LEO XIV.
GENERALAUDIENZ
Petersplatz
Mittwoch, 24. September 2025
___________________________________
Grußwort des Heiligen Vaters in der Audienzhalle vor Beginn der Generalaudienz:
Einen Segen für euch alle! Nachher könnt ihr die Audienz hier auf dem Bildschirm sehen, oder, wenn ihr wollt, könnt ihr auch hinausgehen, aber mit Blick auf die Wettervorhersage war es besser, vor Beginn der Generalaudienz hierher zu kommen.
Dann sagte der Papst auf Englisch: Ich werde also einen jeden von euch, die ihr heute morgen gekommen seid, segnen. Ich freue mich sehr, bei euch zu sein, danke, dass ihr hier seid! Jetzt gerade scheint draußen die Sonne, aber es soll Regen geben, daher wollen wir, dass ihr unter dem Dach seid. Ich mache es jetzt kurz: Gottes Segen für euch alle, und möge der Herr euch viel Frieden in euer Herz legen. Danke!
______________________________
Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!
Auch heute wollen wir über das Geheimnis des Karsamstags sprechen. Es ist der Tag des Ostergeheimnisses, an dem alles reglos und still zu sein scheint, während in Wirklichkeit ein unsichtbares Heilswirken vollbracht wird: Christus steigt in die Unterwelt hinab, um allen, die in Finsternis und im Schatten des Todes sind, die Botschaft von der Auferstehung zu bringen.
Dieses Ereignis, das die Liturgie und die Überlieferung uns übermittelt haben, stellt die tiefste und radikalste Geste der Liebe Gottes zur Menschheit dar. Denn es genügt nicht zu sagen oder zu glauben, dass Jesus für uns gestorben ist: Wir müssen erkennen, dass die Treue seiner Liebe uns dort aufsuchen wollte, wohin wir uns verirrt hatten, dort, wohin nur die Kraft eines Lichtes gelangt, das die Herrschaft der Finsternis durchdringen kann.
Die Unterwelt ist nach biblischem Verständnis nicht so sehr ein Ort, sondern vielmehr ein Daseinszustand: jener Zustand, in dem das Leben entmachtet ist und Schmerz, Einsamkeit, Schuld und die Trennung von Gott und von den anderen herrschen. Christus kommt auch in diesen Abgrund zu uns, indem er die Pforten dieses Reiches der Finsternis durchschreitet. Er tritt sozusagen in das Haus des Todes ein, um es zu leeren, um seine Bewohner zu befreien, indem er jeden einzelnen an die Hand nimmt. Es ist die Demut eines Gottes, der nicht vor unserer Sünde haltmacht, der vor der äußersten Ablehnung des Menschen nicht zurückschreckt.
In dem kurzen Abschnitt aus seinem Ersten Brief , den wir gehört haben, sagt uns der Apostel Petrus: Jesus ist, nachdem er im Heiligen Geist lebendig gemacht wurde, »auch zu den Geistern gegangen, die im Gefängnis waren«, um ihnen das Heil zu verkünden (1Petr 3,19). Es ist eines der bewegendsten Bilder, das nicht in den kanonischen Evangelien weiterentwickelt wird, sondern in einem apokryphen Text, der als das Nikodemusevangelium bezeichnet wird. Dieser Überlieferung zufolge ist der Sohn Gottes in die tiefste Finsternis eingedrungen, um auch zu den letzten seiner Brüder und Schwestern zu gelangen, um sein Licht auch dort unten hinzubringen. In dieser Geste liegen die ganze Kraft und Zärtlichkeit der Osterbotschaft: Der Tod ist nie das letzte Wort.
Meine Lieben, dieser Abstieg Christi betrifft nicht nur die Vergangenheit, sondern er berührt das Leben eines jeden von uns. Die Unterwelt ist nicht nur der Zustand der Verstorbenen, sondern auch derjenigen, die aufgrund des Bösen und der Sünde den Tod erleben. Sie ist auch die tägliche Hölle der Einsamkeit, der Scham, der Verlassenheit, der Mühsal des Lebens. Christus tritt in diese dunklen Wirklichkeiten ein, um uns die Liebe des Vaters zu bezeugen. Nicht um zu richten, sondern um zu befreien. Nicht um zu beschuldigen, sondern um zu retten. Er tut dies ohne Aufsehen, auf leisen Sohlen, wie jemand, der ein Krankenzimmer betritt, um Trost und Hilfe zu bringen.
Die Kirchenväter haben mit Worten von außerordentlicher Schönheit diesen Augenblick als Begegnung beschrieben: die Begegnung zwischen Christus und Adam. Eine Begegnung, die das Symbol aller Begegnungen ist, die zwischen Gott und dem Menschen möglich sind. Der Herr steigt dorthin hinab, wo der Mensch sich aus Angst versteckt hat, und er ruft ihn beim Namen, er nimmt ihn an die Hand, er richtet ihn wieder auf, er bringt ihn zurück ans Licht. Er tut dies mit Vollmacht, aber auch mit unendlicher Sanftheit, wie ein Vater mit seinem Sohn, der fürchtet, nicht mehr geliebt zu sein.
In den östlichen Auferstehungsikonen wird Christus dargestellt, während er die Pforten der Unterwelt durchbricht, seine Arme ausstreckt und Adam und Eva am Handgelenk fasst. Er rettet nicht nur sich selbst, er kehrt nicht allein in das Leben zurück, sondern er zieht die ganze Menschheit mit sich. Das ist die wahre Herrlichkeit des Auferstandenen: Es ist die Macht der Liebe, es ist die Solidarität eines Gottes, der sich nicht ohne uns retten will, sondern nur mit uns. Eines Gottes, der nicht aufersteht, ohne unser Elend zu umarmen und uns im Hinblick auf ein neues Leben wieder aufzurichten.
Der Karsamstag ist also der Tag, an dem an dem der Himmel der Erde am nächsten kommt. Es ist die Zeit, in der jeder Winkel der Menschheitsgeschichte vom Licht des Ostermorgens berührt wird. Und wenn Christus bis dorthin hinabsteigen konnte, dann kann nichts von seiner Erlösung ausgeschlossen sein. Nicht einmal unsere Nächte, nicht einmal unsere älteste Schuld, nicht einmal unsere zerrissenen Verbindungen. Keine Vergangenheit ist so verdorben, keine Geschichte ist so beeinträchtigt, dass sie nicht von der Barmherzigkeit berührt werden könnte.
Liebe Brüder und Schwestern, hinabzusteigen ist für Gott keine Niederlage, sondern die Vollendung seiner Liebe. Es ist kein Scheitern, sondern der Weg, auf dem er zeigt, dass kein Ort zu fern, kein Herz zu verschlossen, kein Grab zu versiegelt ist für seine Liebe. Das tröstet uns, das stärkt uns. Und wenn es uns manchmal scheint, als hätten wir den Tiefpunkt erreicht, denken wir daran: Das ist der Ort, an dem Gott eine neue Schöpfung beginnen kann. Eine Schöpfung, die aus wieder aufgerichteten Menschen besteht, aus Herzen, denen vergeben wurde, aus getrockneten Tränen. Der Karsamstag ist die stille Umarmung, mit der Christus die ganze Schöpfung dem Vater darbringt, um sie wieder in seinen Heilsplan einzufügen.
________________________
ANKÜNDIGUNG
Liebe Brüder und Schwestern, der Monat Oktober, der demnächst beginnt, ist in der Kirche besonders dem Rosenkranzgebet gewidmet. Ich lade daher alle ein, im kommenden Monat jeden Tag den Rosenkranz für den Frieden zu beten, einzeln, in der Familie und in der Gemeinschaft.
Außerdem lade ich alle ein, die im Vatikan Dienst tun, dieses Gebet täglich um 19 Uhr im Petersdom mitzubeten.
Insbesondere werden wir am Samstag, 11. Oktober, um 18 Uhr abends gemeinsam auf dem Petersplatz beten, im Rahmen der Vigil des Jubiläums der Marianischen Spiritualität, wobei wir auch des Jahrestags der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils gedenken werden.
* * *
Liebe Brüder und Schwestern, beim Durchschreiten der Heiligen Pforte erinnern wir uns daran, dass wir in Christus aus dem Tod ins Leben hinübergegangen sind. Erneuern wir unseren Glauben an den Auferstandenen, dessen Licht die Dunkelheit dieser Welt und unserer Herzen erhellt.
Copyright © Dikasterium für Kommunikation - Libreria Editrice Vaticana