EVANGELII GAUDIUM - page 29

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eine monolithische, von allen ohne Nuancierungen verteidigte Lehre
erträumen, mag das als Unvollkommenheit und Zersplitterung erscheinen.
Doch in Wirklichkeit hilft diese Vielfalt, die verschiedenen Aspekte des
unerschöpflichen Reichtums des Evangeliums besser zu zeigen und zu
entwickeln
.
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41. Zugleich erfordern die enormen und schnellen kulturellen
Veränderungen, dass wir stets unsere Aufmerksamkeit darauf richten und
versuchen, die ewigen Wahrheiten in einer Sprache auszudrücken, die
deren ständige Neuheit durchscheinen lässt. Denn im Glaubensgut der
christlichen Lehre » ist das eine die Substanz […] ein anderes die Art und
Weise, diese auszudrücken «.
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Manchmal ist das, was die Gläubigen beim
Hören einer vollkommen musterhaften Sprache empfangen, aufgrund ihres
eigenen Sprachgebrauchs und -verständnisses etwas, was nicht dem
wahren Evangelium Jesu Christi entspricht. In der heiligen Absicht, ihnen
die Wahrheit über Gott und den Menschen zu vermitteln, geben wir ihnen
bei manchen Gelegenheiten einen falschen „Gott“ und ein menschliches
Ideal, das nicht wirklich christlich ist. Auf diese Weise sind wir einer
Formulierung treu, überbringen aber nicht die Substanz. Das ist das
größte Risiko. Denken wir daran: » Die Ausdrucksform der Wahrheit kann
vielgestaltig sein. Und die Erneuerung der Ausdrucksformen erweist sich
als notwendig, um die Botschaft vom Evangelium in ihrer unwandelbaren
Bedeutung an den heutigen Menschen weiterzugeben.
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Der heilige Thomas von Aquin betonte, » dass die Unterscheidung und Vielheit der Dinge aus
der Absicht des ersten Wirkenden stammt «, dessen, der will, » dass das, was dem einen
Geschöpfe in der Darstellung der göttlichen Güte fehlt, aus einem anderen ergänzt wird «, weil
seine Güte » durch ein einzelnes Geschöpf nicht hinreichend dargestellt werden kann « (
Summ
Theologiae
I, q. 47, a. 1). Deshalb müssen wir die Vielheit der Dinge in ihren vielfachen
Beziehungen (vgl.
Summa Theologiae
I, q. 47, a. 2, ad 1; q. 47, a. 3) erfassen. Aus ähnlichen
Gründen haben wir es nötig, einander zu hören und uns in unserer partiellen Wahrnehmung der
Wirklichkeit und des Evangeliums gegenseitig zu ergänzen.
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J
OHANNES
XXIII.,
Ansprache zur feierlichen Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils
(11.
Oktober 1962):
AAS
54 (1962), 792: »
Est enim aliud ipsum depositum Fidei, seu veritates, quae
veneranda doctrina nostra continentur, aliud modus, quo eaedem enuntiantur
«.
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J
OHANNES
P
AUL
II., Enzyklika
Ut unum sint
(25. Mai 1995), 19:
AAS
87 (1995), 933.
1...,19,20,21,22,23,24,25,26,27,28 30,31,32,33,34,35,36,37,38,39,...185
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