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DIKASTERIUM FÜR DIE KOMMUNIKATION

 

Auf dem Weg zu einer vollkommenen Präsenz

Eine pastorale Reflexion über den Umgang mit sozialen Medien

 

1) Im digitalen Zeitalter hat die Menschheit enorme Fortschritte erzielt, doch eine der bedeutendsten Fragen, die nach wie vor beantwortet werden muss, ist die Art und Weise, wie wir als Individuen und als kirchliche Gemeinschaft in der digitalen Welt als "liebende Nächste" leben können. Es geht darum, auf unseren gemeinsamen Reisen entlang der "digitalen Autobahnen" wirklich achtsam und aufmerksam füreinander zu sein.

Die Fortschritte in der Technologie haben eine neue Ära menschlicher Interaktionen eingeläutet. Heutzutage dreht sich die Frage nicht mehr darum, ob man in der digitalen Welt aktiv ist, sondern vielmehr darum, wie man sich in ihr engagiert. Insbesondere die sozialen Medien haben ein Umfeld geschaffen, in dem Menschen wie nie zuvor Erfahrungen teilen und Beziehungen pflegen können. Allerdings wird die Kommunikation zunehmend von künstlicher Intelligenz beeinflusst, wodurch die Notwendigkeit entsteht, den Kern menschlicher Begegnungen neu zu entdecken. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich unsere Beziehung zu digitalen Plattformen unaufhaltsam gewandelt. Wir sind uns zunehmend bewusst geworden, dass diese Plattformen zu Räumen werden können, die wir aktiv mitgestalten können, anstatt sie bloß passiv zu nutzen. Es ist an der Zeit, das Bewusstsein dafür zu schärfen und die menschliche Begegnung in ihrer wahren Bedeutung wieder in den Fokus zu rücken. Junge Menschen - genauso wie ältere Generationen - fordern, dass man ihnen dort begegnet, wo sie sich befinden, einschließlich der sozialen Medien, da die digitale Welt "ein wichtiger Teil der Identität und der Lebensweise junger Menschen" ist. [1]

2) Viele Christen suchen nach Inspiration und Orientierung, da soziale Medien, die eine Ausdrucksform der digitalen Kultur sind, einen tiefgreifenden Einfluss sowohl auf unsere Glaubensgemeinschaften als auch auf unsere individuellen spirituellen Wege haben.

Weltweit gibt bereits zahlreiche Beispiele für ein treues und kreative Engagement in den sozialen Medien, sowohl von Seiten örtlicher Gemeinden als auch Einzelpersonen, die auf diesen Plattformen Zeugnis von ihrem Glauben ablegen, und das oft in einem größeren Umfang als die Amtskirche.Darüber hinaus gibt es zahlreiche pastorale Initiativen und Bildungsmöglichkeiten, die von lokalen Kirchen, Bewegungen, Gemeinschaften, Kongregationen, Universitäten und Einzelpersonen entwickelt wurden.

3) Die Weltkirche hat sich ebenfalls intensiv mit der digitalen Realität auseinandergesetzt. Ein Beispiel hierfür sind die jährlichen Botschaften zum Weltkommunikationstag, die seit 1967 eine fortlaufende Betrachtung zu diesem Thema bieten. Bereits seit den 1990er Jahren beschäftigen sich diese Botschaften mit der Nutzung von Computern, und seit den frühen 2000er Jahren auch mit den Aspekten der digitalen Kultur und der sozialen Kommunikation. Diese Botschaften bieten einen wertvollen Beitrag zur Diskussion und Orientierung im Umgang mit den Herausforderungen und Möglichkeiten der digitalen Welt. Papst Benedikt hat sich 2009 mit grundlegenden Fragen der digitalen Kultur befasst (https://www.vatican.va/content/benedict-xvi/de/messages/communications/documents/hf_ben-xvi_mes_20090124_43rd-world-communications-day.html ) und gesagt, dass die Medien nicht nur die Verbindungen zwischen den Menschen fördern, sondern sie auch ermutigen sollten, sich für Beziehungen einzusetzen, die "eine Kultur des Respekts, des Dialogs und der Freundschaft" fördern“.[2] In der Folge hat die Kirche das Bild der sozialen Medien als "Räume" und nicht nur als Kommunikationsmittel gefestigt und dazu aufgerufen, die Frohe Botschaft auch in der digitalen Welt zu verkünden.[3] Papst Franziskus hat seinerseits anerkannt, dass sich die digitale Welt "nicht mehr von der Alltagswelt trennen lässt" und die Art und Weise verändert, wie die Menschheit Wissen anhäuft, Informationen verbreitet und Beziehungen aufbaut.[4]

4) Neben diesen Bemühungen hat sich auch das konkrete Auftreten der Kirche in den sozialen Medien als durchaus wirkungsvoll erwiesen. [5] Ein jüngstes Beispiel verdeutlicht auf eindrucksvolle Weise, wie die digitalen Medien ein kraftvolles Werkzeug für den Dienst der Kirche sein können. Am 27. März 2020, noch in den frühen Phasen der COVID-19-Pandemie, war der Petersplatz zwar leer, doch erfüllt von einer spürbaren Präsenz. Eine Fernsehübertragung und ein Livestream ermöglichten es Papst Franziskus, eine tiefgreifende transformative Erfahrung zu schaffen: ein Gebet und eine Botschaft, gerichtet an eine Welt im Ausnahmezustand. Inmitten einer globalen Gesundheitskrise, die Millionen Menschenleben forderte, waren Menschen auf der ganzen Welt, isoliert und in Quarantäne, auf diese Weise miteinander und mit dem Nachfolger Petri tief verbunden. [6]

Durch traditionelle Medien und digitale Technologien erreichte das Gebet des Papstes die Wohnzimmer, und berührte das Leben unzähliger Menschen weltweit. Die offenen Arme der den Petersplatz umgebenden Bernini-Kolonnaden schienen Millionen von Menschen zu umarmen. Obwohl sie physisch weit voneinander entfernt waren, spürten jene, die sich in dieser Stunde dem Papst anschlossen, eine gegenseitige Präsenz und konnten einen Moment der Einheit und Gemeinschaft erfahren.

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5) Die folgenden Seiten sind das Ergebnis einer Betrachtung, an der Experten, Lehrer, junge Berufstätige und Führungskräfte, Laien, Geistliche und Ordensleute beteiligt waren. Ziel ist es, einige der wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit der Art und Weise, wie Christen die sozialen Medien nutzen sollten, zu beantworten. Sie sind nicht als präzise "Leitlinien" für die Pastoral in diesem Bereich gedacht. Vielmehr sollen sie ein gemeinsames Nachdenken über unsere digitalen Erfahrungen fördern und sowohl Einzelpersonen als auch Gemeinschaften dazu ermutigen, einen kreativen und konstruktiven Ansatz zu wählen, der eine Kultur der Nächstenliebe fördern kann.

Die Herausforderung, friedliche, sinnstiftende und fürsorgliche Beziehungen in den sozialen Medien zu pflegen, gibt Anlass zu einer Diskussion in akademischen, beruflichen Kreisen und kirchlichen Kreisen. Welche Art von Menschlichkeit spiegelt sich durch unsere Präsenz in der digitalen Welt wider? Wie viel von unseren digitalen Beziehungen ist Frucht einer tiefen, wahrhaftigen und authentischen Kommunikation - und wie viel ist lediglich von nicht hinterfragten Meinungen und leidenschaftlichen Reaktionen geprägt? Wie viel von unserem Glauben findet lebendige und inspirierende Ausdrucksformen in der digitalen Welt? Und wer ist mein "Nächster" in den sozialen Medien?

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6) Dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter[7], durch das uns Jesus die Frage: "Wer ist mein Nächster?", beantworten lässt, liegt die Frage eines Gesetzeslehrers zugrunde: "Was muss ich tun, um das ewige Leben zu erben?", will er wissen. Das Verb "erben" erinnert uns an das Erbe des Gelobten Landes, das nicht so sehr ein geografisches Gebiet ist, sondern ein Symbol für etwas Tieferes und Bleibendes: etwas, das jede Generation neu entdecken muss und das uns helfen kann, unsere Rolle in der digitalen Welt neu zu definieren.

 

I. Vorsicht vor den Fallstricken auf den „digitalen Autobahnen“
Lernen, aus der Perspektive desjenigen zu sehen, der von Räubern überfallen wurde (vgl. Lk 10,36).

Ein Gelobtes Land, das es neu zu entdecken gilt?

7) Soziale Medien sind nur ein Zweig des weitaus umfassenderen und komplexeren Phänomens der Digitalisierung, d. h. des Prozesses der Verlagerung vieler Aufgaben und Dimensionen des menschlichen Lebens auf digitale Plattformen. Digitale Technologien können unsere Effizienz steigern, unsere Wirtschaft ankurbeln und uns helfen, zuvor unüberwindbare Probleme zu lösen. Die digitale Revolution hat unseren Zugang zu Informationen und unsere Fähigkeit, miteinander in Kontakt zu treten, über die Grenzen des physischen Raums hinaus erweitert. Ein Prozess, der bereits in den letzten drei Jahrzehnten stattfand, wurde durch die Pandemie beschleunigt. Tätigkeiten wie beispielsweise Bildung und Arbeit, die normalerweise am Arbeitsplatz ausgeübt wurden, können nun aus der Ferne erledigt werden. Außerdem haben einige Länder ihre Rechts- und Gesetzgebungssysteme grundlegend geändert und Online-Sitzungen und -Abstimmungen als Alternative zu persönlichen Treffen eingeführt. Die rasche Verbreitung von Informationen verändert auch die Art und Weise, wie Politik funktioniert.

8) Mit dem Aufkommen von Web 5.0 und den kontinuierlichen Fortschritten in der Kommunikation wird die Rolle künstlicher Intelligenz in den kommenden Jahren zunehmend Einfluss auf unsere Wahrnehmung der Realität haben. Wir sind Zeugen der Entwicklung von Technologien, die für uns arbeiten und Entscheidungen treffen, die lernen und unser Verhalten prognostizieren können. Es gibt Sensoren, die unsere Emotionen messen können, und Maschinen, die unsere Fragen beantworten und aus unseren Antworten lernen. Es entstehen sogar Möglichkeiten, die Sprache und Ausdrucksweise von Menschen, die nicht mehr unter uns weilen, zu nutzen. In dieser dynamischen und sich ständig weiterentwickelnden Realität bleiben jedoch noch viele Fragen unbeantwortet. [8]

9) Die faszinierenden Veränderungen, die unsere Welt seit dem Aufkommen des Internets erlebt hat, haben auch zu neuen Spannungen geführt. Manche wurden in diese Kultur hineingeboren und sind als "digital natives" aufgewachsen, während andere noch versuchen, sich als "digital immigrants" („digitale Einwanderer“) anzupassen. Doch eines ist klar: Unsere heutige Kultur ist zu einer digitalen Kultur geworden. Um die traditionelle Dichotomie zwischen "digital" und "persönlicher Begegnung" zu überwinden, haben einige begonnen, nicht mehr von "online" und "offline" zu sprechen, sondern nur noch von "onlife": einem Begriff, der das menschliche und soziale Leben in all seinen vielfältigen Ausdrucksformen umfasst, sei es in digitalen oder physischen Räumen. Es erkennt an, dass unsere Existenz in zunehmendem Maße von der Verschmelzung beider Dimensionen geprägt ist.

10) Im Kontext der ganzheitlichen Kommunikation, die in der Konvergenz der Kommunikationsprozesse besteht, spielen die sozialen Medien eine entscheidende Rolle als ein Ort, an dem unsere Werte, Überzeugungen, Sprache und Hypothesen über das tägliche Leben geprägt werden. Darüber hinaus haben viele Menschen, vor allem in Entwicklungsländern, nur über die sozialen Medien Kontakt zur digitalen Kommunikation. Es geht weit über die Nutzung sozialer Medien als „tool“, d.h. Werkzeug, hinaus. Wir leben in einem Ökosystem, das im Kern von der Erfahrung des Austausches in den sozialen Medien geprägt ist. Während wir das Internet immer noch nutzen, um nach Informationen oder Unterhaltung zu suchen, wenden wir uns den sozialen Medien zu, um ein Gefühl der Zugehörigkeit und Bestätigung zu erhalten, und verwandeln sie in einen wichtigen Raum, in dem die Vermittlung grundlegender Werte und Überzeugungen stattfindet.

In diesem Ökosystem werden Menschen dazu aufgefordert, ihr Vertrauen in die Aufrichtigkeit der Unternehmensleitbilder sozialer Medien zu setzen. Diese Unternehmen versprechen beispielsweise, die Welt enger zusammenzubringen, jedem die Möglichkeit zu geben, Ideen zu schaffen und zu teilen sowie allen eine Stimme zu verleihen. Obwohl wir uns bewusst sind, dass diese Werbeslogans nur selten in die Tat umgesetzt werden, da die Unternehmen oft von ihrem Streben nach Profit geleitet sind, neigen wir dennoch dazu, den Verheißungen Glauben zu schenken.

11) Tatsächlich teilten die Menschen, als sie vor einigen Jahrzehnten begannen, das Internet zu nutzen, bereits eine Version dieses Traums: die Hoffnung, dass die digitale Welt ein glücklicher Raum des gemeinsamen Verständnisses, der freien Information und der Zusammenarbeit sein würde. Das Internet sollte ein "Gelobtes Land" sein, in dem die Menschen sich auf Informationen verlassen können, die auf der Grundlage von Transparenz, Vertrauen und Fachwissen ausgetauscht werden.

Zu vermeidende Fallstricke

12) Diese Erwartungen wurden jedoch nicht ganz erfüllt.

Zunächst einmal begegnen wir nach wie vor einer "digitalen Kluft", deren Entwicklung schneller voranschreitet als unsere Fähigkeiten, sie angemessen zu begreifen. Es ist bedauerlich, dass viele Menschen immer noch keinen Zugang zu Grundbedürfnissen wie Nahrung, Wasser, Kleidung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung haben. Doch darüber hinaus fehlt es ihnen auch an Zugang zu den Informations- und Kommunikationstechnologien. Dies hat zur Folge, dass zahlreiche Personen, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, auf der Strecke bleiben.

Darüber hinaus wird auch die "soziale-Medien-Kluft" immer deutlicher. Plattformen, die versprechen, Gemeinschaften aufzubauen und die Welt näher zusammenzubringen, haben stattdessen verschiedene Formen der Spaltung vertieft.

13) Auf der "digitalen Autobahn" gibt es einige Fallstricke, die wir kennen müssen und die uns verstehen helfen, wie es dazu kommen konnte.

Heute ist es nicht möglich, über "soziale Medien" zu sprechen, ohne ihren kommerziellen Wert zu berücksichtigen, also ohne sich bewusst zu sein, dass die eigentliche Revolution stattfand, als Marken und Institutionen das strategische Potenzial sozialer Plattformen erkannten und so zu einer raschen Konsolidierung von Sprachen und Praktiken beitrugen, die Nutzer im Laufe der Jahre zu Konsumenten gemacht haben. Darüber hinaus sind Individuen sowohl Konsumenten als auch Waren: Als Konsumenten werden ihnen datenbasierte Werbung und gesponserte Inhalte maßgeschneidert präsentiert. Als Waren werden ihre Profile und Daten mit dem gleichen Ziel an andere Unternehmen verkauft. Indem sie sich den Unternehmensleitbildern der sozialen Medien anschließen, akzeptieren Menschen auch "Nutzungsbedingungen", die sie in der Regel nicht lesen oder verstehen. Es hat sich etabliert, diese "Vertragsbedingungen" nach einem alten Sprichwort zu verstehen, das besagt: "Wenn du nicht dafür bezahlst, bist du das Produkt". Mit anderen Worten: Es ist nicht kostenlos - wir bezahlen mit Minuten unserer Aufmerksamkeit und Bytes unserer Daten.

14) Dass der Schwerpunkt zunehmend auf der Verbreitung und dem Handel mit Wissen, Daten und Informationen liegt, hat ein Paradox erzeugt: In einer Gesellschaft, in der Informationen eine so wesentliche Rolle spielen, wird es immer schwieriger, die Quellen und die Genauigkeit der digital zirkulierenden Informationen zu überprüfen. Die Informationsüberlastung wird durch Künstliche-Intelligenz-Algorithmen gelöst, die – basierend auf Faktoren, die wir kaum wahrnehmen oder realisieren –  ständig darüber entscheiden, was uns gezeigt wird: Faktoren wie unsere früheren Entscheidungen, Likes, Reaktionen oder Präferenzen, und auch unsere Abwesenheiten und Ablenkungen, Pausen und Aufmerksamkeitsspannen. Die digitale Welt, die jeder sieht – ja sogar die Ergebnisse einer Online-Suche –, sind niemals identisch mit der einer anderen Person. Wenn wir in Browsern nach Informationen suchen oder sie in unseren Feeds für verschiedene Plattformen und Anwendungen erhalten, sind wir uns in der Regel der Filter, die die Ergebnisse beeinflussen, nicht bewusst. Die Folge dieser zunehmend ausgefeilten Personalisierung von Ergebnissen ist eine erzwungene Exposition gegenüber Teilinformationen, die unsere eigenen Ideen bestätigen, unsere Überzeugungen verstärken und uns so in eine Isolation von "Filterblasen" führen.

15) Internet-Gemeinschaften in sozialen Medien sind "Treffpunkte", die in der Regel um gemeinsame Interessen von "vernetzten Individuen" herum gestaltet sind. Diejenigen, die sich auf sozialen Medien präsentieren, werden entsprechend ihrer spezifischen Merkmale, Herkunft, Vorlieben und Präferenzen angesprochen, da die Algorithmen hinter Online-Plattformen und Suchmaschinen dazu neigen, Gleichgesinnte zusammenzubringen, sie zu gruppieren und ihre Aufmerksamkeit zu binden, damit sie auch online bleiben. Infolgedessen besteht die Gefahr, dass soziale Medienplattformen ihre Benutzer davon abhalten, den "Anderen" zu treffen, der wirklich anders ist.

16) Wir haben automatisierte Systeme erlebt, die dazu neigen, diese individualistischen "Räume" zu schaffen und manchmal extremes Verhalten fördern. Aggressive und negative Äußerungen verbreiten sich leicht und schnell und bieten einen fruchtbaren Boden für Gewalt, Missbrauch und Fehlinformation. In den sozialen Medien reagieren verschiedene Akteure, oft gestärkt durch die Tarnung der Anonymität, ständig aufeinander. Diese Interaktionen unterscheiden sich in der Regel deutlich von denen in physischen Räumen, in denen unsere Handlungen durch verbales und nonverbales Feedback von anderen beeinflusst werden.

17) Das Bewusstsein für diese Fallstricke hilft uns, die Logik zu erkennen und zu entlarven, die die sozialen Medien verschmutzt, und nach einer Lösung für diese digitale Unzufriedenheit zu suchen. Es ist wichtig, die digitale Welt zu schätzen und sie als Teil unseres Lebens anzuerkennen. Die Komplementarität von digitalen und physischen Erfahrungen ist es jedoch, die ein menschliches Leben heute ausmacht.

18) Entlang der "digitalen Autobahnen" werden viele Menschen durch Spaltung und Hass verletzt. Wir können das nicht ignorieren. Wir können nicht einfach schweigend danebenstehen. Um das digitale Umfeld menschlicher zu machen, dürfen wir diejenigen nicht vergessen, die "zurückgelassen" werden. Wir können nur sehen, was vor sich geht, wenn wir uns die Perspektive des verwundeten Mannes im Gleichnis vom barmherzigen Samariter zu eigen machen. Wie im Gleichnis, in dem wir erfahren, was der Verwundete gesehen hat, hilft uns die Perspektive der digital Ausgegrenzten und Verwundeten, die zunehmend komplexe Welt von heute besser zu verstehen.

Beziehungen knüpfen

19) In einer Zeit, in der wir zunehmend gespalten sind und jeder Mensch sich in seine eigene gefilterte Blase zurückzieht, wird Social Media zu einem Weg, der viele in Richtung Gleichgültigkeit, Polarisierung und Extremismus führt. Wenn Menschen einander nicht als Menschen, sondern nur als Ausdruck einer bestimmten Ansicht behandeln, die sie nicht teilen, sehen wir eine weitere Ausdrucksform der "Wegwerfkultur", die sich in der "Globalisierung" - und Normalisierung - der Gleichgültigkeit verbreitet. Das Zurückziehen in die Isolation eigener Interessen kann nicht der Weg sein, um Hoffnung wiederherzustellen. Vielmehr geht es darum, eine "Kultur der Begegnung" zu pflegen, die Freundschaft und Frieden zwischen verschiedenen Menschen fördert.[9]

20) Daher besteht ein immer dringender werdender Bedarf, Social Media-Plattformen auf eine Weise einzubeziehen, die über die eigenen Gruppen hinausgeht und die Gruppe der "Gleichgesinnten" verlässt, um andere zu treffen.

Jemanden willkommen zu heißen, der entgegengesetzte Positionen vertritt oder "anders" erscheint, ist sicherlich keine einfache Aufgabe. "Warum sollte es mich kümmern?" könnte unsere erste Reaktion sein. Diese Haltung finden wir sogar in der Bibel, angefangen bei Kains Weigerung, Behüter seines Bruders zu sein (vgl. Gen 4,9) und setzt sich fort mit dem Schriftgelehrten, der Jesus fragte: "Wer ist mein Nächster?" (Lk 10,29). Der Schriftgelehrte wollte eine Grenze setzen, wer mein Nächster ist und wer nicht. Es scheint, als würden wir eine Rechtfertigung für unsere eigene Gleichgültigkeit suchen; wir versuchen immer eine Grenze zu ziehen zwischen "uns" und "ihnen", zwischen "jemandem, dem ich Respekt entgegenbringen muss" und "jemandem, den ich ignorieren kann". Auf diese Weise werden wir fast unbemerkt unfähig, Mitgefühl für andere zu empfinden, als ob ihr Leiden ihre eigene Verantwortung wäre und uns nichts anginge [10].

21) Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter fordert uns hingegen heraus, uns der digitalen "Wegwerfkultur" zu stellen und einander zu helfen, aus unserer Komfortzone herauszutreten, indem wir uns darum bemühen, auf den anderen zuzugehen. Dies ist nur möglich, wenn wir uns selbst ausnehmen und erkennen, dass jeder von uns Teil einer verletzten Menschheit ist und uns daran erinnern, dass jemand auf uns geschaut und Mitgefühl mit uns gehabt hat.

22) Nur so können – und sollten – wir diejenigen sein, die den ersten Schritt tun, um die Gleichgültigkeit zu überwinden, denn wir glauben an einen "Gott, der nicht gleichgültig ist" [11] (qui mancava la nota). Wir können und sollten diejenigen sein, die aufhören zu fragen: "Wie sehr muss ich mich wirklich um andere kümmern?" und stattdessen als Nächste handeln, die Logik der Ausgrenzung ablehnen und eine Logik der Gemeinschaft fördert.[12] Wir können und sollten diejenigen sein, die digitale Medien nicht mehr als individuelle Erfahrung begreifen, sondern als eine, die auf Begegnung beruht und die Bildung von Gemeinschaften fördert.

23) Anstatt als Einzelpersonen zu handeln, Inhalte zu produzieren oder auf Informationen, Ideen und Bilder zu reagieren, die von anderen geteilt werden, sollten wir uns fragen: Wie können wir gemeinsam gesündere Online-Erfahrungen gestalten, in denen Menschen mit einem Geist des gegenseitigen Zuhörens Gespräche führen und Meinungsverschiedenheiten überwinden können?

Wie können wir Gemeinschaften befähigen, Wege zu finden, um Spaltungen zu überwinden und Dialog und Respekt in sozialen Medien zu fördern?

Wie können wir die Online-Welt wieder zu dem Ort machen, der sie sein kann und sollte: einem Ort des Teilens, der Zusammenarbeit und der Zugehörigkeit, basierend auf gegenseitigem Vertrauen?

24) Jeder kann daran teilhaben, diese Veränderung herbeizuführen, indem er sich mit anderen engagiert und sich in seinen Begegnungen mit anderen herausfordert. Als Gläubige sind wir aufgerufen, Kommunikatoren zu sein, die bewusst auf Begegnung zugehen. Auf diese Weise können wir nach Begegnungen suchen, die bedeutsam und dauerhaft sind, statt oberflächlich und flüchtig. Tatsächlich fördern wir durch die Ausrichtung digitaler Verbindungen auf echte Personen, die Bildung echter Beziehungen und den Aufbau einer echten Gemeinschaft unsere Beziehung zu Gott. Dennoch muss unsere Beziehung zu Gott auch durch das Gebet und das sakramentale Leben der Kirche genährt werden, die aufgrund ihrer Wesensart niemals auf den "digitalen" Bereich reduziert werden können. 

 

II. Vom Bewusstsein zur wahren Begegnung
Lernen von dem, der Mitleid hatte (vgl. Lk 10,33).

Aufmerksame Zuhörer

25) Die Betrachtung über unsere Interaktion mit sozialen Medien hat mit dem Bewusstsein dafür begonnen, wie diese Netzwerke funktionieren und mit welchen Chancen und Herausforderungen wir konfrontiert sind. Wenn soziale Online-Netzwerke die Versuchung zum Individualismus und zur Selbstdarstellung bergen, wie im vorherigen Kapitel beschrieben, sind wir nicht dazu verurteilt, zwangsläufig in diese Haltungen zu verfallen. Der Jünger, der den barmherzigen Blick Christi erfahren hat, hat etwas anderes erlebt. Er oder sie weiß, dass eine gute Kommunikation mit dem Zuhören und dem Bewusstsein beginnt, dass eine andere Person vor mir steht. Zuhören und Aufmerksamkeit zielen darauf ab, Begegnung zu fördern und bestehende Hindernisse zu überwinden, einschließlich des Hindernisses der Gleichgültigkeit. Das Zuhören auf diese Weise ist ein wesentlicher Schritt, um sich auf andere einzulassen; es ist eine erste unverzichtbare Zutat für die Kommunikation und eine Voraussetzung für echten Dialog.[13]

26) In dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter wurde dem Mann, der verwundet und zum Sterben zurückgelassen wurde, von der Person geholfen, von der man das am wenigsten erwartet hätte: Zur Zeit Jesu waren das jüdische und das samaritanische Volk oft zerstritten. Man hätte also eher Feindseligkeit erwartet. Der Samariter sah den Mann, der nieder geschlagen worden war, jedoch nicht als "Anderen", sondern einfach als jemanden, der Hilfe brauchte. Er empfand Mitgefühl und versetzte sich in die Lage des anderen; und er gab von etwas von sich selbst, von seiner Zeit und seinen Ressourcen, um jemanden zuzuhören und zu begleiten, dem er begegnet war [14].

27) Dieses Gleichnis kann Beziehungen in sozialen Medien inspirieren, weil es die Möglichkeit einer tiefgreifenden Begegnung zwischen zwei völlig fremden Menschen veranschaulicht. Der Samariter überwindet die "soziale Kluft": Er geht über die Grenzen von Zustimmung und Ablehnung hinaus. Während der Priester und der Levit am verwundeten Mann vorbeigehen, sieht der Samariter ihn und hat Mitleid (vgl. Lk 10,33). Mitgefühl bedeutet zu spüren, dass die andere Person ein Teil von mir ist. Der Samariter hört die Geschichte des Mannes; er nähert sich ihm, weil er innerlich berührt ist.

28) Das Lukasevangelium enthält keinen Dialog zwischen den beiden Männern. Wir können uns vorstellen, dass der Samariter den verwundeten Mann findet und ihn vielleicht fragt: "Was ist mit dir passiert?" Aber auch ohne Worte, durch seine Haltung der Offenheit und Gastfreundschaft, beginnt schon eine Begegnung. Diese erste Geste ist ein Ausdruck von Fürsorge, und das ist entscheidend. Die Fähigkeit, gut zuzuhören und die Geschichte eines anderen ohne Rücksicht auf die kulturellen Vorurteile der Zeit anzunehmen, verhinderte, dass der verwundete Mann tot zurückgelassen wurde.

29) Die Interaktion zwischen den beiden Männern fordert uns auf, einen ersten Schritt in der digitalen Welt zu machen. Wir sind eingeladen, den Wert und die Würde derer zu erkennen, die anders sind als wir. Wir sind auch eingeladen, über unser Sicherheitsnetz, unsere Silos und unsere Blasen hinauszuschauen. Um in der Welt der sozialen Medien ein „Nächster“ zu werden, bedarf es einer bewussten Haltung. Und alles beginnt mit der Fähigkeit, gut zuzuhören, damit uns die Realität des anderen berühren kann.

Räuber unserer Aufmerksamkeit

30) Zuhören ist eine grundlegende Fähigkeit, die es uns ermöglicht, Beziehungen zu anderen aufzubauen und nicht nur Informationen auszutauschen. Unsere Geräte hingegen sind voll von Informationen. Wir befinden uns in einem Informationsnetzwerk und treten über geteilte Texte, Bilder und Klänge mit anderen in Verbindung. Social-Media-Plattformen ermöglichen es uns, endlos zu scrollen, während wir diesen Kontext erkunden. Obwohl Video und Ton zweifellos die Medienreichhaltigkeit der digitalen Kommunikation erhöht haben, bleiben unsere vermittelten Interaktionen miteinander dennoch begrenzt. Wir begegnen Informationen oft schnell und ohne den vollständigen und notwendigen Kontext. Wir können leicht und schnell auf Informationen auf einem Bildschirm reagieren, ohne die ganze Geschichte zu suchen.

31) Diese Fülle an Informationen hat viele Vorteile: Wenn wir Teil des Netzwerks sind, sind Informationen prompt und weitreichend zugänglich und auf unsere Interessen zugeschnitten. Wir können hilfreiche Informationen erhalten, Beziehungen aufrechterhalten, Ressourcen entdecken und unser Wissen vertiefen und erweitern. Die leichte Zugänglichkeit von Information und Kommunikation hat auch das Potenzial, inklusive Räume zu schaffen, die denjenigen in unserer Gemeinschaft eine Stimme geben, die durch soziale oder wirtschaftliche Ungerechtigkeit marginalisiert sind.

32) Gleichzeitig hat die endlose Verfügbarkeit von Informationen auch einige Herausforderungen mit sich gebracht. Wir erleben eine Informationsüberflutung, da unsere kognitive Verarbeitungsfähigkeit von der übermäßig verfügbaren Information überfordert wird. In ähnlicher Weise erleben wir eine Überlastung der sozialen Interaktion, da wir einer hohen Anzahl von sozialen Aufforderungen ausgesetzt sind. Unterschiedliche Websites, Anwendungen und Plattformen sind darauf programmiert, unseren menschlichen Wunsch nach Anerkennung auszunutzen, und sie buhlen ständig um die Aufmerksamkeit der Menschen. Aufmerksamkeit selbst ist zum wertvollsten Gut und zur Ware geworden.

33) In diesem Umfeld ist unsere Aufmerksamkeit nicht klar gebündelt, da wir versuchen, uns in diesem überwältigenden Informations- und sozialen Interaktionsnetz zurechtzufinden. Anstatt sich auf ein Thema zu konzentrieren, wechselt unsere kontinuierliche partielle Aufmerksamkeit schnell von einem Thema zum anderen. In unserem ständig "eingeschalteten" Zustand sind wir versucht, sofort zu posten, da wir physiologisch auf digitale Stimulation ansprechen, in einem endlosen Scrollen immer mehr Inhalte finden wollen und durch fehlende Aktualisierungen frustriert sind. Eine bedeutende kognitive Herausforderung der digitalen Kultur ist der Verlust unserer Fähigkeit, tief und zielgerichtet zu denken. Wir tasten die Oberfläche ab und bleiben in den seichten Gewässern, statt die Dinge tiefer zu durchdenken.

34) In dieser Hinsicht müssen wir achtsamer sein. Wenn uns die Stille und der Raum zum langsamen, tiefen und zielgerichteten Denken fehlt, riskieren wir nicht nur, kognitive Fähigkeiten zu verlieren, sondern auch die Tiefe unserer Interaktionen, sowohl menschlicher als auch göttlicher Natur. Der Raum für bewusstes Zuhören, Aufmerksamkeit und Unterscheidung der Wahrheit wird immer seltener.

Der Prozess, den Werbetreibende als AIDA-Modell (Attention (Aufmerksamkeit), Interest (Interesse), Desire (Begierde) und Action (Kauf-)Aktion)kennen, ähnelt dem Prozess, durch den sich die Versuchung ins menschliche Herz schleicht und unsere Aufmerksamkeit von dem einzigen Wort ablenkt, das wirklich bedeutsam und lebensspendend ist: dem Wort Gottes. Auf die eine oder andere Weise schenken wir immer noch der alten Schlange Beachtung, die uns jeden Tag neue Früchte zeigt. Sie scheinen „eine Augenweide zu sein und begehrenswert, um klug zu werden“ (vgl. Gen 3,6). Wie Samen entlang des Weges, wo das Wort gesät wird, erlauben wir dem Bösen, sich uns zu nähern und das Wort wegzunehmen, das in uns gesät wurde (vgl. Mk 4,14-15).

35) Angesichts dieser Überlastung von Reizen und Daten, ist Stille ein kostbares Gut, denn sie schafft Raum für Fokus und Unterscheidung.[15] Der Impuls, in der digitalen Kultur nach Stille zu suchen, stellt die Bedeutung von Fokus und Zuhören heraus. Im Bildungs- oder Arbeitsumfeld, in Familien und Gemeinschaften besteht ein wachsender Bedarf, sich von digitalen Geräten zu lösen. "Stille" kann in diesem Fall mit einem "digitalen Entzug" verglichen werden, der nicht einfach ein Rückzug ist, sondern vielmehr eine Möglichkeit, sich intensiver mit Gott und den anderen zu beschäftigen.

36) Das Zuhören entspringt der Stille und ist grundlegend für die Fürsorge für andere. Durch das Zuhören empfangen wir jemand anderen, bieten unsere Gastfreundschaft an und zeigen Respekt für diese Person. Zuhören ist auch ein Akt der Demut unsererseits, da wir Wahrheit, Weisheit und Wert jenseits unserer eigenen begrenzten Perspektive anerkennen. Ohne eine Haltung des Zuhörens sind wir nicht in der Lage, das Geschenk des anderen zu empfangen.

Mit dem Herzen hören

37) In Anbetracht der Schnelligkeit und Dringlichkeit der digitalen Kultur, die unsere Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit auf die Probe stellt, gewinnt das Zuhören in unserem spirituellen Leben zunehmend an Bedeutung. Ein kontemplativer Ansatz dem Leben gegenüber ist unkonventionell, ja sogar prophetisch, weil er nicht nur das Individuum, sondern die gesamte Gesellschaft prägt.

Die Verpflichtung zum Zuhören in den sozialen Medien bildet den grundlegenden Ausgangspunkt für den Aufbau eines Netzwerks, das nicht nur um Bytes, Avatare und "Likes" kreist, sondern um die Menschen selbst [16]. Auf diese Weise entfernen wir uns von hastigen Reaktionen, voreiligen Annahmen und impulsiven Kommentaren, und schaffen stattdessen Raum für Dialog, Fragen, Erkenntnisgewinn, Achtsamkeit und Mitgefühl. Wir erkennen die Würde der Menschen an, denen wir begegnen.

38) Die digitale Kultur hat unseren Zugang zu anderen Menschen grenzenlos erweitert und bietet uns dadurch auch die Möglichkeit, mehr zuzuhören. Wenn in den sozialen Medien von "Zuhören" die Rede ist, bezieht sich das oft auf Datenüberwachung, Engagement-Statistiken und Maßnahmen, die auf eine marketing-orientierte Analyse des sozialen Verhaltens abzielen. Das allein reicht jedoch nicht aus, um soziale Medien zu einem Raum des Zuhörens und des Dialogs zu machen. Bewusstes Zuhören im digitalen Kontext erfordert ein Zuhören mit dem "Ohr des Herzens". Es geht über die physische Fähigkeit, Geräusche wahrzunehmen, hinaus. Es ermutigt uns nämlich dazu, uns dem anderen mit unserem ganzen Wesen zu öffnen: eine Offenheit des Herzens, die Nähe ermöglicht [17]. Es ist diese Haltung der Achtsamkeit und Gastfreundschaft, die für den Aufbau von Kommunikation von grundlegender Bedeutung ist. Diese Weisheit gilt nicht nur für das kontemplative Gebet, sondern auch für Menschen, die authentische Beziehungen und echte Gemeinschaften suchen. Der Wunsch, mit anderen und mit dem Anderen – Gott – in Beziehung zu treten, bleibt ein grundlegendes menschliches Bedürfnis, das auch in dem Wunsch nach Vernetzung in der digitalen Kultur zum Ausdruck kommt [18].

39) Der innere Dialog und die Beziehung zu Gott, die uns durch die göttliche Gabe des Glaubens ermöglicht werden, sind von wesentlicher Bedeutung, um unsere Fähigkeit zum Zuhören zu entwickeln. Auch das Wort Gottes spielt in diesem inneren Dialog eine grundlegende Rolle. Das betende Hören auf das Wort der Schrift durch die Praxis der geistlichen Lektüre biblischer Texte, wie bei der lectio divina, kann zutiefst prägend sein, da es eine langsame, bewusste und kontemplative Erfahrung ermöglicht [19].

40) Das "Wort des Tages" oder das "Evangelium des Tages" gehören zu den Themen, die von Christen am häufigsten gegoogelt werden, und man kann mit Sicherheit sagen, dass das digitale Umfeld uns viele neue und einfachere Möglichkeiten für eine regelmäßige "Begegnung" mit dem göttlichen Wort geboten hat. Unsere Begegnung mit dem Wort des lebendigen Gottes, auch online, verlagert unsere Herangehensweise von der Betrachtung von Informationen auf dem Bildschirm zur Begegnung mit einer anderen Person, die eine Geschichte erzählt. Wenn wir uns vor Augen halten, dass wir hinter dem Bildschirm mit anderen Menschen in Verbindung stehen, kann die Übung des Zuhörens die Aufnahmebereitschaft für die Geschichten anderer ausdehnen und den Beginn des Aufbaus von Beziehungen möglich machen.

Unsere Präsenz in den sozialen Medien prüfen

41) Aus der Perspektive des Glaubens ist die Frage, was und wie man kommuniziert, nicht nur eine praktische, sondern auch eine geistliche Frage. Die Präsenz auf Social-Media-Plattformen fordert zur Unterscheidung auf. In diesen Kontexten gut zu kommunizieren, ist eine Übung in Klugheit und erfordert eine betende Überlegung, wie man sich mit anderen auseinandersetzt. Wenn wir uns dieser Frage durch die Linse der Frage des Gesetzeslehrers, "Wer ist mein Nächster?", nähern, müssen wir über Gottes Gegenwart in und durch die Art und Weise, wie wir auf Social-Media-Plattformen miteinander in Beziehung treten, nachdenken.

42) In den sozialen Medien ist die Nächstenliebe ein komplexes Konzept. Die "Nächsten" in den sozialen Medien sind natürlich diejenigen, mit denen wir vernetzt sind. Gleichzeitig sind unsere Nächsten oft auch diejenigen, die wir nicht sehen können, entweder weil Plattformen uns daran hindern, sie zu sehen, oder weil sie einfach nicht da sind. Die digitale Welt wird auch von anderen Teilnehmern geteilt, wie z. B. "Internet-Bots" und "Deepfakes", automatisierten Computerprogrammen, die online mit zugewiesenen Aufgaben arbeiten und oft menschliche Handlungen simulieren oder Daten sammeln.

Darüber hinaus werden Social-Media-Plattformen von einer externen "Behörde" kontrolliert, in der Regel einer gewinnorientierten Organisation, die Änderungen an der Programmierung der Plattform entwickelt, verwaltet und fördert. Im weiteren Sinne "leben" sie alle in der Online-"Nachbarschaft" oder tragen zu ihr bei.

43) Unseren digitalen Nächsten zu erkennen, bedeutet anzuerkennen, dass uns das Leben eines jeden Menschen betrifft, auch wenn seine oder ihre Anwesenheit (oder Abwesenheit) durch digitale Mittel vermittelt wird. "Die heutigen Medien ermöglichen es uns, zu kommunizieren und unser Wissen und unsere Zuneigung zu teilen", sagt Papst Franziskus in Laudato Si', "aber manchmal schirmen sie uns auch vom direkten Kontakt mit dem Schmerz, den Ängsten und den Freuden anderer und der Komplexität ihrer persönlichen Erfahrungen ab."[20] In den sozialen Medien „Nächster“ zu sein, bedeutet, die Geschichten anderer zu hören, insbesondere die der Leidenden. Mit anderen Worten: Für ein besseres digitales Umfeld einzutreten, bedeutet nicht, den Fokus von den konkreten Problemen abzulenken, mit denen viele Menschen konfrontiert sind – zum Beispiel Hunger, Armut, Zwangsmigration, Krieg, Krankheit und Einsamkeit. Es bedeutet vielmehr, für eine ganzheitliche Vision des menschlichen Lebens einzutreten, die heute auch den digitalen Bereich einschließt. In der Tat können die sozialen Medien eine Möglichkeit sein, mehr Aufmerksamkeit auf diese Realitäten zu lenken und Solidarität zwischen den Menschen nah und fern aufzubauen.

44) Wenn wir die sozialen Medien nicht nur als Raum für Verbindungen, sondern letztlich auch für Beziehungen betrachten, sollte eine angemessene "Gewissenserforschung" in Bezug auf unsere Präsenz in den sozialen Medien drei lebenswichtige Beziehungen einbeziehen: die zu Gott, zu unserem Nächsten und zu unserer Umwelt [21]. Unsere Beziehungen zu anderen und zu unserer Umwelt sollten unsere Beziehung zu Gott nähren, und unsere Beziehung zu Gott, die die wichtigste ist, muss in unseren Beziehungen zu anderen und zu unserer Umwelt sichtbar werden. 

 

III. Von der Begegnung zur Gemeinschaft
"Sorge für ihn" (vgl. Lk 10,35) - den Heilungsprozess auf andere ausweiten.

Von Angesicht zu Angesicht

45) Kommunikation beginnt mit dem Verbunden-Sein und führt zu Beziehungen, Gemeinschaft und Kommunion.[22] Es gibt keine Kommunikation ohne die Wahrheit einer Begegnung. Kommunizieren bedeutet, Beziehungen herzustellen; es bedeutet, "miteinander zu sein". Gemeinschaft zu sein bedeutet, mit anderen grundlegende Wahrheiten darüber zu teilen, was man hat und wer man ist. Weit über bloße geografisch-territoriale oder ethnisch-kulturelle Nähe hinaus ist das, was eine Gemeinschaft ausmacht, ein gemeinsames Teilen der Wahrheit, zusammen mit einem Gefühl der Zugehörigkeit, Gegenseitigkeit und Solidarität in den verschiedenen Bereichen des sozialen Lebens. Bei der Betrachtung der letztgenannten Elemente ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass die Konstruktion einer gemeinschaftlichen Einheit durch kommunikative Praktiken, die soziale Bindungen über Zeit und Raum hinweg aufrechterhalten, im Hinblick auf das Festhalten an der Wahrheit selbst immer zweitrangig sein wird.

46) Die Frage, wie man durch kommunikative Prozesse eine Gemeinschaft aufbauen kann, auch unter Menschen, die einander nicht physisch nahe sind, ist eigentlich sehr alt. Schon in den Briefen der Apostel können wir eine Spannung zwischen medialer Präsenz und der Sehnsucht nach persönlicher Begegnung erkennen. Der Evangelist Johannes zum Beispiel schließt seinen zweiten und dritten Brief mit den Worten: „Vieles hätte ich euch noch zu schreiben; ich will es aber nicht mit Papier und Tinte tun, sondern hoffe, selbst zu euch zu kommen und persönlich mit euch zu sprechen, damit unsere Freude vollkommen wird“ (2Joh 12). Dasselbe gilt für den Apostel Paulus, der trotz seiner Abwesenheit und seiner „Sehnsucht, die Menschen wiederzusehen“ (1Thess 2,17), durch seine Briefe im Leben jeder von ihm gegründeten Gemeinschaft präsent war (vgl. 1 Kor 5,3). Seine Schriften dienten auch dazu, die verschiedenen Gemeinschaften miteinander zu verbinden (vgl. Kol 4,15-16). Die gemeinschaftsbildende Fähigkeit des Paulus ist durch seine zahlreichen Briefe bis in unsere Zeit überliefert. Es sind Briefe, in denen wir erfahren, dass es für ihn keine Dichotomie zwischen physischer Präsenz und der Präsenz gab, die durch sein geschriebenes, von der Gemeinschaft gelesenes Wort, in der Ferne wirkt (vgl. 2 Kor 10,9-11).

47) In der zunehmend „onlife“ stattfindenden Realität der heutigen Welt ist es notwendig, eine "Entweder-Oder"-Logik zu überwinden, die die menschlichen Beziehungen in einer dichotomen Logik (digital vs. real-physisch-persönlich) betrachtet, und von einer "Sowohl-als-auch"-Logik auszugehen, die auf der Komplementarität und Ganzheitlichkeit des menschlichen und sozialen Lebens beruht. Die gemeinschaftlichen Beziehungen in den sozialen Netzwerken sollten die lokalen Gemeinschaften stärken und umgekehrt. „Die Nutzung der sozialen Netzwerke ist eine Ergänzung zur leibhaftigen Begegnung, die sich durch den Körper, das Herz, die Augen, den Blick, und den Atem des anderen verwirklicht.Wenn das Netz zur Erweiterung oder in Erwartung einer solchen Begegnung genutzt wird, entspricht es seinem eigentlichen Wesen und bleibt eine Ressource für die Gemeinschaft“ [23] „Das digitale Netz kann ein an Menschlichkeit reicher Ort sein, nicht ein Netz aus Leitungen, sondern aus Menschen“ [24], wenn wir uns daran erinnern, dass auf der anderen Seite des Bildschirms keine "Zahlen", keine bloße "Ansammlungen von Individuen" sind, sondern Menschen, die Geschichten, Träume, Erwartungen, Leiden haben. Es gibt einen Namen und ein Gesicht.

Auf dem Weg nach Jericho

48) Digitale Medien ermöglichen es den Menschen, sich über die Grenzen von Raum und Kulturen hinweg zu begegnen. Auch wenn diese digitalen Begegnungen nicht unbedingt zu physischer Nähe führen, können sie dennoch bedeutsam, wirkungsvoll und real sein. Über bloße Bekanntschaften hinaus können sie eine Möglichkeit sein, sich aufrichtig mit anderen zu beschäftigen, sinnvolle Gespräche zu führen, Solidarität auszudrücken und die Isolation und den Schmerz eines Menschen zu lindern.

49) Die sozialen Medien können als eine weitere "Straße nach Jericho" betrachtet werden, voll von Gelegenheiten für ungeplante Begegnungen, so wie es für Jesus der Fall war: ein blinder Bettler, der laut am Straßenrand schreit (vgl. Lk 18,35-43), ein unehrlicher Steuereintreiber, der sich in den Zweigen eines Maulbeerfeigenbaumes versteckt (vgl. Lk 19,1-9) und ein Verwundeter, der von den Räubern halb tot am Straßenrand zurückgelassen wurde (vgl. Lk 10,30). Gleichzeitig erinnert uns das Gleichnis vom barmherzigen Samariter daran, dass die Tatsache, dass jemand "religiös" ist (ein Priester oder Levit) oder behauptet, ein Anhänger Jesu zu sein, keine Garantie dafür ist, dass er Hilfe anbietet, Heilung und Versöhnung sucht. Der Blinde wurde von den Jüngern Jesu zurechtgewiesen und aufgefordert, still zu sein; die Begegnung des Zachäus mit Jesus wurde von dem Murren anderer Leute begleitet; der Verwundete wurde von dem Priester und dem Leviten ignoriert, die einfach an ihm vorbeigingen.

50) Wie bei persönlichen Begegnungen, reicht es auch bei digitalen Kreuzungspunkten nicht aus, "christlich" zu sein. Man kann viele Profile oder Konten in den sozialen Medien finden, die zwar religiöse Inhalte verkünden, sich aber nicht in einer gläubigen Art und Weise auf Beziehungsdynamiken einlassen. Feindselige Begegnungen und gewalttätige, herabsetzende Worte, insbesondere im Zusammenhang mit dem Austausch christlicher Inhalte, erscheinen auf dem Bildschirm und widersprechen dem Evangelium selbst [25].

Im Gegenteil dazu wird der barmherzige Samariter, der dem Verwundeten aufmerksam und offen begegnet, von Mitgefühl dazu bewegt, zu handeln und sich seiner anzunehmen. Er versorgt die Wunden des Opfers und bringt den Mann in eine Herberge, um seine weitere Versorgung sicherzustellen. Und genauso muss sich auch unser Wunsch, die sozialen Medien zu einem menschlicheren und beziehungsreicheren Raum zu machen, in konkreten Haltungen und kreativen Gesten zeigen.

51) Zur Förderung eines Gemeinschaftsgefühls gehört auch, dass man auf gemeinsame Werte, Erfahrungen, Hoffnungen, Sorgen, Freuden, Humor und sogar Witze achtet, die an und für sich zu Sammelpunkten für Menschen in digitalen Räumen werden können. Wie beim Zuhören, Unterscheiden und Begegnen erfordert auch die Bildung von Gemeinschaft mit anderen persönlichenEinsatz. Was auf Social-Media-Plattformen als "Freundschaft" definiert wird, ist zunächst einfach nur Bekanntschaft oder Vertrautheit. Aber auch hier ist es möglich, einen gemeinsamen Geist der Unterstützung und der Zusammengehörigkeit zu betonen. Um zu einer Gemeinschaft zu werden, bedarf es einer freien und gegenseitigen Beteiligung, damit man ein gewollter Zusammenschluss werden kann, der seine Mitglieder auf der Grundlage von Nähe zusammenführt. Freiheit und gegenseitige Unterstützung ergeben sich nicht von selbst. Um eine Gemeinschaft zu bilden, ist die Arbeit der Heilung und Versöhnung oft der erste Schritt, den man auf diesem Weg gehen muss.

52) Selbst in den sozialen Medien „stehen wir jeden Tag vor der Wahl, barmherzige Samariter zu sein oder gleichgültige Passanten, die distanziert vorbeigehen. (…) Und wenn wir den Blick auf die Gesamtheit unserer Geschichte und auf die ganze Welt ausweiten, sind wir oder waren wir wie diese Gestalten: wir alle haben etwas vom verletzten Menschen, etwas von den Räubern, etwas von denen, die vorbeigehen, und etwas vom barmherzigen Samariter.“ [26]

Wir alle können Passanten auf den „digitalen Autobahnen“ sein – einfach "vernetzt" [27] –, oder wir können es dem Samariter gleichtun und Vernetzungen zu echten Begegnungen werden lassen. Der zufällige Passant wird zum Nächsten, wenn er sich um den Verwundeten kümmert, indem er ihm die Wunden verbindet. Indem er sich um den Mann kümmert, will er nicht nur die körperlichen Wunden heilen, sondern auch die Trennungen und Feindseligkeiten, die zwischen ihren sozialen Gruppen bestehen.

53)Was bedeutet es also, die Wunden in den sozialen Medien zu "heilen"? Wie können wir die Spaltung "überwinden"? Wie können wir ein kirchliches Umfeld schaffen, das in der Lage ist, die "geografischen und existentiellen Randgebiete" der heutigen Kulturen anzunehmen und zu integrieren? Fragen wie diese sind entscheidend für unsere christliche Präsenz auf den „digitalen Autobahnen“.

„Heute haben wir die großartige Gelegenheit, unsere Geschwisterlichkeit zum Ausdruck zu bringen; zu zeigen, dass wir auch barmherzige Samariter sind, die den Schmerz des Versagens auf sich nehmen, anstatt Hass und Ressentiments zu verstärken. Wie der zufällig vorbeikommende Reisende unserer Geschichte müssen wir nur den uneigennützigen Wunsch haben, schlicht und einfach Volk zu sein und uns beständig und unermüdlich dafür einzusetzen, dass alle miteinbezogen und integriert werden und, wer gefallen ist, wieder aufgerichtet wird.“ [28]

„Dann geh und handle du genauso!“

54) Beziehung bringt Beziehung hervor, Gemeinschaft baut Gemeinschaft auf. Die Gnade der Beziehung, die zwischen zwei Menschen entsteht, geht über ihre Interaktion hinaus. Der Mensch ist für Beziehung und Gemeinschaft geschaffen. Gleichzeitig wird unsere kulturelle Realität von Einsamkeit und Isolation geplagt, wie wir während der COVID-19-Pandemie am eigenen Leib erfahren haben. Diejenigen, die Gesellschaft suchen, insbesondere die Ausgegrenzten, wenden sich oft an digitale Räume, um Gemeinschaft, Integration und Solidarität mit anderen zu finden. Während viele in der Vernetzung mit anderen im digitalen Raum Trost gefunden haben, empfinden andere dies als unzureichend. Möglicherweise gelingt es uns nicht, denjenigen, die einen Dialog suchen und Unterstützung finden wollen, einen Raum zu bieten, in dem sie nicht mit verurteilenden oder misstrauischen Haltungen konfrontiert sind.

55) Die Entwicklung von der Begegnung zur Beziehung und dann zur Gemeinschaft spricht sowohl für die Vorteile als auch für die Herausforderungen der digitalen Kultur. Manchmal bilden sich Online-Gemeinschaften, wenn Menschen eine gemeinsame Basis finden, indem sie sich gegen einen externen "Anderen", einen gemeinsamen ideologischen Feind, zusammenschließen. Diese Art der Polarisierung führt zu einem "digitalen Tribalismus", bei dem Gruppen gegen andere in einem gegnerischen Geist ausgespielt werden. Wir dürfen nicht vergessen, dass es jenseits dieser „Stammesgrenzen“ hinweg andere gibt, Brüder und Schwestern, Menschen mit Würde.

„Ich darf die anderen nicht katalogisieren, um zu entscheiden, wer mein Nächster ist und wer nicht. Es hängt von mir ab, ob ich Nächster bin oder nicht – es ist meine Entscheidung –, es hängt von mir ab, der Nächste des Menschen zu sein, dem ich begegne und der der Hilfe bedarf, auch wenn er ein Fremder oder sogar feindselig ist."[29] Leider sind der Kirche zerrüttete Beziehungen, Konflikte und Spaltungen nicht fremd. Wenn beispielsweise Gruppen, die sich selbst als "katholisch" bezeichnen, ihre Präsenz in den sozialen Medien nutzen, um Spaltungen zu fördern, verhalten sie sich nicht so, wie es eine christliche Gemeinschaft tun sollte.[30] Anstatt aus Konflikten und feindseligem Clickbait Kapital zu schlagen, sollten feindselige Haltungen zu Gelegenheiten der Umkehr werden, zu einer Gelegenheit, in scheinbar spaltenden Angelegenheiten Zeugnis abzulegen für Begegnung, Dialog und Versöhnung [31].

56) Das Engagement in den sozialen Medien muss über den Austausch persönlicher Meinungen oder die Nachahmung von Verhaltensweisen hinausgehen. Soziales Handeln, das über soziale Medien mobilisiert wird, hat eine größere Wirkung und ist für die Veränderung der Welt oft effektiver als eine oberflächliche Debatte über Ideen. Die Debatten sind in der Regel durch die Anzahl der erlaubten Zeichen und die Geschwindigkeit, mit der die Menschen auf Kommentare reagieren, begrenzt, ganz zu schweigen von emotionalen Ad-hominem-Argumenten: Angriffen auf die Person, die spricht, unabhängig von dem allgemeinen Thema, das diskutiert wird.

Der Austausch von Ideen ist notwendig, aber Ideen allein funktionieren nicht; sie müssen "Fleisch" werden. Taten müssen den Boden Tag für Tag befruchten [32].

Wenn wir vom Samariter lernen, sind wir gerufen, auf diese Dynamik aufmerksam zu werden. Er begnügt sich nicht damit, Mitleid zu empfinden; er begnügt sich nicht einmal damit, die Wunden eines Fremden zu verbinden. Er geht noch weiter, indem er den Verletzten in eine Herberge bringt und für seine weitere Versorgung sorgt [33]. Durch dieses Vorgehen werden die zwischen dem Samariter und dem verletzten Mann entstandene Beziehung der Fürsorge und der Keim der Gemeinschaft auf den Gastwirt und seine Familie ausgeweitet.

Wie der Gesetzeslehrer sind auch wir in unserer digitalen Medienpräsenz aufgefordert, "hinzugehen und es ihm gleichzutun" und so das Gemeinwohl zu fördern. Wie können wir dazu beitragen, ein toxisches digitales Umfeld zu heilen? Wie können wir Gastfreundschaft und Möglichkeiten zur Heilung und Versöhnung fördern?

57) Die Gastfreundschaft beruht auf der Offenheit, mit der wir dem anderen begegnen; durch sie nehmen wir Christus in der Gestalt des Fremden auf (vgl. Mt 25,40). Zu diesem Zweck müssen digitale Gemeinschaften Inhalte und Interessen teilen, aber auch gemeinsam handeln und ein Zeugnis für die Gemeinschaft ablegen. Es gibt bereits zahlreiche Beispiele für achtsame Gemeinschaften im digitalen Kontext. So gibt es beispielsweise Gemeinschaften, die sich zusammenfinden, um andere in Zeiten von Krankheit, Verlust und Trauer zu unterstützen, sowie Gemeinschaften, die per Crowdfunding Spenden für Bedürftige sammeln, und solche, die ihren Mitgliedern soziale und psychologische Unterstützung bieten. All diese Bemühungen können als Beispiele für "digitale Nähe" betrachtet werden. Menschen, die sehr unterschiedlich sind, können sich in einem Online-"Dialog des sozialen Handelns" engagieren. Sie können vom Glauben inspiriert sein oder auch nicht. In jedem Fall sind Gemeinschaften, die sich bilden, um zum Wohle anderer zu handeln, der Schlüssel zur Überwindung der Isolation in den sozialen Medien.

58) Wir können den Faden noch weiterspinnen: Das soziale Netz ist nicht in Stein gemeißelt. Wir können es verändern. Wir können zu Triebkräften des Wandels werden und uns neue Modelle vorstellen, die auf Vertrauen, Transparenz, Gleichberechtigung und Einbeziehung aufbauen. Gemeinsam können wir die Medienunternehmen dazu drängen, ihre Rolle zu überdenken und das Internet zu einem wirklich öffentlichen Raum werden zu lassen. Gut strukturierte öffentliche Räume sind in der Lage, ein besseres soziales Verhalten zu fördern. Wir müssen daher die digitalen Räume so umgestalten, dass sie menschlicher und gesünder werden.

Ein gemeinsames Mahl

59) Als Glaubensgemeinschaft befindet sich die Kirche auf Pilgerreise zum Himmelreich. Da die sozialen Medien, und im weiteren Sinne die digitale Realität, ein entscheidender Aspekt dieser Pilgerreise sind, ist es wichtig, über die Dynamik von Gemeinschaft und Gemeinschaft im Hinblick auf die Präsenz der Kirche in der digitalen Welt nachzudenken.

In den schweren Momenten des Lockdowns während der Pandemie bot die Übertragung der liturgischen Feiern über die sozialen Medien und andere Kommunikationsmittel denjenigen, die nicht persönlich teilnehmen konnten, einen gewissen Trost. Dennoch gibt es in unseren Glaubensgemeinschaften noch viel darüber nachzudenken, wie wir die Vorteile des digitalen Umfelds in einer Weise nutzen können, die das sakramentale Leben ergänzt. Zu verschiedenen Themen wurden theologische und pastorale Fragen aufgeworfen: zum Beispiel die kommerzielle Nutzung der Übertragung der Heiligen Messe.

60) Kirchliche Gemeinschaft entsteht dort, wo zwei oder drei im Namen Jesu zusammenkommen (vgl. Mt 18,20), unabhängig von Herkunft, Wohnort oder geografischer Zugehörigkeit. Auch wenn wir anerkennen können, dass die Kirche durch die Übertragung der Messe in die Häuser der Menschen gekommen ist, müssen wir darüber nachdenken, was die "Teilnahme" an der Eucharistie bedeutet [34]. Das Aufkommen der digitalen Kultur und die Erfahrung der Pandemie haben gezeigt, dass unserer pastoralen Initiativen der "Hauskirche" nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt haben: der Kirche also, die sich in den Häusern und am Tisch versammelt. In dieser Hinsicht müssen wir die Verbindung zwischen der Liturgie, die in unseren Kirchen gefeiert wird, und der Feier des Herrn mit Gesten, Worten und Gebeten in den Familien wiederentdecken. Anders ausgedrückt: Wir müssen die Brücke zwischen unseren Familientischen und dem Altar wieder aufbauen, wo wir durch den Empfang der Heiligen Eucharistie geistlich genährt und in unserer Gemeinschaft als Gläubige bestätigt werden.

61) Man kann eine Mahlzeit nicht über einen Bildschirm teilen.[35] Beim gemeinsamen Mahl werden alle unsere Sinne angesprochen: Geschmack und Geruch, Blicke, die die Gesichter der Essenden betrachten, das Lauschen der Gespräche am Tisch. Die gemeinsame Mahlzeit bei Tisch ist unsere erste Schulung in der Aufmerksamkeit für andere, eine Förderung der Beziehungen zwischen Familienmitgliedern, Nachbarn, Freunden und Kollegen. In ähnlicher Weise nehmen wir mit dem ganzen Menschen am Altar teil: Geist, Seele und Körper sind beteiligt. Die Liturgie ist eine sinnliche Erfahrung; wir treten in das eucharistische Geheimnis durch die Türen der Sinne ein, die in ihrem Bedürfnis nach Schönheit, Sinn, Harmonie, Vision, Interaktion und Emotion geweckt und genährt werden. Vor allem ist die Eucharistie nicht etwas, das wir nur "anschauen" können; sie ist etwas, das uns wirklich nährt.

62) Die Fleischwerdung ist für Christen wichtig. Das Wort Gottes ist in einem Leib Fleisch geworden, er hat gelitten und ist mit seinem Leib gestorben, und er ist in der Auferstehung leiblich wieder auferstanden. Nachdem er zum Vater zurückgekehrt ist, ist alles, was er an seinem Leib erlitten hat, in die Sakramente eingeflossen [36]. Er ist in das himmlische Heiligtum eingetreten und hat einen Pilgerweg offengelassen, durch den der Himmel über uns ausgegossen wird.

63) Über die Grenzen des Raums hinaus verbunden zu sein, ist keine Errungenschaft "wunderbarer technischer Entdeckungen". Es ist etwas, das wir erfahren, auch ohne es zu wissen, jedes Mal, wenn wir uns "im Namen Jesu versammeln", jedes Mal, wenn wir an der universalen Gemeinschaft des Leibes Christi teilnehmen. Dort "verbinden" wir uns mit dem himmlischen Jerusalem, treffen die Heiligen aller Zeiten und erkennen uns gegenseitig als Teile desselben Leibes Christi an.

Deshalb erinnert uns Papst Franziskus in seiner Botschaft zum Welttag der sozialen Kommunikationsmittel 2019 daran, dass das soziale Netz eine leibhaftige Begegnung, die durch den Körper, das Herz, die Augen, den Blick und den Atem des anderen lebendig wird, ergänzt - aber nicht ersetzt. "Wenn eine Familie das Internet nutzt, um besser verbunden zu sein, und sich dann an einen Tisch setzt und sich gegenseitig in die Augen schaut, dann ist es eine Ressource. Wenn eine kirchliche Gemeinschaft ihre Aktivitäten durch das Internet koordiniert und dann gemeinsam Eucharistie feiert, dann ist es eine Ressource. (…) Die Kirche selbst ist ein von der eucharistischen Gemeinschaft geknüpftes Netz, wo die Einheit nicht auf „Likes“, sondern auf der Wahrheit, auf dem „Amen “ beruht, mit dem jeder seine Zugehörigkeit zum Leib Christi zum Ausdruck bringt und die anderen annimmt."[37]

 

IV.Ein unverwechselbarer Stil
Liebt ... und ihr werdet leben (vgl. Lk 10,27-28).

Was und Wie: Die Kreativität der Liebe

64) Viele Schaffer christlicher Inhalte fragen sich: Was ist die effektivste Strategie, um mehr Nutzer-Personen-Seelen zu erreichen? Welche Anwendungen machen meine Inhalte attraktiver? Welcher Stil funktioniert am besten? Diese Fragen sind zwar hilfreich, aber wir dürfen nicht vergessen, dass Kommunikation nicht einfach eine "Strategie" ist. Sie ist viel mehr. Ein echter Kommunikator gibt alles, alles von sich selbst. Wir kommunizieren mit unserer Seele und mit unserem Körper, mit unserem Verstand, unserem Herzen, unseren Händen, mit allem.[38]

Indem wir das Brot des Lebens teilen, lernen wir einen "Stil des Teilens" von dem, der uns geliebt und sich für uns hingegeben hat (vgl. Gal 2,20). Dieser Stil spiegelt sich in drei Haltungen wider - "Nähe, Mitgefühl und Zärtlichkeit" -, die Papst Franziskus als charakteristische Merkmale des Stils Gottes beschreibt:[39] Jesus selbst hat uns bei dem Mahl, mit dem er Abschied nimmt, versichert, dass das Erkennungszeichen seiner Jünger darin besteht, einander zu lieben, wie er sie geliebt hat. Daran kann jeder eine christliche Gemeinschaft erkennen (vgl. Joh 13,34-35).

Wie könnte man den "Stil" Gottes in den sozialen Medien zeigen?

65) Zuallererst sollten wir uns daran erinnern, dass alles, was wir in unseren Beiträgen, Kommentaren und Likes, in gesprochenen oder geschriebenen Worten, in Filmen oder animierten Bildern mitteilen, dem Stil entsprechen sollte, den wir von Christus lernen, der seine Botschaft nicht nur sprachlich, sondern mit seiner ganzen Lebensweise vermittelt und dabei gezeigt hat, dass Kommunikation auf ihrer tiefsten Ebene Selbsthingabe in der Liebe ist [40]. Daher ist die Art und Weise, wie wir etwas sagen, genauso wichtig wie das, was wir sagen. Die Kreativität liegt darin, dass das Wie mit dem Was übereinstimmt. Mit anderen Worten: Wir können nur dann gut kommunizieren, wenn wir "gut lieben"[41].

66) Um die Wahrheit zu vermitteln, müssen wir zunächst sicherstellen, dass wir wahrheitsgemäße Informationen weitergeben; nicht nur bei der Erstellung von Inhalten, sondern auch bei deren Weitergabe. Wir müssen sicherstellen, dass wir eine vertrauenswürdige Quelle sind. Um das Gute zu vermitteln, brauchen wir qualitativ hochwertige Inhalte: eine Botschaft, die darauf ausgerichtet ist, zu helfen,und nicht zu schaden; positive Maßnahmen zu fördern und keine Zeit mit nutzlosen Diskussionen zu verschwenden. Um das Schöne zu vermitteln, müssen wir sicherstellen, dass wir eine Botschaft in ihrer Gesamtheit übermitteln, was die Kunst der Kontemplation erfordert - eine Kunst, die es uns ermöglicht, eine Realität oder ein Ereignis in Verbindung mit vielen anderen Realitäten und Ereignissen zu sehen.

Im Kontext von "Post-Wahrheit" und "Fake News" stellt Jesus Christus, "der Weg, die Wahrheit und das Leben" (Joh 14,6), das Prinzip für unsere Gemeinschaft mit Gott und untereinander dar,[42] wie Papst Franziskus uns in der Botschaft zum Welttag der sozialen Kommunikationsmittel 2019 herausstellt: "Die Verpflichtung zur Bewahrung der Wahrheit ergibt sich aus der Notwendigkeit, das gegenseitige Gemeinschaftsverhältnis nicht zu leugnen. Tatsächlich offenbart sich die Wahrheit in der Gemeinschaft. Die Lüge hingegen besteht in der egoistischen Weigerung, die eigene Zugehörigkeit zum Leib anzuerkennen und in der Weigerung, sich anderen hinzugeben, womit man jedoch auch den einzigen Weg der Selbstfindung verliert."[43]

67) Aus diesem Grund ist der zweite Punkt, an den man denken muss, dass eine Botschaft leichter zu vermitteln ist, wenn derjenige, der sie überbringt, zu einer Gemeinschaft gehört. Die Tatsache, dass soziale Medien Einzelinitiativen bei der Produktion von Inhalten erleichtern, könnte wie eine wertvolle Gelegenheit erscheinen, aber sie kann problematisch werden, wenn einzelne Aktivitäten willkürlich durchgeführt werden und nicht das Gesamtziel und den Ausblick der Kirchengemeinschaft widerspiegeln. Die Tatsache, dass die sozialen Medien individuelle Initiativen bei der Produktion von Inhalten erleichtern, könnte als wertvolle Chance erscheinen, kann aber problematisch werden, wenn einzelne Aktivitäten willkürlich durchgeführt werden und nicht das Gesamtziel und die Perspektive der Kirchengemeinschaft widerspiegeln. Die eigene Agenda und die Bestätigung der eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten beiseitezulassen, um zu entdecken, dass jeder von uns - mit all seinen Talenten und Schwächen - Teil einer Gruppe ist, ist ein Geschenk, das uns befähigt, als "Glieder eines anderen" zusammenzuarbeiten. Wir sind aufgerufen, Zeugnis abzulegen für einen Kommunikationsstil, der unsere Zugehörigkeit zueinander fördert und das wiederbelebt, was der heilige Paulus die "Gelenke" nennt, die es den Gliedern eines Leibes ermöglichen, in Synergie zu handeln (Kol 2,19).

68) Unsere Kreativität kann also nur ein Ergebnis der Gemeinschaft sein: Sie ist nicht so sehr die Leistung eines großen individuellen Genies, sondern vielmehr die Frucht einer großen Freundschaft. Mit anderen Worten: sie ist die Frucht der Liebe. Als christliche Kommunikatoren sind wir aufgerufen, Zeugnis von einem Kommunikationsstil abzulegen, der nicht nur auf dem Individuum basiert, sondern auf einer Art und Weise, die Gemeinschaft und Zugehörigkeit schafft. Der beste Weg, Inhalte zu vermitteln, besteht darin, die Stimmen derer zu vereinen, die diese Inhalte lieben. Die Zusammenarbeit im Team, die Schaffung von Raum für unterschiedliche Talente, Hintergründe, Fähigkeiten und Rhythmen, die gemeinsame Schaffung von Schönheit in einer "symphonischen Kreativität" ist das schönste Zeugnis dafür, dass wir wirklich Kinder Gottes sind, erlöst davon, nur an uns selbst zu denken, und offen für die Begegnung mit anderen.

Sag es mit einer Geschichte

69) Gute Geschichten fesseln die Aufmerksamkeit und regen die Fantasie an. Sie offenbaren die Wahrheit und nehmen sie auf. Geschichten geben uns einen Interpretationsrahmen, um die Welt zu verstehen und unsere tiefsten Fragen zu beantworten. Geschichten schaffen Gemeinschaft, denn Gemeinschaft entsteht immer durch Kommunikation.

Das Erzählen von Geschichten hat in der digitalen Kultur eine neue Bedeutung erlangt, weil sie unsere Aufmerksamkeit erregen und uns direkt ansprechen können; außerdem bieten sie einen umfassenderen Kontext für die Kommunikation, als dies in verkürzten Posts oder Tweets möglich ist. Die digitale Kultur ist voll von Informationen und ihre Plattformen sind meist chaotische Umgebungen. Geschichten bieten eine Struktur, eine Möglichkeit, der digitalen Erfahrung einen Sinn zu geben. Sie sind "lebendiger" als ein bloßes Argument und komplexer als die oberflächlichen und emotionalen Reaktionen, die man oft auf digitalen Plattformen antrifft, und tragen dazu bei, zwischenmenschliche Beziehungen wiederherzustellen, indem sie den Menschen die Möglichkeit bieten, ihre Geschichten zu erzählen oder die zu teilen, die sie verändert haben.

70) Ein guter Grund, eine Geschichte zu erzählen, ist es, auf Menschen zu reagieren, die unsere Botschaft oder unseren Auftrag in Frage stellen. Eine Gegenerzählung zu entwickeln, kann effektiver sein, um auf einen hasserfüllten Kommentar zu reagieren, als mit einem Argument zu antworten [44]. Auf diese Weise verlagern wir die Aufmerksamkeit von der Verteidigung auf die aktive Förderung einer positiven Botschaft und die Kultivierung von Solidarität, wie es Jesus mit der Geschichte des barmherzigen Samariters tat. Anstatt sich mit dem Gesetzesexperten darüber zu streiten, wen wir als unseren Nächsten betrachten sollten und wen wir ignorieren oder sogar hassen können, erzählte Jesus einfach eine Geschichte. Als meisterhafter Geschichtenerzähler versetzt Jesus den Schriftgelehrten nicht in die Lage des Samariters, sondern in die des verletzten Mannes. Um herauszufinden, wer sein Nächster ist, muss er zunächst verstehen, dass er sich in der Lage des Verwundeten befindet und sich ein anderer seiner erbarmt hat. Erst wenn der Gesetzeslehrer dies erkannt und die Fürsorge des Samariters erfahren hat, kann er Rückschlüsse auf sein eigenes Leben ziehen und sich die Geschichte zu eigen machen. Der Schriftgelehrte selbst ist der Mann, der in die Hände der Räuber gefallen ist, und der Samariter, der sich ihm nähert, ist Jesus.

Jeder von uns, der dieser Geschichte zuhört, ist der verwundete Mann, der dort liegt. Und für jeden von uns ist der Samariter Jesus. Denn wenn wir immer noch fragen: "Wer ist mein Nächster?", dann deshalb, weil wir noch nicht erfahren haben, dass wir geliebt werden und dass unser Leben mit jedem Leben verbunden ist.

71) Seit den Anfängen der Kirche hat die Erzählung der tiefen Erfahrung, die die Anhänger Jesu in seiner Gegenwart gemacht haben, andere in die christliche Nachfolge geführt. Die Apostelgeschichte ist voll von solchen Beispielen. So wurde Petrus durch den Heiligen Geist bevollmächtigt und verkündete den Pilgern an Pfingsten die Auferstehung Christi. Dies führte zur Bekehrung von dreitausend Menschen (vgl. Apostelgeschichte 2,14-41). Hier bekommen wir eine Vorstellung davon, wie sehr unsere Erzählungen andere beeinflussen können. Zugleich ist das Erzählen von Geschichten und Erfahrungen nur ein Element der Evangelisierung. Systematische Erklärungen des Glaubens durch die Formulierung von Glaubensbekenntnissen und anderen lehrhaften Werken sind ebenfalls wichtig.

Aufbau einer Gemeinschaft in einer zerrütteten Welt

72) Die Menschen sind auf der Suche nach jemandem, der ihnen Orientierung und Hoffnung geben kann; sie sehnen sich nach moralischer und spiritueller Führung und Begleitung, aber sie finden sie nicht oft an traditionellen Orten. Es ist heute üblich, sich an "Influencer" zu wenden, an Personen, die eine große Anhängerschaft gewinnen und erhalten, die eine größere Sichtbarkeit erlangen und in der Lage sind, andere durch ihre Ideen oder Erfahrungen zu inspirieren und zu motivieren. In Anlehnung an die Theorie der öffentlichen Meinung für den Ansatz des Social-Media-Marketings hängt der Erfolg eines Social-Media-Influencers mit seiner Fähigkeit zusammen, in der Weite des Netzes hervorzustechen, indem er eine große Zahl von Anhängern gewinnt.

73) Das "Viral werden" an sich ist eine neutrale Handlung, die sich nicht automatisch positiv oder negativ auf das Leben anderer auswirkt. In dieser Hinsicht "können soziale Netzwerke Beziehungen erleichtern und das Wohl der Gesellschaft fördern, aber sie können auch zu einer weiteren Polarisierung und Spaltung zwischen Individuen und Gruppen führen. Die digitale Welt ist ein öffentlicher Platz, ein Treffpunkt, an dem wir einander entweder ermutigen oder herabsetzen, eine sinnvolle Diskussion führen oder unfaire Angriffe starten können"[45].

74) Micro- und Macro-influencer

Wir alle sollten unseren "Einfluss" ernst nehmen. Es gibt nicht nur Makro-Influencer mit einem großen Publikum, sondern auch Mikro-Influencer. Jeder Christ ist ein Mikro-Influencer. Jeder Christ sollte sich seines potenziellen Einflusses bewusst sein, unabhängig davon, wie viele Follower er oder sie hat. Gleichzeitig muss man sich darüber im Klaren sein, dass der Wert, der vom christlichen "Influencer" vermittelten Botschaft nicht von den Qualitäten des Überbringers abhängt. Jeder Nachfolger Christi hat das Potenzial, eine Verbindung herzustellen, nicht zu sich selbst, sondern zum Reich Gottes, selbst im kleinsten Kreis seiner Beziehungen. "Glaube an den Herrn Jesus, und du wirst gerettet werden - du und dein Haus" (Apg 16,31).

Wir sollten uns jedoch darüber im Klaren sein, dass unsere Verantwortung mit der wachsenden Zahl von „Followern“ zunimmt. Je größer die Zahl der Anhänger ist, desto mehr sollten wir uns bewusst sein, dass wir nicht in unserem eigenen Namen handeln. Die Verantwortung für den Dienst an der Gemeinschaft, insbesondere für diejenigen, die eine öffentliche Führungsrolle innehaben, darf nicht zur Nebensache werden, wenn es darum geht, die eigene persönliche Meinung von den öffentlichen Kanzeln der digitalen Medien aus zu verbreiten [46].

75)Reflexiv, nicht reaktiv sein

Der christliche Stil in den sozialen Medien sollte reflexiv und nicht reaktiv sein. Daher sollten wir alle darauf achten, nicht in die digitalen Fallen zu tappen, die in Inhalten versteckt sind, die darauf abzielen, Konflikte unter den Nutzern zu säen, indem sie Empörung oder emotionale Reaktionen hervorrufen.

Wir müssen darauf achten, keine Inhalte zu posten und zu teilen, die Missverständnisse hervorrufen, Spaltungen verschärfen, Konflikte schüren und Vorurteile bekräftigen können. Leider ist die Tendenz, sich zu hitzigen und manchmal respektlosen Diskussionen hinreißen zu lassen, beim Online-Austausch weit verbreitet. Wir alle können der Versuchung erliegen, den "Splitter im Auge" unserer Brüder und Schwestern zu suchen (Mt 7,3), indem wir öffentliche Anschuldigungen in den sozialen Medien erheben, Spaltungen innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft schüren oder uns darüber streiten, wer unter uns der Größte ist, wie es die ersten Jünger taten (Lk 9,46). Das Problem der polemischen und oberflächlichen und damit spaltenden Kommunikation ist besonders besorgniserregend, wenn sie von der Kirchenleitung ausgeht: von Bischöfen, Pfarrern und prominenten Laienleitern. Diese verursachen nicht nur eine Spaltung in der Gemeinschaft, sondern geben auch anderen die Erlaubnis und Legitimation, ebenfalls eine ähnliche Art der Kommunikation zu fördern.

Angesichts dieser Versuchung ist es oft am besten, nicht zu reagieren oder mit Schweigen zu reagieren, um diese falsche Dynamik nicht zu unterstützen. Man kann mit Sicherheit sagen, dass diese Art von Dynamik nicht aufbaut, sondern im Gegenteil großen Schaden anrichtet. Daher sind die Christen aufgerufen, einen anderen Weg aufzuzeigen.

76) Aktiv sein, synodal sein

Soziale Medien können zu einer Gelegenheit werden, Geschichten und Erfahrungen von Schönheit oder Leid zu teilen, die physisch weit von uns entfernt sind. Auf diese Weise können wir gemeinsam beten und nach dem Guten suchen und wiederentdecken, was uns verbindet.[47] Aktiv zu sein bedeutet, sich in Projekten zu engagieren, die den Alltag der Menschen betreffen: Projekte, die die Menschenwürde und die Entwicklung fördern, die darauf abzielen, die digitale Ungleichheit zu verringern, den digitalen Zugang zu Informationen und die Alphabetisierung zu fördern, Stewardship und Crowdfunding-Initiativen zugunsten der Armen und Ausgegrenzten zu unterstützen und den Stimmlosen in der Gesellschaft eine Stimme zu geben.

Die Herausforderungen, vor denen wir stehen, sind global und erfordern daher eine globale Zusammenarbeit. Wir müssen also dringend lernen, gemeinsam zu handeln, als Gemeinschaft und nicht als Einzelne. Nicht so sehr als "individuelle Einflussnehmer", sondern als "Weber der Gemeinschaft": Wir müssen unsere Talente und Fähigkeiten bündeln, Wissen und Beiträge teilen [48].

Aus diesem Grund hat Jesus die Jünger "zu zweit" ausgesandt (vgl. Mk 6,7), damit wir, indem wir gemeinsam gehen [49], auch in den sozialen Medien das synodale Gesicht der Kirche zeigen können. Dies ist die tiefe Bedeutung der Gemeinschaft, die alle Getauften in der ganzen Welt vereint. Als Christen ist die Gemeinschaft Teil unserer "DNA". Als solche befähigt uns der Heilige Geist, unsere Herzen für andere zu öffnen und unsere Zugehörigkeit zu einer universalen Bruderschaft anzunehmen.

Das Zeichen des Zeugen

77) Unsere Präsenz in den sozialen Medien konzentriert sich in der Regel auf die Verbreitung von Informationen. In diesem Sinne muss die Vermittlung von Ideen, Lehren, Gedanken, spirituellen Überlegungen und Ähnlichem in den sozialen Medien der christlichen Tradition treu sein. Aber das ist nicht genug. Zusätzlich zu unserer Fähigkeit, andere mit interessanten religiösen Inhalten zu erreichen, sollten wir Christen dafür bekannt sein, dass wir bereit sind, zuzuhören, zu unterscheiden, bevor wir handeln, alle Menschen mit Respekt zu behandeln, eher mit einer Frage als mit einem Urteil zu antworten, eher zu schweigen als eine Kontroverse auszulösen und "schnell zum Hören, langsam zum Reden, langsam zum Zorn" (Jak 1,19). Mit anderen Worten: Alles, was wir tun, in Wort und Tat, sollte das Zeichen des Zeugnisses tragen. Wir sind in den sozialen Medien nicht präsent, um "ein Produkt zu verkaufen". Wir machen keine Werbung, sondern kommunizieren das Leben: das Leben, das uns in Christus geschenkt wurde. Deshalb muss jeder Christ darauf achten, keine Proselytenmacherei zu betreiben, sondern Zeugnis zu geben.

78) Was bedeutet es, ein Zeuge zu sein? Das griechische Wort für Zeuge ist "Märtyrer", und man kann mit Sicherheit sagen, dass einige der mächtigsten "christlichen Influencer" Märtyrer waren. Die Anziehungskraft der Märtyrer besteht darin, dass sie ihre Verbundenheit mit Gott durch das Opfer ihres eigenen Lebens zum Ausdruck bringen:[50] "Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt und den ihr von Gott habt? Ihr gehört nicht euch selbst?" (1Kor 6,19). Die Leiber der Märtyrer sind beispielhafte Werkzeuge für die Offenbarung der Liebe Gottes.

Auch wenn das Martyrium das höchste Zeichen des christlichen Zeugnisses ist, ist jeder Christ dazu berufen, sich selbst zu opfern: Das christliche Leben ist eine Berufung, die unsere ganze Existenz verzehrt, indem wir uns mit Leib und Seele aufopfern, um ein Raum für die Mitteilung der Liebe Gottes zu werden, ein Zeichen, das auf den Sohn Gottes hinweist.

In diesem Sinne verstehen wir die Worte des großen Johannes des Täufers, des ersten Zeugen Christi, besser: "Er muss wachsen, ich aber geringer werden" (Joh 3,30). Wie der Vorläufer, der seine Jünger aufforderte, Christus nachzufolgen, streben auch wir nicht nach "Nachfolgern" für uns selbst, sondern für Christus. Wir können das Evangelium nur verbreiten, indem wir eine Gemeinschaft schaffen, die uns in Christus vereint. Wir tun dies, indem wir dem Beispiel Jesu im Umgang mit den anderen folgen.

79) Die Anziehungskraft des Glaubens erreicht die Menschen dort, wo sie sind und wie sie im Hier und Jetzt sind. Von einem unbekannten Zimmermann aus Nazareth wurde Jesus schnell in der ganzen Region Galiläa bekannt. Mit einem Blick voller Mitgefühl für die Menschen, die wie Schafe ohne Hirten waren, verkündete Jesus das Reich Gottes, indem er die Kranken heilte und die Menschenmengen lehrte. Um die größtmögliche "Reichweite" zu erzielen, sprach er oft von einem Berg oder von einem Boot aus zu den Menschenmengen. Um das "Engagement" einiger seiner Leute zu fördern, wählte er zwölf aus, denen er alles erklärte. Aber dann, auf dem Höhepunkt seines "Erfolges", zog er sich unerwartet in die Einsamkeit zum Vater zurück. Und er forderte seine Jünger auf, dasselbe zu tun: Wenn sie über den Erfolg ihrer Missionen berichteten, lud er sie ein, sich zurückzuziehen, um auszuruhen und zu beten. Und als sie darüber diskutierten, wer von ihnen der Größte sei, kündigte er ihnen sein zukünftiges Leiden am Kreuz an. Sein Ziel - das sie erst später verstehen sollten - war nicht, seine Zuhörerschaft zu vergrößern, sondern die Liebe des Vaters zu offenbaren, damit die Menschen, alle Menschen, das Leben haben und es in Fülle haben können (vgl. Joh 10,10).

In der Nachfolge Jesu sollten wir es uns zur Priorität machen, dem persönlichen Gespräch mit dem Vater genügend Raum zu geben und im Einklang mit dem Heiligen Geist zu bleiben, der uns stets daran erinnert, dass am Kreuz alles anders wurde. Im Moment der größten Offenbarung der Herrlichkeit Gottes gab es keine "Likes" und fast keine "Followers"! Jeder menschliche Maßstab für "Erfolg" wird durch die Logik des Evangeliums relativiert.

80) Das ist unser Zeugnis: mit unseren Worten und unserem Leben für das einzustehen, was ein anderer getan hat. [51] In diesem Sinne, und nur in diesem Sinne, können wir Zeugen - ja sogar Missionare - von Christus und seinem Geist sein. Dazu gehört auch unser Umgang mit den sozialen Medien. Glaube bedeutet vor allem, Zeugnis von der Freude zu geben, die der Herr uns schenkt. Und diese Freude leuchtet immer hell vor dem Hintergrund einer dankbaren Erinnerung. Anderen vom Grund unserer Hoffnung zu erzählen und dies mit Sanftmut und Respekt zu tun (1Petr 3,15), ist ein Zeichen der Dankbarkeit. Es ist die Antwort eines Menschen, der durch die Dankbarkeit für den Geist fügsam und damit frei geworden ist. Das gilt für Maria, die, ohne es zu wollen oder zu versuchen, die einflussreichste Frau der Geschichte wurde [52]. Es ist die Antwort dessen, der sich durch die Gnade der Demut nicht in den Vordergrund stellt und so die Begegnung mit Christus erleichtert, der gesagt hat: "Lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig" (Mt 11,29).

Der Logik des Evangeliums folgend, müssen wir nur eine Frage stellen, um die Suche zu wecken. Der Rest ist das verborgene Werk Gottes.

***

81) Wie wir gesehen haben, befahren wir die „digitalen Autobahnen“ mit Freunden und völlig Fremden und bemühen uns, viele Fallstricke auf dem Weg zu vermeiden, und wir werden auf die Verletzten am Straßenrand aufmerksam. Manchmal sind diese Verletzten andere Menschen. Manchmal sind wir selbst die Verwundeten. Wenn dies geschieht, halten wir inne, und durch das Leben, das wir in den Sakramenten empfangen haben und das in uns wirkt, wird dieses Bewusstsein zu einer Begegnung: Aus Figuren oder Bildern auf einem Bildschirm nimmt der Verwundete die Konturen eines Nachbarn, eines Bruders oder einer Schwester an, ja, des Herrn, der gesagt hat: "Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan" (Mt 25,40). Und wenn wir manchmal auch die Verwundeten sind, so trägt der Samariter, der sich über uns beugt, auch das Antlitz des Herrn, der unser Nächster geworden ist und sich über die leidende Menschheit beugt, um unsere Wunden zu versorgen.

In jedem Fall wird das, was vielleicht als zufällige Begegnung oder abgelenkte Präsenz auf Social-Media-Plattformen begann, zu einer Begegnung voller Barmherzigkeit. Diese Barmherzigkeit lässt uns schon jetzt einen Vorgeschmack auf das Reich Gottes und die Gemeinschaft erhalten, die ihren Ursprung in der Heiligen Dreifaltigkeit hat: das wahre "gelobte Land".

82) Es könnte also sein, dass sich durch unsere liebevolle, echte Präsenz in diesen digitalen Bereichen des menschlichen Lebens ein Weg zu dem öffnet, was der heilige Johannes und der heilige Paulus in ihren Briefen ersehnt haben: die persönliche Begegnung jedes verwundeten Menschen mit dem Leib des Herrn, der Kirche, damit in einer persönlichen Begegnung von Herz zu Herz ihre und unsere Wunden geheilt werden und "unsere Freude vollkommen wird" (2Joh 12).

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Möge das Bild des barmherzigen Samariters, der die Wunden des Verletzten pflegte, indem er Öl und Wein darüber goss, unsere Inspiration sein. Möge unsere Kommunikation ein Balsam sein, der den Schmerz lindert, und ein guter Wein, der die Herzen erfreut. Möge das Licht, das wir den anderen bringen, nicht das Ergebnis von Kosmetik oder Spezialeffekten sein, sondern vielmehr das Ergebnis unserer liebevollen und barmherzigen "Nächstenliebe" gegenüber den Verwundeten, die am Straßenrand liegen.[53]

Vatikanstadt, 28. Mai 2023, am Pfingstfest.

Paolo Ruffini
Präfekt

Lucio A. Ruiz
Sekretär

 


[1]"Christus vivit": Nachsynodales Apostolisches Schreiben an die jungen Menschen und an das ganze Volk Gottes, Rom (19-24 März 2018), Nr 4.

[2]Botschaft von Papst Benedikt XVI. Zum 43. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel „Neue Technologien, neue Beziehungen. Förderung einer Kultur des Respekts, des Dialogs und der Freundschaft" (24. Mai 2009). Aetatis Novae bezieht sich bereits 1992 auf die digitale Technologie, und die Begleitdokumente Ethik im Internet und Kirche im Internet aus dem Jahr 2002 befassen sich ausführlicher mit den kulturellen Auswirkungen des Internets. Schließlich bietet das Apostolische Schreiben Die schnelle Entwicklung von Johannes Paul II. aus dem Jahr 2005, das sich an die für die Kommunikation Verantwortlichen richtet, Überlegungen zu den Fragen, die die soziale Kommunikation aufwirft. Neben den Dokumenten, die sich speziell mit der sozialen Kommunikation befassen, haben in den letzten Jahrzehnten auch andere lehramtliche Dokumente diesem Thema Abschnitte gewidmet. Siehe zum Beispiel Verbum Domini, 113; Evangelii Gaudium, 62, 70, 87; Laudato si', 47, 102-114; Gaudete et Exsultate, 115; Christus Vivit, 86-90, 104-106; Fratelli tutti, 42-50).

[3] Botschaft von Papst Benedikt XVI. zum 47. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel“ (12. Mai 2013)

[4]Botschaft von Papst Franziskus zum 53. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel, “„Denn wir sind als Glieder miteinander verbunden“ (Eph 4,25). Von den Social Network Communities zur menschlichen Gemeinschaft” (24 Januar 2019).

[5] Der Vatikan startete seinen ersten YouTube-Kanal im Jahr 2008. Seit 2012 ist der Heilige Vater auch auf Twitter und seit 2016 auf Instagram aktiv. Parallel dazu ist die digital vermittelte Präsenz des Papstes zu einer der Methoden seines pastoralen Engagements geworden, beginnend mit Videobotschaften Mitte der 2000er Jahre, gefolgt von Live-Videokonferenzen wie dem Treffen mit den Astronauten der Internationalen Raumstation 2017. Die Videobotschaft des Papstes 2017 beim Super Bowl in den Vereinigten Staaten und seine TED-Talks 2017 und 2020 sind nur zwei Beispiele für die digital vermittelte pastorale Präsenz des Papstes.

[6] Die Live-Übertragung der Statio Orbis vom 27. März 2020 wurde auf dem YouTube-Kanal von Vatican News von rund 6 Millionen und auf Facebook von 10 Millionen Zuschauern verfolgt. In diesen Zahlen sind spätere Aufrufe der Aufzeichnung des Ereignisses oder Aufrufe über andere Medienkanäle nicht enthalten. In der Nacht des Ereignisses kamen 200.000 neue Follower zu @Franciscus auf Instagram hinzu, und die Beiträge über den 27. März 2020 gehören nach wie vor zu den am stärksten frequentierten Inhalten in der Geschichte des Kontos.

[7] Unter den vielen Bildern des Evangeliums, die als Inspiration für diesen Text hätten gewählt werden können, wurde das Gleichnis vom barmherzigen Samariter ausgewählt, das für Papst Franziskus "ein Gleichnis über Kommunikation" ist. Vgl. BOTSCHAFT VON PAPST FRANZISKUS ZUM 48. WELTTAG DER SOZIALEN KOMMUNIKATIONSMITTEL  Kommunikation im Dienst einer authentischen Kultur der Begegnung (Sonntag, 1. Juni 2014)

[8] Zum Beispiel: Wer legt die Quellen fest, aus denen KI-Systeme lernen? Wer finanziert diese neuen Meinungsmacher? Wie können wir sicherstellen, dass diejenigen, die die Algorithmen entwerfen, sich von ethischen Grundsätzen leiten lassen und dazu beitragen, weltweit ein neues Bewusstsein und kritisches Denken zu verbreiten, um den Schaden auf den neuen Informationsplattformen zu minimieren? Die neue Medienkompetenz sollte Kompetenzen umfassen, die es den Menschen nicht nur ermöglichen, sich kritisch und effektiv mit Informationen auseinanderzusetzen, sondern auch den Einsatz von Technologien zu erkennen, die die Kluft zwischen Mensch und Nicht-Mensch zunehmend verringern.

[9] Vgl. Fratelli tutti 30; Evangelii Gaudium 220; siehe auch "Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen. Für ein friedliches Zusammenleben in der Welt. (4 Februar 2019): “Wir rufen die (…) Medienleute (…) in der ganzen Welt auf, die Werte des Friedens, der Gerechtigkeit, des Guten, der Schönheit, der menschlichen Brüderlichkeit und des gemeinsamen Zusammenlebens wiederzuentdecken, um die Bedeutung dieser Werte als Rettungsanker für alle deutlich zu machen und sie möglichst überall zu verbreiten.”.

[10] “Einige Menschen ziehen es vor, nicht zu suchen, sich nicht zu informieren, und leben ihren Wohlstand und ihre Bequemlichkeit in Taubheit gegenüber dem schmerzvollen Aufschrei der leidenden Menschheit. Fast ohne es zu bemerken, sind wir unfähig geworden, Mitleid mit den anderen, mit ihrem Unglück zu empfinden. Wir haben kein Interesse daran, uns um sie zu kümmern, als sei das, was ihnen geschieht, eine uns fern liegende Verantwortung, die uns nichts angeht”. Botschaft des Heiligen Vaters Papst Franziskus zur Feier des Weltfriedenstages, “Überwinde die Gleichgültigkeit und erring den Frieden” (1 Januar 2016); Evangelii Gaudium, 54.

[11]Botschaft von Papst Franziskus zum 49. Weltfriedenstag, "Gleichgültigkeit überwinden und Frieden gewinnen" (1. Januar 2016).

[12] Vgl. Fratelli tutti, 67.

[13]Botschaft von Papst Franziskus zum 56. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel, “Mit dem Ohr des Herzens hören” (24 Januar 2022).

[14]Fratelli tutti, 63.

[15] “Die Stille ist kostbar, um das nötige Unterscheidungsvermögen zu fördern im Hinblick auf die vielen Umweltreize und die vielen Antworten, die wir erhalten, gerade um die wirklich wichtigen Fragen zu erkennen und klar zu formulieren.”. Botschaft des Heiligen Vaters Papst Benedikt XVI. Zum 46. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel  „Stille und Wort: Weg Der Evangelisierung“ (Sonntag 20. Mai 2012).

[16]Botschaft von Papst Franziskus zum 48. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel, “Kommunikation im Dienst einer authentischen Kultur der Begegnung” (01 Juni 2014

[17]Botschaft von Papst Franziskus zum 56. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel, “Mit dem Ohr des Herzens hören” (24 Januar 2022). Evangelii Gaudium, 171.

[18] “Deshalb ist das erste Hören, das neu zu entdecken ist, wenn man eine echte Kommunikation sucht, das Hören auf sich selbst, auf die eigenen wahren Bedürfnisse, jene, die in das Innere jedes Menschen eingeschrieben sind. Und dabei kann man selbstverständlich nur ausgehen von dem Hören auf das, was uns innerhalb der Schöpfung einzigartig macht: die Sehnsucht, mit den anderen und mit dem göttlichen Anderen in Beziehung zu stehen. Wir sind nicht dazu geschaffen, als Einzelatome zu leben, sondern um miteinander zu leben”. Botschaft von Papst Franziskus zum 56. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel, “Mit dem Ohr des Herzens hören” (24 Januar 2022).

[19]Verbum Domini, 86-87.

[20]Laudato si, 47.

[21]Vgl. Laudato si, 66.

[22]Communio et Progressio, 12.

[23]Botschaft von Papst Franziskus zum 53. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel, “Denn wir sind als Glieder miteinander verbunden“ (Eph 4,25).Von den Social Network Communities zur menschlichen Gemeinschaft” (24 Januar 2019).

[24]Botschaft von Papst Franziskus zum 48. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel, “Kommunikation im Dienst einer authentischen Kultur der Begegnung” (01 Juni 2014).

[25] Vgl. Fratelli tutti, 49.

[26]Fratelli tutti, 69.

[27] Vgl. Botschaft von Papst Franziskus zum 48. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel, “Kommunikation im Dienst einer authentischen Kultur der Begegnung” (01 Juni 2014).

[28]Fratelli tutti, 77.

[29] Papst Franziskus, Angelus, 10. Juli 2016.

[30]Vgl. Gaudete et Exsultate, 115.

[31] Zur Frage der Polarisierung und ihrer Beziehung zur Konsensbildung siehe insbesondere Fratelli tutti, 206-214.

[32] Vgl. Ansprache von Papst Franziskus aus Anlass des Wirtschaftsforums "Economy of francesco", 24. September 2022.

[33] “Und am folgenden Morgen zog er zwei Denare heraus und gab sie dem Wirt und sprach: Trage Sorge für ihn! Und was du noch dazu verwenden wirst, werde ich dir bezahlen, wenn ich zurückkomme.’” (Lk 10,35).

[34] Eine in den USA vom Barna Research Centre im Jahr 2020 durchgeführte Umfrage ergab, dass zwar die Hälfte der üblichen "Kirchgänger" angab, in den letzten sechs Monaten weder persönlich noch digital an einem Gottesdienst teilgenommen zu haben, dass sie aber dennoch angab, im selben Zeitraum "einen Gottesdienst online gesehen" zu haben. Es ist also möglich, zuzugeben, einen Gottesdienst gesehen zu haben, ohne sich selbst als Gottesdienstbesucher zu definieren.

[35] In der virtuellen Realität scheint es für fast alles einen künstlichen Ersatz zu geben; wir können alle Arten von Informationen über die digitale Welt austauschen, aber das Teilen einer Mahlzeit scheint nicht einmal im Metaversum möglich zu sein.

[36] Vgl. Desiderio desideravi, 9, mit Verweis auf Leo den Großen, Sermo LXXIV: De ascensione Domini II, 1: "quod ... Redemptoris nostri conspicuum fuit, in sacramenta transivit."

[37]Botschaft von Papst Franziskus zum 53. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel, “Denn wir sind als Glieder miteinander verbunden“ (Eph 4,25). Von den Social Network Communities zur menschlichen Gemeinschaft” (24. Januar 2019). Es könnte hilfreich sein, andere Formen der spirituellen Praxis, wie das Stundengebet und die lectio divina, in Betracht zu ziehen, die sich vielleicht besser für den Online-Austausch eignen als die Heilige Messe.

[38] Vgl. Papst Franziskus, Ansprache von Papst Franziskus an die Mitarbeiter des Dikasteriums für die Kommunikation, 23. September 2019.

[39]Papst Franziskus hat bei vielen Gelegenheiten (Generalaudienz, Angelus, Predigten, Pressekonferenzen usw.) über den Stil Gottes als "Nähe, Mitgefühl und Zärtlichkeit" gesprochen.

[40]Communio et Progressio, 11.

[41] “Es genügt, richtig zu lieben, um gut zu sprechen” (Heiliger Franz von Sales). Vgl. Botschaft des Heiligen Vaters Papst Franziskus zum 57. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel, Mit dem Herzen sprechen „Von der Liebe geleitet, die Wahrheit bezeugen“ (Eph 4,15)

[42]Botschaft von Papst Franziskus zum 52. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel, “Die Wahrheit wird euch befreien« (Joh 8,32). Fake News und Journalismus für den Frieden” (24. Januar 2018).

[43] Vgl. Botschaft von Papst Franziskus zum 53. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel, “Denn wir sind als Glieder miteinander verbunden“ (Eph 4,25).Von den Social Network Communities zur menschlichen Gemeinschaft” (24. Januar 2019).

[44] Es ist jedoch wichtig, dass ein falsches Narrativ respektvoll und zügig korrigiert wird. “ Fake News müssen bekämpft werden, aber Menschen, die ihnen oft ohne volles Bewusstsein und ohne volle Verantwortung zustimmen, müssen immer respektiert werden.” Ansprache von Papst Franziskus an die Teilnehmer der Begegnung des Internationalen Konsortiums katholischer Medien, 28. Januar 2022.

[45]Botschaft von Papst Franziskus zum 50. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel “Kommunikation und Barmherzigkeit – eine fruchtbare Begegnung” (24. Januar 2016).

[46] Dies betrifft auch die Ausbildung der Priester. In der Ratio Fundamentalis Institutionis Sacerdotalis heißt es: "Die künftigen Priester können sich weder während ihrer Ausbildung noch in ihrem künftigen Dienst vom öffentlichen Raum der sozialen Medien ausschließen " (vgl. Nr. 97). Sie sollten sich auch der unvermeidlichen Risiken bewusst sein, die mit dem häufigen Aufenthalt in der digitalen Welt einhergehen, einschließlich verschiedener Formen der Sucht (vgl. Nr. 99). Zu diesem Aspekt siehe auch die Ansprache des Heiligen Vaters Papst Franziskus an die Seminaristen und Priester, die in Rom studieren, 24. Oktober 2022.

[47] Vgl. Botschaft von Papst Franziskus zum 53. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel, “Denn wir sind als Glieder miteinander verbunden“ (Eph 4,25).Von den Social Network Communities zur menschlichen Gemeinschaft” (24. Januar 2019).

[48] Es könnte daher sinnvoll sein, dass einzelne Initiativen in den sozialen Medien, insbesondere solche, die von Ordensleuten und Geistlichen ausgehen, einen Weg finden, die Gemeinschaft in der Kirche zu stärken. Als christliche Gemeinschaft könnte es auch hilfreich sein, die " Influencer" zu erreichen, die sich am Rande unseres kirchlichen Umfelds befinden.

[49] Synodal zu sein (von synodòs) bedeutet, den gleichen Weg zu gehen, gemeinsam zu gehen, gemeinsam voranzukommen.

[50] Dies wurde bereits von den alten Kirchenvätern beschrieben. Tertullian zum Beispiel sprach vom Martyrium als Attraktion. In seiner Apologie erklärt er, dass die Verfolgungen nicht nur ungerecht, sondern auch sinnlos sind: "Keine eurer Grausamkeiten, und sei sie noch so exquisit, wird euch nützen, sondern sie macht unsere Religion nur noch attraktiver. Je mehr wir von euch niedergemetzelt werden, desto mehr wachsen wir; das Blut der Christen ist der Same eines neuen Lebens. (...) Gerade die Hartnäckigkeit, gegen die ihr schimpft, ist eine Lehre. Denn wer, der sie betrachtet, wird nicht erregt, um zu fragen, was ihr zu Grunde liegt? Wer macht sich nach der Untersuchung nicht unsere Lehren zu eigen?“ Tertullian, Apologie, Nr. 50.

[51] Dieser Absatz ist teilweise inspiriert von der Botschaft von Papst Franziskus an die Päpstlichen Missionswerke,21. Mai 2020.

[52] Apostolische Reise nach Panama: Vigil mit den Jugendlichen(Campo San Juan Pablo II – Metro Park, 26. Januar 2019).

[53]Botschaft von Papst Franziskus zum 48. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel, “Kommunikation im Dienst einer authentischen Kultur der Begegnung” (24. Januar 2014).

 

 


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