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Er vergisst nicht, dass » wo die Sünde mächtig wurde, die Gnade übergroÃ
geworden ist « (
Röm
5,20). Unser Glaube ist herausgefordert, den Wein zu
erahnen, in den das Wasser verwandelt werden kann, und den Weizen zu
entdecken, der inmitten des Unkrauts wächst. Fünfzig Jahre nach dem
Zweiten Vatikanischen Konzil darf der gröÃte Realismus nicht weniger
Vertrauen auf den Geist, noch weniger GroÃherzigkeit bedeuten, auch
wenn die Schwächen unserer Zeit uns schmerzen und wir weit entfernt
sind von naiven Optimismen. In diesem Sinn können wir die Worte des
seligen Johannes XXIII. an jenem denkwürdigen Tag des 11. Oktober 1962
noch einmal hören: Es » dringen bisweilen betrübliche Stimmen an Unser
Ohr, die zwar von groÃem Eifer zeugen, aber weder genügend Sinn für die
rechte Beurteilung der Dinge noch ein kluges Urteil walten lassen. Sie
sehen in den modernen Zeiten nur Unrecht und Niedergang. [â¦] Doch Wir
können diesen Unglückspropheten nicht zustimmen, wenn sie nur
unheilvolle Ereignisse vorhersagen, so, als ob das Ende der Welt
bevorstünde. In der gegenwärtigen Weltordnung führt uns die göttliche
Vorsehung vielmehr zu einer neuen Ordnung der Beziehungen unter den
Menschen. Sie vollendet so durch das Werk der Menschen selbst und weit
über ihre Erwartungen hinaus in immer gröÃerem Maà ihre Pläne, die
höher sind als menschliche Gedanken und sich nicht berechnen lassen â
und alles, auch die Meinungsverschiedenheiten unter den Menschen,
dienen so dem gröÃeren Wohl der Kirche. «
85. Eine der ernsthaftesten Versuchungen, die den Eifer und den
Wagemut ersticken, ist das Gefühl der Niederlage, das uns in unzufriedene
und ernüchterte Pessimisten mit düsterem Gesicht verwandelt. Niemand
kann einen Kampf aufnehmen, wenn er im Voraus nicht voll auf den Sieg
vertraut. Wer ohne Zuversicht beginnt, hat von vornherein die Schlacht zur
Hälfte verloren und vergräbt die eigenen Talente. Auch wenn man sich
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Ansprache zur Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils
(11. Oktober 1962), 4, 2-4:
AAS
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(1962), 789.