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APOSTOLISCHE REISE
IN DEN LIBANON
(14.-16. SEPTEMBER 2012)

BESUCH DER BASILIK ST. PAUL IN HARISSA UND
UNTERZEICHNUNG DES NACHSYNODALEN
APOSTOLISCHEN SCHREIBENS

ANSPRACHE VON PAPST BENEDIKT XVI.

Harissa
Freitag, 14. September 2012

[Video]

 

Sehr geehrter Herr Präsident der Republik!
Eure Seligkeit, verehrte Patriarchen!
Liebe Brüder im Bischofsamt und Mitglieder des Sonderrats der Bischofssynode für den Nahen Osten!
Werte Vertreter der Religionsgemeinschaften, der Welt der Kultur und der Gesellschaft!
Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
Liebe Freunde!

Ich danke dem Patriarchen Gregorios Laham für die Begrüßungsworte sowie dem Generalsekretär der Bischofssynode, Erzbischof Nikola Eterović, für seine Vorstellung. Herzliche Grüße richte ich an die Patriarchen, an alle orientalischen und lateinischen Bischöfe, die in dieser schönen Kathedrale Sankt Paul versammelt sind, und an die Mitglieder des Sonderrats der Bischofssynode für den Nahen Osten. Ich freue mich auch über die Anwesenheit der orthodoxen, muslimischen und drusischen Delegationen sowie über jene der Welt der Kultur und der Gesellschaft. Das gute Miteinander von Islam und Christentum – zwei Religionen, die zur Schaffung großer Kulturen beigetragen haben – stellt die Besonderheit des gesellschaftlichen, politischen und religiösen Lebens im Libanon dar. Man kann sich nur freuen über diese Realität, die unbedingt gefördert werden muß. Diesen Wunsch vertraue ich den Verantwortungsträgern der Religionen Ihres Landes an. Ich grüße von Herzen die geschätzte melkitische Gemeinschaft, die mich beherbergt. Eure Anwesenheit bildet den feierlichen Rahmen für die Unterzeichnung des Nachsynodalen Apostolischen Schreibens und bezeugt, daß dieses für die Universalkirche bestimmte Dokument von besonderer Bedeutung für den gesamten Nahen Osten ist.

Es ist von der Vorsehung gewollt, daß dieser Akt am Fest Kreuzerhöhung stattfindet, das im Jahr 335 im Osten entstanden ist – und zwar am Tag nach der Weihe der Auferstehungskirche, die Kaiser Konstantin der Große, den ihr als Heiligen verehrt, auf Golgota und über dem Grab des Herrn errichtet hat. Nächsten Monat wird der 1700. Jahrestag der Erscheinung gefeiert, die ihn in der symbolischen Nacht seines Unglaubens das flammende Christusmonogramm hat sehen lassen, als eine Stimme zu ihm sagte: „Durch dieses Zeichen wirst du siegen!“. Später unterschrieb Konstantin die Vereinbarung von Mailand zur Religionsfreiheit und gab der Stadt Konstantinopel seinen Namen. Ich denke, das Nachsynodale Schreiben kann im Licht des Festes Kreuzerhöhung gelesen und interpretiert werden, und insbesondere im Licht des Christusmonogramms X (Chi) und P (Rho), der ersten beiden Buchstaben des Wortes Χριστός. Eine solche Lesart führt zu einer echten Wiederentdeckung der Identität des Getauften und der Kirche. Gleichzeitig bildet sie einen Aufruf zum Zeugnis in der und durch die Gemeinschaft. Sind die Gemeinschaft und das christliche Zeugnis nicht auf das Ostergeheimnis, auf die Kreuzigung, den Tod und die Auferstehung Christi gegründet? Finden sie nicht dort ihre volle Erfüllung? Es besteht ein unlösliches Band zwischen Kreuz und Auferstehung, was der Christ nicht vergessen darf. Ohne dieses Band würde „das Kreuz erhöhen“ bedeuten, das Leiden und den Tod zu rechtfertigen und in ihnen nichts als ein fatales Ende zu sehen. Für den Christen heißt „das Kreuz erhöhen“, an der Ganzheit der bedingungslosen Liebe Gottes zum Menschen teilzuhaben. Dies bedeutet, einen Akt des Glaubens zu setzen! „Das Kreuz erhöhen“ heißt im Licht der Auferstehung, die Ganzheit dieser Liebe leben und bezeugen zu wollen! Dies bedeutet, einen Akt der Liebe zu setzen! „Das Kreuz erhöhen“ führt dazu, sich als Boten der brüderlichen und kirchlichen Gemeinschaft einzusetzen, die Quelle echten christlichen Zeugnisses ist. Dies bedeutet, einen Akt der Hoffnung zu setzen!

Die Synodenväter haben angesichts der aktuellen Situation der Kirche im Nahen Osten über die Freuden und Sorgen, die Ängste und Hoffnungen der Jünger Christi, die an diesen Orten leben, nachgedacht. Auf diese Weise hat die gesamte Kirche den ängstlichen Schrei hören und den verzweifelten Blick so vieler Männer und Frauen vernehmen können, die sich in schwierigen menschlichen und materiellen Situationen befinden, die in Angst und Sorge große Spannungen durchleben und die Christus nachfolgen wollen – ihm, der ihrem Leben Sinn gibt –, aber oft daran gehindert werden. Daher war es mein Wunsch, daß der Erste Petrusbrief die Grundlage des Dokumentes sei. Zugleich konnte die Kirche vieles Schöne und Edle in den Kirchen in diesen Ländern bewundern. Wie sollte man da Gott nicht jederzeit für euch alle danken (vgl. 1 Thess 1,2; Erster Teil des Nachsynodalen Schreibens), liebe Christen im Nahen Osten! Wie sollte man ihn nicht loben für euren Mut im Glauben? Wie ihm nicht danken für die Flamme seiner unendlichen Liebe, die ihr an den Orten weiterhin am Leben und Brennen erhaltet, welche die ersten waren, die seinen menschgewordenen Sohn aufgenommen haben? Wie sollten wir ihm nicht unseren Dank bekunden für die Dynamik der kirchlichen und brüderlichen Gemeinschaft, für die menschliche Solidarität, die immer wieder unter allen Söhnen und Töchtern Gottes gelebt wird.

Ecclesia in Medio Oriente erlaubt es, über die Gegenwart nachzudenken, um die Zukunft mit dem Blick Christi ins Auge zu fassen. Das Schreiben will durch seine biblischen und seelsorglichen Anregungen, durch seine Einladung zu geistlicher und ekklesiologischer Vertiefung, durch die empfohlene liturgische und katechetische Erneuerung und durch seine Aufrufe zum Dialog einen Weg skizzieren, um das Wesentliche wiederzufinden: die Nachfolge Christi, und zwar in einem schwierigen und manchmal schmerzlichen Kontext, der zu der Versuchung führen könnte, das ruhmreiche Kreuz zu übergehen und es zu vergessen. Gerade am heutigen Tag ist der Sieg der Liebe über den Haß zu feiern, jener der Vergebung über die Vergeltung, jener des Dienens über das Herrschen, jener der Demut über den Stolz, jener der Einheit über die Spaltung. Im Licht des heutigen Festes und im Blick auf eine fruchtbare Umsetzung des Schreibens lade ich euch alle ein, keine Angst zu haben, in der Wahrheit zu bleiben und die Reinheit des Glaubens zu pflegen. Das ist die Sprache des ruhmreichen Kreuzes! Das ist die Torheit des Kreuzes, die es versteht, unsere Schmerzen in einen Schrei der Liebe zu Gott und des Erbarmens für den Nächsten zu verwandeln; die es auch versteht, in ihrem Glauben und ihrer Identität angegriffene und verwundete Menschen in irdene Gefäße zu verwandeln, die bereit sind, sich vom Übermaß der göttlichen Gaben erfüllen zu lassen, die wertvoller als Gold sind (vgl. 2 Kor 4,7-18). Es handelt sich hier nicht um eine rein allegorische Sprachweise, sondern um einen inständigen Aufruf, konkrete Taten zu vollbringen, die uns immer mehr Christus ähnlich machen, Taten, die den verschiedenen Kirchen helfen, die Schönheit der ersten Gemeinde der Glaubenden widerzuspiegeln (vgl. Apg 2,41-47; Zweiter Teil des Schreibens); Taten, die jenen von Kaiser Konstantin ähnlich sind, der es verstanden hat, Zeugnis zu geben und die Christen aus der Diskriminierung herauszuführen, um ihnen zu ermöglichen, offen und frei ihren Glauben an den für das Heil aller gekreuzigten, gestorbenen und auferstandenen Christus zu leben.

Ecclesia in Medio Oriente enthält auch Elemente, die für eine persönliche und gemeinschaftliche Gewissenserforschung und eine objektive Bewertung des Einsatzes und des Strebens nach Heiligkeit eines jeden Jüngers Christi hilfreich sein können. Das Schreiben öffnet für den echten interreligiösen Dialog, der auf dem Glauben an den Einen Gott und Schöpfer gründet. Es möchte auch zu einer Ökumene beitragen, die voll menschlichen, geistlichen und karitativen Eifers in der Wahrheit und Liebe des Evangeliums fortschreitet, indem sie vom Gebot des Auferstandenen Kraft schöpft: „Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,19-20).

In allen seinen Teilen möchte das Schreiben jedem Jünger des Herrn helfen, in Fülle zu leben und wirklich das zu vermitteln, was er durch die Taufe geworden ist: ein Kind des Lichtes, ein von Gott erleuchtetes Wesen, eine neue Lampe in der beunruhigenden Dunkelheit der Welt, damit aus der Dunkelheit das Licht erstrahlt (vgl. Joh 1,4-5 und 2 Kor 4,1-6). Dieses Dokument möchte dazu beitragen, den Glauben von dem zu reinigen, was ihn unansehnlich macht, von allem, was den Glanz und das Licht Christi verdunkeln kann. Die Gemeinschaft ist dann ein echtes Verbundensein mit Christus, und das Zeugnis ist ein Aufleuchten des Ostermysteriums, das dem ruhmreichen Kreuz seinen vollen Sinn gibt. Wir folgen Christus nach und „verkündigen ihn als den Gekreuzigten, … Gottes Kraft und Gottes Weisheit“ (1 Kor 1,23-24; vgl. Dritter Teil des Schreibens).

„Fürchte dich nicht, du kleine Herde“ (Lk 12,32), und erinnere dich an die an Konstantin ergangene Verheißung: „Durch dieses Zeichen wirst du siegen!“. Kirchen im Nahen Osten, fürchtet euch nicht, denn der Herr ist wirklich mit euch bis zum Ende der Welt! Fürchtet euch nicht, denn die Universalkirche begleitet euch mit ihrer menschlichen und geistlichen Nähe! In diesem Geist der Hoffnung und der Ermutigung, durch die Gemeinschaft und das Zeugnis die aktiven Hauptpersonen des Glaubens zu sein, vertraue ich am Sonntag das Nachsynodale Schreiben Ecclesia in Medio Oriente meinen verehren Brüdern Patriarchen an, den Erzbischöfen und Bischöfen, allen Priestern, den Diakonen, Ordensmännern und Ordensfrauen, den Seminaristen und den gläubigen Laien. „Habt Mut!“ (Joh 16,33). Auf die Fürsprache der Jungfrau Maria, der Theotókos, komme die Fülle der göttlichen Gaben auf euch alle herab! Möge Gott allen Völkern des Nahen Ostens gewähren, in Frieden, Brüderlichkeit und Religionsfreiheit zu leben! لِيُبَارِك الربُّ جميعَكُم  [Gott segne euch alle!]

 

  



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