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BENEDIKT XVI.

GENERALAUDIENZ

Petersplatz
Mittwoch, 8. Juni 2011

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Apostolische Reise nach Kroatien 

Liebe Brüder und Schwestern!

Heute möchte ich zu euch über den Pastoralbesuch in Kroatien sprechen, den ich am vergangenen Samstag und Sonntag durchgeführt habe. Es war eine kurze Apostolische Reise, die ganz in der Hauptstadt Zagreb stattfand und die dennoch reich an Begegnungen und vor allem an einem tiefen Geist des Glaubens war, denn die Kroaten sind ein zutiefst katholisches Volk. Ich bringe Kardinal Bozanić, dem Erzbischof von Zagreb, Erzbischof Srakić, dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz, den anderen Bischöfen von Kroatien sowie dem Präsidenten der Republik erneut meinen aufrichtigen Dank zum Ausdruck für den herzlichen Empfang, den sie mir bereitet haben. Meine Anerkennung gilt allen zivilen Obrigkeiten sowie jenen, die in verschiedener Weise zu diesem Ereignis beigetragen haben, insbesondere den Menschen, die für dieses Anliegen Gebete und Opfer dargebracht haben.

»Gemeinsam in Christus«: Das war das Motto meines Besuchs. Es drückt vor allem die Erfahrung aus, daß wir alle im Namen Christi vereint sind, die Erfahrung des Kirche-Seins, die durch die Versammlung des Gottesvolkes um den Nachfolger Petri zum Ausdruck gebracht wird. »Gemeinsam in Christus« hatte in diesem Fall jedoch einen besonderen Bezug zur Familie, denn der eigentliche Anlaß für meinen Besuch war der I. Nationale Familientag der kroatischen Katholiken, dessen Höhepunkt die Eucharistiefeier am Sonntag vormittag auf dem Gelände des Hippodroms von Zagreb war, an der eine große Schar von Gläubigen teilgenommen hat. Es war für mich sehr wichtig, vor allem die Familien, die das Zweite Vatikanische Konzil als »Hauskirchen« bezeichnet hat (vgl. Lumen gentium, 11), im Glauben zu stärken. Der sel. Johannes Paul II., der Kroatien dreimal besucht hat, hat die Rolle der Familie in der Kirche stark hervorgehoben, und so wollte ich mit dieser Reise diesem Aspekt seines Lehramts Kontinuität verleihen. Im heutigen Europa tragen die Nationen mit solider christlicher Tradition eine besondere Verantwortung zur Verteidigung und Förderung des Wertes der auf der Ehe gründenden Familie, die sowohl im erzieherischen als auch im gesellschaftlichen Bereich in jedem Fall entscheidend bleibt. Diese Botschaft war also von besonderer Bedeutung für Kroatien, das ein reiches geistliches, ethisches und kulturelles Erbe besitzt und das sich anschickt, in die Europäische Union einzutreten.

Die heilige Messe wurde in der besonderen geistlichen Atmosphäre der Pfingstnovene gefeiert. Die kroatischen Familien haben sich gleichsam wie in einem großen »Abendmahlssaal« unter freiem Himmel zum Gebet versammelt und gemeinsam um die Gabe des Heiligen Geistes gebetet. Das gab mir Gelegenheit, die Gabe und die Pflicht der Gemeinschaft in der Kirche hervorzuheben und die Eheleute in ihrer Sendung zu ermutigen. In unseren Tagen, in denen leider festzustellen ist, daß Trennungen und Scheidungen zunehmen, ist die Treue der Eheleute selbst ein bedeutsames Zeugnis für die Liebe Christi geworden, die es gestattet, die Ehe als das zu leben, was sie ist: die Verbindung von einem Mann und einer Frau, die mit der Gnade Christi das ganze Leben lang einander lieben und beistehen, in Freude und Leid, in guten wie in schlechten Tagen. Die erste Erziehung zum Glauben besteht im Zeugnis dieser Treue zum Ehebund: Daraus lernen die Kinder ohne Worte, daß Gott treue, geduldige, respektvolle und großherzige Liebe ist. Der Glaube an den Gott, der Liebe ist, wird vor allem durch das Zeugnis der Treue zur ehelichen Liebe weitergegeben, die ganz natürlich zur Liebe zu den Kindern wird, der Frucht dieser Verbindung. Aber diese Treue ist nicht möglich ohne die Gnade Gottes, ohne die Unterstützung des Glaubens und des Heiligen Geistes. Daher legt die Jungfrau Maria unablässig Fürsprache ein bei ihrem Sohn, auf daß er – wie bei der Hochzeit in Kana – den Eheleuten stets aufs neue die Gabe des »guten Weins« gewähren möge, also seiner Gnade, die es erlaubt, in den verschiedenen Altersstufen und Situationen des Daseins als »ein Fleisch« zu leben.

In diesen Zusammenhang der großen Aufmerksamkeit gegenüber der Familie fügte sich die Gebetsvigil mit den Jugendlichen, die am Samstag abend auf dem Bano-Josip-Jelačić-Platz, im Herzen der Stadt Zagreb, stattfand, sehr gut ein. Dort konnte ich der neuen kroatischen Generation begegnen, und ich habe die ganze Kraft ihres jungen Glaubens wahrgenommen, der beseelt ist von einem großen Drang zum Leben und seiner Bedeutung, zum Guten, zur Freiheit, also zu Gott. Es war schön und bewegend zu hören, wie diese Jugendlichen mit Freude und Begeisterung sangen und sich dann im Augenblick des Hörens und des Gebets in tiefem Schweigen sammelten! Ich habe ihnen erneut die Frage gestellt, die Jesus seinen ersten Jüngern stellte: »Was wollt ihr?« (Joh 1,38), habe ihnen aber gesagt, daß Gott sie sucht, noch bevor und noch mehr als sie ihn suchen. Das ist die Freude des Glaubens: zu entdecken, daß Gott uns zuerst liebt! Diese Entdeckung erhält uns stets als Jünger; daher hält sie uns stets im Geiste jung! Dieses Geheimnis wurde während der Vigil in der eucharistischen Anbetung gelebt: in der Stille hat unser »Gemeinsam-in-Christus«-Sein seine Erfüllung gefunden. So war meine Einladung, Jesus nachzufolgen, ein Widerhall des Wortes, das er selbst an das Herz der jungen Menschen richtete.

Ein weiterer Augenblick, in dem wir uns gleichsam »im Abendmahlssaal« befanden, war die Feier der Vesper in der Kathedrale mit den Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und den jungen Menschen, die in den Seminaren und Noviziaten ausgebildet werden. Auch hier haben wir unser »Familie«-Sein als kirchliche Gemeinschaft auf besondere Weise erfahren. In der Kathedrale von Zagreb befindet sich das monumentale Grab des seligen Bischofs und Märtyrers Kardinal Alojzije Stepinac. Im Namen Christi widerstand er zunächst mutig den Übergriffen des Nazismus und des Faschismus und dann jenen des kommunistischen Regimes. Er wurde inhaftiert und in seinen Geburtsort in die Verbannung geschickt. Von Papst Pius XII. zum Kardinal kreiert, starb er 1960 an einer Krankheit, die er sich im Gefängnis zugezogen hatte. Im Licht seines Zeugnisses habe ich die Bischöfe und Priester in ihrem Dienst ermutigt und sie zur Gemeinschaft und apostolischem Elan ermahnt; habe ich den geweihten Personen die Schönheit und die Radikalität ihrer Lebensform erneut vor Augen gehalten; habe ich die Seminaristen, die Novizen und die Novizinnen aufgefordert, Christus, der sie beim Namen gerufen hat, mit Freude nachzufolgen. Dieser Augenblick des Gebets, der durch die Anwesenheit vieler Brüder und Schwestern, die das Leben dem Herrn geweiht haben, bereichert wurde, war für mich ein großer Trost, und ich bete darum, daß die kroatischen Familien stets ein fruchtbarer Nährboden für das Entstehen zahlreicher und heiliger Berufungen in den Dienst am Reich Gottes sein mögen.

Sehr bedeutsam war auch die Begegnung mit Vertretern aus Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur, mit dem diplomatischen Korps und mit den Religionsführern, die im Kroatischen Nationaltheater in Zagreb versammelt waren. In diesem Zusammenhang hatte ich die Freude, der großen kulturellen Tradition Kroatiens die Ehre zu erweisen. Sie ist untrennbar von ihrer Geschichte des Glaubens und von der lebendigen Gegenwart der Kirche, die über Jahrhunderte hinweg zahlreiche Einrichtungen gefördert und vor allem namhafte Personen, die auf der Suche nach der Wahrheit und nach dem Gemeinwohl waren, ausgebildet hat. Unter diesen habe ich insbesondere den Jesuiten P. Ruđer Bošković in Erinnerung gerufen, einen großen Wissenschaftler, dessen 300. Geburtstag wir in diesem Jahr begehen. Noch einmal wurde uns allen die tiefe Berufung Europas deutlich vor Augen gestellt: einen Humanismus zu wahren und zu erneuern, der christliche Wurzeln hat und den man als »katholisch«, also als universal und ganzheitlich bezeichnen kann – einen Humanismus, der das Gewissen des Menschen in den Mittelpunkt stellt, seine Öffnung zur Transzendenz und gleichzeitig seine geschichtliche Wirklichkeit, die unterschiedliche politische Pläne eingeben kann, welche jedoch auf den Aufbau einer substantiellen Demokratie hinauslaufen, die auf den ethischen Werten gründet, die in der menschlichen Natur selbst verwurzelt sind. Europa vom Standpunkt einer Nation mit altehrwürdiger und solider christlicher Tradition her zu betrachten, die ein fester Bestandteil der europäischen Zivilisation ist, während sie sich anschickt, in die politische Union einzutreten, hat die Dringlichkeit der Herausforderung, vor der die Völker dieses Kontinents heute stehen, noch einmal spüren lassen: keine Angst zu haben vor Gott, vor dem Gott Jesu Christi, der Liebe und Wahrheit ist und der die Freiheit nicht beschneidet, sondern sie wieder sie selbst sein läßt und ihr den Horizont einer verläßlichen Hoffnung verleiht.

Liebe Freunde, jedes Mal, wenn der Nachfolger Petri eine Apostolische Reise durchführt, dann hat der ganze Leib der Kirche gewissermaßen an der Dynamik der Gemeinschaft und der Sendung teil, die seinem Dienst zu eigen ist. Ich danke allen, die mich durch das Gebet begleitet und gestützt und dadurch erreicht haben, daß mein Pastoralbesuch aufs beste ausgeführt wurde. Nun wollen wir dem Herrn für dieses große Geschenk danken und ihn durch die Fürsprache der Jungfrau Maria, Königin der Kroaten, bitten, daß das, was ich säen durfte, reiche Frucht bringen möge – für die kroatischen Familien, für die gesamte Nation und für ganz Europa.

* * *

Mit Freude grüße ich die deutschsprachigen Pilger und Besucher. Mein ganz besonderer Dank gilt all jenen, die diese Reise nach Kroatien im Gebet begleitet haben, damit der ausgestreute Same vielfältige Frucht bringt. Euch allen wünsche ich einen gesegneten Aufenthalt in Rom und gesegnete Pfingsten.

 

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