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ANSPRACHE VON JOHANNES PAUL II.
BEIM TREFFEN MIT DEN KRANKEN 

Sonntag, 11. Februar 2001
IX. Welttag der Kranken

 

Liebe Brüder und Schwestern! 

1. Wie jedes Jahr treffen wir uns heute, am 11. Februar, zu einer nun schon zur Tradition gewordenen Begegnung in der Vatikansbasilika. Unsere Gedanken gehen natürlich zur Grotte von Massabielles, wo viele Menschen im Laufe des Jahres im Gebet zu Füßen der Unbefleckt Empfangenen Gottesmutter innehalten. Und im Namen Marias begrüße ich euch, die ihr euch hier versammelt habt für die Feier der Eucharistie und für eine eindrucksvolle Lichterprozession, die uns die für Lourdes typische Atmosphäre nachempfinden läßt. Auch grüße ich alle, die diese jedesmal so bewegende Marienfeier gefördert und konkret organisiert haben. 

Mein Gruß gilt in erster Linie dem Kardinal-Vikar und den anwesenden Bischöfen; dann begrüße ich die Verantwortlichen der »Opera Romana Pellegrinaggi« [Römische Wallfahrtsorganisation] und alle Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und Laien, die am nationalen theologisch-pastoralen Kongreß über das Thema »Ortskirche, Wallfahrt und traditio fidei [Weitergabe des Glaubens]« teilnehmen.  

Besonders begrüße ich euch, liebe Kranke, und mit euch die Verantwortlichen und Freiwilligen des »UNITALSI«, eines verdienstvollen Verbands, der sich, besonders während der Pilgerfahrten, um euch kümmert. 

2. Eure Anwesenheit, liebe Kranke und Freiwillige, nimmt eine außerordentliche Bedeutung an, weil wir heute – nun schon zum neunten Mal – den »Welttag der Kranken« begehen. Jener des vergangenen Jahres ist in meinem Geist noch ganz lebendig. Wir befanden uns im intensiven spirituellen Klima des Großen Jubiläumsjahres, und das Glaubenszeugnis der Teilnehmer war überaus beeindruckend. Die großherzige Treue der Leidenden zum Willen des Herrn ist immer eine bedeutende Lehre für das Leben. Wie ich schon bei anderen Gelegenheiten gesagt habe, baut die Kirche fest auf die Unterstützung derer, die von Krankheit geprüft sind: Ihr mitunter wenig verstandenes Opfer, verbunden mit intensivem Gebet, wirkt sich auf geheimnisvolle Weise auf die Verbreitung des Evangeliums und für das Wohl des ganzen Gottesvolkes aus. 

Liebe Brüder und Schwestern! Heute möchte ich euch meinen aufrichtigen Dank für diese eure stille Mission in der Kirche wiederholen. Ihr sollt immer tief davon überzeugt sein, daß sie dem Weg der ganzen Kirchengemeinschaft eine außerordentliche Kraft verleiht.  

3. Im eindrucksvollen Rahmen dieses Treffens möchten wir uns heute abend in Gemeinschaft mit unseren Brüdern und Schwestern fühlen, die im australischen Sydney anläßlich des »Welttages der Kranken« zusammengekommen sind. Das Thema, das ich dieses Jahr für diesen Termin gewählt habe, lautet: »Neuevangelisierung und Würde des leidenden Menschen«. Es ist wichtig, über dieses Thema nachzudenken und zu meditieren, denn körperlicher und geistiger Schmerz prägt – mehr oder weniger tief – das Leben aller Menschen, und es ist nötig, daß das Licht des Evangeliums auch diesen Aspekt der menschlichen Existenz beleuchtet. 

Im Apostolischen Schreiben Novo millennio ineunte, das ich am Schlußtag des Heiligen Jahres unterzeichnete, habe ich alle Gläubigen eingeladen, auf das Antlitz Christi zu schauen. Ich schrieb darin: »Die Betrachtung des Angesichtes Christi bringt uns also dem paradoxesten Gesichtspunkt seines Geheimnisses näher, der in der letzten Stunde, der Stunde des Kreuzes, ins Blickfeld rückt« (25). 

Vor allem ihr, liebe kranke Freunde, versteht, wie paradox das Kreuz ist, denn es ist euch gegeben, das Geheimnis der Schmerzen in eurem eigenen Fleisch zu spüren. Wenn die Kräfte wegen einer schweren Krankheit nachlassen, rücken die lange im Herzen gehegten Projekte in die Ferne. Zum körperlichen Leid gesellt sich oft auch das geistige, verursacht durch ein Gefühl der Einsamkeit, das die Person peinigt. In der heutigen Gesellschaft betrachtet eine bestimmte Kultur den kranken Menschen als ein lästiges Hindernis, und der wertvolle Beitrag, den der Kranke der Gemeinschaft auf spiritueller Ebene leistet, wird nicht anerkannt. Es ist dringend geboten, den Wert des mit Christus geteilten Kreuzes neu zu entdecken.  

4. Am 18. Februar 1858 sagte die Muttergottes in Lourdes zu Bernadette: »Ich verspreche dir nicht, daß du in dieser Welt glücklich sein wirst, sondern in der anderen.« Während einer weiteren Erscheinung forderte Maria sie auf, ihren Blick zum Himmel zu wenden. Hören wir erneut diese Aufforderungen der himmlischen Mutter, so als seien sie an uns gerichtet: Sie sind eine Einladung, die irdischen Wirklichkeiten richtig zu werten in dem Wissen, daß wir zu einem ewigen Dasein bestimmt sind. Sie sind eine Hilfe, um in der Perspektive des Paradieses die Widrigkeiten, Schmerzen und Krankheiten geduldig zu ertragen. Zuweilen schien der Gedanke an das Paradies manchen Menschen wie eine Flucht aus der konkreten Alltäglichkeit; im Gegenteil: Das Licht des Glaubens läßt den Menschen die harte Erfahrung des Leidens besser verstehen und daher bewußter akzeptieren. Sogar die hl. Bernadette, von Krankheit schwer geprüft, rief eines Tages: »Kreuz meines Erlösers, heiliges Kreuz, anbetungswürdiges Kreuz, nur in dich lege ich meine Kraft, meine Hoffnung und meine Freude. Du bist der Lebensbaum, die geheimnisvolle Leiter, die die Erde mit dem Himmel verbindet, und der Altar, auf dem ich mich opfern möchte, indem ich für Jesus sterbe« (vgl. M. B. Soubirous, Carnet de notes intimes, S. 20).  

5. Dies ist die Botschaft von Lourdes, die viele gesunde und kranke Pilger aufgenommen und sich zu eigen gemacht haben. Mögen die Worte der Jungfrau euch ein innerlicher Trost sein, liebe leidende Brüder und Schwestern, denen ich nochmals meine brüderliche Solidarität ausspreche. Wenn ihr den göttlichen Willen fügsam annehmt, könnt ihr in der Krankheit für viele ein Wort der Hoffnung und sogar der Freude sein, denn ihr sagt dem Menschen unserer Zeit, der oft unruhig und unfähig ist, dem Schmerz einen Sinn zu geben, daß Gott uns nicht verlassen hat. Wenn ihr euren Zustand gläubig erlebt, bezeugt ihr, daß Gott nahe ist. Ihr verkündet, daß diese zärtliche und liebevolle Nähe des Herrn bewirkt, daß es keinen Abschnitt im Leben gibt, der es nicht wert wäre, gelebt zu werden. Krankheit und Tod sind nicht Wirklichkeiten, denen es zu entfliehen oder die es zu verheimlichen gilt, weil sie nutzlos wären, sondern sie sind Etappen eines Weges. 

Ebenfalls möchte ich alle ermutigen, die sich mit Hingabe der Krankenpflege widmen, damit sie ihre wertvolle Sendung der Liebe fortsetzen und darin die innerlichen Tröstungen erfahren, die der Herr dem Menschen gewährt, der sich neben dem leidenden Nächsten zum barmherzigen Samariter macht.

Mit diesen Empfindungen umarme ich euch alle im Herrn und segne euch von Herzen.

 



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