EVANGELII GAUDIUM - page 96

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erkennen, den Platz bedenken, den die Personen einnehmen usw. Aber das
Ziel ist nicht, alle kleinen Details eines Textes zu verstehen. Das Wichtigste
ist zu entdecken, was die
Hauptbotschaft
ist, die dem Text Struktur und
Einheit verleiht. Wenn der Prediger diese Anstrengung nicht unternimmt,
dann ist es möglich, dass auch seine Predigt keine Einheit und Ordnung
hat;
seine
Rede
wird
nur
eine
Summe
verschiedener
unzusammenhängender Ideen sein, die nicht imstande sind, die anderen
zu bewegen. Die zentrale Botschaft ist die, welche der Autor an erster Stelle
übermitteln wollte, was einschließt, nicht nur den Gedanken zu erkennen,
sondern auch die Wirkung, die jener Autor erzielen wollte. Wenn ein Text
geschrieben wurde, um zu trösten, sollte er nicht verwendet werden, um
Fehler zu korrigieren; wenn er geschrieben wurde, um zu ermahnen, sollte
er nicht verwendet werden, um zu unterweisen; wenn er geschrieben
wurde, um etwas über Gott zu lehren, sollte er nicht verwendet werden, um
verschiedene theologische Meinungen zu erklären; wenn er geschrieben
wurde, um zum Lobpreis oder zur Missionsarbeit anzuregen, lasst ihn uns
nicht verwenden, um über die letzten Neuigkeiten zu informieren.
148. Gewiss, um den Sinn der zentralen Botschaft eines Textes
entsprechend zu verstehen, ist es notwendig, ihn mit der von der Kirche
überlieferten Lehre der gesamten Bibel in Zusammenhang zu bringen. Das
ist ein wichtiges Prinzip der Bibelauslegung, das die Tatsache
berücksichtigt, dass der Heilige Geist nicht nur einen Teil, sondern die
ganze Bibel inspiriert hat und dass das Volk in einigen Fragen aufgrund
der gemachten Erfahrung in seinem Verständnis des Willens Gottes
gewachsen ist. Auf diese Weise werden falsche oder parteiische
Auslegungen vermieden, die anderen Lehren derselben Schrift
widersprechen. Doch das bedeutet nicht, den eigenen und besonderen
Akzent des Textes, über den man predigen muss, abzuschwächen. Einer
der Fehler einer öden und wirkungslosen Predigt ist genau der, nicht
imstande zu sein, die eigene Kraft des verkündeten Textes zu übermitteln.
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