALEN KONGRESSES DER SÄKULARINSTITUTE

Castel Gandolfo
Montag, 28. August 2000

 

Liebe Brüder und Schwestern!

1. Mit Freude empfange ich euch anläßlich eures Kongresses, dem dieses feierliche Jubiläum eine ganz besondere Orientierung und speziellen Ansporn verleiht. Von Herzen grüße ich euch alle, insbesondere den Präfekten der Kongregation für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens, Eduardo Kardinal Martinez Somalo, der so warmherzig in eurem Namen gesprochen hat.

In diesem Jahr des Großen Jubiläums fordert die Kirche alle Laien, aber insbesondere die Mitglieder der Säkularinstitute, zum Einsatz für die Ermutigung im Geiste des Evangeliums und für das christliche Zeugnis in der gesamten weltlichen Wirklichkeit auf. Wie ich anläßlich unseres Treffens am 50. Jahrestag der Provida Mater Ecclesia betonte, steht ihr aufgrund eurer Berufung und Sendung am Kreuzungspunkt zwischen der Initiative Gottes und den Erwartungen der Schöpfung: die Initiative Gottes, die ihr durch Liebe und die tiefe Gemeinschaft mit Christus in die Welt bringt; die Erwartungen der Schöpfung, die ihr in der alltäglichen und weltlichen Realität eurer Mitmenschen teilt (vgl. Ansprache am 1. Februar 1997; O.R. dt., Nr. 7, 14.2.1997, S. 7). Als geweihte Mitglieder der Säkularinstitute müßt ihr daher mit tätigem Bewußtsein die Wirklichkeit eurer Zeit leben, denn die Nachfolge Christi, die eurer Existenz Bedeutung verleiht, verpflichtet euch zutiefst gegenüber jener Welt, die ihr dem Plan Gottes entsprechend zu wandeln berufen seid.

2. Wesentliches Thema eures internationalen Kongresses ist die Ausbildung und Erziehung von Mitgliedern der Säkularinstitute. Stets müssen sie in der Lage sein, den Willen Gottes und die Wege der Neuevangelisierung in jedem Augenblick der Geschichte, inmitten vielschichtiger und wandelbarer Zeichen der Zeit zu erkennen.

In meinem Apostolischen Schreiben Christifideles laici habe ich das Thema der christlichen Erziehung und Bildung hinsichtlich ihrer geschichtlichen und weltlichen Verantwortungen wie auch ihrer direkten Mitarbeit beim Aufbau der christlichen Gemeinschaft ausführlich behandelt und auf die unerläßlichen Quellen dieser Bildung hingewiesen: »gehorsames und bereites Hören auf das Wort Gottes und der Kirche, kindliches und ständiges Beten, Rückhalt in einer weisen und liebevollen geistlichen Führung, gläubige Deutung der empfangenen Gaben und Talente und zugleich der verschiedenen sozialen und historischen Situationen, in denen man steht« (Nr. 58).

Die Bildung und Erziehung umfaßt demnach auf ganzheitliche Weise das gesamte Leben der geweihten Person. Bereichert wird sie auch durch soziologische und andere humanwissenschaftliche Analysen und Reflexionen. Doch als ihren lebendigen Mittelpunkt und als Kriterium zur christlichen Beurteilung geschichtlicher Phänomene darf sie keineswegs die Dimension der Spiritualität, der Theologie und der Weisheit des Glaubenslebens vernachlässigen, denn sie ist es, die ihr den letzten und entscheidenden Schlüssel gibt für das Erkennen und Verstehen der heutigen Situation des Menschen und für die Wahl der Prioritäten und der Ausdrucksform eines wahren Zeugnisses.

Den Blick, den wir auf die Wirklichkeit unserer heutigen Welt richten, einen Blick, den wir stets von dem Mitleid und der Barmherzigkeit erfüllt wissen möchten, die uns der Herr Jesus Christus gelehrt hat, beschränkt sich nicht darauf, Fehler und Gefahren zu erkennen. Sicher, er kann es nicht vermeiden, auch die negativen und problematischen Aspekte zu sehen, aber sofort sucht er nach Wegen der Hoffnung und nach Zeichen intensiven Bemühens um die ganzheitliche Förderung des Menschen, für ihre Befreiung und vollkommene Glückseligkeit.

3. Inmitten einer sich wandelnden Welt, in der Ungerechtigkeiten und unglaubliches Leid fortbestehen und sich noch weiter vertiefen, seid ihr zu einer christlichen Interpretation der Fakten wie der historischen und kulturellen Phänomene berufen. Vor allem ist es eure Aufgabe, Überbringer des Lichts und der Hoffnung in der heutigen Gesellschaft zu sein. Laßt euch nicht verwirren von naivem Optimismus, sondern bleibt vielmehr treue Zeugen eines Gottes, der diese Menschheit ohne Zweifel liebt und ihr die notwendige Gnade schenkt, um auf wirksame Art und Weise am Aufbau einer besseren, gerechteren, die Würde jedes Menschen achtenden Welt teilhaben zu können. Abstand nehmen von der bequemen Neigung, finstere und negative Bilder zu malen, um mögliche, keineswegs illusorische Wege der Erlösung, der Befreiung und der Hoffnung zu zeichnen: genau das scheint die Herausforderung zu sein, die die heutige Kultur an den Glauben richtet.

Eure Erfahrung als geweihte Personen im weltlichen Stand zeigt euch, daß es irrig ist, zu glauben, der Aufbau einer besseren Welt sei lediglich von den auf höchster Ebene gefällten Entscheidungen und den großen Institutionen abhängig. Die Gnade des Herrn, die auch diese Epoche der Geschichte retten und erlösen kann, entsteht und wächst in den Herzen der Gläubigen. Sie nehmen die Initiative Gottes in der Geschichte an, sie unterstützen und fördern sie, sie lassen sie von unten herauf und aus dem Inneren einfacher menschlicher Leben wachsen, die so zu wirklichen Trägern des Wandels und des Heils werden. Denken wir nur an den Einfluß, den unzählige Heilige, auch die, die nicht offiziell von der Kirche als solche anerkannt sind, in dieser Hinsicht ausüben; sie hinterließen tiefe Spuren in ihrer Zeit, die sie mit Werten und Kräften des Guten bereicherten, deren Bedeutung die soziale Analyse nicht erfassen kann, die aber vor den Augen Gottes und in der eingehenden Reflexion der Gläubigen deutlich sichtbar ist.

4. Die Erziehung zu Einsicht und Erkenntnis darf nicht dazu führen, das Fundament jedes menschlichen Projekts, das Jesus Christus ist und bleibt, zu vernachlässigen. Ihrer Sendung entsprechend, wollen die Säkularinstitute »in die Gesellschaft die neuen Kräfte des Reiches Christi einbringen und die Welt durch die Kraft der Seligpreisungen von innen her zu verwandeln suchen« (Vita consecrata, 10). Der treffenden Darstellung aus dem Brief an Diognet entsprechend wird der Glaube der Jünger auf diese Weise zur Seele der Welt und bewirkt eine kulturelle und soziale Erneuerung, die der Menschheit zur Verfügung gestellt werden muß. Je weiter entfernt die Menschheit von der Botschaft des Evangelium ist, je fremder sie ihr ist, um so eindringlicher und überzeugender muß die Verkündigung der Wahrheit Christi und des in ihm erlösten Menschen sein.

Zweifellos muß stets die Art und Weise dieser Verkündigung berücksichtigt werden, damit die Menschen sie nicht als Aufdringlichkeit, als Zwang seitens der Gläubigen empfinden. Im Gegenteil, es ist unsere Aufgabe, stets deutlicher hervorzuheben, daß sich die Kirche als Vermittlerin der Sendung Christi in liebevoller Fürsorge dem Menschen widmet und daß sie das nicht für den »abstrakten« Menschen tut, sondern für diesen »konkreten« und »geschichtlichen« Menschen in der Überzeugung, daß »dieser Mensch […] der erste Weg [ist], den die Kirche bei der Erfüllung ihres Auftrags beschreiten muß …, ein Weg, der von Christus selbst vorgezeichnet ist und unabänderlich durch das Geheimnis der Menschwerdung und der Erlösung führt« (Redemptor hominis, 14; vgl. Centesimus annus, 53).

5. Liebe Verantwortliche und Mitglieder der Säkularinstitute, eure Anfangsausbildung ebenso wie eure ständige Weiterbildung muß von diesen Gewißheiten genährt werden. Sie wird dann reiche Früchte hervorbringen, wenn sie auch weiterhin von jenem unermeßlichen Reichtum der Offenbarung schöpfen wird, den die Kirche mit Weisheit und Liebe aufnimmt und verkündet.

Maria, dem Stern der Evangelisierung, dem einzigartigen Bild der Kirche, vertraue ich euren Weg auf den Straßen der Welt an. Möge sie an eurer Seite sein; möge ihre Fürsprache den Erfolg eurer Kongreßarbeit bewirken und den von euch hier vertretenen Institutionen Eifer und neuen apostolischen Schwung verleihen, damit dieses Jubeljahr ein neues Pfingsten und eine tiefe innere Erneuerung einleite.

Mit diesen Wünschen erteile ich allen als Zeichen meiner immerwährenden Zuneigung den Apostolischen Segen.

 

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