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APOSTOLISCHE REISE
IN DIE VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA
UND BESUCH BEI DER ORGANISATION DER VEREINTEN NATIONEN

BEGEGNUNG MIT JUGENDLICHEN UND SEMINARISTEN

ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.

Seminar "Saint Joseph", Yonkers, New York
Samstag, 19. April 2008

 

Eminenz,
liebe Mitbrüder im bischöflichen Dienst,
liebe junge Freunde!

Verkündet Christus, den Herrn, und »seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt« (1 Petr 3,15). Mit diesen Worten aus dem ersten Brief des Apostels Petrus begrüße ich jeden von euch mit herzlicher Zuneigung. Ich danke Kardinal Egan für seine freundlichen Willkommensworte, und ich danke auch den unter euch ausgewählten Vertretern, für den freudigen Empfang, den sie mir bereitet haben. Bischof Walsh, dem Rektor des »Saint Joseph Seminary«, den Mitarbeitern und den Seminaristen, entbiete ich meine besonderen Grüße und spreche ihnen meine Dankbarkeit aus.

Junge Freunde, ich bin sehr froh, daß ich die Gelegenheit habe, mit euch zu sprechen. Bitte richtet euren Familienmitgliedern und euren Verwandten sowie den Lehrern und dem Personal der verschiedenen Schulen, Colleges und Universitäten, zu denen ihr gehört, meine herzlichen Grüße aus. Ich weiß, daß viele Menschen intensiv gearbeitet haben, um unsere Begegnung zu ermöglichen. Ihnen bin ich äußerst dankbar. Außerdem möchte ich euch für euer Lied zu meinem Geburtstag danken! Danke für diese bewegende Geste; ich gebe Euch allen eine »Eins plus« für eure deutsche Aussprache! Heute abend möchte ich mit euch einige Gedanken über das teilen, was es bedeutet, Jünger Christi zu sein – wenn wir den Spuren des Herrn folgen, wird unser Leben zu einer Reise der Hoffnung.

Ihr habt vor euch die Bilder von sechs Männern und Frauen, die zu einem außergewöhnlichen Leben herangewachsen sind. Die Kirche betrachtet sie als Diener Gottes, als Selige oder als Heilige: jeder von ihnen hat auf den Ruf des Herrn zu einem Leben der Liebe seine Antwort gegeben, und jeder von ihnen hat Ihm hier, in den Gassen, den Straßen und den Vororten von New York gedient. Mich beeindruckt, wie unterschiedlich die Mitglieder dieser Gruppe sind: Arme und Reiche, Männer und Frauen im Laienstand – eine von ihnen eine wohlhabende Ehefrau und Mutter – Priester und Ordensfrauen, Immigranten, die von weit her kamen, die Tochter eines Mohawk-Kriegers und eine Mutter aus dem Stamm der Algonkin, ein Sklave aus Haiti und ein kubanischer Intellektueller.

Die hl. Elizabeth Anna Seton, die hl. Franziska Xaveria Cabrini, der hl. Johannes Neumann, die sel. Kateri Tekakwitha, die Diener Gottes Pierre Toussaint und Felix Varela: jeder von uns könnte zu ihnen gehören, denn für diese Gruppe gibt es kein Stereotyp, kein uniformes Raster. Doch ein genauerer Blick offenbart, daß da Gemeinsamkeiten zwischen ihnen bestehen. Entflammt von der Liebe zu Jesus sind ihre Leben zu außerordentlichen Wegen der Hoffnung geworden. Für einige bedeutete das, ihre Heimat zu verlassen und sich auf eine Pilgerreise von Tausenden von Kilometern zu begeben. Für jeden von ihnen hieß dies, sich ganz Gott zu überlassen, im Vertrauen darauf, daß er das letzte Ziel jedes Pilgers ist. Sie alle haben jenen, denen sie auf ihrem Weg begegneten, eine »ausgestreckte Hand« der Hoffnung angeboten und haben sie somit oft zu einem Leben des Glaubens geführt. Diese sechs Menschen haben durch Waisenhäuser, Schulen und Krankenhäuser, durch ihre Freundschaft zu den Armen, den Kranken und Ausgegrenzten sowie durch das überwältigende Zeugnis, das durch die demütige Nachfolge Jesu abgelegt wird, zahllosen Menschen, möglicherweise sogar euren eigenen Vorfahren, den Weg des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe aufgezeigt.

Und heute? Wer trägt heute das Zeugnis der Frohen Botschaft Jesu in die Straßen New Yorks, in die unruhigen Viertel am Rand der großen Stadt, an die Orte, an denen Jugendliche sich auf der Suche nach jemandem zusammenfinden, dem sie vertrauen können? Gott ist unser Ursprung und unser Ziel, und Jesus ist der Weg. Die Strecke dieses Weges windet sich – genau wie bei den Heiligen – durch die Freuden und Prüfungen des gewöhnlichen, alltäglichen Lebens: innerhalb eurer Familien, in der Schule oder im College, während eurer Freizeitaktivitäten und in euren Pfarrgemeinden. All diese Orte sind durch die Kultur geprägt, in der ihr aufwachst. Als junge Amerikaner werden euch viele Möglichkeiten für eure persönliche Entwicklung geboten, und ihr wurdet mit einem Gespür für Großherzigkeit, Hilfsbereitschaft und »Fairneß« erzogen. Aber ich brauche euch nicht zu sagen, daß es auch Probleme gibt: Handlungen und Denkweisen, welche die Hoffnung ersticken, sowie Wege, die zu Glück und Erfüllung zu führen scheinen, in Wirklichkeit jedoch nur in Verwirrung und Angst enden.

Meine Jahre als »Teenager« sind von einem unheilvollen Regime zerstört worden, das dachte, alle Antworten zu besitzen; sein Einfluß wuchs – er drang in die Schulen und in die zivilen Einrichtungen wie auch in die Politik und sogar in die Religion ein –, bevor man richtig erkannt hatte, um welches Ungeheuer es sich handelte. Es ächtete Gott und war auf diese Weise gegenüber allem Guten und Wahren verschlossen. Viele eurer Eltern und Großeltern werden über den Schrecken der Verwüstung berichtet haben, die sich daraus ergeben hatte. In der Tat sind einige von ihnen gerade deswegen nach Amerika gekommen, um diesem Entsetzen zu entkommen.

Wir wollen Gott dafür danken, daß sich heute viele aus eurer Generation der Freiheiten erfreuen können, die aus der Verbreitung der Demokratie und der Achtung der Menschenrechte hervorgegangen sind. Wir wollen Gott für all jene danken, die dafür kämpfen, daß ihr in einem Umfeld aufwachsen könnt, in dem das Schöne, Gute und Wahre gefördert wird: eure Eltern und Großeltern, eure Lehrer und Priester, die Verantwortlichen der Gesellschaft, die nach dem suchen, was richtig und gerecht ist.

Die zerstörerische Macht jedoch besteht weiterhin. Etwas anderes zu behaupten hieße, sich selbst etwas vorzumachen. Sie wird jedoch nie triumphieren; sie ist besiegt worden. Das ist das Wesen der Hoffnung, die uns als Christen auszeichnet; die Kirche ruft diese Tatsache auf besonders dramatische Weise während des österlichen Triduums in Erinnerung und feiert sie mit großer Freude in der Osterzeit! Er, der uns den Weg über den Tod hinausweist, ist es, der uns zeigt, wie wir Vernichtung und Angst überwinden können: Jesus ist also der wahre Lehrer des Lebens (vgl. Spe salvi, 6). Sein Tod und seine Auferstehung bedeuten, daß wir zum himmlischen Vater sagen können: »Du hast die Welt erneuert« (Karfreitag, Gebet nach der Kommunion). Und so haben wir vor erst wenigen Wochen während der wunderschönen Liturgie der Osternacht Gott nicht aus Verzweiflung oder Angst um unsere Welt angerufen, sondern in hoffnungsvollem Vertrauen: Vertreib das Dunkel aus unserem Herzen! Vertreib das Dunkel aus unserem Geist! (vgl. Gebet beim Entzünden der Osterkerze).

Was können diese Dunkelheiten sein? Was geschieht, wenn Menschen, vor allem die Schutzlosesten, auf die geballte Faust der Unterdrückung und der Manipulation stoßen, statt auf die ausgestreckte Hand der Hoffnung? Die ersten Beispiele gehören in den Bereich des Herzens. Die Träume und Sehnsüchte junger Menschen können hier so leicht zerschlagen und zerstört werden. Ich denke an diejenigen, die vom Drogenmißbrauch betroffen sind, von Obdachlosigkeit und Armut, von Rassismus, Gewalt und Erniedrigung – vor allem Mädchen und Frauen. Die Gründe für diese Probleme sind vielschichtig, doch ihnen allen ist eine vergiftete geistige Einstellung gemeinsam, die dazu führt, daß Menschen als reine Objekte behandelt werden – es setzt sich eine Herzenskälte durch, welche die gottgegebene Würde jedes Menschen zunächst nicht beachtet und schließlich verhöhnt. Solche Tragödien zeigen auch, was hätte sein können und was sein könnte, wenn ihnen andere Hände – eure Hände – gereicht würden. Ich ermutige euch dazu, andere, vor allem die Verletzlichen und die Arglosen, dazu einzuladen, sich euch auf dem Weg der Güte und der Hoffnung anzuschließen.

Der zweite Bereich der Finsternis – jene, die den Verstand betrifft – wird häufig nicht bemerkt und ist aus diesem Grund besonders verhängnisvoll. Die Manipulation der Wahrheit verfälscht unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit und trübt unsere Vorstellungskraft und unsere Bestrebungen. Ich habe schon die zahlreichen Freiheiten erwähnt, derer ihr euch glücklicherweise erfreuen dürft. Die grundlegende Bedeutung der Freiheit muß mit Entschiedenheit bewahrt werden. Es ist daher nicht überraschend, daß viele Einzelpersonen und Gruppen in der Öffentlichkeit lautstark ihre Freiheit einfordern. Doch die Freiheit ist ein delikater Wert. Sie kann falsch verstanden oder schlecht gebraucht werden und auf diese Weise nicht zu dem Glück führen, das wir alle von ihr erwarten, sondern auf einen dunklen Schauplatz der Manipulation, auf dem das Verständnis, das wir von uns selbst und von der Welt haben, durch diejenigen, die einen verborgenen Plan verfolgen, verwirrt oder sogar entstellt wird.

Habt ihr bemerkt, wie oft Freiheit eingefordert wird, ohne daß dabei jemals auf die Wahrheit der menschlichen Person Bezug genommen wird? Einige behaupten heutzutage, daß die Achtung der Freiheit des Individuums die Suche nach der Wahrheit – selbst der Wahrheit des Guten – ungerecht werden läßt. In einigen Kreisen wird es sogar als Quelle von Streitigkeiten und Zerwürfnissen angesehen, von der Wahrheit zu sprechen, was folglich am besten der Privatsphäre vorzubehalten ist. Und an der Stelle der Wahrheit – oder besser gesagt an der Stelle ihres Fehlens – hat sich eine Vorstellung ausgebreitet, die unterschiedslos allem einen Wert beimißt und behauptet, auf diese Weise die Freiheit zu sichern und das Bewußtsein zu befreien. Das ist es, was wir als Relativismus bezeichnen. Doch welches Ziel hat eine »Freiheit«, die unter Mißachtung der Wahrheit das verfolgt, was falsch und unrichtig ist? Wie vielen jungen Menschen ist eine Hand gereicht worden, die sie im Namen der Freiheit oder der Erfahrung zu Drogenabhängigkeit, zu moralischer oder intellektueller Verwirrung, zur Gewalt, zum Verlust der Selbstachtung, ja zur Verzweiflung und auf tragische Weise gar zum Selbstmord geführt hat? Liebe Freunde, die Wahrheit ist kein auferlegter Zwang. Noch ist sie einfach eine Ansammlung von Regeln. Sie ist die Entdeckung des Einen, der uns niemals verrät; des Einen, dem wir immer vertrauen können. Wenn wir die Wahrheit suchen, gelangen wir zum Leben aus dem Glauben, denn die Wahrheit ist letztlich eine Person: Jesus Christus. Das ist der Grund, warum wahre Freiheit nicht in der Entscheidung besteht, sich »einer Sache zu entledigen«. Sie ist die Entscheidung, sich »für etwas einzusetzen «; das bedeutet nichts weniger, als aus sich selbst herauszugehen und es zuzulassen, in Christi Dasein »für die anderen« hineingenommen zu werden (vgl. Spe salvi, 28).

Wie können wir also als Gläubige anderen helfen, dem Weg der Freiheit zu folgen, der zu voller Erfüllung und dauerhaftem Glück führt? Wir wollen uns erneut den Heiligen zuwenden. Wie hat ihr Zeugnis andere Menschen wahrhaft von den Dunkelheiten des Herzens und des Geistes befreit? Die Antwort ist im Wesen ihres Glaubens – unseres Glaubens – zu finden. Die Menschwerdung, die Geburt Jesu, sagt uns, daß Gott in der Tat einen Platz unter uns sucht. Die Herberge ist voll, aber dennoch tritt er ein durch den Stall, und es gibt Menschen, die sein Licht sehen. Sie erkennen die dunkle, verschlossene Welt des Herodes als das, was sie ist, und folgen statt dessen dem Strahlen des Sterns, der sie am Nachthimmel führt. Und was strahlt aus ihm hervor? Hier könnt ihr euch das Gebet in Erinnerung rufen, das in der hochheiligen Osternacht gesprochen wird: »Allmächtiger, ewiger Gott, du hast durch Christus allen, die an dich glauben, das Licht deiner Herrlichkeit geschenkt […] entflamme in uns die Sehnsucht nach dir« (vgl. Segnung des Osterfeuers). Und so haben wir einander in einer feierlichen Prozession mit unseren brennenden Kerzen das Licht Christi weitergegeben. Der Glanz dieser heiligen Nacht »nimmt den Frevel hinweg, reinigt von Schuld, gibt den Sündern die Unschuld, den Trauernden Freude. Weit vertreibt sie den Haß, sie einigt die Herzen und beugt die Gewalten« (Exsultet). Es ist das Licht Christi, das am Wirken ist. Es ist der Weg der Heiligen. Es ist die wunderbare Vision der Hoffnung – das Licht Christi lädt euch ein, Leitsterne für die anderen zu sein und Christi Weg der Vergebung, der Versöhnung, der Demut, der Freude und des Friedens zu folgen.

Manchmal aber sind wir versucht, uns in uns selber zu verschließen, an der Kraft des Glanzes Christi zu zweifeln und den Horizont der Hoffnung einzuengen. Faßt Mut! Richtet euren Blick fest auf unsere Heiligen. Ihre unterschiedlichen Erfahrungen von Gottes Gegenwart veranlassen uns dazu, die Weite und Tiefe des Christentums neu zu entdecken. Laßt zu, daß sich eure Phantasie frei in die grenzenlose Weite der Horizonte der christlichen Jüngerschaft erhebt. Manchmal werden wir als Menschen angesehen, die nur von Verboten sprechen. Nichts könnte der Wahrheit ferner stehen! Echte christliche Jüngerschaft zeichnet sich durch einen Sinn für das Staunen aus. Wir stehen vor dem Gott, den wir als Freund kennen und lieben, vor der Weite seiner Schöpfung und der Schönheit unseres christlichen Glaubens.

Liebe Freunde, das Vorbild der Heiligen fordert uns sodann auf, vier wesentliche Aspekte des Schatzes unseres Glaubens zu betrachten: persönliches und stilles Gebet, liturgisches Gebet, tätige Nächstenliebe und Berufungen.

Das Wichtigste ist, daß ihr eine persönliche Beziehung zu Gott entwickelt. Diese Beziehung drückt sich im Gebet aus. Es liegt in Gottes eigenstem Wesen, daß er spricht, hört und antwortet. Tatsächlich ruft uns der hl. Paulus in Erinnerung: wir können und sollten »ohne Unterlaß« beten (1 Thess 5,17). Weit davon entfernt, uns in uns selbst zurückzuziehen oder uns den Höhen und Tiefen des Lebens zu entziehen, wenden wir uns durch das Gebet Gott und durch ihn einander zu, einschließlich den Ausgegrenzten und denen, die anderen Wegen als dem Weg Gottes folgen (vgl. Spe salvi, 33). Wie die Heiligen uns auf so lebendige Weise lehren, wird das Gebet so zu praktizierter Hoffnung. Christus war ihr ständiger Gefährte, mit dem sie auf jedem Schritt ihres Weges im Dienst an den anderen gesprochen haben.

Es gibt einen weiteren Aspekt des Gebets, den wir uns in Erinnerung rufen müssen: die Betrachtung in der Stille. Der hl. Johannes zum Beispiel sagt uns, daß wir, um die Offenbarung Gottes zu erfassen, erst hören und dann antworten müssen, indem wir das verkünden, was wir gehört und gesehen haben (vgl. 1 Joh 1,2-3; Konzilskonstitution Dei Verbum, 1). Haben wir vielleicht etwas von der Kunst des Hörens verlernt? Laßt ihr noch etwas Raum, um auf die Stimme Gottes zu hören, die euch aufruft, zur Güte zu gelangen? Freunde, fürchtet euch nicht vor der Stille oder der Ruhe, hört auf Gott, betet ihn in der Eucharistie an. Laßt zu, daß sein Wort euren Weg als ein Fortschreiten in der Heiligkeit formt.

In der Liturgie finden wir die ganze Kirche im Gebet. Das Wort »Liturgie« bedeutet die Teilnahme des Volkes Gottes am »Werk Christi, des Priesters, und seines Leibes, der die Kirche ist« (Sacrosanctum Concilium, 7). Worin besteht dieses Werk? Zuallererst bezieht es sich auf das Leiden Christi, seinen Tod und seine Auferstehung sowie seine Himmelfahrt – was wir als »österliches Geheimnis« bezeichnen. Es bezieht sich auch auf die Feier der Liturgie selbst. Die beiden Bedeutungen sind in der Tat untrennbar miteinander verbunden, weil dieses »Werk Jesu« der wahre Inhalt der Liturgie ist. Durch die Liturgie wird das »Werk Jesu« ständig in Berührung mit der Geschichte gebracht; mit unserem Leben, das geformt werden soll. Hier bekommen wir eine weitere Vorstellung von der Größe unseres christlichen Glaubens. Immer wenn ihr euch zur heiligen Messe versammelt, wenn ihr zur Beichte geht, immer wenn ihr eines der Sakramente feiert, ist Jesus am Wirken. Durch den Heiligen Geist zieht er euch zu sich, er nimmt euch hinein in seine Opferliebe zum Vater, die zur Liebe für alle wird. Wir sehen so, daß die Liturgie der Kirche ein Dienst der Hoffnung für die Menschheit ist. Eure gläubige Teilnahme ist aktive Hoffnung, die hilft, daß wir die Welt – Heilige und Sünder gleichermaßen – für Gott offen halten; das ist die wahre menschliche Hoffnung, die wir jedem anbieten (vgl. Spe salvi, 34).

Euer persönliches Gebet, eure Zeiten stiller Betrachtung und eure Teilnahme an der Liturgie der Kirche bringen euch näher zu Gott und bereiten euch auch darauf vor, den anderen zu dienen. Die Heiligen, die uns heute abend begleiten, zeigen uns, daß das Leben des Glaubens und der Hoffnung auch ein Leben der Liebe ist. Indem wir Jesus am Kreuz betrachten, sehen wir die Liebe in ihrer radikalsten Form. Wir können beginnen, uns den Weg der Liebe vorzustellen, auf dem wir gehen sollen (vgl. Deus caritas est, 12). Die Gelegenheiten, diesem Weg zu folgen, sind reichlich vorhanden. Blickt um euch mit den Augen Christi, hört mit seinen Ohren, fühlt und denkt mit seinem Herzen und mit seinem Geist. Seid ihr bereit, alles für die Wahrheit und die Gerechtigkeit zu geben, wie er es tat? Viele Formen des Leidens, auf die unsere Heiligen mit Mitgefühl reagiert haben, sind immer noch hier in dieser Stadt und in der Umgebung zu finden. Und neue Formen der Ungerechtigkeit sind entstanden: einige sind komplex und haben ihre Ursache in der Ausnutzung des Herzens und in der Manipulation des Geistes; auch unser gemeinsamer Lebensraum, die Erde, ächzt unter der Last konsumistischer Habgier und unverantwortlicher Ausbeutung. Wir müssen genau hinhören. Wir müssen mit einem erneuerten sozialen Handeln antworten, das der universalen Liebe entspringt, die keine Grenzen kennt. Auf diese Weise sind wir sicher, daß unsere Werke der Barmherzigkeit und der Gerechtigkeit sich vollziehende Hoffnung für andere werden.

Liebe Jugendliche, zum Abschluß möchte ich noch ein Wort zu den Berufungen sagen. Zunächst denke ich an eure Eltern, Großeltern und Paten. Sie sind eure ersten Erzieher im Glauben gewesen. Indem sie euch zur Taufe gebracht haben, haben sie euch die Möglichkeit gegeben, das größte Geschenk eures Lebens zu empfangen. An diesem Tag seid ihr in die Heiligkeit Gottes selbst eingetreten. Ihr seid Söhne und Töchter des Vaters an Kindes statt geworden. Ihr seid in Christi Leib hineingenommen worden. Ihr seid zu einer Wohnstatt seines Geistes geworden. Beten wir für die Mütter und Väter der ganzen Welt, vor allem für diejenigen, die mit sozialen, materiellen oder geistlichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Ehren wir die Berufung zur Ehe und die Würde des Familienlebens. Wir wollen stets anerkennen, daß die Familien der Ort sind, an dem Berufungen entstehen.

Hier im »Saint Joseph Seminary« grüße ich die anwesenden Seminaristen, und in der Tat ermutige ich alle Seminaristen in ganz Amerika. Ich freue mich wirklich zu erfahren, daß eure Anzahl steig! Das Volk Gottes erwartet sich von euch, daß ihr heilige Priester werdet, auf einem täglichen Weg der Umkehr, und so in den anderen den Wunsch hervorruft, tiefer in das kirchliche Leben als Gläubige einzutreten. Ich ermahne euch, eure Freundschaft mit Jesus, dem Guten Hirten, zu vertiefen. Sprecht mit ihm von Herz zu Herz. Weist jede Versuchung der Zurschaustellung, des Karrieredenkens oder des Dünkels zurück. Strebt einen Lebensstil an, der wahrhaft von Liebe, Keuschheit und Demut geprägt ist, in der Nachahmung Christi, des Ewigen Hohenpriesters, dessen lebendiges Abbild ihr werden müßt (vgl. Pastores dabo vobis, 33). Liebe Seminaristen, ich bete täglich für euch. Erinnert euch daran, daß vor dem Herrn zählt, in seiner Liebe zu bleiben und seine Liebe für andere leuchten zu lassen.

Schwestern, Brüder und Priester der Ordensgemeinschaften leisten einen großen Beitrag zur Sendung der Kirche. Ihr prophetisches Zeugnis ist von der tiefen Überzeugung des Primats geprägt, mit dem das Evangelium das christliche Leben formt und die Gesellschaft verwandelt. Heute möchte ich eure Aufmerksamkeit auf die positive geistliche Erneuerung lenken, um welche sich die Kongregationen im Hinblick auf ihr Charisma bemühen. Das Wort »Charisma« bezeichnet eine Gabe, die frei und umsonst geschenkt wird. Die Charismen werden durch den Heiligen Geist verliehen, der Gründer und Gründerinnen inspiriert und Kongregationen mit einem dementsprechenden geistlichen Erbe bildet. Die wunderbare Reihe von Charismen, die jedem Orden zu eigen sind, stellt einen außerordentlichen geistlichen Schatz dar. In der Tat wird die Geschichte der Kirche vielleicht am schönsten durch die Geschichte ihrer geistlichen Schulen dargestellt, von denen die meisten aus dem heiligen Leben ihrer Gründer und Gründerinnen entstanden sind. Ich bin sicher, daß einige von euch jungen Menschen durch die Entdeckung der Charismen, die eine solche Fülle an geistlicher Weisheit hervorbringen, von einem Leben des apostolischen oder kontemplativen Dienstes angezogen werden. Scheut euch nicht, mit Brüdern, Schwestern oder Priestern der Ordensgemeinschaften über das Charisma und die Spiritualität ihrer Kongregation zu sprechen. Es gibt keine vollkommene Gemeinschaft, doch der Herr fordert euch dazu auf, die Treue zu einem Gründungscharisma und nicht zu einzelnen Personen zu erkennen. Habt Mut! Auch ihr könnt euer Leben zu einem Geschenk euer selbst für die Liebe zu Jesus, dem Herrn, und in ihm zu jedem Mitglied der Menschheitsfamilie machen. (vgl. Vita consecrata, 3).

Freunde, ich frage Euch nochmals, was sollen wir jetzt sagen? Was sucht Ihr? Was will Gott von euch? Jesus Christus ist die Hoffnung, die niemals enttäuscht. Die Heiligen zeigen uns die selbstlose Liebe seines Weges. Als Jünger Christi haben sich ihre außergewöhnlichen Wege innerhalb jener Gemeinschaft der Hoffnung entfaltet, welche die Kirche ist. Innerhalb der Kirche werdet auch ihr den Mut und die Unterstützung finden, um auf dem Weg des Herrn zu gehen. Gespeist durch das persönliche Gebet, vorbereitet in der Stille, geformt durch die Liturgie der Kirche werdet ihr die besondere Berufung entdecken, die Gott für euch vorgesehen hat. Nehmt sie freudig an! Heute seid ihr die Jünger Christi. Laßt sein Licht über dieser großen Stadt und darüber hinaus leuchten. Zeigt der Welt den Grund für die Hoffnung, die in euch ist. Sprecht mit den anderen von der Wahrheit, die euch frei macht. Mit diesen Gefühlen großer Hoffnung, die ich in euch setze, grüße ich euch mit einem »Auf Wiedersehen« in der Erwartung, euch im Juli erneut in Sydney beim Weltjugendtag zu treffen! Und als Unterpfand meiner Zuneigung zu euch und euren Familien erteile ich euch mit Freude meinen Apostolischen Segen.

... auf spanisch:

Liebe Seminaristen, liebe Jugendliche!

Es ist für mich eine große Freude, mit euch im Verlauf dieses Besuches zusammenzutreffen, während dem ich auch meinen Geburtstag gefeiert habe. Danke für eure Aufnahme und die Freundlichkeit, die ihr mir gezeigt habt.

Ich ermahne euch, euer Herz dem Herrn zu öffnen, damit er es ganz erfülle und ihr so mit dem Feuer seiner Liebe sein Evangelium in alle Viertel New Yorks tragen könnt.

Das Licht des Glaubens wird euch dazu drängen, auf Böses mit Gutem und mit der Heiligkeit des Lebens zu antworten, wie es die großen Zeugen des Evangeliums über Jahrhunderte hinweg getan haben. Ihr seid dazu berufen, diese Kette der Freunde Jesu weiterzuführen, die in seiner Liebe dem großen Schatz ihres Lebens begegnet sind. Hegt diese Freundschaft durch das Gebet, sowohl das persönliche wie auch das liturgische, und durch die Werke der Nächstenliebe sowie den Einsatz für diejenigen, die besonders in Schwierigkeiten sind. Wenn ihr es noch nicht getan habt, dann denkt ernsthaft darüber nach, ob der Herr euch nicht darum bittet, ihm im Priesteramt oder im geweihten Leben radikal nachzufolgen. Eine gelegentliche Beziehung mit Christus reicht nicht. Eine derartige Freundschaft ist keine echte Freundschaft. Christus sehnt sich nach euch als seine innigen Freunde, treu und ausdauernd.

Ich erneuere euch meine Einladung zur Teilnahme am Weltjugendtag in Sydney, und ich versichere euch, daß ich euer im Gebet gedenken werde, mit dem ich Gott bitte, daß er euch zu echten Jüngern des auferstandenen Christus macht. Ich danke euch von Herzen!
    



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