EVANGELII GAUDIUM - page 65

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96. In diesem Kontext wird die Ruhmsucht derer gefördert, die sich damit
zufrieden geben, eine gewisse Macht zu besitzen, und lieber Generäle von
geschlagenen Heeren sein wollen, als einfache Soldaten einer Schwadron,
die weiterkämpft. Wie oft erträumen wir peinlich genaue und gut
entworfene apostolische Expansionsprojekte, typisch für besiegte Generäle!
So verleugnen wir unsere Kirchengeschichte, die ruhmreich ist, insofern sie
eine Geschichte der Opfer, der Hoffnung, des täglichen Ringens, des im
Dienst aufgeriebenen Lebens, der Beständigkeit in mühevoller Arbeit ist,
denn jede Arbeit geschieht „im Schweiß unseres Angesichts“. Stattdessen
unterhalten wir uns eitel und sprechen über „das, was man tun müsste“ –
die Sünde des „man müsste tun“ – wie spirituelle Lehrer und Experten der
Seelsorge, die einen Weg weisen, ihn selber aber nicht gehen. Wir pflegen
unsere grenzenlose Fantasie und verlieren den Kontakt zu der
durchlittenen Wirklichkeit unseres gläubigen Volkes.
97. Wer in diese Weltlichkeit gefallen ist, schaut von oben herab und aus
der Ferne, weist die Prophetie der Brüder ab, bringt den, der ihm Fragen
stellt, in Misskredit, hebt ständig die Fehler der anderen hervor und ist
besessen vom Anschein. Er hat den Bezugspunkt des Herzens verkrümmt
auf den geschlossenen Horizont seiner Immanenz und seiner Interessen,
mit der Konsequenz, dass er nicht aus seinen Sünden lernt, noch wirklich
offen ist für Vergebung. Es ist eine schreckliche Korruption mit dem
Anschein des Guten. Man muss sie vermeiden, indem man die Kirche in
Bewegung setzt, dass sie aus sich herausgeht, in eine auf Jesus Christus
ausgerichtete Mission, in den Einsatz für die Armen. Gott befreie uns von
einer weltlichen Kirche unter spirituellen oder pastoralen Drapierungen!
Diese erstickende Weltlichkeit erfährt Heilung, wenn man die reine Luft des
Heiligen Geistes kostet, der uns davon befreit, um uns selbst zu kreisen,
verborgen in einem religiösen Anschein über gottloser Leere. Lassen wir
uns das Evangelium nicht nehmen!
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