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ANSPRACHE VON JOHANNES PAUL II.
AN DIE TEILNEHMER DES TREFFENS DER 
ITALIENISCHEN CARITAS

Samstag, 24. November 2001

 

Liebe Brüder und Schwestern! 

1. Gern schließe ich mich eurer Freude über die Feier des 30. Gründungstages der Italienischen Caritas an, und ich begrüße euch herzlich. 

Zunächst richte ich meinen Gruß an den verehrten Bruder Msgr. Benito Cocchi, Erzbischof von Modena und Vorsitzender der Caritas, und ich danke ihm für die freundlichen Worte, die er im Namen der Anwesenden an mich gerichtet und mit denen er mir den bisher zurückgelegten Weg und die Zukunftsperspektiven dargelegt hat. Ich begrüße zudem die weiteren Bischöfe, die an diesem Treffen teilnehmen, sowie die Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen, Freiwilligen und alle, die in dieser wichtigen pastoralen Organisation tätig sind. Sie wurde eingerichtet von meinem Vorgänger, dem Diener Gottes Paul VI., um »die Ortskirchen und die einzelnen Gläubigen für den Sinn und die Pflicht der Nächstenliebe zu sensibilisieren – in einer Form, die den jeweiligen Bedürfnissen und der jeweiligen Zeit entspricht« (vgl. Insegnamenti di Paolo VI, X [1972 ], S. 989). 

Im Lauf dieser drei Jahrzehnte hat die Italienische Caritas ihren Auftrag treu erfüllt, und sie schlägt nun neue Wege ein, um das, was sie bisher entwickelt hat, zu vertiefen und in die bestmögliche Richtung zu lenken. 

2. Es ist unmöglich, alle Etappen dieser dreissigjährigen Erfahrung aufzuzählen, und sei es auch nur stichpunktartig: vom Pastoralplan Evangelisierung und Sakramente aus den siebziger Jahren und dem ersten Kirchenkongreß über Evangelisierung und menschliche Entfaltung bis hin zu den achtziger Jahren mit dem Dokument Italienische Kirche und Zukunftsaussichten des Landes, das der gesamten kirchlichen Gemeinschaft den Weg des Leitwortes »bei den Geringsten anfangen« wies. Es ist das Jahrzehnt der Einrichtung eines Beraterkomitees für karitative Einrichtungen und Hilfswerke, das dann zum »Kirchlichen Beratungsorgan für sozial-karitative Werke« wurde, sowie der Feier des Kirchentages von Loreto, bei dem der Vorschlag gemacht wurde, »ständige Beobachter von Not und Armut« einzusetzen. Notsituationen und internationale Probleme haben die Caritas auf eine weltumspannende Sichtweise hin geöffnet. 

In den neunziger Jahren und bis in unsere Tage empfahl die Italienische Bischofskonferenz mit dem Dokument Evangelisierung und Zeugnis der Nächstenliebe als Ziel die Präsenz der Caritas in jeder Gemeinde als normalem seelsorglichen Ort zur Förderung und Anregung des Zeugnisses der Nächstenliebe. Es handelt sich um einen einmütigen Beweis der Liebe gegenüber jedem Menschen, mit einer besonderen Option für die Armen. 

3. Durch die Tätigkeit der Caritasbüros in den Pfarreien, denen ich eine weitere Verbreitung und ein zahlenmäßiges Anwachsen wünsche, sollt ihr, meine Lieben, auch in Zukunft eine Nächstenliebe des Volkes und der Gemeinden, die jeden Getauften in die gewöhnlichen seelsorglichen Aktivitäten einbezieht, nähren und wachsen lassen: eine Nächstenliebe, die in die Erziehung zur Interkulturalität, zur Weltoffenheit und zum Frieden umgesetzt wird, wobei man sich darum bemühen soll, eine wirksame Tätigkeit im eigenen Land zu entfalten. So wird das Antlitz einer Kirche zutage treten, die sich nicht nur bemüht, Dienstleistungen für die Armen zu organisieren, sondern die auch und vor allem mit ihnen den Weg des wahren Teilens gehen will. 

Die Familie sei der bevorzugte Ort, an dem man diese »Caritas« – die aus gegenseitiger Aufmerksamkeit und Hingabe, Miteinander, gegenseitigem Ergänzen, Teilnahme und Mitgefühl besteht – zu leben lernt. In dieser Hinsicht fordere ich euch auf, in einem zeitgemäßen Stil Gelegenheiten zur Begegnung und zum Zusammensein unter Familien zu bieten. 

4. Außerdem ist es nötig, sich den Herausforderungen der modernen Globalisierung zu stellen. Es haben sich nicht nur Technologie und Wirtschaft globalisiert, sondern auch Unsicherheit und Angst, Kriminalität und Gewalt, Ungerechtigkeit und Krieg. Dringend muß daher gemeinsam die »Zivilisation der Liebe« aufgebaut werden, wobei die Menschen zum respektvollen und brüderlichen Dialog zwischen den Kulturen und Zivilisationen erzogen werden müssen. Es soll ein globalisiertes karitatives Handeln in die Wege geleitet werden, das den Fortschritt der »Geringen« der Erde unterstützt. Wenn ihr euch um alle Situationen der Armut kümmert, angefangen bei den immer wiederkehrenden nationalen und internationalen Notlagen, kann es euch gelingen, daß sich die Armen in jeder Gemeinde wie zu Hause fühlen. 

Ist dies etwa nicht die wirksamste Darstellung der frohen Botschaft des Reiches Gottes? Ohne diese Formen der Evangelisierung, die durch die Nächstenliebe und das Zeugnis christlicher Armut verwirklicht werden, läuft die Verkündigung des Evangeliums Gefahr, nicht verstanden zu werden oder in einem Wortmeer zu ertrinken. »Die Liebe der Werke verleiht der Liebe der Worte eine unmißverständliche Kraft« (Novo millennio ineunte, 50). 

Es geht darum, nicht nur die einzelnen Gläubigen, sondern die ganze Gemeinde dazu zu erziehen, in ihrer Gesamtheit zum »Subjekt der Liebe« zu werden, das bereit ist, sich zum Nächsten jedes Bedürftigen zu machen. Diese prophetische und hochherzige Nähe kam mit beispielhafter Zuvorkommenheit bei Erdbeben, Naturkatastrophen und Kriegen zum Ausdruck, wie beispielsweise in Umbrien und den Marken, in der Region der Großen Seen in Afrika, im Balkan, in Mittelamerika und, in diesen Tagen, bei den Aktivitäten zugunsten der Flüchtlinge in Afghanistan. 

5. Je besser es gelingt, die Einzelpersonen und die gesamte Gemeinschaft einzubeziehen, desto wirksamer werden die Bemühungen zur Vorbeugung von Ausgrenzung, zur Verhinderung von Mechanismen, die Ungerechtigkeit bewirken, zur Verteidigung der Rechte der Schwachen, zur Beseitigung der Ursachen der Armut und zur Schaffung einer »Solidarverbindung«  zwischen Nord und Süd, Ost und West unseres Planeten sein. Wie viele Möglichkeiten bieten sich der Freiwilligenarbeit in diesem Bereich! Eure Aufgabe ist es, auf sie alle aufmerksam zu machen. Ich denke dabei besonders an die frische Energie so vieler Jugendlicher, die dank des Zivildienstes einen Teil ihrer Zeit sozial-karitativen Initiativen in Italien und in anderen Ländern widmen können. Auf diese Weise könnt ihr zur Schaffung einer Welt beitragen, in der die Waffen endlich schweigen und Projekte für nachhaltige Entwicklung durchgeführt werden. 

6. Liebe Brüder und Schwestern! Um den Auftrag zu erfüllen, den die Kirche euch übertragen hat, ist es unerläßlich, daß ihr stets auf Christus hört und schaut. Das Gebet muß jeder eurer Aktivitäten vorausgehen, sie begleiten und ihnen folgen. 

Nur so könnt ihr dem Herrn, der an der Tür zu unserem Herzen und unseren Gemeinschaften steht und diskret, aber beharrlich anklopft, bereitwillig antworten. 

Die Jungfrau Maria, die Mutter der Nächstenliebe, beschütze und helfe euch jederzeit. Ich begleite euch im Gebet und erteile euch gern den Apostolischen Segen, den ich auf alle ausweite, denen ihr täglich in euren vielfältigen Tätigkeiten begegnet.

 



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