EVANGELII GAUDIUM - page 64

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vorstellbar, dass aus diesen schmälernden Formen von Christentum eine
echte Evangelisierungsdynamik hervorgehen könnte.
95. Diese bedrohliche Weltlichkeit zeigt sich in vielen Verhaltensweisen,
die scheinbar einander entgegengesetzt sind, aber denselben Anspruch
erheben, „den Raum der Kirche zu beherrschen“. Bei einigen ist eine
ostentative Pflege der Liturgie, der Lehre und des Ansehens der Kirche
festzustellen, doch ohne dass ihnen die wirkliche Einsenkung des
Evangeliums in das Gottesvolk und die konkreten Erfordernisse der
Geschichte Sorgen bereiten. Auf diese Weise verwandelt sich das Leben der
Kirche in ein Museumsstück oder in ein Eigentum einiger weniger. Bei
anderen verbirgt sich dieselbe spirituelle Weltlichkeit hinter dem Reiz,
gesellschaftliche oder politische Errungenschaften vorweisen zu können,
oder in einer Ruhmsucht, die mit dem Management praktischer
Angelegenheiten verbunden ist, oder darin, sich durch die Dynamiken der
Selbstachtung und der Selbstverwirklichung angezogen zu fühlen. Sie
kann auch ihren Ausdruck in verschiedenen Weisen finden, sich selbst
davon zu überzeugen, dass man in ein intensives Gesellschaftsleben
eingespannt ist, angefüllt mit Reisen, Versammlungen, Abendessen und
Empfängen. Oder sie entfaltet sich in einem Manager-Funktionalismus, der
mit Statistiken, Planungen und Bewertungen überladen ist und wo der
hauptsächliche Nutznießer nicht das Volk Gottes ist, sondern eher die
Kirche als Organisation. In allen Fällen fehlt dieser Mentalität das Siegel
des Mensch gewordenen, gekreuzigten und auferstandenen Christus, sie
schließt sich in Elitegruppen ein und macht sich nicht wirklich auf die
Suche nach den Fernstehenden, noch nach den unermesslichen, nach
Christus dürstenden Menschenmassen. Da ist kein Eifer mehr für das
Evangelium, sondern der unechte Genuss einer egozentrischen
Selbstgefälligkeit.
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