BOTSCHAFT VON JOHANNES PAUL II.
ANLÄSSLICH DES JUGENDTREFFENS IN IRKUTSK
(RUSSISCHE FÖDERATION, 11. - 15. AUGUST 2004)
Liebe Jugendliche!
Mit großer Freude richte ich meinen Gruß an Euch, die Ihr, nicht ohne Opfer, aus der ganzen Russischen Föderation nach Irkutsk gekommen seid, um an dem Treffen teilzunehmen, das Eure Bischöfe in Vorbereitung auf den XX. Weltjugendtag, der im August des nächsten Jahres in Köln, in Deutschland, stattfinden wird, organisiert haben. Jeden von Euch grüße ich mit Zuneigung. Dieses Treffen ist ein wichtiger Augenblick für die Kirche in der Russischen Föderation, eine Kirche, die in der Vergangenheit großes Leid erdulden mußte. Sie wurde verfolgt und gemartert, nicht selten bis zum Blutvergießen. Sie hielt aber beharrlich fest an Christus, dem einzigen Herrn, und am Bekenntnis der immerwährenden Wahrheit des Glaubens. In diesem Bekenntnis stehen Katholiken, Orthodoxe und Protestanten Seite an Seite. Das Geheimnis des Menschen ergründen Ihr Zeugnis wurde für uns alle zum gemeinsamen Gut. »Dies sollte auch einen ökumenisch beredten Zug haben. Der Ökumenismus der Heiligen, der Märtyrer, ist vielleicht am überzeugendsten. Die ›communio sanctorum‹, Gemeinschaft der Heiligen, spricht mit lauterer Stimme als die Urheber von Spaltungen« (Apostolisches Schreiben Tertio millennio adveniente, 37). Zu Recht setzt die Kirche daher große Hoffnung in Euch, liebe Jugendliche, und mit Vertrauen erwartet sie sich von Eurer Begeisterung und von der Lebenskraft Eurer Jugend neue Nahrung für ihre Sendung.
Deshalb hört sie auf die grundsätzlichen Fragen, die in Euren Herzen sind, jene Fragen über den Sinn des Lebens. Fjodor Dostojewskij schrieb: »Der Mensch ist ein Geheimnis. Ein Geheimnis, das es zu entdecken gilt. Und wenn Du Dein ganzes Leben damit verbringst, es verstehen zu wollen, sag nicht, daß Du die Zeit vergeudet hast; ich beschäftige mich mit diesem Geheimnis, denn ich will ein Mensch sein« (Brief an den Bruder Michail, 16. August 1839). Liebe Jugendliche, der wahre Sinn Eures Daseins liegt in der Treue zu Jesus, »Weg, Wahrheit und Leben« (Joh 14,6). Er allein spricht Worte, die Leben schenken, zum Leben ermutigen, den Weg weisen, die enttäuschten Herzen trösten und neue Hoffnung wecken. Nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes – so lehrt uns das Zweite Vatikanische Konzil – klärt sich das Geheimnis des Menschen wahrhaft auf (vgl. Apostolische Konstitution Gaudium et spes, 22).
2. »Wir möchten Jesus sehen« (Joh 12,21). Das war das Thema des diesjährigen Weltjugendtages, der die letzte Etappe vor dem großen Ereignis in Köln war. In dieser Bitte, die einige Griechen an den Apostel Philippus richteten, hallt der unausgesprochene und nicht immer bewußte Ruf vieler Eurer Altersgenossen wider, die »die heutigen Gläubigen [bitten], nicht nur von Christus zu ›reden‹, sondern ihnen Christus zu zeigen, ihn gleichsam ›sehen‹ zu lassen. Ist es etwa nicht Aufgabe der Kirche, das Licht Christi in jeder Epoche der Geschichte widerzuspiegeln, sein Antlitz auch vor den Generationen des neuen Jahrtausends erstrahlen zu lassen?« (Apostolisches Schreiben Novo millennio ineunte, 16). Deshalb ist es dringend notwendig, das Antlitz Christi sichtbar werden zu lassen, der in seiner Kirche lebt, und in Ihm den einzigen Weg aufzuzeigen, der zur Wahrheit über den Menschen und zu seinem vollkommenen Glück führt.
Der unschätzbare Wert der christlichen Tradition, bereichert vom Blut der Märtyrer, muß mutig und konsequent bewahrt und immer wieder in Erinnerung gerufen werden. Liebe Jugendliche, Ihr müßt der heute oft subtilen und todbringenden Versuchung widerstehen, Gott aus Eurem Leben auszuschließen oder den Glauben auf vereinzelte und formelle Gesten zu verkürzen. Die Kirche braucht Zeugen, die bereit sind, Christus bis zum Kreuz zu folgen. Diese radikale Treue zum Evangelium erwarten von Euch mehr denn je Eure Altersgenossen, die oftmals abgelenkt und geblendet sind von einem oberflächlichen und bequemen Leben, von der Versuchung der Droge und des Hedonismus, und die so nicht selten als Sklaven der Gewalttätigkeit, der Sinnlosigkeit und der Verzweiflung enden. Laßt nicht zu, daß die Freiheit in Eurer geliebten Nation, die Ihr um den Preis von großen Opfern und Leiden wiedererlangt habt, von einem Nachgeben gegenüber falschen Idealen zerstört wird. Christus ist unsere wahre Freiheit, denn er hat uns endgültig von der Knechtschaft der Sünde befreit. Nur in Ihm findet unser Herz Sinn und Frieden.
3. Der himmlische Vater hat seinen Sohn zu uns gesandt, denn er will die Rettung jedes Menschen, und Ihr könnt in der Welt und für die Welt zum Antlitz dieser seiner barmherzigen Liebe werden.
Das ist Eurer täglicher Auftrag! Das ist das ständige Ziel, das Ihr verfolgen sollt auch mittels der Vorhaben und Initiativen, die Eure Hirten Euch anbieten, damit Ihr Euch den sozialen, kulturellen und spirituellen Herausforderungen der heutigen Zeit stellen könnt. Schließt Euch den jungen Christen in der ganzen Welt an auf der geistigen Pilgerfahrt nach Köln, um den XX. Weltjugendtag gemeinsam zu erleben. Schon jetzt lade ich Euch herzlich ein, bei diesem großen kirchlichen Treffen nicht zu fehlen.
Ich vertraue Euch der Jungfrau Maria an, Mutter Christi und der Kirche. Der Papst, Eure Bischöfe, die ganze christliche Gemeinschaft zählen auf Euch!
Mit diesen Empfindungen erteile ich Euch mit Freude meinen Segen, den ich gern auf Eure Hirten und Eure Familien ausweite.
Aus dem Vatikan, am 26. Juli 2004
JOHANNES PAUL II.
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