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APOSTOLISCHE REISE NACH MEXIKO UND IN DIE REPUBLIK KUBA
(23.-29. MÄRZ 2012)

HEILIGE MESSE

PREDIGT VON PAPST BENEDIKT XVI.

León, Bicentenario-Park
Sonntag, 25. März 2012

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Liebe Brüder und Schwestern!

Ich freue mich sehr, bei euch zu sein, und ich möchte ganz herzlich dem Erzbischof von León, José Guadalupe Martín Rábago, für seine freundlichen Worte des Willkommens danken. Ich grüße den mexikanischen Episkopat wie auch die Herren Kardinäle und die weiteren anwesenden Bischöfe, besonders jene aus Lateinamerika und aus der Karibik. Einen herzlichen Gruß richte ich ferner an die Vertreter des öffentlichen Lebens, die uns begleiten, und an alle, die sich hier versammelt haben, um an der Feier der Heiligen Messe unter dem Vorsitz des Nachfolgers Petri teilzunehmen.

„Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz“ (Ps 51,12), haben wir im Antwortpsalm gebetet. Dieser Ausruf macht uns die Intensität deutlich, mit der wir uns vorbereiten müssen, um nächste Woche das große Geheimnis des Leidens, des Todes und der Auferstehung des Herrn zu feiern. Das Wort führt uns auch dazu, tief in das menschliche Herz zu schauen, besonders in den Zeiten, in denen Schmerz und Hoffnung beieinander liegen, wie sie das mexikanische Volk und auch die anderen Völker Lateinamerikas gerade durchleben.

Das Streben nach einem reinen, aufrichtigen, demütigen und gottgefälligen Herzen hat man schon beim Volk Israel deutlich gespürt, wo es sich der Fortdauer des Übels und der Sünde in seinem Innern als einer geradezu unversöhnlichen und unüberwindlichen Macht bewußt wurde. Es blieben nur das Vertrauen in die Barmherzigkeit des allmächtigen Gottes und die Hoffnung, daß er von innen her, vom Herzen her, eine unerträgliche und dunkle Situation ohne Zukunft umwandeln würde. So wurde der Weg bereitet, Zuflucht zur unendlichen Barmherzigkeit des Herrn zu nehmen, der nicht den Tod des Sünders will, sondern daß er umkehrt und lebt (vgl. Ez 33,11). Ein reines Herz, ein neues Herz ist jenes, das sich selbst als ohnmächtig erkennt und sich in die Hände Gottes begibt, um weiter auf seine Verheißungen zu hoffen. Auf diese Weise kann der Psalmist voller Überzeugung zum Herrn sagen: „Die Sünder kehren um zu dir“ (Ps 51,15). Und gegen Ende des Psalms gibt er eine Erklärung, die zugleich ein deutliches Bekenntnis des Glaubens ist: „Ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verschmähen“ (V. 19).

Die Geschichte Israels berichtet auch von großen Taten und Kämpfen. Aber in dem Augenblick, da sich Israel seiner wahren Bestimmung stellt, seinem maßgeblichen Ziel, der Erlösung, setzt es seine Hoffnung nicht so sehr auf die eigenen Kräfte als auf Gott, der ein neues Herz erschaffen kann, das nicht gefühllos und selbstgefällig ist. Dies kann uns heute daran erinnern – jeden einzelnen von uns wie auch unsere Volksgemeinschaft, daß, wenn es um die tiefste Dimension des persönlichen wie des gemeinschaftlichen Lebens geht, menschliche Strategien für unsere Erlösung nicht ausreichen. Man muß sich auch an den Einen wenden, der Leben in Fülle geben kann, denn er selbst ist der Inbegriff und Urheber des Lebens, und er hat uns daran Anteil gegeben durch seinen Sohn Jesus Christus.

Das heutige Evangelium läßt uns weiter sehen, wie dieses alte Streben nach dem wahren Leben in Christus wirklich erfüllt wurde. Das erklärt der heilige Johannes in einem Abschnitt, in dem der Wunsch einiger Griechen, Jesus zu sehen, und der Augenblick, in dem der Herr verherrlicht werden soll, zusammentreffen. Auf die Frage der Griechen als Vertreter der Welt der Heiden antwortet Jesus: „Die Stunde ist gekommen, daß der Menschensohn verherrlicht wird“ (Joh 12,23). Eine merkwürdige Antwort, die auf die Frage der Griechen nicht zu passen scheint. Was hat die Verherrlichung Jesu mit der Bitte zu tun, ihm zu begegnen? Tatsächlich gibt es einen Zusammenhang. Jemand könnte meinen – bemerkt der heilige Augustinus – daß sich Jesus verherrlicht sehe, weil die Heiden zu ihm gekommen waren; ähnlich etwa dem Applaus der Menge, der die Großen der Welt „verherrlicht“, würden wir heute sagen. Aber so ist es nicht. „Der Höhe der Verherrlichung mußte die Erniedrigung seines Leidens vorausgehen“ (In Joannis Ev., 51,9: PL 35,1766).

Die Antwort Jesu, die sein bevorstehendes Leiden ankündigt, sagt, daß eine zufällige Begegnung in diesem Augenblick überflüssig und vielleicht trügerisch ist. Das, was die Griechen sehen wollen, werden sie tatsächlich am Kreuz erhöht sehen, von dem aus er alle an sich ziehen wird (vgl. Joh 12,32). Hier beginnt seine „Verherrlichung“ durch sein Sühnopfer für alle – wie das Weizenkorn, das in die Erde fällt und stirbt, damit es wächst und reiche Frucht bringt. Sie werden dem begegnen, den sie sicher, ohne es zu wissen, in ihrem Herzen suchten: dem wahren Gott, der sich allen Völkern zu erkennen gibt. Dies ist auch die Art und Weise, mit der Unsere Liebe Frau von Guadalupe ihren göttlichen Sohn dem heiligen Juan Diego gezeigt hat: nicht wie einen außerordentlichen Helden einer Legende, sondern wie den einzig wahren Gott, der Leben spendet, den Schöpfer der Menschen, des Nahen und des Fernen, des Himmels und der Erde (vgl. Nican Mopohua, V. 33). In diesem Augenblick machte sie das, was sie schon bei der Hochzeit von Kana getan hatte. In der peinlichen Situation, da der Wein ausging, zeigte sie den Dienern unmißverständlich, daß der Weg, dem es zu folgen galt, ihr Sohn war: „Was er euch sagt, das tut“ (Joh 2,5).

Liebe Brüder und Schwestern! Als ich hierher kam, habe ich ganz nah das Christkönigsmonument auf dem Gipfel des Cubilete gesehen. Mein verehrter Vorgänger, der selige Papst Johannes Paul II., konnte auf seinen Reisen in euer Heimatland diesen für den Glauben des mexikanischen Volkes symbolträchtigen Ort nicht besuchen, obwohl er es sich sehnlichst gewünscht hatte. Sicher wird er sich heute vom Himmel aus freuen, daß mir der Herr die Gnade gewährt hat, jetzt mit euch zusammen zu sein, so wie er auch die vielen Millionen Mexikaner gesegnet hat, die kürzlich seine Reliquien in allen Regionen des Landes verehrt haben. In diesem Monument also wird Christus als König dargestellt. Aber die Kronen, die ihm beigegeben sind, – eine Herrscher- und eine Dornenkrone – zeigen, daß sein Königtum nicht so beschaffen ist, wie es viele verstanden haben und verstehen. Sein Reich besteht nicht in der Macht seiner Heerscharen, um die anderen mit Kraft und Gewalt zu unterwerfen. Es gründet in einer größeren Macht, die die Herzen erobert: die Liebe Gottes, die er der Welt durch sein Opfer gebracht hat, und die Wahrheit, von der er Zeugnis gegeben hat. Dies ist seine Herrschaft, die ihm niemand nehmen kann und die keiner vergessen darf. Deshalb ist es richtig, daß dieses Heiligtum vor allem ein Ort für Wallfahrten, eine Stätte des innigen Gebetes, der Bekehrung, der Versöhnung, der Suche nach der Wahrheit und des Empfangs der Gnade ist. Ihn, Christus, wollen wir bitten, daß er in unseren Herzen herrsche, daß er sie rein, folgsam und in ihrer Demut hoffnungsvoll und mutig mache.

Von diesem Park aus, der an das 200-Jahr-Jubiläum der Geburt der mexikanischen Nation erinnert, die viele verschiedene Elemente in einem doch gemeinsamen Ziel und Streben geeint hat, wollen wir auch heute Christus um ein reines Herz bitten, wo er Wohnung nehmen kann als Fürst des Friedens dank der Macht Gottes, die die Macht des Guten ist, die Macht der Liebe. Und damit Gott in uns wohnen kann, müssen wir auf ihn hören, müssen wir uns von seinem Wort jeden Tag anfragen lassen, indem wir es nach dem Beispiel Marias im eigenen Herzen bewahren (vgl. Lk 2,51). So wächst unsere persönliche Freundschaft mit ihm, wir lernen, was er von uns erwartet, und werden ermutigt, ihn auch den anderen bekannt zu machen.

In Aparecida haben die Bischöfe Lateinamerikas und der Karibik mit Weitblick die Notwendigkeit erkannt, die Neuheit des Evangeliums zu bekräftigen, zu erneuern und wiederzubeleben, eine Neuheit, die in der Geschichte dieser Länder „durch die persönliche Begegnung und Gemeinschaft mit Jesus Christus, der Jünger und Missionare erweckt“ (Schlußdokument, 11), verwurzelt ist. Die Misión Continental, die jetzt von Diözese zu Diözese auf diesem Kontinent durchgeführt wird, hat genau das Ziel, diese Überzeugung zu allen Christen und kirchlichen Gemeinschaften zu bringen, damit sie der Versuchung eines oberflächlichen und gewohnheitsmäßigen, manchmal bruchstückhaften und unzusammenhängenden Glaubens widerstehen. Auch hier muß man die Müdigkeit des Glaubens überwinden und „die Freudigkeit des Christseins, des Getragenseins von dem inneren Glück, Christus zu kennen und seiner Kirche zuzugehören, wiedererkennen. Aus dieser Freude kommen auch die Kräfte, Christus in den bedrängenden Situationen menschlichen Leidens zu dienen, sich ihm zur Verfügung zu stellen, ohne nach dem eigenen Wohlbefinden umzuschauen“ (Ansprache an die Römische Kurie, 22. Dezember 2011). Das sehen wir sehr gut bei den Heiligen, die sich mit Begeisterung und Freude ganz der Sache des Evangeliums verschrieben haben, ohne sich um die Opfer, auch nicht um das des eigenen Lebens, zu kümmern. Ihr Herz hatte eine unbedingte Wahl für Christus getroffen, von dem sie gelernt haben, was es heißt, wirklich bis zur Vollendung zu lieben.

In diesem Sinne ist das Jahr des Glaubens, das ich für die ganze Kirche ausgerufen habe, „eine Aufforderung zu einer echten und erneuerten Umkehr zum Herrn. […] Der Glaube wächst nämlich, wenn er als Erfahrung einer empfangenen Liebe gelebt und als Erfahrung von Gnade und Freude vermittelt wird“ (Apostolisches Schreiben Porta fidei, 11. Oktober 2011, 6.7).

Bitten wir die Jungfrau Maria, daß sie uns helfe, unser Herz zu reinigen, insbesondere vor der nahen Feier des Osterfestes, damit wir besser am Geheimnis der Erlösung ihres Sohnes teilhaben, wie sie es hier in diesen Ländern bekannt gemacht hat. Und bitten wir sie auch, daß sie weiterhin ihre geliebten Söhne und Töchter in Mexiko und Lateinamerika begleite und beschütze, damit Christus in ihrem Leben herrsche und ihnen helfe, mutig den Frieden, die Eintracht, die Gerechtigkeit und die Solidarität zu fördern. Amen.

  

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