DAS «CREDO» DES GOTTESVOLKES
GESPROCHEN DURCH DEN HEILIGEN VATER PAUL VI. ZUM ABSCHLUSS DES GLAUBENSJAHRES
Petersplatz - Sonntag, 30. Juni 1968
Ehrwürdige Brüder!
Geliebte Söhne und Töchter!
Mit dieser eindrucksvollen Liturgie beschließen Wir die Feier des 1900-jährigen Jubiläums des Martyriums der heiligen Apostelfürsten Petrus und Paulus und beendigen so das « Jahr des Glaubens ». Wir hatten es dem Gedächtnis der heiligen Apostel geweiht, um so Unseren unerschütterlichen Willen der Treue zum Glaubensgut[1]zu bezeugen, zum Glauben, den sie uns überlieferten, und um Unseren Wunsch zu bestärken, nach dem Glauben zu leben in der geschichtlichen Situation, in der sich die pilgernde Kirche inmitten der Welt befindet.
Wir fühlen die Pflicht, öffentlich all jenen zu danken, die Unserer Einladung entsprochen haben und so dem «Jahr des Glaubens » seinen wunderbaren Reichtum schenkten durch ihre persönliche, tiefempfundene Bejahung des Wortes Gottes, durch die Erneuerung im Bekenntnis des Glaubens in den verschiedenen Gemeinschaften und durch das Zeugnis eines christlichen Lebens. In ganz besonderer Weise bringen Wir Unseren Brüdern im Bischofsamt Unseren Dank zum Ausdruck wie auch allen Gläubigen der heiligen katholischen Kirche, und erteilen ihnen allen Unseren Segen.
In gleicher Weise will es Uns scheinen, dass Wir den Auftrag erfüllen müssen, den Christus Petrus anvertraute, dessen geringster Nachfolger Wir sind, in der Lage zu sein, unsere Brüder im Glauben zu bestärken.[2] Im Bewusstsein unserer menschlichen Schwäche freilich, aber mit der ganzen Kraft, die ein solcher Auftrag Unserer Person auferlegt, sind Wir jetzt im Begriff, ein Glaubensbekenntnis abzulegen. Wir wollen ein Credo sprechen, das — ohne eine dogmatische Definition im eigentlichen Sinne des Wortes sein zu wollen — in der Substanz mit einigen Erweiterungen, die durch die geistige Situation unserer Zeit geboten sind, das Credo von Nizäa wiederholt, das Credo der unsterblichen Überlieferung der heiligen Kirche Gottes.
Wenn Wir dies tun, sind Wir Uns dabei der Unruhe bewusst, die gewisse moderne Kreise im Hinblick auf den Glauben ergriffen hat. Sie können sich nicht dem Einfluss einer Umwelt entziehen, die sich in einer tiefgehenden Wandlung befindet, und in der so viele Dinge, die als sicher galten, bestritten oder zur Diskussion gestellt werden. Wir sehen sogar Katholiken, die sich von einer Art Veränderungs- und Erneuerungssucht erfassen lassen. Die Kirche hat freilich immer die Pflicht sich ständig zu bemühen, tiefer einzudringen in die unergründlichen Geheimnisse Gottes, die so reich sind an Segnungen des Heiles, und diese Geheimnisse in einer Weise darzulegen, die sich immer besser dem Verständnis der Menschen anpasst, die ihr folgen. Aber gleichzeitig muss man auch die größte Sorge tragen, wenn man sich ganz der unerlässlichen Pflicht der Forschung hingibt, an den Wahrheiten der christlichen Lehre keine Abstriche zu machen. Denn das würde sonst bedeuten, wie man es heute leider wahrnehmen muss, bei vielen gläubigen Seelen Verwirrung und Bestürzung hervorzurufen.
Dabei ist der Hinweis von Bedeutung, dass der Verstand, den Gott uns gegeben hat, von allem wissenschaftlich Feststellbaren bis zur Realität der Dinge an sich und nicht nur bis zu den subjektiven Bewusstseinsabläufen vordringen kann. Andererseits muss man darauf hinweisen, dass es die Aufgabe der Schrifterklärung ist — der Hermeneutik — in Ehrfurcht jenen Sinn zu verstehen und zu deuten, den ein Text ausspricht, aber in keiner Weise diesen Sinn umzudeuten nach Belieben willkürlicher Hypothesen.
Vor allem aber setzen Wir Unser unerschütterliches Vertrauen auf den Heiligen Geist, die Seele der Kirche, und den theologischen Glauben, auf dem sich das Leben des mystischen Leibes gründet. Wir wissen, dass die Seelen auf das Wort des Statthalters Christi warten, und Wir entsprechen dieser Erwartung durch die Unterweisungen, die Wir regelmäßig geben. Aber heute ist Uns die Gelegenheit geboten, ein besonders feierliches Wort zu sprechen.
An diesem Tag, den Wir bestimmten, um das Jahr des Glaubens zu beschließen, heute am Feste der heiligen Apostel Petrus und Paulus, wollten Wir dem lebendigen Gott die Huldigung eines Glaubensbekenntnisses darbringen. Und wie einst zu Cäsarea Philippi der Apostel Petrus im Namen der Zwölfe das Wort ergriff, um im Gegensatz zu allen menschlichen Meinungen Christus in aller Wahrheit als Sohn des lebendigen Gottes zu bekennen, so erhebt heute sein demütiger Nachfolger als Hirte der gesamten Kirche seine Stimme, um im Namen des ganze Volkes Gottes ein festes Zeugnis für die göttliche Wahrheit abzulegen, die der Kirche anvertraut ist, auf dass sie diese allen Nationen verkünde.
Es war Unser Wille, dass Unser Glaubensbekenntnis vollständig und klar genug sei, um in einer Weise Antwort zu geben, die dem drängenden Wunsch nach Erleuchtung angepasst ist, der von so vielen gläubigen Seelen und von allen Menschen in der Welt empfunden wird, die — ganz gleich welcher geistigen Gemeinschaft sie angehören — auf der Suche nach der Wahrheit sind.
Zur Ehre Gottes und unseres Herrn Jesus Christus, im Vertrauen auf die Hilfe der Allerseligsten Jungfrau Maria und der heiligen Apostel Petrus und Paulus, zum Nutzen und zur Erbauung der Kirche, im Namen aller Oberhirten und aller Gläubigen sprechen Wir jetzt dieses Glaubensbekenntnis, in voller geistlicher Gemeinschaft mit euch allen, geliebte Brüder und Söhne.
GLAUBENSBEKENNTNIS
Wir glauben an den einen Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist, Schöpfer der sichtbaren Dinge, wie es diese Welt ist, auf der unser flüchtiges Leben sich abspielt, Schöpfer der unsichtbaren Dinge, wie es die reinen Geister sind, die man auch Engel nennt,[3] und Schöpfer der unsterblichen Geistseele eines jeden Menschen.
Wir glauben, dass dieser einzige Gott seiner Wesenheit nach absolut einer ist, unendlich heilig wie er in allen seinen Eigenschaften unendlich vollkommen ist, in seiner Allmacht, in seinem unbegrenzten Wissen, in seiner Vorsehung, in seinem Willen und in seiner Liebe. Er ist der, der ist, wie er es Moses geoffenbart hat;[4] er ist Liebe, wie der Apostel Johannes es uns lehrt.[5] Diese beiden Worte also, Sein und Liebe, bezeichnen in unaussprechlicher Weise die gleiche göttliche Wirklichkeit dessen, der sich uns zu erkennen geben wollte, und der da er « in einem unzugänglichen Lichte wohnt »,[6] in sich selbst jenseits jeglicher Bezeichnung, über allen Dingen steht und alles geschaffene Denken übersteigt. Gott allein kann uns von sich eine angemessene und volle Erkenntnis mitteilen, indem er sich als Vater, Sohn und Heiliger Geist offenbart. Durch die Gnade sind wir berufen, an ihrem ewigen Leben teilzuhaben, hier auf Erden im Dunkel des Glaubens, und nach dem Tode im ewigen Lichte. Die gegenseitigen Bande, die von Ewigkeit her die drei Personen wesentlich ausmachen, deren jede das eine und selbe göttliche Sein ist, sind das beseligende innerste Leben des dreimal heiligen Gottes, unendlich weit entfernt von all dem, was wir auf menschliche Weise begreifen können.[7] Wir sagen indessen der göttlichen Güte Dank für die Tatsache, dass sehr viele gläubige Menschen mit uns vor der Welt die Einzigkeit Gottes bezeugen können, obwohl sie das Geheimnis der allerheiligsten Dreifaltigkeit nicht kennen.
Wir glauben also an den Vater, der von Ewigkeit her den Sohn zeugt; an den Sohn, das Wort Gottes, das von Ewigkeit her gezeugt ist; an den Heiligen Geist, die unerschaffene Person, die vom Vater und vom Sohne ausgeht als ihre ewige Liebe. In den drei göttlichen Personen also, untereinander gleich ewig und gleichen Wesens[8] sind das Leben und die Seligkeit Gottes, der vollkommen eins ist, in überreicher Fülle vorhanden und vollenden sich in der Vollkommenheit und in der Glorie, die dem unerschaffenen Wesen eigen sind. Immer « muss also die Einheit in der Dreifaltigkeit und die Dreifaltigkeit in der Einheit verehrt werden ».[9]
Wir glauben an unseren Herrn Jesus Christus, der der Sohn Gottes ist. Er ist das ewige Wort, gezeugt vom Vater vor aller Zeit und wesensgleich dem Vater, homoousios to Patri; [10]durch ihn ist alles erschaffen worden. Durch das Wirken des Heiligen Geistes hat er im Schoße der Jungfrau Maria Fleisch angenommen und ist Mensch geworden: dem Vater also seiner Gottheit nach gleich, der Menschheit aber nach ist er geringer als der Vater.[11]Er ist in sich selbst einer, nicht durch eine unmögliche Vermischung der Naturen, sondern durch die Einheit der Person.[12]
Er hat unter uns gewohnt, voll der Gnade und Wahrheit. Er verkündete das Reich Gottes und richtete es wieder auf, und ließ uns den Vater durch sich erkennen. Er hat uns ein neues Gebot gegeben, einander zu lieben wie er uns geliebt hat. Er lehrte uns den Weg der Seligkeiten des Evangeliums: Armut im Geiste, Milde, Geduld im Leiden, Durst nach der Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Reinheit des Herzens, Wille zum Frieden, Verfolgung erdulden um der Gerechtigkeit willen. Er litt unter Pontius Pilatus, als Lamm Gottes nahm er die Sünden der Welt auf sich; er ist für uns am Kreuze gestorben und rettete uns durch sein erlösendes Blut. Er ist begraben worden und am dritten Tag aus eigener Kraft wieder auferstanden. Durch seine Auferstehung berief er uns zur Teilnahme am göttlichen Leben, das das Leben der Gnade ist. Er ist aufgefahren in den Himmel und wird wiederkommen aufs neue, und zwar dieses Mal in Herrlichkeit, um die Lebenden und die Toten zu richten: einen jeden nach seinen Verdiensten, — jene, die der Liebe und dem Erbarmen Gottes entsprochen haben, werden eingehen zum ewigen Leben; jene aber, die bis zum Ende ihres Lebens die Liebe und das Erbarmen Gottes ablehnten, werden dem Feuer überantwortet, das niemals erlischt.
Und seines Reiches wird kein Ende sein.
Wir glauben an den Heiligen Geist, den Herrn und Lebensspender, der mit dem Vater und dem Sohne angebetet und verherrlicht wird. Durch die Propheten hat er zu uns gesprochen und ist von Christus, nach der Auferstehung und Himmelfahrt zum Vater, gesandt worden. Der Heilige Geist erleuchtet, belebt, beschützt und führt die Kirche; er läutert ihre Glieder, wenn sie der Gnade nicht widerstehen. Sein gnadenvolles Wirken, das bis in das Innerste der Seele eindringt, macht den Menschen fähig, auf den Anruf Christi zu antworten: « Seid vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist! » (Mt. 5, 48).
Wir glauben, dass Maria, die allzeit Jungfrau blieb, die Mutter des menschgewordenen Wortes ist, unseres Gottes und Heilandes Jesus Christus,[13] und dass sie im Hinblick auf diese einzigartige Gnadenauserwählung und durch die Verdienste ihres Sohnes auf eine vollkommenere Art erlöst worden ist,[14] indem sie von jedem Makel der Erbsünde bewahrt wurde [15] und mit dem Gottesgeschenk der Gnade mehr bedacht wurde als alle anderen Geschöpfe.[16]
Verbunden in einer ganz innigen und unauflöslichen Weise mit dem Geheimnis der Menschwerdung und Erlösung,[17]wurde die allerseligste Jungfrau, die unbefleckt Empfangene, am Ende ihres irdischen Lebens mit Leib und Seele in die Herrlichkeit des Himmels aufgenommen [18]und in Vorausnahme des künftigen Loses aller Gerechten ihrem auferstandenen Sohne in der Verklärung angeglichen. Wir glauben, dass die heilige Gottesmutter, die Neue Eva, die Mutter der Kirche,[19] im Himmel ihr mütterliches Amt fortsetzt im Hinblick auf die Glieder Christi, indem sie mitwirkt bei der Erweckung und Entfaltung des göttlichen Lebens in den erlösten Seelen.[20]
Wir glauben, dass in Adam alle gesündigt haben, was besagen will, dass die Erbschuld, die Adam beging, die menschliche Natur, die allen Menschen gemeinsam ist, in einen Zustand fallen ließ, in dem sie die Folgen dieser Schuld zu tragen hat, und dass dieser Zustand nicht jener ist, in dem unsere Stammeltern sich zuerst befanden, da sie in Heiligkeit und Gerechtigkeit geschaffen waren, und der Mensch weder das Böse noch den Tod kannte. Die menschliche Natur ist also eine gefallene Natur, beraubt der Gnade, die sie bekleidete, verwundet in ihren eigenen natürlichen Kräften und dem Reich des Todes unterworfen, der auf alle Menschen übergegangen ist. Das ist der Sinn, dass jeder Mensch in Sünde geboren wird.
Wir halten also mit dem Konzil von Trient fest, dass die Erbsünde mit der menschlichen Natur übertragen wird, «nicht durch Nachahmung, sondern durch Fortpflanzung », und « gehört so zu einem jeden ».[21]
Wir glauben, dass Unser Herr Jesus Christus uns durch sein Opfer am Kreuz von der Erbsünde und von allen persönlichen Sünden, die wir begangen haben, erlöst hat, so dass nach den Worten des Apostels dort, « wo die Sünde zugenommen hat, die Gnade überreich geworden ist ».[22]
Wir glauben an die eine Taufe, die von unserem Herrn Jesus Christus zur Nachlassung der Sünden eingesetzt worden ist. Die Taufe muss auch schon den Kindern im frühen Alter gespendet werden, die sich noch keiner persönlichen Sünde schuldig machen konnten, damit sie, die ohne den Besitz der übernatürlichen Gnade geboren sind, wiedergeboren werden « aus dem Wasser und dem Heiligen Geist » zum göttlichen Leben in Jesus Christus.[23]
Wir glauben an die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche, die von Jesus Christus auf den Felsen gegründet wurde, der Petrus ist. Sie ist der mystische Leib Jesu Christi, von ihm sowohl als sichtbare Gesellschaft mit hierarchischem Aufbau wie auch als geistige Gemeinschaft eingesetzt; sie ist die Kirche hier auf Erden, das pilgernde Gottesvolk und sie ist die Kirche, die beschenkt ist mit himmlischen Gütern, der Same und keimhafte Anfang des Reiches Gottes, durch das sich Werk und Leiden der Erlösung in der Geschichte fortsetzen und das seine Vollendung finden wird jenseits aller Zeitlichkeit, in der ewigen Herrlichkeit.[24] Der Herr Jesus Christus lässt seine Kirche in der Zeit Gestalt annehmen durch die Sakramente, die aus seiner göttlichen Fülle hervorgehen.[25] Durch sie haben die Glieder der Kirche Anteil am Geheimnis seines Todes und seiner Auferstehung, in der Gnade des Heiligen Geistes, der Leben und Tun verleiht.[26]Die Kirche ist deshalb heilig, auch wenn sich in ihrer Mitte Sünder befinden, weil sie selbst kein anderes Leben besitzt, als das der Gnade. Das heißt, dass sich ihre Glieder heiligen, wenn sie an ihrem Leben teilnehmen, und dass sie, wenn sie ihr Leben preisgeben, der Sünde und Unordnung verfallen, die den Glanz ihrer Heiligkeit verdunkeln. Deshalb leidet und büßt die Kirche für diese Verfehlungen; sie hat die Gewalt, ihre Gläubigen davon zu heilen durch das Blut Christi und die Gabe des Heiligen Geistes.
Sie ist dem Geiste nach Erbin der göttlichen Verheißungen und Tochter Abrahams, durch jenes Israel, dessen heilige Schriften sie in Liebe bewahrt und dessen Patriarchen und Propheten sie in Ehrfurcht gedenkt; sie ist auf die Apostel gegründet und gibt im Nachfolger des heiligen Petrus und in den Bischöfen, die sich in Gemeinschaft mit ihm befinden, deren immerdar lebendiges Wort und deren Hirtengewalt durch die Jahrhunderte weiter. Unter dem immerwährenden Beistand des Heiligen Geistes hat die Kirche die Aufgabe, jene Wahrheit zu bewahren, zu lehren, auszulegen und in der Welt zu verkündigen, die Gott in verhüllter Weise durch die Propheten und in ihrer ganzen Fülle durch unseren Herrn Jesus Christus geoffenbart hat. Wir glauben alles, was im geschriebenen oder überlieferten Gotteswort enthalten ist, und was die Kirche als von Gott geoffenbarte Wahrheit zu glauben vorlegt, entweder durch eine feierliche Glaubensentscheidung oder durch das ordentliche und allgemeine Lehramt.[27] Wir glauben an die Unfehlbarkeit, die dem Nachfolger des heiligen Petrus zukommt, wenn er ex cathedra als Hirte und Lehrer aller Gläubigen spricht;[28] diese ist auch dem Kollegium der Bischöfe verheißen, wenn es gemeinsam mit dem Papst das höchste Lehramt ausübt.[29]
Wir glauben, dass die von Christus gegründete Kirche, für die er gebetet hat, die Einheit im Glauben, im Kult und in der hierarchischen Gemeinschaft unverlierbar besitzt. Die reiche Vielfalt in der Liturgie, die zurecht bestehende Verschiedenheit im theologischen und geistlichem Erbe sowie in den eigenen Rechtsordnungen im Innern der Kirche, tun ihrer Einheit keinen Abbruch, sondern lassen sie stärker aufleuchten.[30]
Wir anerkennen das Vorhandensein zahlreicher Elemente der Wahrheit und Heiligung außerhalb der Gemeinschaft der Kirche Christi, welche eigentlich ihr zugehören und auf die katholische Einheit hindrängen[31] und Wir glauben an das Wirken des Heiligen Geistes, der in den Herzen der Jünger Christi die Liebe zu dieser Einheit entflammt; [32]Wir haben aber die Hoffnung, dass auch die Gläubigen, die noch nicht voll und ganz der Gemeinschaft der Kirche angehören, sich eines Tages in einer einzigen Herde mit einem Hirten vereinigen werden.
Wir glauben, dass die Kirche heilsnotwendig ist, denn Christus, der alleinige Mittler und Weg zum Heil, ist für uns gegenwärtig in seinem Leib, der die Kirche ist.[33]Aber der göttliche Heilsplan umfasst alle Menschen; diejenigen, die ohne ihre Schuld, die Frohbotschaft Christi und seine Kirche nicht kennen, aber aufrichtig Gott suchen und sich mit Hilfe der Gnade um die Erfüllung seines Willens bemühen, den sie aus den Forderungen ihres Gewissens erkannt haben — ihre Zahl ist Gott allein bekannt — können das Heil erlangen.[34]
Wir glauben, dass die heilige Messe, wenn sie vom Priester, der die Person Christi darstellt, kraft der durch das Weihesakrament empfangenen Gewalt, gefeiert und im Namen Jesu Christi und der Glieder seines mystischen Leibes dargebracht wird, das Opfer von Kalvaria ist, das auf unseren Altären sakramental vergegenwärtigt wird. Wir glauben, dass in der Weise wie Brot und Wein vom Herrn beim heiligen Abendmahl konsekriert und in seinen Leib und in sein Blut verwandelt worden sind, die er für uns am Kreuz geopfert hat, auch Brot und Wein, wenn sie vom Priester konsekriert werden, in den Leib und das Blut Christi verwandelt werden, der glorreich in den Himmel auf gefahren ist; und Wir glauben, dass die geheimnisvolle Gegenwart des Herrn unter dem, was für unsere Sinne in derselben Weise wie vorher fortzubestehen erscheint, eine wahre, wirkliche und wesentliche Gegenwart ist.[35]
Christus kann in diesem Sakrament nicht anders gegenwärtig sein als durch die Verwandlung der Substanz des Brotes in seinen Leib und der Verwandlung der Substanz des Weines in sein Blut, dabei bleiben die Gestalten von Brot und Wein, wie sie unsere Sinne wahrnehmen, unverändert erhalten. Diese geheimnisvolle Verwandlung nennt die Kirche auf sehr treffende Weise Transsubstantiation.
Jede theologische Erklärung, die sich um das Verständnis dieses Geheimnisses bemüht, muss, um mit dem katholischen Glauben übereinstimmen zu können, daran festhalten, dass in der von unserem Geist unabhängigen Ordnung der Wirklichkeit Brot und Wein nach der Konsekration zu bestehen aufgehört haben, so dass nunmehr der anbetungswürdige Leib und das anbetungswürdige Blut unseres Herrn vor uns gegenwärtig sind unter den sakramentalen Gestalten von Brot und Wein;[36]so hat es der Herr gewollt, um sich uns zur Speise zu geben und uns einzugliedern in die Einheit seines mystischen Leibes.[37]
Die alleinige und unteilbare Daseinsweise des verklärten Herrn im Himmel wird damit keineswegs vervielfältigt; sie ist durch das Sakrament vergegenwärtigt an den vielen Orten der Erde, wo das Messopfer dargebracht wird.
Diese Daseinsweise bleibt nach dem Opfer im Sakrament fortbestehen, das im Tabernakel aufbewahrt wird, der die Herzmitte unserer Kirchen ist. Es ist Uns eine heilige Pflicht, das fleischgewordene Wort, das unsere Augen nicht erblicken können und das, ohne den Himmel zu verlassen, sich uns vergegenwärtigt, in der heiligen Hostie, die unsere Augen sehen können, anzubeten und zu verehren.
Wir bekennen, dass Gottes Reich hier auf Erden in der Kirche Christi seinen Anfang nahm, die nicht von dieser Welt ist, deren Antlitz ja vergeht, und, dass das ihm eigene Wachstum nicht mit dem Fortschritt der Zivilisation, der Wissenschaft und Technik des Menschen gleichgesetzt werden darf, sondern darin besteht, um immer tiefer den unergründlichen Reichtum Christi zu erkennen, immer zuversichtlicher auf die ewigen Güter zu hoffen, mit immer brennenderem Herzen der Liebe Gottes zu antworten und den Menschen immer freigebiger die Güter der Gnade und Heiligkeit mitzuteilen.
Doch ist es dieselbe Liebe, die die Kirche bewegt, sich stets um das wahre zeitliche Wohl der Menschen zu sorgen. Unablässig erinnert sie einerseits ihre Kinder daran, dass ihnen hier auf Erden keine bleibende Wohnung beschieden ist, andererseits drängt sie sie dazu, dass jeder von ihnen, entsprechend seiner Berufung und seinen Möglichkeiten, zum Wohle seiner irdischen Heimat beiträgt, dass er Gerechtigkeit, Frieden und Brüderlichkeit unter den Menschen fördert und seinen Brüdern, vor allem den Armen und Unglücklichen, hilft. Die stete Sorge der Kirche, der Braut Christi, für die Not der Menschen, für ihre Freuden und Hoffnungen, für ihre Arbeiten und Mühen ist demnach nichts anderes als die große Sehnsucht, ihnen nahe zu sein, um sie zu erleuchten mit dem Lichte Christi und sie alle in ihm, ihrem alleinigen Heiland, zu vereinen. Diese Sorge kann niemals bedeuten, dass sich die Kirche den Dingen dieser Welt gleichförmig macht, noch kann sie die brennende Sehnsucht mindern, mit der die Kirche ihren Herrn und sein ewiges Reich erwartet.
Wir glauben an das ewige Leben. Wir glauben, dass die Seelen aller, die in der Gnade Christi sterben, sei es, dass sie noch im Reinigungsort geläutert werden müssen, oder dass sie Jesus im Augenblick, da sie ihren Leib verlassen, in das Paradies aufnimmt, wie er es mit dem guten Schächer am Kreuz getan hat, das Volk Gottes bilden jenseits des Todes, der am Tag der Auferstehung, da diese Seelen mit ihren Leibern vereinigt sein werden, endgültig besiegt sein wird.
Wir glauben, dass die große Schar derer, die mit Jesus und Maria im Paradies vereinigt sind, die himmlische Kirche bildet. Dort schauen sie in ewiger Glückseligkeit Gott so wie er ist;[38]dort legen sie auch, in verschiedenen Abstufungen, mit den heiligen Engeln der Herrschaft des verherrlichten Christus angegliedert, für uns Fürsprache ein und kommen uns in unserer Schwachheit durch ihre brüderliche Fürsorge zu Hilfe.[39]
Wir glauben an die Gemeinschaft aller Christgläubigen; derer, die hier auf Erden als Pilger wandern, der Verstorbenen, die ihre Läuterung erwarten und der Seligen im Himmel; alle zusammen bilden sie die eine Kirche; wir glauben, dass in dieser Gemeinschaft die barmherzige Liebe Gottes und seiner Heiligen stets unsere Gebete erhört, wie uns Jesus gesagt hat: Bittet und ihr werdet empfangen.[40]Mit ebendiesem Glauben und ebendieser Hoffnung erwarten Wir die Auferstehung von den Toten und das Leben der zukünftigen Welt.
Gepriesen sei der dreimalheilige Gott! Amen.
Aus der St. Peterskirche, 30. Juni 1968.
PAULUS PP. VI
[1] Vgl. 1 Tim. 6, 20.
[2] Vgl. Lk. 22, 32.
[3] Vgl. Dz.-Sch. 3002.
[4] Vgl. Ex. 3, 14.
[5] Vgl. 1 Io. 4, 8.
[6] Vgl. 1 Tim. 6. 16.
[7] Vgl. Dz.-Sch. 804.
[8] Vgl. Dz.-Sch. 75.
[9] Vgl. Dz.-Sch. 75.
[10] Vgl. Dz.-Scb. 150.
[11] Vgl. Dz.-Sch. 76.
[12] Vgl. Ibid.
[13]Vgl. Dz.-Sch. 251-252.
[14] Vgl. Lumen Gentium 53.
[15] Vgl. Dz.-Sch. 2803.
[16] Vgl. Lumen Gentium 53.
[17] Vgl. Lumen Gentium 53, 58, 61.
[18] Vgl. Dz.-Scb. 3903.
[19] Vgl. Lumen Gentium 53, 56, 61, 63; Vgl. PAPST PAUL VI., Anspr. zum Abschluss der dritten Sitzungsperiode des II. Vat. Konzils: AAS [1964] 1016; Vgl. Ap. Sehr. Signum Magnum, Einl.
[20]Vgl. Lumen Gentium 62; Vgl. PAUL VI., Ap. Sehr. Signum Magnum, S. 1, n. 1.
[21]Vgl. Dz.-Sch. 1513.
[22] Vgl. Röm. 5, 20.
[23] Vgl. Dz.-Sch. 1514.
[24] Vgl. Lumen Gentium 8 et 5.
[25] Vgl. Lumen Gentium 7, 11.
[26] Vgl. Sacrosanctum Concilium 5, 6; Vgl. Lumen Gentium 7, 12, 50.
[27] Vgl. Dz.-Sch. 3011.
[28] Vgl. Dz.-Sch. 3074.
[29] Vgl. Lumen Gentium 25.
[30] Vgl.Lumen Gentium 23; Vgl. Orientalium Ecclesiarum 2,3, 5, 6.
[31] Vgl. LLumen Gentium 8.
[32] Vgl. Lumen Gentium 15.
[33] Vgl. Lumen Gentium 14.
[34] Vgl. Lumen Gentium 16.
[35] Vgl. Dz.-Sch. 1651.
[36] Vgl. Dz.-Scb. 1642; 1651-1654; PAUL VI., Enz. Mysterium Fidei.
[37] Vgl. S. Tb., III, 73, 3.
[38] Vgl. 1 Io. 3, 2; Dz.-Sch. 1000.
[39] Vgl. Lumen Gentium 49.
[40] Vgl. Lk. 10, 9-10; Io. 16, 24.
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