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Liebe Brüder und Schwestern!

In einer in vielerlei Hinsicht dramatischen Zeit, in der Menschen unzähligen Bedrohungen ihrer Würde ausgesetzt sind, ist die 1700-Jahr-Feier des Ersten Konzils von Nizäa eine wertvolle Gelegenheit, uns zu fragen, wer Jesus Christus im Leben der Frauen und Männer von heute ist, wer er für einen jeden von uns ist.

Diese Frage betrifft insbesondere die Christen, die Gefahr laufen, Jesus Christus auf eine Art charismatischen Anführer oder Übermenschen zu reduzieren, eine Fehlinterpretation, die letztendlich zu Traurigkeit und Verwirrung führt (vgl. Homilie bei der Heiligen Messe Pro Ecclesia, 9. Mai 2025). Indem er die Göttlichkeit Christi leugnete, reduzierte Arius ihn auf einen einfachen Mittler zwischen Gott und den Menschen und ignorierte dabei die Wirklichkeit der Menschwerdung, sodass das Göttliche und das Menschliche unüberbrückbar voneinander getrennt blieben. Aber wenn Gott nicht Mensch geworden ist, wie können die Sterblichen dann an seinem unsterblichen Leben teilhaben? Das stand in Nizäa auf dem Spiel und steht auch heute auf dem Spiel: der Glaube an den Gott, der in Jesus Christus einer von uns geworden ist, um uns »Anteil an der göttlichen Natur« zu geben (2 Petr 1,4; vgl. Hl. Irenäus, Adversus haereses, 3, 19; Hl. Athanasius, De Incarnatione, 54, 3).

Dieses christologische Glaubensbekenntnis ist von grundlegender Bedeutung auf dem Weg, den die Christen hin zur vollen Gemeinschaft gehen: Es wird nämlich von allen christlichen Kirchen und Gemeinschaften weltweit geteilt, auch von denen, die das Nizäno-konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis aus verschiedenen Gründen nicht in ihren Liturgien verwenden. In der Tat ist der Glaube »an den einen Herrn Jesus Christus, den Sohn Gottes, als Einziggeborener aus dem Vater gezeugt […] aus dem Wesen des Vaters« (Glaubensbekenntnis von Nizäa) eine tiefe Verbindung, die bereits alle Christen vereint. In diesem Sinne können wir, um den heiligen Augustinus zu zitieren, auch im ökumenischen Bereich sagen: »Obgleich wir Christen viele sind, sind wir in dem einen Christus eins« (vgl. In Psalmum 127 enarratio). Und von dem Bewusstsein ausgehend, dass wir bereits durch dieses tiefgehende Band verbunden sind, sind wir alle aufgefordert, durch einen Weg der immer vollständigeren Hingabe an das in Jesus Christus offenbarte Wort Gottes und unter der Führung des Heiligen Geistes, in gegenseitiger Liebe und im Dialog, das Ärgernis der leider noch bestehenden Spaltungen zu überwinden und den Wunsch nach Einheit zu nähren, für den der Herr Jesus gebetet und sein Leben hingegeben hat. Je mehr wir untereinander versöhnt sind, desto mehr können wir Christen ein glaubwürdiges Zeugnis für das Evangelium Jesu Christi geben, das eine Botschaft der Hoffnung für alle ist, eine Botschaft des Friedens und der universalen Geschwisterlichkeit, die über die Grenzen unserer Gemeinschaften und Nationen hinausgeht (vgl. Franziskus, Ansprache an die Teilnehmer an der Vollversammlung des Päpstlichen Rats zur Förderung der Einheit der Christen, 6. Mai 2022).

In unseren Tagen ist die Versöhnung ein Appell, der von der gesamten Menschheit ausgeht, die unter Konflikten und Gewalt leidet. Der Wunsch nach voller Gemeinschaft unter allen, die an Jesus Christus glauben, geht immer mit dem Streben nach Geschwisterlichkeit unter allen Menschen einher. Im Credo von Nizäa bekennen wir unseren Glauben »an den einen Gott, den Vater«; es wäre jedoch nicht möglich, Gott als Vater anzurufen, wenn wir uns weigern würden, die anderen Männer und Frauen als Brüder und Schwestern anzuerkennen, die ebenfalls nach dem Bild Gottes geschaffen sind (vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Erklärung Nostra aetate, 5). Es gibt eine universale Geschwisterlichkeit, unabhängig von Ethnie, Nationalität, Religion oder Meinung. Die Religionen sind von Natur aus Hüter dieser Wahrheit und sollten die einzelnen Personen, Gruppen von Menschen und Völker dazu ermutigen, sie anzuerkennen und zu praktizieren (vgl. Ansprache beim Gebetstreffen für den Frieden, 28. Oktober 2025). Das Heranziehen von Religion, um Krieg und Gewalt zu rechtfertigen, muss, wie jede Form von Fundamentalismus und Fanatismus, entschieden abgelehnt werden, während die Wege, die wir einzuschlagen haben, jene der geschwisterlichen Begegnung, des Dialogs und der Zusammenarbeit sind.

Ich bin Seiner Heiligkeit Bartholomäus zutiefst dankbar, der sich mit großer Weisheit und Weitsicht entschieden hat, das 1700-Jahr-Gedenken des Konzils von Nizäa gemeinsam an ebenjenem Ort feierlich zu begehen, an dem es stattgefunden hat; und ich danke von Herzen den Oberhäuptern der Kirchen und den Vertretern der weltweiten christlichen Gemeinschaften, die der Einladung zur Teilnahme an diesem Ereignis gefolgt sind. Möge Gott, der allmächtige und barmherzige Vater, unser heutiges inständiges Gebet hören und gewähren, dass dieser wichtige Jahrestag reichlich Früchte der Versöhnung, der Einheit und des Friedens trägt.