Lumen Fidei - page 17

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macht ist. Vor dem Götzen geht man nicht das
mögliche Risiko eines Rufes ein, der einen aus
den eigenen Sicherheiten herausholt, denn die
Götzen »haben einen Mund und reden nicht« (
Ps
115,5). So begreifen wir, dass der Götze ein Vor-
wand ist, sich selbst ins Zentrum der Wirklich-
keit zu setzen, in der Anbetung des Werkes der
eigenen Hände. Wenn der Mensch die Grund-
orientierung verloren hat, die seinem Leben Ein-
heit verleiht, verliert er sich in der Vielfalt seiner
Wünsche; indem er sich weigert, auf die Zeit der
Verheißung zu warten, zerfällt er in die tausend
Augenblicke seiner Geschichte. Darum ist der
Götzendienst immer Polytheismus, eine ziellose
Bewegung von einem Herrn zum andern. Der
Götzendienst bietet nicht einen Weg, sondern
eine Vielzahl von Pfaden, die anstatt zu einem
sicheren Ziel zu führen, vielmehr ein Labyrinth
bilden. Wer sich nicht Gott anvertrauen will,
muss die Stimmen der vielen Götzen hören, die
ihm zurufen: „Vertraue dich mir an!“ Der Glau-
be ist, insofern er an die Umkehr gebunden ist,
das Gegenteil des Götzendienstes und heißt, sich
von den Götzen loszusagen, um zum lebendigen
Gott zurückzukehren durch eine persönliche
Begegnung. Glauben bedeutet, sich einer barm-
herzigen Liebe anzuvertrauen, die stets annimmt
und vergibt, die das Leben trägt und ihm Rich-
tung verleiht und die sich mächtig erweist in ihrer
Fähigkeit, zurechtzurücken, was in unserer Ge-
schichte verdreht ist. Der Glaube besteht in der
Bereitschaft, sich immer neu vom Ruf Gottes
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