EVANGELII GAUDIUM - page 38

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Markt begünstigte Wirtschaftswachstum von sich aus eine größere
Gleichheit und soziale Einbindung in der Welt hervorzurufen vermag. Diese
Ansicht, die nie von den Fakten bestätigt wurde, drückt ein
undifferenziertes, naives Vertrauen auf die Güte derer aus, die die
wirtschaftliche Macht in Händen halten, wie auch auf die vergötterten
Mechanismen des herrschenden Wirtschaftssystems. Inzwischen warten
die Ausgeschlossenen weiter. Um einen Lebensstil vertreten zu können, der
die anderen ausschließt, oder um sich für dieses egoistische Ideal
begeistern zu können, hat sich eine Globalisierung der Gleichgültigkeit
entwickelt. Fast ohne es zu merken, werden wir unfähig, Mitleid zu
empfinden gegenüber dem schmerzvollen Aufschrei der anderen, wir
weinen nicht mehr angesichts des Dramas der anderen, noch sind wir
daran interessiert, uns um sie zu kümmern, als sei all das eine uns fern
liegende Verantwortung, die uns nichts angeht. Die Kultur des Wohlstands
betäubt uns, und wir verlieren die Ruhe, wenn der Markt etwas anbietet,
was wir noch nicht gekauft haben, während alle diese wegen fehlender
Möglichkeiten unterdrückten Leben uns wie ein bloßes Schauspiel
erscheinen, das uns in keiner Weise erschüttert.
Nein zur neuen Vergötterung des Geldes
55. Einer der Gründe dieser Situation liegt in der Beziehung, die wir zum
Geld hergestellt haben, denn friedlich akzeptieren wir seine Vorherrschaft
über uns und über unsere Gesellschaften. Die Finanzkrise, die wir
durchmachen, lässt uns vergessen, dass an ihrem Ursprung eine tiefe
anthropologische Krise steht: die Leugnung des Vorrangs des Menschen!
Wir haben neue Götzen geschaffen. Die Anbetung des antiken goldenen
Kalbs (vgl.
Ex
32,1-35) hat eine neue und erbarmungslose Form gefunden
im Fetischismus des Geldes und in der Diktatur einer Wirtschaft ohne
Gesicht und ohne ein wirklich menschliches Ziel. Die weltweite Krise, die
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