EVANGELII GAUDIUM - page 62

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Undankbarkeiten hinnehmen, ohne jemals müde zu werden, die
Brüderlichkeit zu wählen
.
69
92. Dort liegt die wahre Heilung, da die wirklich gesund und nicht krank
machende Weise, mit anderen in Beziehung zu treten, eine
mystische
,
kontemplative Brüderlichkeit ist, die die heilige Größe des Nächsten zu
sehen weiß; die in jedem Menschen Gott zu entdecken weiß; die die
Lästigkeiten des Zusammenlebens zu ertragen weiß, indem sie sich an die
Liebe Gottes klammert; die das Herz für die göttliche Liebe zu öffnen
versteht, um das Glück der anderen zu suchen, wie es ihr guter
himmlischer Vater sucht. Gerade in dieser Zeit und auch dort, wo sie eine
» kleine Herde « sind (
Lk
12,32), sind die Jünger des Herrn berufen, als eine
Gemeinschaft zu leben, die Salz der Erde und Licht der Welt ist (vgl.
Mt
5,13-16). Sie sind berufen, auf immer neue Weise Zeugnis für eine
evangelisierende Zugehörigkeit zu geben
.
70
Lassen wir uns die
Gemeinschaft nicht nehmen!
Nein zur spirituellen Weltlichkeit
93. Die spirituelle Weltlichkeit, die sich hinter dem Anschein der
Religiosität und sogar der Liebe zur Kirche verbirgt, besteht darin, anstatt
die Ehre des Herrn die menschliche Ehre und das persönliche Wohlergehen
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Wertvoll ist das Zeugnis der heiligen Therese von Lisieux in Bezug auf ihre Beziehung zu jener
Mitschwester, die ihr besonders unangenehm war, wobei eine innere Erfahrung eine
entscheidende Wirkung hatte: »
Eines Abends im Winter verrichtete ich wie gewöhnlich meinen
kleinen Dienst, es war kalt, es war dunkel… plötzlich hörte ich aus der Ferne den harmonischen
Klang eines Musikinstrumentes, das stellte ich mir einen wohlerleuchteten Salon vor, glänzend in
Goldschmuck, worin elegant gekleidete Mädchen Artigkeiten und weltliche Höflichkeiten
austauschten; dann fiel mein Blick auf die arme Kranke, die ich stützte; statt einer Melodie vernahm
ich von Zeit zu Zeit ihr klagendes Stöhnen […] Ich vermag nicht in Worte zu fassen, was in meiner
Seele vorging; was ich weiß, ist, dass der Herr sie mit den Strahlen der Wahrheit erleuchtete, die
den trüben Glanz irdischer Feste derart übertreffen, dass ich mein Glück nicht zu fassen
vermochte
«:
Manuscrit C, 29 v
o
- 30 r
o
, in
:
Œvres complètes,
, Éditions du Cerf et Desclée De
Brouwer, Paris 1992, S.
274-275; (deutsche Ausgabe:
Selbstbiographie
, Manuskript C,
Johannes
Verlag Einsiedeln
13
1996, S. 262].
70
Vgl.
Propositio
8.
1...,52,53,54,55,56,57,58,59,60,61 63,64,65,66,67,68,69,70,71,72,...185
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