[DE
-
EN
-
ES
-
FR
-
IT
-
PL
-
PT
-
ZH_CN -
ZH_TW]
DIKASTERIUM FÜR DIE GLAUBENSLEHRE
Erklärung Dignitas infinita
über die menschliche Würde
Präsentation
Auf dem Kongress vom 15. März 2019 beschloss die damalige Kongregation für die
Glaubenslehre, „mit der Ausarbeitung eines Textes zu beginnen, der die
Unausweichlichkeit des Konzepts der Würde der menschlichen Person innerhalb der
christlichen Anthropologie hervorhebt und derenTragweite sowie die nützlichen
Auswirkungen auf sozialer, politischer und wirtschaftlicher Ebene aufzeigt,
unter Berücksichtigung der jüngsten Entwicklungen des Themas im akademischen
Bereich und dessen ambivalenten Auffassungen im heutigen Kontext“. Ein erster
diesbezüglicher Entwurf, der im Laufe des Jahres 2019 mit Hilfe einer Reihe von
Experten erarbeitet wurde, wurde von einer eingeschränkten
Konsultorenversammlung der Kongregation am 8. Oktober desselben Jahres als nicht
zufriedenstellend bewertet.
Ein weiterer Entwurf des Textes wurde von der doktrinären Sektion auf der
Grundlage der Beiträge mehrerer Experten von Grund auf neu erstellt. Dieser
Entwurf wurde am 4. Oktober 2021 in einer Konsultorenversammlung in kleiner
Besetzung vorgestellt und diskutiert. Im Januar 2022 wurde der neue Entwurf der
Plenarsitzung der Kongregation vorgelegt, bei der die Mitglieder den Text
gekürzt und vereinfacht haben.
Am 6. Februar 2023 wurde der neue, geänderte Text von einer kleinbesetzten
Konsultorenversammlung bewertet, die einige weitere Änderungen vorschlug. Die
neue Fassung wurde der Ordentlichen Versammlung des Dikasteriums (Feria IV)
am 3. Mai 2023 zur Bewertung vorgelegt. Die Mitglieder stimmten zu, dass das
Dokument mit einigen Änderungen veröffentlicht werden kann. Der Heilige Vater
Franziskus genehmigte die Beschlüsse dieser Feria IV bei der mir am 13.
November 2023 gewährten Audienz. Bei dieser Gelegenheit bat er mich auch, in dem
Text Themen hervorzuheben, die eng mit dem Thema der Würde verbunden sind, wie
das Drama der Armut, die Situation von Migranten, Gewalt gegen Frauen,
Menschenhandel, Krieg und andere. Um diesem Hinweis des Heiligen Vaters
bestmöglich nachzukommen, widmete die doktrinäre Sektion des Dikasteriums einen
Kongress dem eingehenden Studium der Enzyklika
Fratelli tutti, die eine
originelle Analyse und Vertiefung des Themas der Menschenwürde „unabhängig von
allen Umständen“ bietet.
Mit Schreiben vom 2. Februar 2024 wurde den Mitgliedern des Dikasteriums im
Hinblick auf die Feria IV am darauffolgenden 28. Februar ein neuer,
erheblich veränderter Textentwurf mit folgender Erläuterung übermittelt: „Dieser
weitere Entwurf wurde notwendig, um einer besonderen Bitte des Heiligen Vaters
zu entsprechen. Er forderte ausdrücklich, dass die Aufmerksamkeit auf die
gegenwärtigen schweren Verletzungen der Menschenwürde in unserer Zeit im
Anschluss an die Enzyklika
Fratelli tutti gerichtet werden sollte. Die
doktrinäre Sektion hat daher den ersten Teil gekürzt [...] und detaillierter
ausgearbeitet, worauf der Heilige Vater hingewiesen hatte“. Die Ordentliche
Versammlung des Dikasteriums schließlich hat den Text der vorliegenden
Erklärung am 28. Februar 2024 angenommen. Bei der Audienz, die mir zusammen
mit dem Sekretär der doktrinären Sektion, Msgr. Armando Matteo, am 25. März 2024
gewährt wurde, hat der Heilige Vater dann die vorliegende Erklärung
approbiert und ihre Veröffentlichung angeordnet.
Die Ausarbeitung des Textes, die sich über fünf Jahre hinzog, gibt zu verstehen,
dass wir es mit einem Dokument zu tun haben, das aufgrund der Ernsthaftigkeit
und der zentralen Bedeutung der Frage der Würde im christlichen Denken einen
beträchtlichen Reifungsprozess benötigte, um zu dem endgültigen Entwurf zu
gelangen, den wir heute veröffentlichen.
In den ersten drei Teilen erinnert die Erklärung an grundlegende
Prinzipien und theoretische Annahmen, um wichtige Klarstellungen zu bieten, die
die häufigen Verwirrungen vermeiden können, die bei der Verwendung des Begriffs
„Würde“ auftreten. Im vierten Teil werden einige aktuelle problematische
Situationen dargestellt, in denen die unermessliche und unveräußerliche Würde,
die jedem Menschen zukommt, nicht angemessen anerkannt wird. Das Anzeigen solch
schwerwiegender und aktueller Verletzungen der Menschenwürde erscheint geboten,
denn die Kirche nährt die tiefe Überzeugung, dass der Glauben nicht von der
Verteidigung der Menschenwürde, die Evangelisierung nicht von der Förderung
eines würdigen Lebens und die Spiritualität nicht vom Einsatz für die Würde
aller Menschen getrennt werden können.
Diese Würde aller Menschen kann in der Tat als „unendlich“ (dignitas infinita)
verstanden werden, wie der heilige Johannes Paul II. bei einem Treffen mit
Menschen, die von bestimmten Einschränkungen oder Behinderungen betroffen sind,[1]
bekräftigt hat, um zu zeigen, dass die Würde aller Menschen jede äußerliche
Erscheinung oder jedes Merkmal des konkreten Lebens der Menschen übersteigt.
Papst Franziskus wollte in der Enzyklika
Fratelli tutti mit besonderem
Nachdruck betonen, dass diese Würde „unabhängig von allen Umständen“ besteht,
und forderte alle auf, sie in jedem kulturellen Kontext, in jedem Augenblick des
Lebens eines Menschen zu verteidigen, unabhängig von körperlichen,
psychologischen, sozialen oder sogar moralischen Mängeln. In dieser Hinsicht
versucht die Erklärung zu zeigen, dass wir es mit einer universellen
Wahrheit zu tun haben, zu deren Anerkennung wir alle aufgerufen sind, als
grundlegende Voraussetzung dafür, dass unsere Gesellschaften wirklich gerecht,
friedlich, gesund und letztlich authentisch menschlich seien.
Die Auflistung der in der Erklärung ausgewählten Themen ist sicherlich nicht
erschöpfend. Es handelt sich jedoch um Themen, die es ermöglichen, verschiedene
Aspekte der Menschenwürde zum Ausdruck zu bringen, die im Bewusstsein vieler
Menschen heute möglicherweise verdunkelt sind. Einige sind für verschiedene
Bereiche unserer Gesellschaft leicht akzeptabel, andere weniger. Sie erscheinen
uns jedoch alle notwendig, weil sie zusammengenommen dazu beitragen, die
Harmonie und den Reichtum des Denkens über die Würde zu erkennen, die sich aus
dem Evangelium ergibt.
Die vorliegende Erklärung erhebt nicht den Anspruch, ein so reiches und
entscheidendes Thema zu erschöpfen, sondern will einige Denkanstöße
bereitstellen, die uns helfen, diese Thematik in der komplexen geschichtlichen
Situation, in der wir leben, im Auge zu behalten, damit wir uns inmitten so
vieler Sorgen und Ängste nicht verirren und uns nicht noch mehr zerreißenden und
tiefen Leiden aussetzen.
Víctor Manuel Kard. Fernández
Präfekt
Einleitung
1. Eine unendliche Würde (Dignitas infinita), die unveräußerlich in ihrem
Wesen begründet ist, kommt jeder menschlichen Person zu, unabhängig von allen
Umständen und in welchem Zustand oder in welcher Situation sie sich auch immer
befinden mag. Dieser Grundsatz, der auch von der Vernunft allein voll erkannt werden kann, ist die Grundlage für den Vorrang der
menschlichen Person und den Schutz ihrer Rechte. Die Kirche bekräftigt und
bestätigt im Licht der Offenbarung in absoluter Art und Weise diese ontologische
Würde der menschlichen Person, die nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen
und in Christus Jesus erlöst wurde. Aus dieser Wahrheit leitet sie die Gründe
für ihr Engagement für die Schwächeren und weniger Mächtigen ab, wobei sie stets
auf den „Primat der menschlichen Person und der Verteidigung ihrer Würde
unabhängig von allen Umständen“[2]
besteht.
2. Diese ontologische Würde und der einzigartige und herausragende Wert jeder
Frau und jedes Mannes, die in dieser Welt existieren, wurden in der
Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (10. Dezember 1948) von der
Generalversammlung der Vereinten Nationen verbindlich bekräftigt.[3] Beim Gedenken des 75. Jahrestags dieses Dokuments sieht die Kirche die
Gelegenheit, erneut ihre Überzeugung zu verkünden, dass jeder Mensch, der von
Gott geschaffen und von Christus erlöst wurde, gerade wegen seiner unveräußerlichen Würde
anerkannt und mit Achtung und Liebe behandelt werden muss. Der erwähnte
Jahrestag bietet der Kirche auch die Gelegenheit, einige Missverständnisse zu
klären, die häufig in Bezug auf die Menschenwürde auftreten, und einige ernste
und dringende konkrete Fragen in diesem Zusammenhang anzusprechen.
3. Seit Beginn ihrer Sendung hat sich die Kirche, geleitet vom Evangelium, darum
bemüht, die Freiheit zu bekräftigen und die Rechte aller Menschen zu fördern.[4] In jüngster Zeit hat sie sich dank der Stimme der Päpste bemüht, dieses
Engagement durch den erneuten Aufruf zur Anerkennung der grundlegenden Würde der
menschlichen Person noch deutlicher zu formulieren. Der heilige Paul VI. sagte,
dass „keine Anthropologie derjenigen der Kirche über die menschliche Person
gleichkommt, selbst wenn sie individuell betrachtet wird, was ihre Originalität,
ihre Würde, die Unantastbarkeit und den Reichtum ihrer Grundrechte, ihre
Heiligkeit, ihre Erziehbarkeit, ihr Streben nach vollständiger Entwicklung und
ihre Unsterblichkeit betrifft“[5].
4. Der heilige Johannes Paul II. erklärte 1979 auf der Dritten Lateinamerikanischen
Bischofskonferenz in Puebla: „Die Menschenwürde ist ein Wert im Evangelium, der
nicht verachtet werden kann, ohne den Schöpfer schwer zu verletzen. Diese Würde wird auf individueller Ebene verletzt, wenn Werte wie Freiheit, das
Recht auf Religionsausübung, körperliche und seelische Unversehrtheit, das Recht
auf lebensnotwendige Güter und auf das Leben nicht gebührend berücksichtigt
werden. Sie wird auf gesellschaftlicher und politischer Ebene mit Füßen
getreten, wenn Menschen ihr Recht auf Teilhabe nicht wahrnehmen können oder sie
wird ungerechtfertigtem und unrechtmäßigem Zwang oder physischer oder
psychischer Folter ausgesetzt usw. [...] Wenn die Kirche bei der Verteidigung
oder Förderung der Menschenwürde präsent ist, so tut sie dies in Übereinstimmung
mit ihrer Sendung, die, obwohl sie religiös und nicht sozial oder politisch ist,
nicht umhin kann, den Menschen in seiner Ganzheit zu betrachten.“[6]
5. Im Jahr 2010 erklärte Benedikt XVI. vor der Päpstlichen Akademie für das
Leben, dass die Würde der Person „ein grundlegendes Prinzip [ist], das der
Glaube an Jesus Christus, den Gekreuzigten und Auferstandenen, immer verteidigt
hat, vor allem wenn es gegenüber den geringsten und schutzlosesten Personen
mißachtet wird“[7]. Bei einer anderen Gelegenheit sagte er vor Wirtschaftsfachleuten: „Die
Wirtschafts- und die Finanzwelt sind kein Selbstzweck, sondern nur ein Werkzeug,
ein Hilfsmittel. Ihr einziges Ziel ist die menschliche Person und ihre volle
Erfüllung in Würde. Dies ist das einzige Kapital, das es zu bewahren gilt.“[8]
6. Gleich zu Beginn seines Pontifikats hat Papst Franziskus die Kirche
eingeladen, „einen himmlischen Vater zu bekennen, der jeden einzelnen Menschen
unendlich liebt“ und zu entdecken, „dass er ihm ,dadurch unendliche Würde
verleiht‘,“[9] wobei er nachdrücklich betont, dass diese unermessliche Würde eine ursprüngliche
Gegebenheit darstellt, die mit Treue anerkannt und mit Dankbarkeit angenommen
werden muss. Gerade auf diese Anerkennung und Annahme beruht die Möglichkeit,
ein neues Zusammenleben unter den Menschen zu begründen, das die Weggemeinschaft
in einem Horizont echter Brüderlichkeit dekliniert: Nur indem wir „die Würde
jedes Menschen anerkennen“, können wir „bei allen ein weltweites Streben nach
Geschwisterlichkeit zum Leben erwecken“[10]. Nach Papst Franziskus liegt „die Quelle der Menschenwürde und
Geschwisterlichkeit im Evangelium Jesu Christi“[11], aber es ist auch eine Überzeugung, zu der die menschliche Vernunft durch
Reflexion und Dialog gelangen kann, denn „[w]enn man diese Würde in jeder
Situation respektieren soll, dann nicht etwa deshalb, weil wir die Würde der
anderen erfinden oder annehmen, sondern weil sie wirklich einen Wert besitzen,
der über die materiellen Dinge und die Umstände hinausgeht; diese erfordern,
dass sie auf andere Weise behandelt werden. Dass jeder Mensch eine
unveräußerliche Würde besitzt, ist eine Wahrheit, die der menschlichen Natur
unabhängig jeden kulturellen Wandels zukommt.“[12] In Wahrheit, so schließt Papst Franziskus, „besitzt der Mensch die gleiche
unantastbare Würde in jeder historischen Epoche. Niemand kann sich durch die
Umstände ermächtigt fühlen, diese Überzeugung zu leugnen oder ihr nicht
entsprechend zu handeln“[13]. In dieser Perspektive stellt seine Enzyklika
Fratelli tutti bereits
eine Art Magna Charta der heutigen Aufgaben zur Wahrung und Förderung der
Menschenwürde dar.
Eine grundlegende Klärung
7. Obwohl inzwischen ein recht allgemeiner Konsens über die Bedeutung und auch
über die normative Tragweite der Würde und des einzigartigen und transzendenten
Wertes jedes Menschen besteht,[14] birgt der Ausdruck „Würde der menschlichen Person“ oft die Gefahr, dass er
viele Bedeutungen annehmen und somit zu möglichen Missverständnissen[15] und „Widersprüche[n führen kann], aufgrund derer wir uns fragen, ob die
Gleichheit an Würde aller Menschen […] unter allen Umständen anerkannt,
geachtet, geschützt und gefördert wird“[16]. All dies führt uns dazu, die Möglichkeit einer vierfachen Unterscheidung im
Verständnis von Würde zu erkennen: die ontologische Würde, die
sittliche Würde, die soziale Würde und schließlich die
existenzielle Würde. Die wichtigste Sinngebung ist an die ontologische
Würde gebunden, die der Person als solcher allein durch die Tatsache
zukommt, dass sie existiert und von Gott gewollt, geschaffen und geliebt ist.
Diese Würde kann niemals ausgelöscht werden und bleibt über alle Umstände hinaus
gültig, in denen sich der Einzelne befinden kann. Wenn wir dagegen von
sittlicher Würde sprechen, beziehen wir uns vielmehr auf die Ausübung der
Freiheit durch das menschliche Geschöpf. Dieses ist zwar mit einem Gewissen
ausgestattet, bleibt aber immer offen für die Möglichkeit, gegen dieses Gewissen
zu handeln. Damit verhält sich der Mensch in einer Weise, die seiner Natur als
von Gott geliebtes und zur Liebe zu seinen Brüdern und Schwestern berufenes
Geschöpf „unwürdig ist“. Aber diese Möglichkeit besteht. Und nicht nur das. Die
Geschichte bezeugt, dass die Ausübung der Freiheit gegen das vom Evangelium
geoffenbarte Gesetz der Liebe unermessliche Ausmaße des Bösen erreichen kann,
das anderen zugefügt wird. Wenn dies geschieht, stehen wir vor Menschen, die
jede Spur von Menschlichkeit, jede Spur von Würde verloren zu haben scheinen. In
dieser Hinsicht hilft uns die hier eingeführte Unterscheidung, genau zwischen
dem Aspekt der sittlichen Würde, die tatsächlich „verloren“ gehen kann, und dem
Aspekt der ontologischen Würde, die niemals aufgehoben werden kann, zu
differenzieren. Und gerade wegen letzterer müssen wir uns mit aller Kraft dafür
einsetzen, dass all jene, die Böses getan haben, umkehren und Buße tun.
8. Es gibt noch zwei weitere mögliche Bedeutungen von Würde: die soziale und die
existenzielle. Wenn wir von sozialer Würde sprechen, beziehen wir uns auf
die Bedingungen, unter denen ein Mensch lebt. Wenn beispielsweise in extremer
Armut nicht die Mindestvoraussetzungen gegeben sind, damit ein Mensch ihrer
ontologischen Würde entsprechend leben kann, sagen wir, dass das Leben dieses
armen Menschen ein „unwürdiges“ Leben ist. Dieser Ausdruck bedeutet keineswegs
eine Verurteilung der menschlichen Person, sondern soll die Tatsache
hervorheben, dass ihre unveräußerliche Würde durch die Situation, in der sie zu
leben gezwungen ist, beeinträchtigt wird. Die letzte Bedeutung ist die der
existenziellen Würde. Immer häufiger sprechen wir heute von einem „würdigen“
und einem „unwürdigen“ Leben. Und mit dieser Bezeichnung beziehen wir uns auf
Situationen, die eben existenziell sind: zum Beispiel der Fall eines Menschen,
dem es an nichts Lebensnotwendigem fehlt, der aber aus verschiedenen Gründen
Schwierigkeiten hat, in Frieden, Freude und Hoffnung zu leben. In anderen
Situationen ist es das Vorhandensein schwerer Krankheiten, gewalttätiger
familiärer Verhältnisse, bestimmter pathologischer Abhängigkeiten und anderer
Schwierigkeiten, die jemanden dazu bringen, seine Lebensverhältnisse gegenüber
der Wahrnehmung jener ontologischen Würde, die niemals verdunkelt werden kann,
als „unwürdig“ zu erleben. Die hier eingeführten Unterscheidungen dienen
jedenfalls nur dazu, uns an den unveräußerlichen Wert jener ontologischen Würde
zu erinnern, die im Wesen der menschlichen Person selbst verwurzelt ist und
unabhängig von allen Umständen besteht.
9. Schließlich sei an dieser Stelle daran erinnert, dass die klassische
Definition von Person als „unteilbare Substanz der vernünftigen Natur“[17]die Grundlage ihrer Würde deutlich macht. In der Tat genießt die Person als
„unteilbare Substanz“ die ontologische Würde (d. h. auf der metaphysischen Ebene
des Seins selbst): Sie ist ein Subjekt, das, nachdem es seine Existenz von Gott
erhalten hat, „subsistiert“, d. h. seine Existenz selbständig ausübt. Das Wort
„vernünftig“ umfasst eigentlich alle Fähigkeiten des Menschen: sowohl die des
Erkennens und Verstehens als auch die des Wollens, Liebens, Wählens und
Begehrens. Der Begriff „vernünftig“ umfasst dann auch alle körperlichen
Fähigkeiten, die mit den oben genannten eng verbunden sind. Der Ausdruck „Natur“
bezeichnet die dem Menschen eigenen Bedingungen, die die verschiedenen
Unternehmungen und Erfahrungen ermöglichen: Die Natur ist das „Prinzip des
Handelns“. Der Mensch erschafft seine Natur nicht, er besitzt sie als Geschenk
und kann seine Fähigkeiten kultivieren, entwickeln und bereichern. Indem er von
seiner Freiheit Gebrauch macht, um den Reichtum seiner eigenen Natur zu
kultivieren, baut sich die menschliche Person im Laufe der Zeit auf. Selbst wenn
sie aufgrund verschiedener Einschränkungen oder Bedingungen nicht in der Lage
ist, diese Fähigkeiten zu nutzen, bleibt diePerson immer als „unteilbare
Substanz“ mit deren ganzer unveräußerlichen Würde erhalten. Dies ist z. B. bei
einem ungeborenen Kind, bei einem bewusstlosen Menschen, bei einem alten
Menschen im Todeskampf der Fall.
1. Ein fortschreitendes Bewusstsein für die zentrale Bedeutung der Menschenwürde
10. Bereits in der klassischen Antike[18] bildet sich eine erste Einsicht über die Menschenwürde, die von einer
sozialen Perspektive ausgeht: Jeder Mensch ist mit einer bestimmten Würde
ausgestattet, je nach seinem Rang und innerhalb einer bestimmten Ordnung. Von
der sozialen Sphäre aus entwickelte sich der Begriff weiter zur Beschreibung der
unterschiedlichen Würde der Wesen im Kosmos. In dieser Sichtweise besitzen alle
Wesen ihre eigene „Würde“, je nach ihrem Platz in der Harmonie des Ganzen.
Gewiss, an einigen Höhepunktendes antiken Denkens beginnt man, eine besondere Stellung des Menschen
anzuerkennen, insofern er mit Vernunft ausgestattet und daher fähig ist, für
sich selbst und die anderen Wesen in der Welt Verantwortung zu übernehmen,[19] aber wir sind noch weit entfernt von einem Denken, das die Achtung vor der
Würde jedes menschlichen Wesens über alle Umstände hinweg begründen kann.
Biblische Perspektiven
11. Die biblische Offenbarung lehrt, dass jeder Mensch eine ihm innewohnende
Würde besitzt, weil er nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen ist: „Dann
sprach Gott: ,Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich‘ [..] Gott
schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als
Mann und Frau schuf er sie.“ (Gen 1,26-27). Das Menschsein hat eine
spezifische Qualität, das nicht auf das rein Materielle reduziert werden kann.
Das „Bild“ bezeichnet nicht die Seele oder die intellektuellen Fähigkeiten,
sondern die Würde von Mann und Frau. Beide erfüllen in ihrer gegenseitigen
Beziehung der Gleichheit und der gegenseitigen Liebe die Funktion, Gott in der
Welt zu repräsentieren, und sind dazu berufen, die Welt zu bewahren und zu
pflegen. Nach dem Bilde Gottes geschaffen zu sein bedeutet also, dass wir einen
heiligen Wert in uns tragen, der alle geschlechtlichen, sozialen, politischen,
kulturellen und religiösen Unterschiede übersteigt. Unsere Würde wird uns
geschenkt; sie ist weder eingefordert noch verdient. Jeder Mensch wird von Gott
um seiner selbst willen geliebt und gewollt und ist daher in seiner Würde
unantastbar. Im Exodus, dem Herzstück des Alten Testaments, zeigt sich
Gott als derjenige, der den Schrei des Armen hört, das Elend seines Volkes
sieht, sich um die Letzten und Unterdrückten kümmert (vgl. Ex 3,7;
22,20-26). Dieselbe Lehre findet sich im Gesetzeswerk des Deuteronomium (vgl.
Dtn 12-26): Hier wird die Lehre über die Rechtsvorschriften in ein
„Manifest“ der Menschenwürde umgewandelt, insbesondere zugunsten der dreifachen
Kategorie, nämlich des Waisen, der Witwe und des Fremden (vgl. Dtn
24,17). Die alten Gebote des Exodus werden durch die Verkündigung der
Propheten, die das kritische Gewissen Israels darstellen, in Erinnerung gerufen
und aktualisiert. Die Propheten Amos, Hosea, Jesaja, Micha und Jeremia prangern
in ganzen Kapiteln die Ungerechtigkeit an. Amos prangert hart die Unterdrückung
des Armen und die Nichtanerkennung einer grundlegenden Menschenwürde des
Schwachen an (vgl. Am 2,6-7; 4,1; 5,11-12). Jesaja verflucht diejenigen,
die die Rechte der Armen mit Füßen treten und ihnen jegliches Recht absprechen:
„Weh denen, die unheilvolle Gesetze erlassen und unerträgliche Vorschriften
machen, um die Schwachen vom Gericht fern zu halten“ (Jes 10,1-2). Diese
prophetische Lehre wird in der Weisheitsliteratur wiederaufgenommen. Jesus
Sirach setzt die Unterdrückung der Armen mit dem Mord gleich: „Den Nächsten
mordet, wer ihm den Unterhalt nimmt, Blut vergießt, wer dem Arbeiter den Lohn
vorenthält“ (Sir 34,22). In den Psalmen geht die religiöse
Beziehung zu Gott über die Verteidigung der Schwachen und Bedürftigen:
„Verschafft Recht den Unterdrückten und Waisen, verhelft den Gebeugten und
Bedürftigen zum Recht! Befreit die Geringen und Armen, entreißt sie der Hand der
Frevler!“ (Ps 82,3-4).
12. Jesus ist in bescheidenen Verhältnissen geboren und aufgewachsen, und
offenbart die Würde der Bedürftigen und der arbeitenden Menschen[20]. Während seines gesamten Wirkens bekräftigt Jesus den Wert und die Würde all
derer, die das Ebenbild Gottes tragen, unabhängig von ihrem sozialen Status und
ihren äußeren Umständen. Jesus hat kulturelle und kultische Schranken
niedergerissen und den „Ausgestoßenen“ oder denjenigen, die am Rande der
Gesellschaft stehen, ihre Würde zurückgegeben: den Zöllnern (vgl. Mt
9,10-11), den Frauen (vgl. Joh 4,1-42), den Kindern (vgl. Mk
10,14-15), den Aussätzigen (vgl. Mt 8,2-3), den Kranken (vgl. Mk
1,29-34), den Fremden (vgl. Mt 25,35), den Witwen (vgl. Lk
7,11-15). Er heilt, speist die Hungrigen, er verteidigt, befreit, er rettet. Er
wird als fürsorglicher Hirte für das eine verlorene Schaf beschrieben (vgl.
Mt 18,12-14). Er selbst identifiziert sich mit seinen geringsten Brüdern und
Schwestern: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr
mir getan“ (Mt 25,40). In der biblischen Sprache sind die „Kleinen“ nicht
nur die unmündigen Kinder, sondern auch die wehrlosen Jünger, die
Unbedeutendsten, die Ausgestoßenen, die Unterdrückten, die Verworfenen, die
Armen, die Ausgegrenzten, die Unwissenden, die Kranken, die von den herrschenden
Gruppen Herabgestuften. Der glorreiche Christus wird aufgrund der Nächstenliebe
richten, die darin besteht, dem Hungrigen, dem Durstigen, dem Fremden, dem
Nackten, dem Kranken, dem Gefangenen, mit denen er sich identifiziert, geholfen
zu haben (vgl. Mt 25,34-36). Für Jesus ist das Gute, das jedem Menschen
getan wird, unabhängig von den Banden des Blutes oder der Religion, das einzige
Beurteilungskriterium. Der Apostel Paulus stellt fest: Jeder Christ muss sich
gemäß den Ansprüchen der Würde und der Achtung der Rechte aller Menschen (vgl.
Röm 13,8-10) verhalten, gemäß dem neuen Gebot der Nächstenliebe (vgl.
1 Kor 13,1-13).
Entwicklungen des christlichen Denkens
13. Die Entwicklung des christlichen Denkens hat dann den Fortschritt der
menschlichen Reflexion über das Thema der Würde angeregt und begleitet. Die
klassische christliche Anthropologie, die sich auf die große Tradition der
Kirchenväter stützt, betonte die Lehre vom Menschen, der nach dem Bild und
Gleichnis Gottes geschaffen wurde, sowie dessen einzigartige Rolle in der
Schöpfung.[21] Das mittelalterliche christliche Denken ist beim Sichten des Erbes des
antiken philosophischen Denkens zu einer Synthese des Personenbegriffs gelangt,
indem es die metaphysische Grundlage der Würde der Person anerkannte, wie die
folgenden Worte des heiligen Thomas von Aquin bezeugen: „,Person‘ bezeichnet,
was im Bereiche aller Natur am vollkommensten ist; was nämlich für sich besteht
in der vernünftigen Natur”.[22] Diese ontologische Würde in ihrer privilegierten Manifestation durch das
freie menschliche Handeln wurde später vor allem durch den christlichen
Humanismus der Renaissance betont.[23] Selbst in der Sicht moderner Denker wie Descartes und Kant, die ebenfalls
einige der Grundlagen der traditionellen christlichen Anthropologie in Frage
stellten, sind Anklänge an die Offenbarung deutlich zu erkennen. Auf der
Grundlage einiger neuerer philosophischer Überlegungen zum Status der
theoretischen und praktischen Subjektivität hat die christliche Reflexion dann
die Tiefe des Begriffes der Menschenwürde weiter hervorgehoben und hat im 20.
Jahrhundert eine originelle Sichtweise erreicht, so z. B. den Personalismus.
Diese Perspektive greift nicht nur die Frage der Subjektivität auf, sondern
vertieft sie in Richtung Intersubjektivität und Beziehungen, die die
menschlichen Personen miteinander verbinden.[24] Das zeitgenössische christliche anthropologische Konzept wurde auch durch
die Überlegungen aus dieser letztgenannten Sichtweise bereichert.[25]
Gegenwärtige Zeiten
14. Heutzutage wird der Begriff „Würde“ vor allem verwendet, um die
Einzigartigkeit der menschlichen Person zu betonen, die mit den anderen
Lebewesen des Universums nicht vergleichbar ist. In diesem Sinne ist auch die
Verwendung des Begriffs der Menschenwürde in der Erklärung der Vereinten
Nationen von 1948 zu verstehen, in der von der „angeborenen Würde und den
gleichen und unveräußerlichen Rechten aller Mitglieder der menschlichen Familie“
die Rede ist. Erst dieser unveräußerliche Charakter der Menschenwürde macht es
möglich, von Menschenrechten zu sprechen.[26]
15. Zur weiteren Klärung des Begriffs der Würde ist es wichtig, darauf
hinzuweisen, dass die Würde der Person nicht von anderen Menschen auf der
Grundlage bestimmter Gaben und Eigenschaften verliehen wird, so dass sie
möglicherweise entzogen werden könnte. Würde die Menschenwürde der Person von
anderen Menschen verliehen, dann wäre sie bedingt und veräußerbar, und der
eigentliche Sinn der Würde (so sehr sie auch zu achten ist) bliebe der Gefahr
ausgesetzt, abgeschafft zu werden. In Wirklichkeit ist die Würde der Person
innewohnend und wird eben nicht erst im Nachhinein verliehen; sie geht jeder
Anerkennung voraus und kann nicht verloren werden. Folglich besitzen alle
Menschen die gleiche, ihnen innewohnende Würde, unabhängig davon, ob sie in der
Lage sind, diese angemessen zum Ausdruck zu bringen oder nicht.
16. Deshalb spricht das Zweite Vatikanische Konzil von „der erhabenen Würde, die der
menschlichen Person zukommt, da sie die ganze Dingwelt überragt und Träger
allgemeingültiger sowie unverletzlicher Rechte und Pflichten ist.“[27]
Wie es im Vorwort der Konzilserklärung
Dignitatis humanae heißt, kommt
[d]ie Würde der menschlichen Person […] den Menschen unserer Zeit immer mehr zum
Bewußtsein.“[28] Diese individuelle
und gemeinschaftliche Gedanken- und Gewissensfreiheit beruht auf der Anerkennung
der Würde des Menschen, „wie sie durch das geoffenbarte Wort Gottes und durch
die Vernunft selbst erkannt wird“.[29]
Das kirchliche Lehramt selbst hat mit immer größerer Einsicht die Bedeutung
dieser Würde eingedenk der damit verbundenen Erfordernisse und Konsequenzen
erkannt und ist zur Erkenntnis gelangt, dass die Würde eines jeden Menschen über
alle Umstände hinweg dieselbe ist.
2. Die Kirche verkündet, fördert und macht sich zum Garanten der Menschenwürde
17. Die Kirche verkündet die gleiche Würde aller Menschen, unabhängig von ihren
Lebensumständen und ihren Eigenschaften. Diese Verkündigung beruht auf einer
dreifachen Überzeugung, die im Lichte des christlichen Glaubens der
Menschenwürde einen unermesslichen Wert verleiht und die ihr innewohnenden
Forderungen verstärkt.
Ein unauslöschliches Bild Gottes
18. Gemäß der Offenbarung entspringt zunächst einmal die Würde des Menschen der
Liebe seines Schöpfers, der ihm die unauslöschlichen Züge seines Ebenbildes
eingeprägt hat (vgl. Gen 1,26) und ihn dazu aufruft, ihn zu erkennen, zu
lieben und in einer Bundesbeziehung mit ihm sowie in Brüderlichkeit,
Gerechtigkeit und Frieden mit allen anderen Menschen zu leben. In dieser
Sichtweise bezieht sich die Würde nicht nur auf die Seele, sondern auf die
Person als untrennbare Einheit und ist somit auch ihrem Leib zu eigen, der auf
seine Weise am Ebenbild des Menschen teilhat und auch dazu berufen ist, an der
Herrlichkeit der Seele in der göttlichen Seligkeit teilzuhaben.
Christus erhebt die Würde des Menschen
19. Eine zweite Überzeugung geht von der Tatsache aus, dass die Würde der
menschlichen Person in ihrer ganzen Fülle offenbart wurde, als der Vater seinen
Sohn sandte, der die menschliche Existenz bis ins Innerste annahm: „Im Geheimnis
der Menschwerdung bekräftigte der Sohn Gottes die Würde des Leibes und der
Seele, die für den Menschen konstitutiv sind“.[30]
Indem er sich durch seine Menschwerdung in gewisser Weise mit jedem Menschen
vereinigte, bestätigte Jesus Christus, dass jeder Mensch allein durch die
Zugehörigkeit zu derselben menschlichen Gemeinschaft eine unschätzbare Würde
besitzt, die niemals verloren gehen kann.[31]
Indem er verkündete, dass das Reich Gottes den Armen, den Demütigen, den
Verachteten, den an Leib und Geist Leidenden gehört; indem er alle Arten von
Krankheiten und Gebrechen heilte, auch die besorgniserregendsten wie den
Aussatz. Indem er bekräftigte, dass das, was man diesen Menschen antut, ihm
angetan wird, weil er in diesen Menschen gegenwärtig ist, brachte Jesus die
große Neuheit der Anerkennung der Würde jedes Menschen, auch und gerade
derjenigen, die als „unwürdig“ betrachtet wurden. Dieses neue Prinzip in der
Menschheitsgeschichte, wonach der Mensch umso mehr „wert“ ist, respektiert und
geliebt zu werden, je schwächer, elender und leidender er ist, bis hin zum
Verlust seiner menschlichen „Gestalt“, hat das Gesicht der Welt verändert und
zur Gründung von Einrichtungen geführt, die sich um Menschen in schwierigen
Lebensumständen kümmern: ausgesetzte Neugeborene, Waisen, allein gelassene alte
Menschen, psychisch Kranke, Menschen mit unheilbaren Krankheiten oder schweren
Missbildungen, Menschen, die auf der Straße leben.
Eine Berufung zur Fülle der Menschenwürde
20. Die dritte Überzeugung betrifft die endgültige Bestimmung des Menschen: Nach
der Schöpfung und der Menschwerdung offenbart uns die Auferstehung Christi einen
weiteren Aspekt der menschlichen Würde. In der Tat besteht „der erhabenste
Aspekt der Würde des Menschen in seiner Berufung zur Gemeinschaft mit Gott“,[32]
angelegt für die Ewigkeit. So hängt „die Würde dieses Lebens […] nicht nur von
seinem Ursprung, von seiner Herkunft von Gott ab, sondern auch von seinem
Endziel, von seiner Bestimmung als Gemeinschaft mit Gott im Erkennen und in der
Liebe zu ihm. Im Lichte dieser Wahrheit präzisiert und vervollständigt der hl.
Irenäus seine Lobpreisung des Menschen: ,Herrlichkeit Gottes‘ ist ,der lebendige
Mensch‘, aber ‚das Leben des Menschen besteht in der Schau Gottes‘“[33].
21. Folglich glaubt und bekräftigt die Kirche, dass alle Menschen, die nach dem
Bild und Gleichnis Gottes geschaffen und in dem menschgewordenen, gekreuzigten
und auferstandenen Sohn wiedergeboren sind[34],
dazu berufen sind, unter dem Wirken des Heiligen Geistes zu wachsen, um die
Herrlichkeit des Vaters in demselben Bild widerzuspiegeln und am ewigen Leben
teilzuhaben (vgl. Joh 10,15-16, 17,22-24; 2 Kor 3,18; Eph
1,3-14). In der Tat lässt „die Offenbarung [...] die Würde der menschlichen
Person in ihrem ganzen Umfang ans Licht treten“[35].
Ein Einsatz für die eigene Freiheit
22. Obwohl jeder Mensch von Anfang an eine unveräußerliche und ihm innewohnende
Würde als unwiderrufliches Geschenk besitzt, hängt es von seiner freien und
verantwortlichen Entscheidung ab, ob er diese Würde voll zum Ausdruck bringt und
manifestiert oder sie schmälert. Einige Kirchenväter – wie der hl. Irenäus oder
der hl. Johannes von Damaskus – haben zwischen Bild und Ähnlichkeit, von denen
in der Genesis die Rede ist, unterschieden, und damit eine dynamische
Sicht der menschlichen Würde selbst ermöglicht: Das Bild Gottes ist der Freiheit
des Menschen anvertraut, damit unter der Führung und dem Wirken des Geistes
seine Ähnlichkeit mit Gott wächst und jeder Mensch seine höchste Würde erlangt.[36]
In der Tat ist jeder Mensch dazu berufen, die ontologische Tragweite seiner
Würde auf existenzieller und moralischer Ebene in dem Maße zu manifestieren, in
dem er sich in seiner eigenen Freiheit als Antwort auf die Liebe Gottes auf das
wahre Gut ausrichtet. Da der Mensch nach dem Bilde Gottes geschaffen ist,
verliert er einerseits nie seine Würde und hört nie auf, dazu berufen zu sein,
das Gute frei anzunehmen; andererseits kann sich seine Würde in dem Maße, wie er
auf das Gute antwortet, frei, dynamisch und immer mehr manifestieren,
wachsen und reifen. Das bedeutet, dass der Mensch auch danach streben muss,
seiner Würde gerecht zu werden. So ist verständlich, in welchem Sinne die Sünde
die Menschenwürde verwunden und verdunkeln kann, nämlich als ihr gegensätzliche
Handlung, aber gleichzeitig kann die Sünde niemals die Tatsache
auslöschen, dass der Mensch nach dem Bild Gottes geschaffen wurde. Der Glaube
trägt also entscheidend dazu bei, der Vernunft bei der Wahrnehmung der
Menschenwürde zu helfen und ihre Wesenszüge anzunehmen, zu bestärken und zu
verdeutlichen, wie Benedikt XVI. betonte: „Ohne die Korrekturfunktion der Religion kann jedoch auch die Vernunft den
Gefahren einer Verzerrung anheimfallen, wenn sie zum Beispiel von Ideologien
manipuliert wird oder auf einseitige Weise zur Anwendung kommt, ohne die Würde
der menschlichen Person voll zu berücksichtigen. Ein solcher Mißbrauch der
Vernunft war es ja auch, der den Sklavenhandel und viele andere
gesellschaftliche Übel erst ermöglicht hat, nicht zuletzt die totalitären
Ideologien des zwanzigsten Jahrhunderts“[37].
3. Die Menschenwürde, die Grundlage der Menschenrechte und -pflichten
23. Wie Papst Franziskus bereits daran erinnert hat, „in der modernen Kultur ist
der Bezug, der dem Prinzip der unveräußerlichen Würde des Menschen am nächsten
ist, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die der heilige Johannes Paul
II. als einen ,Meilenstein auf dem langen und schwierigen Weg der Menschheit‘
und als ‚eine der höchsten Ausdrucksformen des menschlichen Gewissens‘
bezeichnet hat“[38]. Um den
Versuchen zu widerstehen, die tiefe Bedeutung dieser Erklärung zu
verändern oder auszulöschen, lohnt es sich, an einige wesentliche Grundsätze zu
erinnern, die immer beachtet werden müssen.
Unbedingte Achtung der Menschenwürde
24. Zu allererst gibt es trotz des wachsenden Bewusstseins für die Frage der
Menschenwürde immer noch viele Missverständnisse des Begriffs Würde, die seine
Bedeutung verfälschen. Einige schlagen vor, statt „Menschenwürde“ (und Rechte
des Menschen) besser den Ausdruck „personale Würde“ (und Rechte „der Person“)
zu verwenden, weil sie unter einer Person lediglich „ein vernunftbegabtes Wesen“
verstehen. Folglich leiten sie Würde und Rechte aus der Fähigkeit zu Erkenntnis
und Freiheit ab, mit der nicht alle Menschen ausgestattet sind. Das ungeborene
Kind hätte demnach keine personale Würde, ebenso wenig wie ein unselbstständig
gewordener alter Mensch, oder jemand mit einer geistigen Behinderung.[39]
Die Kirche besteht im Gegenteil auf der Tatsache, dass die Würde jeder
menschlichen Person, gerade weil ihr untrennbar verbunden, „jenseits aller
Umstände“ bleibt und ihre Anerkennung in keiner Weise von der Beurteilung der
Fähigkeit zu Erkenntnis und zu freiem Handeln einer Person abhängen kann.
Andernfalls wäre die Würde nicht als solche dem Menschen innewohnend, unabhängig
von seiner Konditionierung und daher einer bedingungslosen Achtung
würdig. Nur durch die Anerkennung einer dem Menschen innewohnenden Würde, die
niemals verloren gehen kann, ist es möglich, ihr eine unantastbare und sichere
Grundlage zuzusichern. Ohne jeden ontologischen Bezug wäre die Anerkennung der
Menschenwürde unterschiedlichen und willkürlichen Bewertungen ausgeliefert. Die
einzige Bedingung, unter der von einer der Person an sich innewohnenden Würde
gesprochen werden kann, ist also die Zugehörigkeit zur menschlichen Gattung,
weshalb „die Rechte der Person die Rechte des Menschen“ sind.[40]
Ein objektiver Bezugspunkt für die menschliche Freiheit
25. Zweitens wird der Begriff der Menschenwürde gelegentlich
missbräuchlich verwendet, um eine willkürliche Vermehrung neuer Rechte zu
rechtfertigen, von denen viele oft im Widerspruch zu den ursprünglich
definierten stehen und nicht von ungefähr in Konflikt mit dem Grundrecht auf
Leben gebracht werden,[41] als ob
die Möglichkeit, jede individuelle Präferenz oder jede subjektive Befindlichkeit
zu äußern und zu verwirklichen, garantiert werden müsste. Die Würde wird dann
mit einer isolierten und individualistischen Freiheit gleichgesetzt, die
beansprucht, bestimmte subjektive Wünsche und Neigungen als von der Gemeinschaft
garantierte und finanzierte „Rechte“ durchzusetzen. Die Menschenwürde kann
jedoch weder auf rein individuellen Maßstäben beruhen noch mit dem
psychischen und leiblichen Wohlbefinden des Einzelnen allein identifiziert
werden. Vielmehr beruht die Verteidigung der Menschenwürde auf konstitutiven
Forderungen der menschlichen Natur, die weder von individueller Willkür noch von
gesellschaftlicher Anerkennung abhängen. Die Pflichten, die sich aus der
Anerkennung der Würde des anderen ergeben, und die entsprechenden Rechte, die
sich daraus ableiten, haben daher einen konkreten und objektiven Inhalt, der auf
der gemeinsamen menschlichen Natur beruht. Ohne einen solchen objektiven Bezug
ist der Begriff der Würde in der Tat der unterschiedlichsten Willkür und
Machtinteressen unterworfen.
Die Beziehungsstruktur der menschlichen Person
26. Die Menschenwürde trägt angesichts des Beziehungscharakters der
Person dazu bei, die reduktionistische Perspektive einer selbstbezogenen und
individualistischen Freiheit zu überwinden, die den Anspruch erhebt, ihre
eigenen Werte unabhängig von den objektiven Normen des Guten und der Beziehung
zu anderen Lebewesen zu schaffen. Zunehmend besteht nämlich die Gefahr, die
Menschenwürde auf die Fähigkeit zu beschränken, nach eigenem Ermessen über sich
selbst und das eigene Schicksal zu entscheiden, unabhängig von dem der anderen,
ohne die Zugehörigkeit zur menschlichen Gemeinschaft zu berücksichtigen. In
einem solchen falschen Verständnis von Freiheit gelingt es nicht, Pflichten und Rechte gegenseitig so anzuerkennen, dass einer für den
anderen Sorge trägt. Wie der heilige Johannes Paul II. wahrheitsgemäß in
Erinnerung ruft, hat die Freiheit ihren Platz „im Dienst der Person und ihrer
Verwirklichung durch die Selbsthingabe und die Annahme der anderen; wenn die
Freiheit jedoch in individualistischer Weise verabsolutiert wird, wird sie ihres
ursprünglichen Inhalts entleert und steht im Widerspruch zu ihrer Berufung und
Würde“[42].
27. Zur Würde des Menschen gehört also auch die der menschlichen Natur selbst
innewohnende Fähigkeit, Verpflichtungen gegenüber anderen zu übernehmen.
28. Der Unterschied zwischen dem Menschen und den übrigen Lebewesen, der durch
den Begriff der Würde hervorgehoben wird, darf nicht dazu führen, dass man die
Gutheit der übrigen Geschöpfe vergisst, die nicht nur in Funktion des Menschen,
sondern auch mit einem eigenen Wert und daher als dem Menschen anvertraute
Geschenke existieren, die es zu hüten und zu pflegen gilt. Während also der
Begriff der Würde dem Menschen vorbehalten ist, muss gleichzeitig die
geschöpfliche Gutheit des übrigen Kosmos bekräftigt werden. Wie Papst Franziskus
betont: „Gerade wegen seiner einzigartigen Würde und weil er mit Vernunft begabt ist, ist
der Mensch aufgerufen, die Schöpfung mit ihren inneren Gesetzen zu respektieren
[...]: ‚Jedes Geschöpf besitzt seine eigene Güte und Vollkommenheit‘ [...] Die unterschiedlichen Geschöpfe spiegeln in ihrem gottgewollten Eigensein, jedes
auf seine Art, einen Strahl der unendlichen Weisheit und Güte Gottes wider.
Deswegen muss der Mensch die gute Natur eines jeden Geschöpfes achten und sich
hüten, die Dinge gegen ihre Ordnung zu gebrauchen.“[43]
Mehr noch, „aber heute sind wir gezwungen zu erkennen, dass man nur von einem ‚situierten
Anthropozentrismus‘ sprechen kann. Das heißt, wir müssen anerkennen, dass das
menschliche Leben ohne andere Lebewesen nicht verstanden und nicht
aufrechterhalten werden kann.“[44]
In dieser Perspektive „ist es für uns nicht unerheblich, dass viele Arten aussterben und dass die
Klimakrise das Leben so vieler Wesen bedroht.“[45]
In der Tat gehört es zur Würde des Menschen, sich um die Umwelt zu kümmern und
dabei besonders auf die menschliche Ökologie zu achten, die seine eigene
Existenz bewahrt.
Befreiung des Menschen von jedem moralischen und sozialen Zwang
29. Diese Grundvoraussetzungen, so notwendig sie auch sein mögen, reichen nicht
aus, um ein der Würde des Menschen entsprechendes Wachstum zu gewährleisten.
Obwohl „Gott […] den Menschen als vernunftbegabtes Wesen erschaffen und ihm die
Würde einer Person verliehen [hat], die aus eigenem Antrieb handelt und über
ihre Handlungen Herr ist“,[46]
zieht der freie Wille im Hinblick auf das Gute oft das Böse dem Guten vor. Daher
muss die menschliche Freiheit ihrerseits befreit werden. Im Brief an die
Galater, in dem es heißt: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit“ (Gal
5,1), erinnert Paulus an die Aufgabe eines jeden Christen, auf dessen Schultern
eine Verantwortung für die Befreiung ruht, die sich auf die ganze Welt richtet
(vgl. Röm 8,19ff). Es handelt sich um eine Befreiung, die aus Herzen des
einzelnen Menschen herausgerufen ist, sich auszubreiten und ihre humanisierende
Kraft in allen Beziehungen kundzutun.
30. Die Freiheit ist ein wunderbares Geschenk Gottes. Selbst wenn uns Gott mit
seiner Gnade an sich zieht, tut er dies so, dass unsere Freiheit niemals
verletzt wird. Es wäre daher ein großer Irrtum zu glauben, dass wir fern von
Gott und seiner Hilfe freier sein können und uns deshalb würdiger fühlen.
Losgelöst von ihrem Schöpfer kann unsere Freiheit nur schwächer werden und sich
verdunkeln. Dasselbe geschieht, wenn die Freiheit sich als unabhängig von einem
anderen Bezugspunkt als sich selbst begreift und jede Beziehung zu einer voraufgehenden
Wahrheit als Bedrohung empfindet. Infolgedessen wird auch die Achtung vor der
Freiheit und der Würde der anderen geschwächt. Papst Benedikt XVI. hat dies so
erläutert: „Ein Wille, der sich für gänzlich unfähig hält, die Wahrheit und das
Gute zu suchen, hat keine objektiven Gründe noch Motive für sein Handeln außer
denen, die seine augenblicklichen und zufälligen Interessen ihm diktieren; er
hat keine ,Identität‘, die durch wirklich freie und bewußte Entscheidungen zu
schützen und aufzubauen ist. Er kann daher nicht die Achtung seitens anderer
,Willen‘ fordern, die sich ebenfalls von ihrem tiefsten Sein losgelöst haben,
die also andere ,Gründe‘ oder sogar gar keinen ,Grund‘ geltend machen können.
Die Illusion, im ethischen Relativismus den Schlüssel für ein friedliches
Zusammenleben zu finden, ist in Wirklichkeit der Ursprung von Spaltungen und von
Verneinung der Würde der Menschen.“[47]
31. Außerdem wäre es nicht realistisch, eine abstrakte Freiheit zu behaupten,
die frei von jeglichen Bedingungen, Zusammenhängen oder Einschränkungen ist.
Vielmehr erfordert „[d]ie richtige Ausübung der persönlichen Freiheit
[…] exakte Voraussetzungen wirtschaftlicher, sozialer, rechtlicher,
politischer und kultureller Art“,[48]
die oft unerfüllt bleiben. In diesem Sinne können wir sagen, dass einige eine
größere „Freiheit“ genießen als andere. Papst Franziskus hat diesen Punkt
besonders hervorgehoben: „Einige wachsen in Familien mit guten wirtschaftlichen Voraussetzungen auf,
erhalten eine solide Ausbildung, sind wohl genährt aufgewachsen oder besitzen
von Natur aus bemerkenswerte Fähigkeiten. Sie werden sicherlich keinen aktiven
Staat brauchen und nur Freiheit einfordern. Aber offensichtlich gilt das nicht
für Menschen mit einer Behinderung, für Menschen aus einem armen Elternhaus, für
Menschen mit einem niedrigen Bildungsniveau oder solche, die kaum Chancen auf
eine angemessene Behandlung ihrer Krankheiten haben. Wenn die Gesellschaft in
erster Linie auf den Kriterien des freien Marktes und der Leistung beruht, ist
für sie kein Platz, und Geschwisterlichkeit wird zu einem allenfalls
romantischen Ausdruck.“[49] Es ist
daher unerlässlich zu verstehen, dass „die Befreiung von Ungerechtigkeiten […]
der Freiheit und der Menschenwürde zugute [kommt]“[50],
und zwar auf allen Ebenen und in allen Beziehungen des menschlichen Handelns.
Damit echte Freiheit möglich ist, „müssen [wir] die Menschenwürde wieder in den
Mittelpunkt stellen. Auf diesem Grundpfeiler müssen die sozialen Alternativen
erbaut sein, die wir brauchen.“[51]
In analoger Weise wird die Freiheit häufig durch zahlreiche psychologische,
historische, soziale, erzieherische und kulturelle Zwänge beeinträchtigt. Die
reale und die geschichtliche Freiheit müssen immer wieder „befreit“ werden. Und
auch das Grundrecht auf Religionsfreiheit muss wieder bekräftigt werden.
32. Gleichzeitig ist es offensichtlich, dass die menschliche Geschichte
Fortschritte im Verständnis der Würde und der Freiheit der Personen zeigt, aber
nicht ohne Schatten und Gefahren einer entgegengesetzten Entwicklung. Davon
zeugt das auch unter christlichem Einfluss – der in zunehmend säkularisierten
Gesellschaften weiterhin lebendig ist – wachsende Bestreben, den Rassismus, die
Sklaverei und die Ausgrenzung der Frauen, Kinder, Kranken und Behinderten zu
beseitigen. Doch dieser mühsame Weg ist noch lange nicht zu Ende.
4. Einige schwere Verstöße gegen die Menschenwürde
33. Im Lichte der bisherigen Überlegungen zur zentralen Bedeutung der
Menschenwürde werden in diesem letzten Abschnitt der Erklärung einige
konkrete und schwerwiegende Verletzungen dieser Würde angesprochen. Dies
geschieht im Geiste des kirchlichen Lehramtes, das, wie bereits erwähnt, in der
Lehre der letzten Päpste seinen vollen Ausdruck gefunden hat. Papst Franziskus
beispielsweise wird nicht müde, an die Achtung der Menschenwürde zu erinnern: „Jeder Mensch hat das Recht, in Würde zu leben und sich voll zu entwickeln, und
kein Land kann dieses Grundrecht verweigern. Jeder Mensch besitzt diese Würde,
auch wenn er wenig leistet, auch wenn er mit Einschränkungen geboren oder
aufgewachsen ist; denn dies schmälert nicht seine immense Würde als Mensch, die
nicht auf den Umständen, sondern auf dem Wert seines Seins beruht. Wenn dieses
elementare Prinzip nicht gewahrt wird, gibt es keine Zukunft, weder für die
Geschwisterlichkeit noch für das Überleben der Menschheit.“[52]
Andererseits hört er nicht auf, allen die konkreten Verletzungen der
Menschenwürde in unserer Zeit aufzuzeigen, und ruft alle zu einer energischen
Annahme der Verantwortung und zum aktiven Handeln auf.
34. Entsprechend dem Wunsch, auf einige der vielen schweren Verletzungen der
Menschenwürde in der heutigen Welt hinzuweisen, darf daran erinnert werden, was
das Zweite Vatikanische Konzil in dieser Hinsicht gelehrt hat. So muss zur
Kenntnis genommen werden, dass gegen die Menschenwürde steht, „was […] zum Leben selbst in Gegensatz steht, wie jede Art Mord, Völkermord,
Abtreibung, Euthanasie und auch der freiwillige Selbstmord“[53].
Gegen unsere Würde verstößt auch, „was immer die Unantastbarkeit der menschlichen Person verletzt, wie
Verstümmelung, körperliche oder seelische Folter und der Versuch, psychischen
Zwang“[54]. Und schließlich „was immer die menschliche Würde angreift, wie unmenschliche Lebensbedingungen,
willkürliche Verhaftung, Verschleppung, Sklaverei, Prostitution, Mädchenhandel
und Handel mit Jugendlichen, sodann auch unwürdige Arbeitsbedingungen, bei denen
der Arbeiter als bloßes Erwerbsmittel und nicht als freie und verantwortliche
Person behandelt wird.“[55] Auch
das Thema Todesstrafe muss hier erwähnt werden[56]:
Auch die letztere verletzt unter allen Umständen die unveräußerliche Würde eines
jeden Menschen. Man muss im Gegenteil anerkennen: „Die entschiedene Ablehnung der Todesstrafe zeigt, wie weit wir die
unveräußerliche Würde jedes Menschen anerkennen und akzeptieren können, dass
auch er seinen Platz in dieser Welt hat. Denn wenn ich ihn nicht dem schlimmsten
aller Kriminellen abstreite, werde ich ihn niemandem absprechen. Ich werde allen
die Möglichkeit geben, diesen Planeten mit mir zu teilen, ungeachtet dessen, was
uns trennen mag.“[57] Es erscheint
auch angebracht, auf die Würde der Menschen in den Gefängnissen hinzuweisen, die
oft gezwungen sind, unter unwürdigen Bedingungen zu leben, und darauf, dass
Folter die Würde eines jeden Menschen über allen Maßen verletzt, selbst wenn
jemand sich schwerer Verbrechen schuldig gemacht hat.
35. Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen, soll im Folgenden
auf einige schwerwiegende Verstöße von besonderer Aktualität hingewiesen werden.
Das Drama der Armut
36. Eines der Phänomene, das in hohem Maße dazu beiträgt, die Würde so vieler
Menschen zu verleugnen, ist die extreme Armut, die mit der ungleichen Verteilung
des Reichtums zusammenhängt. Wie der heilige Johannes Paul II. bereits betont
hat: „Eine der größten Ungerechtigkeiten in der Welt von heute besteht gerade darin:
Nur relativ wenige sind es, die viel besitzen, und viele jene, die fast nichts
haben. Es ist die Ungerechtigkeit der schlechten Verteilung der Güter und
Dienstleistungen, die ursprünglich für alle bestimmt sind.“[58]
Außerdem wäre es illusorisch, eine oberflächliche Unterscheidung zwischen
„reichen Ländern“ und „armen Ländern“ zu treffen. Benedikt XVI. erkannte bereits
an: „Absolut gesehen, nimmt der weltweite Reichtum zu, doch die Ungleichheiten
vergrößern sich. In den reichen Ländern verarmen neue Gesellschaftsklassen, und es entstehen
neue Formen der Armut. In ärmeren Regionen erfreuen sich einige Gruppen einer
Art verschwenderischer und konsumorientierter Überentwicklung, die in
unannehmbarem Kontrast zu anhaltenden Situationen entmenschlichenden Elends
steht. ‚Der Skandal schreiender Ungerechtigkeit‘ hält an,“[59]
bei dem die Würde der Armen in doppelter Weise missachtet wird, zum einen durch
den Mangel an Mitteln zur Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse und zum anderen
durch die Gleichgültigkeit, mit der sie von denjenigen behandelt werden, die
neben ihnen leben.
37. Mit Papst Franziskus darf deshalb schlussgefolgert werden: „Der Reichtum wächst, aber auf ungleiche Weise, und so ,entstehen neue Formen der
Armut‘.Wenn man sagt, dass die moderne Welt die Armut verringert habe, so misst man
hier mit Maßstäben anderer Epochen, die nicht mit der aktuellen Wirklichkeit
vergleichbar sind.“[60] In der Konsequenz, vermehrt sich die Armut “auf vielfältige Weise, wie etwa in der Versessenheit, die Kosten der Arbeit zu
reduzieren, ohne sich der schwerwiegenden Konsequenzen bewusst zu werden, die
eine solche Maßnahme auslöst; denn die entstandene Arbeitslosigkeit führt direkt
zu einer zunehmenden Verbreitung der Armut.“[61] Unter diesen „zerstörerischen Auswirkungen der Herrschaft des Geldes“[62] gilt es zu erkennen: „es ,existiert keine schlimmere Armut als die, welche dem Menschen die
Arbeit und die Würde der Arbeit nimmt‘“[63]. Wenn einige in einem Land oder in einer Familie mit weniger
Entwicklungsmöglichkeiten geboren sind, gilt es anzuerkennen, das dies im
Widerspruch zu ihrer Würde steht, die genau dieselbe derjenigen ist, die in
einer reichen Familie oder in einem reichen Land geboren sind. Alle sind wir
verantwortlich, wenn auch in unterschiedlichem Grad, für diese offene
Ungerechtigkeit.
Der Krieg
38. Eine weitere Tragödie, die die Menschenwürde verleugnet, ist das Aufkommen
des Krieges, heute wie zu allen Zeiten: „Kriege, Attentate, Verfolgungen aus rassistischen oder religiösen Motiven und so
viele Gewalttaten gegen die Menschenwürde [...] haben ,sich in zahlreichen
Regionen der Welt so vervielfältigt, dass sie die Züge dessen angenommen haben,
was man einen «dritten Weltkrieg in Abschnitten» nennen könnte‘“.[64]
Mit seiner Spur der Zerstörung und des Schmerzes greift der Krieg kurz- und
langfristig die Menschenwürde an: „Während wir das unveräußerliche Recht auf
Selbstverteidigung und die Verantwortung, diejenigen zu schützen, deren Existenz
bedroht ist, bekräftigen, müssen wir zugeben, dass Krieg immer eine ,Niederlage
der Menschlichkeit‘ ist. Kein Krieg ist die Tränen einer Mutter wert, die ihr
Kind verstümmelt oder tot gesehen hat; kein Krieg ist den Verlust des Lebens
auch nur eines einzigen menschlichen Wesens wert, eines heiligen Wesens, das
nach dem Bild und Gleichnis des Schöpfers geschaffen wurde; kein Krieg ist die
Vergiftung unseres Gemeinsamen Hauses wert; und kein Krieg ist die Verzweiflung
derjenigen wert, die gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen und in einem
Augenblick ihrer Heimat und aller familiären, freundschaftlichen, sozialen und
kulturellen Bindungen beraubt werden, die manchmal über Generationen hinweg
aufgebaut wurden.“[65] Alle Kriege
sind allein aufgrund der Tatsache, dass sie der Menschenwürde widersprechen,
„Konflikte, die die Probleme nicht lösen, sondern sie vergrößern“[66].
Dies ist in unserer Zeit, in der es normal geworden ist, dass so viele
unschuldige Zivilisten außerhalb des Schlachtfelds sterben, noch ernster.
39. Daher kann die Kirche auch heute nicht umhin, sich die Worte der Päpste zu
eigen zu machen, indem sie mit Paul VI. wiederholt: „jamais plus la guerre,
jamais plus la guerre!“[67] [niemals mehr Krieg], und bittet mit Johannes Paul II. „alle zusammen im
Namen Gottes und im Namen des Menschen […]: Tötet nicht! Bringt den Menschen
keine Zerstörung und Vernichtung! Denkt an eure Brüder, die Hunger und Elend
erleiden! Achtet die Würde und die Freiheit eines jeden Menschen!“[68] Gerade in unserer Zeit ist dies der Schrei der Kirche und der ganzen
Menschheit. Schließlich betont Papst Franziskus: „Wir können
den Krieg nicht mehr als Lösung betrachten. Angesichts dieser Tatsache ist
es heute sehr schwierig, sich auf die in vergangenen Jahrhunderten gereiften
rationalen Kriterien zu stützen, um von einem eventuell ‚gerechten Krieg‘ zu
sprechen. Nie wieder Krieg!“[69] Da die Menschheit oft in die gleichen Fehler der Vergangenheit
zurückfällt, „um den Frieden aufzubauen, müssen wir die Logik der Rechtmäßigkeit
des Krieges hinter uns lassen“[70]. Die enge Beziehung, die zwischen dem Glauben und der Menschenwürde besteht,
macht es widersprüchlich, den Krieg auf religiöse Überzeugungen zu gründen: „Wer
den Namen Gottes anruft, um den Terrorismus, die Gewalt und den Krieg zu
rechtfertigen, beschreitet nicht den Weg des Herrn: Der Krieg im Namen der
Religion wird zu einem Krieg gegen die Religion selbst.“[71]
Die Leiden der Migranten
40. Migranten gehören zu den ersten Opfern der vielfältigen Formen von Armut. In
ihren Ländern wird ihnen nicht nur die Würde abgesprochen,[72] sondern auch ihr Leben gefährdet, weil sie nicht mehr die Mittel haben,
eine Familie zu gründen, zu arbeiten oder sich zu ernähren.[73] Sobald sie in den Ländern angekommen sind, die in der Lage sein sollten,
sie aufzunehmen, „werden [sie] als nicht würdig genug angesehen, um wie jeder
andere am sozialen Leben teilzunehmen, und man vergisst, dass sie die gleiche
innewohnende Würde besitzen wie alle Menschen. […] Niemand wird behaupten, dass
sie keine Menschen sind, in der Praxis jedoch bringt man mit den Entscheidungen
und der Art und Weise, wie man sie behandelt, zum Ausdruck, dass man ihnen
weniger Wert beimisst, sie für weniger wichtig und weniger menschlich hält.“[74] Es ist daher immer dringend notwendig, sich immer wieder daran zu
erinnern: „Jeder Migrant ist eine menschliche Person, die als solche
unveräußerliche Grundrechte besitzt, die von allen und in jeder Situation
respektiert werden müssen“[75]. Sie willkommen zu heißen ist ein wichtiger und bedeutsamer Weg, um „die
unveräußerliche Würde jedes Menschen unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder
Religion“[76] zu verteidigen.
Der Menschenhandel
41. Auch der Menschenhandel muss als eine schwere Verletzung der Menschenwürde
angesehen werden.[77] Er ist nicht
neu, aber seine Entwicklung nimmt tragische Dimensionen an, die für alle
sichtbar sind, weshalb Papst Franziskus ihn besonders scharf anprangert: „Ich
betone, dass der ,Menschenhandel‘ eine niederträchtige Aktivität ist, eine
Schande für unsere Gesellschaften, die sich als zivilisiert bezeichnen!
Ausbeuter und Kunden auf allen Ebenen sollten vor sich selbst und vor Gott
ernsthaft ihr Gewissen erforschen. Die Kirche erneuert heute ihren
eindringlichen Appell, dass die Würde und die Zentralität jeder Person stets
geschützt werden durch die Achtung der Grundrechte, wie es die Soziallehre der
Kirche unterstreicht – Rechte, deren wirkliche Ausbreitung sie dort, wo sie
nicht anerkannt werden, für Millionen von Frauen und Männern auf allen
Kontinenten anmahnt. […] In einer Welt, in der man so viel von Rechten spricht,
scheint der einzige, der sie hat, das Geld zu sein.“[78]
42. Aus diesen Gründen dürfen die Kirche und die Menschheit den Kampf gegen
Phänomene nicht aufgeben wie „Handel von menschlichen Organen und Geweben,
sexuelle Ausbeutung von Knaben und Mädchen, Sklavenarbeit einschließlich
Prostitution, Drogen- und Waffenhandel, Terrorismus und internationale
organisierte Kriminalität […]. Diese Situationen und die Anzahl der unschuldigen
Leben, die sie fordern, sind von solchem Ausmaß, dass wir jede Versuchung meiden
müssen, einem Nominalismus zu verfallen, der sich in Deklarationen erschöpft und
einen Beruhigungseffekt auf das Gewissen ausübt. Wir müssen dafür sorgen, dass
unsere Institutionen wirklich effektiv sind im Kampf gegen all diese Plagen.“[79] Angesichts so unterschiedlicher und brutaler Formen der Verweigerung der
Menschenwürde muss man sich immer mehr bewusst machen: „Der Menschenhandel ist
ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit“[80]. Er verleugnet die Menschenwürde im Wesentlichen in mindestens zweierlei
Hinsicht: „Denn der Menschenhandel entstellt das Menschsein des Opfers, indem er
seine Freiheit und Würde verletzt. Aber zugleich entmenschlicht er denjenigen,
der ihn ausübt.“[81]
Sexueller Missbrauch
43. Die tiefe Würde, die dem Menschen seiner Gesamtheit von Geist und Körper
innewohnt, ermöglicht es uns auch zu verstehen, warum jeder sexuelle Missbrauch
tiefe Narben im Herzen derjenigen hinterlässt, die ihn erleiden, und wirklich,
sie fühlen sich zutiefst in ihrer Menschenwürde verletzt. Es handelt sich
hierbei um „ein Leid, das ein Leben lang andauern und durch keine Reue geheilt werden kann.
Dieses Phänomen ist in der Gesellschaft verbreitet, es betrifft auch die Kirche
und stellt ein ernsthaftes Hindernis für ihre Sendung dar.“[82] Daher setzt sie sich unermüdlich dafür ein, allen Arten von Missbrauch ein
Ende zu setzen, und zwar beginnend im Inneren der Kirche.
Die Gewalt gegen Frauen
44. Gewalt gegen Frauen ist ein weltweiter Skandal, der zunehmend anerkannt
wird. Während die gleiche Würde der Frauen in Worten anerkannt wird, sind die
Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern in einigen Ländern sehr gravierend,
und selbst in den am weitesten entwickelten und demokratischen Ländern zeugt die
konkrete soziale Realität davon, dass Frauen oft nicht die gleiche Würde
zuerkannt wird wie Männern. Papst Franziskus unterstreicht diese Tatsache, wenn
er feststellt: „[D]ie Gesellschaften auf der ganzen Erde noch lange nicht so
organisiert, dass sie klar widerspiegeln, dass die Frauen genau die gleiche
Würde und die gleichen Rechte haben wie die Männer. Mit Worten behauptet man
bestimmte Dinge, aber die Entscheidungen und die Wirklichkeit schreien eine
andere Botschaft heraus. In der Tat, ‚doppelt arm sind die Frauen, die
Situationen der Ausschließung, der Misshandlung und der Gewalt erleiden, denn
oft haben sie geringere Möglichkeiten, ihre Rechte zu verteidigen‘.“[83]
45. Der heilige Johannes Paul II. erkannte bereits an: „Es ist sicher noch viel
zu tun, damit das Dasein als Frau und Mutter keine Diskriminierung beinhaltet.
Es ist dringend geboten, überall die tatsächliche Gleichheit der Rechte der
menschlichen Person zu erreichen, und das heißt gleichen Lohn für gleiche
Arbeit, Schutz der berufstätigen Mutter, gerechtes Vorankommen in der
Berufslaufbahn, Gleichheit der Eheleute im Familienrecht und die Anerkennung von
allem, was mit den Rechten und Pflichten des Staatsbürgers in einer Demokratie
zusammenhängt.“[84] Ungleichheiten in diesen Bereichen sind verschiedene Formen von Gewalt. Er
erinnerte auch daran, dass „[e]s […] an der Zeit [ist], die Formen sexueller
Gewalt, deren Objekt nicht selten die Frauen sind, nachdrücklich zu verurteilen
und geeignete gesetzliche Mittel zur Verteidigung hervorzubringen. Im Namen der
Achtung der menschlichen Person müssen wir außerdem Anklage erheben gegen die
verbreitete, von Genußsucht und Geschäftsgeist bestimmte Kultur, die die
systematische Ausbeutung der Sexualität fördert, indem sie auch Mädchen im
jungen Alter dazu anhält, in die Fänge der Korruption zu geraten und sich für
die Vermarktung ihres Körpers herzugeben.“[85]Wie könnte man unter den Formen der Gewalt, die Frauen angetan werden, nicht den
Zwang zur Abtreibung erwähnen, der sowohl die Mutter als auch das Kind betrifft
und der so oft der Befriedigung des männlichen Egoismus dient? Und wie kann man
nicht auch die Praxis der Polygamie erwähnen, die – wie der Katechismus der
katholischen Kirche in Erinnerung ruft – im Widerspruch zur gleichen Würde
von Frauen und Männern und auch im Widerspruch zur „ehelichen Liebe, die einzig
und ausschließlich ist“[86]?
46. In diesem Horizont der Gewalt gegen Frauen kann das Phänomen der Frauenmorde
nicht genug verurteilt werden. An dieser Front muss das Engagement der gesamten
internationalen Gemeinschaft kompakt und konkret sein, wie Papst Franziskus
bekräftigte: „Die Liebe zu Maria muss uns helfen, Haltungen der Anerkennung und
der Dankbarkeit für die Frau, für unsere Mütter und Großmütter hervorzubringen,
die eine Bastion im Leben unserer Städte sind. Fast immer im Stillen bringen sie
das Leben voran. Es ist die Stille und die Kraft der Hoffnung. Danke für euer
Zeugnis. […] aber mit Blick auf die Mütter und Großmütter möchte ich euch
einladen, gegen eine Plage zu kämpfen, die unseren amerikanischen Kontinent
heimsucht: die zahlreichen Fälle von Frauenmord. Und es sind unzählige
Situationen von Gewalt, die hinter so vielen Mauern totgeschwiegen werden. Ich
lade euch ein, gegen diese Quelle des Leidens zu kämpfen, indem ihr eine
Gesetzgebung und eine Kultur der Ablehnung jeder Form von Gewalt fördert.“[87]
Abtreibung
47. Die Kirche hört nicht auf, daran zu erinnern, dass „die Würde eines jeden
Menschen einen intrinsischen Charakter [hat] und sie gilt von der Empfängnis bis
zum natürlichen Tod. Gerade die Bejahung dieser Würde ist die unveräußerliche
Voraussetzung für den Schutz der persönlichen und sozialen Existenz und zugleich
die notwendige Bedingung für die Verwirklichung von Brüderlichkeit und sozialer
Freundschaft unter allen Völkern der Erde.“[88] Auf der Grundlage dieses unantastbaren Wertes des menschlichen Lebens hat
sich das kirchliche Lehramt stets gegen die Abtreibung ausgesprochen. In diesem
Zusammenhang schreibt der heilige Johannes Paul II.: „Unter allen Verbrechen, die der Mensch gegen das Leben begehen kann, weist die
Vornahme der Abtreibung Merkmale auf, die sie besonders schwerwiegend und
verwerflich machen. […] Doch heute hat sich im Gewissen vieler die Wahrnehmung
der Schwere des Vergehens nach und nach verdunkelt. Die Billigung der Abtreibung
in Gesinnung, Gewohnheit und selbst im Gesetz ist ein beredtes Zeichen für eine
sehr gefährliche Krise des sittlichen Bewußtseins, das immer weniger imstande
ist, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden, selbst dann, wenn das Grundrecht
auf Leben auf dem Spiel steht. Angesichts einer so ernsten Situation bedarf es
mehr denn je des Mutes, der Wahrheit ins Gesicht zu schauen und die Dinge
beim Namen zu nennen, ohne bequemen Kompromissen oder der Versuchung
zur Selbsttäuschung nachzugeben. In diesem Zusammenhang klingt der Tadel des
Propheten kategorisch: ,Weh denen, die das Böse gut und das Gute böse nennen,
die die Finsternis zum Licht und das Licht zur Finsternis machen‘ (Jes
5,20). Gerade in bezug auf die Abtreibung ist die Verbreitung eines zweideutigen
Sprachgebrauchs festzustellen, wie die Formulierung ,Unterbrechung der
Schwangerschaft‘, die darauf abzielt, deren wirkliche Natur zu verbergen und
ihre Schwere in der öffentlichen Meinung abzuschwächen. Vielleicht ist dieses
sprachliche Phänomen selber Symptom für ein Unbehagen des Gewissens. Doch kein
Wort vermag die Realität der Dinge zu ändern: die vorsätzliche Abtreibung ist,
wie auch immer sie vorgenommen werden mag, die beabsichtigte und direkte
Tötung eines menschlichen Geschöpfes in dem zwischen Empfängnis und Geburt
liegenden Anfangsstadium seiner Existenz.“[89]Ungeborene Kinder sind somit „sind die Schutzlosesten und Unschuldigsten von
allen, denen man heute die Menschenwürde absprechen will, um mit ihnen machen zu
können, was man will, indem man ihnen das Leben nimmt und Gesetzgebungen
fördert, die erreichen, dass niemand das verbieten kann“[90]. Deshalb muss auch in unserer Zeit mit aller Kraft und Klarheit festgestellt
werden, dass „diese Verteidigung des ungeborenen Lebens eng mit der Verteidigung jedes
beliebigen Menschenrechtes verbunden [ist]. Sie setzt die Überzeugung voraus,
dass ein menschliches Wesen immer etwas Heiliges und Unantastbares ist, in jeder
Situation und jeder Phase seiner Entwicklung. Es trägt seine Daseinsberechtigung
in sich selbst und ist nie ein Mittel, um andere Schwierigkeiten zu lösen. Wenn
diese Überzeugung hinfällig wird, bleiben keine festen und dauerhaften
Grundlagen für die Verteidigung der Menschenrechte; diese wären dann immer den
zufälligen Nützlichkeiten der jeweiligen Machthaber unterworfen. Dieser Grund
allein genügt, um den unantastbaren Wert eines jeden Menschenlebens
anzuerkennen. Wenn wir es aber auch vom Glauben her betrachten, dann ,schreit
jede Verletzung der Menschenwürde vor dem Angesicht Gottes nach Rache und ist
Beleidigung des Schöpfers des Menschen‘.“[91]Hierbei verdient das großzügige und mutige Engagement der heiligen Teresa von
Kalkutta für die Verteidigung jeder empfangenen Person in Erinnerung gerufen zu
werden.
Leihmutterschaft
48. Die Kirche wendet sich auch gegen die Praxis der Leihmutterschaft, durch die
das unermesslich wertvolle Kind zu einem bloßen Objekt wird. In dieser Hinsicht
sind die Worte von Papst Franziskus von einzigartiger Klarheit: „[D]er Weg des
Friedens erfordert die Achtung vor dem Leben, vor jedem menschlichen Leben,
angefangen bei dem des ungeborenen Kindes im Mutterleib, das weder beseitigt
noch zu einem Objekt der Kommerzialisierung gemacht werden darf. In diesem
Zusammenhang halte ich die Praxis der sogenannten Leihmutterschaft für
verwerflich, da sie die Würde der Frau und des Kindes schwer verletzt. Sie
basiert auf der Ausnutzung der materiellen Notlage der Mutter. Ein Kind ist
immer ein Geschenk und niemals ein Vertragsgegenstand. Ich plädiere daher dafür,
dass sich die internationale Gemeinschaft für ein weltweites Verbot dieser
Praxis einsetzt.“[92]
49. Die Praxis der Leihmutterschaft verletzt in erster Linie die Würde des
Kindes. Jedes Kind besitzt nämlich vom Moment der Empfängnis, der Geburt und
dann in seinem Heranwachsen als Junge oder Mädchen bis hin zum Erwachsenwerden
eine unantastbare Würde, die in jeder Phase seines Lebens deutlich zum Ausdruck
kommt, wenn auch in einzigartiger und differenzierter Weise. Das Kind hat daher
kraft seiner unveräußerlichen Würde das Recht auf eine vollständig menschliche
und nicht künstlich herbeigeführte Herkunft und auf das Geschenk eines Lebens,
das zugleich die Würde des Gebers und des Empfängers zum Ausdruck bringt. Die
Anerkennung der Würde der menschlichen Person schließt auch die Anerkennung der
Würde der ehelichen Vereinigung und der menschlichen Fortpflanzung in all ihren
Dimensionen ein. In diesem Sinne kann der legitime Wunsch, ein Kind zu bekommen,
nicht in ein „Recht auf ein Kind“ umgewandelt werden, das die Würde des Kindes
selbst als Empfänger der freien Gabe des Lebens nicht respektiert.[93]
50. Die Praxis der Leihmutterschaft verletzt zugleich die Würde der Frau selbst,
die dazu gezwungen wird oder sich aus freien Stücken dazu entschließt, sich ihr
zu unterwerfen. Durch eine solche Praxis wird die Frau von dem Kind, das in ihr
heranwächst, losgelöst und zu einem bloßen Mittel, das dem Profit oder dem
willkürlichen Wunsch anderer unterworfen ist. Dies widerspricht in jeder
Hinsicht der grundlegenden Würde eines jeden Menschen und seinem Recht, immer
als er selbst und niemals als Instrument für etwas Anderes anerkannt zu werden.
Die Euthanasie und assistierter Suizid
51. Es gibt einen besonderen Fall der Verletzung der Menschenwürde, der zwar
leiser ist, aber immer mehr an Bedeutung gewinnt. Seine Besonderheit besteht
darin, dass ein falscher Begriff von Menschenwürde verwendet wird, um ihn gegen
das Leben selbst zu wenden. Diese heute weit verbreitete Verwechslung tritt bei
der Diskussion über die Euthanasie zutage. So werden Gesetze, die die
Möglichkeit der Sterbehilfe oder des assistierten Suizids anerkennen, manchmal
als „Gesetze zum würdevollen Sterben“ („death with dignity acts“)
bezeichnet. Es herrscht die weit verbreitete Auffassung, dass Sterbehilfe oder
Beihilfe zum Suizid mit der Achtung der Würde des Menschen vereinbar seien.
Angesichts dieser Tatsache muss mit Nachdruck bekräftigt werden, dass das Leiden
nicht dazu führt, dass der kranke Mensch die ihm innewohnende und
unveräußerliche Würde verliert, sondern dass es zu einer Gelegenheit werden
kann, die Bande der gegenseitigen Zugehörigkeit zu stärken und sich der
Kostbarkeit eines jeden Menschen für die gesamte Menschheit bewusster zu werden.
52. Sicherlich verlangt die Würde des Kranken, dass jeder die angemessenen und
notwendigen Anstrengungen unternimmt, um sein Leiden durch eine angemessene
palliative Pflege zu lindern und jeden therapeutischen Übereifer oder
unverhältnismäßige Maßnahme zu vermeiden. Diese Fürsorge entspricht der „ständige[n] Pflicht, die Bedürfnisse des Patienten zu verstehen: die des
Beistands und der Schmerzlinderung sowie emotionale, affektive und spirituelle
Bedürfnisse“[94]. Ein solches Bemühen ist jedoch etwas ganz anderes, unterschiedliches, ja
gegenteiliges gegenüber der Entscheidung, das eigene oder das Leben eines
anderen unter der Last des Leidens zu beseitigen. Das menschliche Leben, selbst
in seinem schmerzhaften Zustand, ist Träger einer Würde, die immer geachtet
werden muss, die nicht verloren gehen kann und deren Achtung bedingungslos
bleibt. Es gibt in der Tat keine Bedingungen, ohne die das menschliche Leben
nicht mehr würdig wäre und deshalb beseitigt werden könnte: „Das Leben hat für
jeden die gleiche Würde und den gleichen Wert- Der Respekt vor dem Leben des
anderen ist der gleiche, den man seiner eigenen Existenz schuldet“[95]. Dem Suizidanten zu helfen, sich das Leben zu nehmen, ist daher ein objektiver
Verstoß gegen die Würde der Person, die darum bittet, selbst wenn dies die
Erfüllung ihres Wunsches ist: „Wir müssen zum Tod begleiten, nicht den Tod
herbeiführen oder Beihilfe zu irgendeiner Form des Selbstmords leisten. Ich
erinnere daran, dass das Recht auf Behandlung, und zwar auf Behandlung für alle,
stets an erster Stelle stehen muss, damit die schwachen Menschen, insbesondere
die alten und kranken Menschen, niemals weggeworfen werden. Das Leben ist ein
Recht, nicht der Tod, der angenommen werden muss und nicht verabreicht werden
darf. Und dieses ethische Prinzip betrifft alle, nicht nur die Christen oder die
Gläubigen.“[96] Wie bereits erwähnt, impliziert die Würde eines jeden Menschen, wie schwach
oder leidend er auch sein mag, die Würde aller Menschen.
Der Zurückweisung von Menschen mit Behinderungen
53. Ein Kriterium für die tatsächliche Beachtung der Würde eines jeden Menschen
ist natürlich die Fürsorge für die am meisten Benachteiligten. Unsere Zeit
zeichnet sich leider nicht gerade durch eine solche Fürsorge aus: In Wahrheit
setzt sich eine Wegwerf-Kultur durch.[97] Um dieser Tendenz entgegenzuwirken, verdient die Situation derjenigen, die
sich in einer Situation körperlicher oder psychischer Defizite befinden,
besondere Aufmerksamkeit und Fürsorge. Dieser Zustand der besonderen
Verletzlichkeit,[98]der in den Evangelienberichten so sehr im Vordergrund steht, stellt allgemein
die Frage, was es bedeutet, ein Mensch zu sein, gerade in einem Zustand der
Beeinträchtigung oder Behinderung. Die Frage nach der Unvollkommenheit des
Menschen hat auch aus soziokultureller Sicht deutliche Auswirkungen, da Menschen
mit Behinderungen in einigen Kulturen manchmal an den Rand gedrängt, wenn nicht
sogar unterdrückt werden, da sie als echter „Abfall“ behandelt werden. In
Wirklichkeit erhält jeder Mensch, unabhängig von seiner Verletzlichkeit, seine
Würde gerade dadurch, dass er von Gott gewollt und geliebt ist. Aus diesen
Gründen sollten die Eingliederung und aktive Teilnahme am gesellschaftlichen und
kirchlichen Leben all derer, die in irgendeiner Weise durch Gebrechlichkeit oder
Behinderung gekennzeichnet sind, so weit wie möglich gefördert werden.[99]
54. In einer breiteren Perspektive sollte man sich daran erinnern, dass die
„Nächstenliebe, die das geistige Herzstück der Politik ist, […] eine Liebe
[ist], die den Letzten den Vorzug gibt, und die hinter jeder Handlung steht, die
zu ihren Gunsten vollzogen wird. […] ,sich der Gebrechlichkeit anzunehmen, [es]
bedeutet Kraft und Zärtlichkeit, bedeutet Kampf und Fruchtbarkeit inmitten eines
funktionellen und privatistischen Modells, das unweigerlich zur «Wegwerf-Kultur»
führt. […] Es bedeutet, die Gegenwart in ihrer nebensächlichsten und am meisten
beängstigenden Situation auf sich zu nehmen und fähig zu sein, sie mit Würde zu
salben.‘ So ruft man gewiss eine intensive Tätigkeit ins Leben, denn es ,muss
alles getan werden, um den Status und die Würde der menschlichen Person zu
schützen‘.“[100]
Gender-Theorie
55. Die Kirche möchte vor allem „bekräftigen, dass jeder Mensch, unabhängig von
seiner sexuellen Orientierung, in seiner Würde geachtet und mit Respekt
aufgenommen werden soll und sorgsam zu vermeiden ist, ihn ‚in irgendeiner Weise
ungerecht zurückzusetzen‘ oder ihm gar mit Aggression und Gewalt zu begegnen“[101]. Aus diesem Grund muss es als Verstoß gegen die Menschenwürde angeprangert
werden, dass mancherorts nicht wenige Menschen allein aufgrund ihrer sexuellen
Orientierung inhaftiert, gefoltert und sogar des Lebens beraubt werden.
56. Gleichzeitig hebt die Kirche entscheidende Kritikpunkte in der
Gender-Theorie hervor. In diesem Zusammenhang erinnerte Papst Franziskus daran,
dass „[d]er Weg des Friedens […] die Achtung der Menschenrechte [erfordert], wie sie in
der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, deren 75-jähriges Bestehen wir
kürzlich gefeiert haben, einfach und klar formuliert sind. Es handelt sich dabei
um rational einleuchtende und allgemein anerkannte Grundsätze. Leider haben die
Versuche der letzten Jahrzehnte, neue Rechte einzuführen, die nicht ganz mit den
ursprünglich definierten übereinstimmen und nicht immer akzeptabel sind, zu
ideologischen Kolonisierungen geführt, unter denen die Gender-Theorie eine
zentrale Rolle spielt, die sehr gefährlich ist, weil sie mit ihrem Anspruch,
alle gleich zu machen, die Unterschiede auslöscht“.[102]
57. Im Hinblick auf die Gender-Theorie, über deren wissenschaftliche Konsistenz
in der Fachwelt viel diskutiert wird, erinnert die Kirche daran, dass das
menschliche Leben in all seinen Bestandteilen, körperlich und geistig, ein
Geschenk Gottes ist, von dem gilt, dass es mit Dankbarkeit angenommen und in den
Dienst des Guten gestellt wird. Über sich selbst verfügen zu wollen, wie es die
Gender-Theorie vorschreibt, bedeutet ungeachtet dieser grundlegenden Wahrheit
des menschlichen Lebens als Gabe nichts anderes, als der uralten Versuchung des
Menschen nachzugeben, sich selbst zu Gott zu machen und in Konkurrenz zu dem
wahren Gott der Liebe zu treten, den uns das Evangelium offenbart.
58. Ein zweiter Punkt der Gender-Theorie ist, dass sie versucht, den
größtmöglichen Unterschied zwischen Lebewesen zu leugnen: den der Geschlechter.
Dieser fundamentale Unterschied ist nicht nur der größtmöglich vorstellbare,
sondern auch der schönste und mächtigste: Er bewirkt im Paar von Mann und Frau
die bewundernswerteste Gegenseitigkeit und ist somit die Quelle jenes Wunders,
das uns immer wieder in Erstaunen versetzt, nämlich die Ankunft neuer
menschlicher Wesen in der Welt.
59. In diesem Sinne ist der Respekt vor dem eigenen Leib und dem der anderen
angesichts der Ausbreitung und des Anspruchs auf neue Rechte, die von der
Gender-Theorie propagiert werden, wesentlich. Diese Ideologie „stellt eine
Gesellschaft ohne Geschlechterdifferenz in Aussicht und höhlt die
anthropologische Grundlage der Familie aus.“[103] Es ist daher inakzeptabel, „dass einige Ideologien dieser Art, die
behaupten, gewissen und manchmal verständlichen Wünschen zu entsprechen,
versuchen, sich als einzige Denkweise durchzusetzen und sogar die Erziehung der
Kinder zu bestimmen. Man darf nicht ignorieren, dass ,das biologische Geschlecht
(sex) und die soziokulturelle Rolle des Geschlechts (gender)
unterschieden, aber nicht getrennt werden [können]‘.“[104] Deshalb sind alle Versuche abzulehnen, die den Hinweis auf den
unaufhebbaren Geschlechtsunterschied zwischen Mann und Frau verschleiern: „[M]an
[kann] das, was männlich und weiblich ist, nicht von dem Schöpfungswerk Gottes
trennen […], das vor allen unseren Entscheidungen und Erfahrungen besteht und wo
es biologische Elemente gibt, die man unmöglich ignorieren kann“[105]. Nur wenn jede menschliche Person diesen Unterschied in Wechselseitigkeit
erkennen und akzeptieren kann, wird sie fähig, sich selbst, ihre Würde und ihre
Identität voll zu entdecken.
Geschlechtsumwandlung
60. Die Würde des Leibes kann nicht als geringer angesehen werden als die der
Person als solcher. Der Katechismus der katholischen Kirche fordert uns
ausdrücklich auf, anzuerkennen, dass „[d]er Leib des Menschen […] an der
Würde des Seins ,nach dem Bilde Gottes‘ teil[hat]“[106].
An diese Wahrheit gilt es besonders bezüglich der Frage der
Geschlechtsumwandlung zu erinnern. Der Mensch besteht untrennbar aus Leib und
Seele, und der Leib ist der lebendige Ort, an dem sich das Innere der Seele
entfaltet und manifestiert, auch durch das Netz menschlicher Beziehungen. Seele
und Leib, die das Wesen der Person ausmachen, haben somit Anteil an der Würde,
die jeden Menschen kennzeichnet.[107]
In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass der menschliche Leib insofern
an der Würde der Person teilhat, als er mit persönlichen Bedeutungen
ausgestattet ist, insbesondere in seiner geschlechtlichen Beschaffenheit.[108]
Denn im Leib erkennt sich jeder Mensch als von anderen gezeugt, und es ist durch
ihren Leib, dass Mann und Frau eine Liebesbeziehung aufbauen können, die
wiederum fähig ist, andere Personen zu zeugen. Über Notwendigkeit der Achtung
der natürlichen Ordnung der menschlichen Person, lehrt Papst Franziskus: „Die Schöpfung geht uns voraus und muss als Geschenk empfangen werden. Zugleich
sind wir berufen, unser Menschsein zu behüten, und das bedeutet vor allem, es so
zu akzeptieren und zu respektieren, wie es erschaffen worden ist“[109].
Daraus folgt, dass jeder geschlechtsverändernde Eingriff in der Regel die Gefahr
birgt, die einzigartige Würde zu bedrohen, die ein Mensch vom Moment der
Empfängnis an besitzt.Damit soll nicht ausgeschlossen werden, dass eine Person
mit bereits bei der Geburt vorhandenen oder sich später entwickelnden genitalen
Anomalien sich für eine medizinische Behandlung zur Behebung dieser Anomalien
entscheiden kann. In diesem Fall würde die Operation keine Geschlechtsumwandlung
in dem hier beabsichtigten Sinne darstellen.
Gewalt in der digitalen Welt
61. Der Fortschritt der digitalen Technologien bietet zwar viele Möglichkeiten,
die Menschenwürde zu fördern, doch tendiert er zunehmend dazu, eine Welt zu
schaffen, in der Ausbeutung, Ausgrenzung und Gewalt zunehmen, was so weit gehen
kann, dass die Würde der menschlichen Person verletzt wird. Man denke daran, wie
leicht es mit diesen Mitteln ist, den guten Namen eines Menschen durch falsche
Berichterstattung und Verleumdung zu gefährden. In diesem Zusammenhang betont
Papst Franziskus, dass „es ungesund [ist], Kommunikation mit rein virtuellem Kontakt zu verwechseln.
Tatsächlich ist die digitale Welt ‚auch ein Ort der Einsamkeit, Manipulation,
Ausbeutung und Gewalt, die sich im Extremfall im Dark Web manifestieren. Durch
digitale Medien besteht die Gefahr, dass Nutzer abhängig werden, sich isolieren
und immer stärker den Kontakt zur konkreten Wirklichkeit verlieren, wodurch die
Entwicklung echter zwischenmenschlicher Beziehungen behindert wird. Neue Formen
der Gewalt breiten sich über die Sozialen Medien aus, wie z. B. Cybermobbing;
das Internet dient auch als Kanal zur Verbreitung von Pornografie und der
Ausbeutung von Menschen für sexuelle Zwecke oder durch Glücksspiel‘.“[110]
Und so kommt es paradoxerweise auch dazu, dass dort, wo die
Verbindungsmöglichkeiten zunehmen, man sich zunehmend isoliert und an
zwischenmenschlichen Beziehungen verarmt: „In der digitalen Kommunikation will man alles zeigen, und jeder Einzelne wird
auf anonymem Weg zu einem Objekt, das bespitzelt, entblößt und in die
Öffentlichkeit gezerrt wird. Die Achtung vor dem anderen bröckelt, und auf diese
Weise – gerade wenn ich ihn verdränge, ihn nicht beachte und auf Distanz halte –
kann ich ohne irgendeine Scham bis zum Äußersten in sein Leben eindringen“[111].
Solche Tendenzen stellen eine dunkle Seite des digitalen Fortschritts dar.
62. In dieser Perspektive, wenn die Technologie der Menschenwürde dienen und
nicht schaden soll und wenn sie den Frieden und nicht die Gewalt fördern soll,
dann muss die menschliche Gemeinschaft diesen Tendenzen in der Achtung vor der
Menschenwürde gegenübertreten und das Gute fördern: „In dieser globalisierten Welt ‚können die Medien dazu verhelfen, dass wir uns
einander näher fühlen, dass wir ein neues Gefühl für die Einheit der
Menschheitsfamilie entwickeln, das uns zur Solidarität und zum ernsthaften
Einsatz für ein würdigeres Leben drängt. […] Die Medien können uns dabei
behilflich sein, besonders heute, da die Kommunikationsnetze der Menschen
unerhörte Entwicklungen erreicht haben. Besonders das Internet kann allen
größere Möglichkeiten der Begegnung und der Solidarität untereinander bieten,
und das ist gut, es ist ein Geschenk Gottes‘.Es muss allerdings ständig überprüft werden, ob uns die heutigen Formen der
Kommunikation tatsächlich zu einer großherzigen Begegnung, zu einer aufrichtigen
Suche nach der vollen Wahrheit, zum Dienst, zur Nähe zu den Geringsten, zum
Einsatz für den Aufbau des Gemeinwohls führen.“[112]
Schluss
63. Anlässlich des 75. Jahrestages der Verkündung der Allgemeinen Erklärung
der Menschenrechte (1948) bekräftigte Papst Franziskus, dass dieses Dokument
„wie ein Königsweg [ist], auf dem viele Fortschritte gemacht wurden, wo aber noch
sehr viele weitere Schritte fehlen, und manchmal machen wir leider auch
Rückschritte. Der Einsatz für die Menschenrechte ist nie zu Ende! In dieser
Hinsicht bin ich all jenen nahe, die im konkreten Alltag ohne viel Aufhebens
persönlich für die Rechte derjenigen kämpfen und einstehen, die nicht zählen.“[113]
64. In diesem Sinne fordert die Kirche mit dieser Erklärung
nachdrücklich, dass die Achtung der Würde der menschlichen Person unabhängig
von allen Umständen in den Mittelpunkt des Einsatzes für das Gemeinwohl und
jeder Rechtsordnung gestellt wird. Die Achtung der Würde jedes einzelnen
Menschen ist nämlich die unverzichtbare Grundlage für die Existenz jeder
Gesellschaft, die den Anspruch erhebt, sich auf ein gerechtes Recht und nicht
auf Macht zu gründen. Auf der Grundlage der Anerkennung der Menschenwürde werden
die grundlegenden Menschenrechte gewahrt, die jedem zivilisierten Zusammenleben
vorausgehen und zugrunde liegen.[114]
65. Jeder einzelnen Person und zugleich jeder menschlichen Gemeinschaft kommt
die Aufgabe zu, die Menschenwürde konkret und wirksam zu verwirklichen, während
es die Pflicht der Staaten ist, sie nicht nur zu schützen, sondern auch jene
Bedingungen zu gewährleisten, die notwendig sind, damit sie sich in der
ganzheitlichen Förderung der menschlichen Person entfalten kann: „Im politischen Einsatz muss man daran erinnern: ‚Jenseits aller äußeren
Erscheinung ist jeder unendlich heilig und verdient unsere Liebe und unsere
Hingabe‘.“[115]
66. Auch heute, angesichts so vieler Verletzungen der Menschenwürde, die die
Zukunft des Menschengeschlechts ernsthaft bedrohen, ermutigt die Kirche zur
Förderung der Würde jeder menschlichen Person, unabhängig von ihren
körperlichen, geistigen, kulturellen, sozialen und religiösen Eigenschaften. Sie
tut dies in der Hoffnung und in der Gewissheit der Kraft, die vom auferstandenen
Christus ausgeht, der die ganzheitliche Würde eines jeden Menschen in ihrer
ganzen Fülle offenbart hat. Diese Gewissheit wird in den Worten von Papst
Franziskus zu einem Appell: „Jeden Menschen dieser Welt bitte ich, diese seine Würde nicht zu vergessen;
niemand hat das Recht, sie ihm zu nehmen“[116].
Papst Franziskus hat bei der Audienz, die dem unterzeichneten Präfekten des
Dikasteriums für die Glaubenslehre am 25. März 2024 gewährt wurde, die
vorliegende Erklärung approbiert, die in der Ordentlichen Sitzung dieses
Dikasteriums am 28. Februar 2024 beschlossen wurde, und ihre Veröffentlichung
angeordnet.
Gegeben in Rom, am Sitz des Dikasteriums für die Glaubenslehre, am 2. April
2024, dem 19. Todestag des Heiligen Johannes Paul II.
Víctor Manuel Kard. Fernández
Präfekt
Msgr. Armando Matteo
Sekretär für die doktrinäre Sektion
Ex Audientia Die 25.03.2024
Franciscus
Inhalt
Einleitung
Eine grundlegende Klärung
1. Ein fortschreitendes Bewusstsein für die zentrale Bedeutung der Menschenwürde
Biblische Perspektiven
Entwicklungen des christlichen Denkens
Gegenwärtige Zeiten
2. Die Kirche verkündet, fördert und macht sich zum Garanten der Menschenwürde
Ein unauslöschliches Bild Gottes
Christus erhebt die Würde des Menschen
Eine Berufung zur Fülle der Menschenwürde
Ein Einsatz für die eigene Freiheit
3. Die Menschenwürde, die Grundlage der Menschenrechte und -pflichten
Unbedingte Achtung der Menschenwürde
Objektiver Bezugspunkt für die menschliche Freiheit
Die Beziehungsstruktur der menschlichen Person
Befreiung des Menschen von jedem moralischen und sozialen Zwang
4. Einige schwere Verstöße gegen die Menschenwürde
Das Drama der Armut
Der Krieg
Das Leiden der Migranten
Der Menschenhandel
Sexueller Missbrauch
Die Gewalt gegen Frauen
Abtreibung
Leihmutterschaft
Die Euthanasie und assistierter Suizid
Der Zurückweisung von Menschen mit Behinderungen
Gender-Theorie
Geschlechtsumwandlung
Gewalt in der digitalen Welt
Schluss
[1] Hl. Johannes Paul II.,
Angelus mit den
Behinderten in der Kathedrale von Osnabrück (16. November 1980): Insegnamenti III/2 (1980), S. 1232.
[2] Franziskus, Apost. Schreiben
Laudate Deum (4. Oktober 2023), Nr. 39:
L’Osservatore Romano (4. Oktober 2023), S. III.
[3] Im Jahre 1948 haben die Vereinten Nationen die
Allgemeine Erklärung der
Menschenrechte verabschiedet, die aus dreißig Artikeln besteht. Das Wort
„Würde“ kommt darin fünfmal vor, und zwar an strategischen Stellen: in den
ersten Worten der Präambel und im ersten Satz des ersten Artikels.
Diese Würde wird allen „Mitglieder[n] der Gemeinschaft der Menschen“
zugesprochen (Präambel) und „alle Menschen sind frei und gleich an Würde
und Rechten geboren“ (Artikel 1).
[4] Betrachtet man nur die Neuzeit, so kann man sehen, wie die Kirche die
Bedeutung der Menschenwürde immer stärker betont hat. Das Thema wurde
insbesondere in der Enzyklika Rerum novarum von Papst Leo XIII. (1891),
in der Enzyklika Quadragesimo anno von Papst Pius XI. (1931) und in der
Allokution an die Teilnehmerinnen des Kongresses der Italienischen
Katholischen Union der Hebammen von Papst Pius XII. (1951) behandelt. Das
Zweite Vatikanische Konzil hat dieses Thema dann besonders vertieft, indem es
dem Thema mit der Erklärung
Dignitatis humanae (1965) ein ganzes Dokument
widmete und die menschliche Freiheit auch in der Pastoralkonstitution
Gaudium et Spes (1965) erörterte.
[5] Hl. Paul VI., Generalaudienz
(4. September 1968): Insegnamenti
VI (1968), S. 886.
[6] Hl. Johannes Paul II., Ansprache bei der 3. Generalversammlung der Lateinamerikanischen
Bischofskonferenz (28. Januar 1979), III.1–2: Insegnamenti II/1
(1979), S. 202–203.
[7] Benedikt XVI.,
Ansprache an die Teilnehmer der Vollversammlung der Päpstlichen Akademie
für das Leben (13. Februar 2010):
Insegnamenti VI/1 (2011), S. 218.
[8] Benedikt XVI.,
Ansprache an die Mitglieder der Entwicklungsbank des Europarats,
Sala Clementina (12. Juni 2010): Insegnamenti VI/1 (2011), S. 912–913.
[9] Franziskus, Apost. Schreiben
Evangelii gaudium
(24. November 2013), Nr. 178: AAS
105 (2013), S. 1094, inneres Zitat: Hl. Johannes Paul II.,
Angelus mit den
Behinderten in der Kathedrale von Osnabrück (16. November 1980): Insegnamenti III/2 (1980), S. 1232.
[10] Franziskus, Enz.
Fratelli tutti (3. Oktober 2020), Nr. 8:
AAS
112 (2020), S. 971.
[11] Ebd., Nr. 277:
AAS 112 (2020), S. 1069.
[12] Ebd., Nr. 213:
AAS 112 (2020), S. 1045.
[13] Ebd., Nr. 213:
AAS 112 (2020), S. 1045, inneres Zitat: Franziskus,
Botschaft an die Teilnehmer der Internationalen Konferenz „Menschenrechte in
der heutigen Welt: Errungenschaften, Unterlassungen, Verweigerungen“
(10.
Dezember 2018): L’Osservatore Romano (10.–11. Dezember 2018), S. 8.
[14] Auf die Erklärung
der Vereinten Nationen von 1948 folgten deren
weitere Überarbeitungen: der Internationale Pakt über bürgerliche und
politische Rechte von 1966 und die Schlussakte der Konferenz über
Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa von 1975.
[15] Vgl. Internationale Theologische Kommission,
Würde und Rechte der
menschlichen Person (1983), Einleitung, 3. Ein Kompendium der katholischen
Lehre zur Menschenwürde findet sich in Katechismus der katholischen Kirche, im Kapitel unter dem Titel „Die Würde des Menschen”, Nrn. 1700–1876.
[16] Franziskus, Enz.
Fratelli tutti (3. Oktober 2020), Nr. 22:
AAS 112 (2020),
S. 976.
[17] Boethius, Contra Eutychen et Nestorium,
Kap. 3: PL 64, S. 1344: „persona est
rationalis naturae individua substantia“. Vgl. Hl. Bonaventura, Commentaria in librum I Sententiarum, d. 25, a. 1,
q. 2; Hl. Thomas von Aquin, Summa theologiae, I, q. 29, a. 1, resp.
[18] Da es nicht das Ziel dieser
Erklärung ist, eine erschöpfende
Abhandlung über den Begriff der Würde zu verfassen, wird hier um der Kürze
willen exemplarisch nur die sogenannte klassische griechische und römische
Kultur als Bezugspunkt der frühchristlichen philosophischen und theologischen
Reflexion erwähnt.
[19] Vgl. z. B. Cicero,
De Officiis I, 105–106: „sed pertinet ad omnem
officii quaestionem semper in promptu habere, quantum natura hominis pecudibus
reliquisque beluis antecedat […] Atque etiam si considerare
volumus, quae sit in natura excellentia et dignitas, intellegemus, quam sit
turpe diffluere luxuria et delicate ac molliter vivere quamque honestum parce,
continenter, severe, sobrie“ (Scriptorum Latinorum Biblioteca Oxoniensis,
hrsg. v. M. Winterbottom, Oxford 1994, S. 43). Indeutscher Übersetzung:„Es kommt
bei der ganzen Untersuchung über die Pflicht darauf an, immer vor Augen zu
haben, wie sehr die Natur des Menschen dem Vieh und den übrigen Tieren überlegen
ist […] Und wenn wir uns vor Augen halten wollen, welche Überlegenheit und Würde
in unserer Natur liegen, werden wir auch verstehen, wie schändlich es ist, sich
Ausschweifungen zu ergeben und üppig und verweichlicht zu leben, und wie
moralisch es ist, ein sparsames, enthaltsames, ernsthaftes und nüchternes Leben
zu führen“, Vom pflichtgemäßen Handeln. Lateinisch – Deutsch,
hrsg. v. R. Nickel, De Gruyter, Berlin 2013, S. 89.
[20] Vgl. Hl. Paul VI.,
Pilgerfahrt ins Heilige Land – Besuch der
Verkündigungsbasilika in Nazareth (5. Januar 1964): AAS 56 (1964), S.
166–170.
[21] Unter den verschiedenen Belegen vgl. z. B. Hl. Clemens von Rom, 1 Clem. 33, 4f: PG 1, S. 273; Theophilus von Antiochien,
Ad Aut. I, 4: PG
6, 1029; Hl. Clemens von Alexandrien, Strom. III, 42, 5–6: PG 8, S. 1145;
ebd., VI, 72, 2: PG 9, S. 293; Hl. Irenäus von Lyon, Adv. Haer. V, 6, 1:
PG 7, S. 1137–1138; Origenes, De princ. III, 6,1: PG 11, S. 333; Hl. Augustinus,
De Gen. ad lit. VI, 12: PL 34, S. 348. De Trin. XIV, 8, 11:
PL 42, S. 1044–1045.
[22] Hl. Thomas von Aquin,
Summa Theologiae, I, q. 29, a. 3, resp.: „persona significat id, quod est perfectissimum in tota natura, scilicet
subsistens in rationali natura“.
[23] Man denke nur an Giovanni Pico della Mirandola und seinen berühmten Text
Orario de hominis dignitate (1486).
[24] Für einen jüdischen Denker wie E. Levinas (1906–1995) wird der Mensch
durch seine Freiheit insofern qualifiziert, als er sich in unendlicher Weise für
den anderen Menschen verantwortlich entdeckt.
[25] Einige der großen christlichen Denker des 19. und 20. Jahrhunderts, wie
der heilige J. H. Newman, der selige A. Rosmini, J. Maritain, E. Mounier, K.
Rahner, H. U. von Balthasar und andere, haben es geschafft, ein Menschenbild
vorzulegen, das mit den Denkströmungen unseres beginnenden 21. Jahrhunderts,
unabhängig von ihrer, auch der postmodernen Inspiration, wirksam in Dialog
treten kann.
[26] Aus diesem Grund besagt die
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte implizit, „dass die Quelle der unveräußerlichen Menschenrechte in der Würde
jeder menschlichen Person liegt“: Internationale Theologische Kommission,
Auf
der Suche nach einer universalen Ethik. Ein neuer Blick auf das natürliche
Sittengesetz (2009), Nr. 115.
[27] II. Vatikanisches Konzil, Past. Konst.
Gaudium et Spes
(7. Dezember 1965), Nr. 26: AAS
58 (1966), S. 1046; das gesamte erste Kapitel des ersten Hauptteils der
Konstitution (Nr. 11–22) ist der „Würde des der menschlichen Person“ gewidmet.
[28] II. Vatikanisches Konzil, Erkl.
Dignitatis humanae
(7. Dezember 1965), Nr. 1: AAS 58 (1966), S. 929.
[29]
Ebd., Nr.
2:
AAS 58 (1966), S. 931.
[30] Kongregation für die Glaubenslehre, Instr.
Dignitas
Personae, Nr. 7: AAS 100 (2008), S. 863. Vgl.
auch Irenäus von Lyon, Adv. Haer. V, 16, 2: PG 7, S. 1167–1168.
[31] Da „der Sohn Gottes, […] sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit
jedem Menschen vereinigt hat“ (II. Vatikanisches Konzil, Past. Konst.
Gaudium et Spes
[7. Dezember 1965], Nr. 22: AAS 58 [1966], S. 1042), wird die
Würde jedes Menschen in ihrer Fülle durch Christus geoffenbart.
[32] II. Vatikanisches Konzil, Past. Konst.
Gaudium et Spes
(7. Dezember 1965), Nr. 19: AAS
58 (1966), S. 1038.
[33] Hl. Johannes Paul II., Enz.
Evangelium vitae
(25. März 1995), Nr. 38: AAS 87
(1995), S. 443, inneres Zitat: Hl. Irenäus von Lyon, Adv. Haer. IV, 20,7:
PG 7, S. 1037–1038.
[34] In der Tat hat Christus den Getauften eine neue Würde verliehen, nämlich
die der „Kinder Gottes“: vgl. Katechismus der katholischen Kirche, Nrn.
1213, 1265, 1270, 1279.
[35] II. Vatikanisches Konzil, Erkl.
Dignitatis humanae
(7. Dezember 1965), Nr. 9: AAS 58 (1966), S. 935.
[36] Vgl. Hl. Irenäus von Lyon,
Adv. Haer. V, 6, 1. V, 8, 1. V, 16, 2: PG 7, S. 1136–1138. 1141–1142. 1167–1168; Hl. Johannes von Damaskus,
De fide orth. 2, 12: PG
94, S. 917–930.
[37] Benedikt XVI.,
Ansprache in Westminster Hall (17. September 2010): Insegnamenti
VI/2 (2011), S. 240.
[38] Franziskus,
Generalaudienz
(12. August 2020): L’Osservatore
Romano (13. August 2020), S. 8, innere Zitate: Hl. Johannes Paul II.,
Ansprache an die Vollversammlung der Vereinten Nationen (2. Oktober
1979), Nr. 7 und Ders., Ansprache an die
Vollversammlung der Vereinten Nationen (5. Oktober 1995), Nr. 2.
[39] Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Instr.
Dignitas
Personae (8. September 2008), Nr. 8: AAS 100 (2008), S. 863–864.
[40] Internationale Theologische Kommission,
Die Religionsfreiheit im Dienste des Allgemeinwohls
(2019), Nr. 38.
[41] Vgl. Franziskus,
Ansprache an das beim Heiligen Stuhl akkreditierte
diplomatische Korps (8. Januar 2024): L’Osservatore Romano (8. Januar
2024), S. 3.
[42] Hl. Johannes Paul II., Enz.
Evangelium vitae
(25. März 1995), Nr. 19:
AAS 87 (1995), S. 422.
[43] Franziskus, Enz.
Laudato si’
(24. Mai 2015), Nr. 69: AAS 107 (2015), S. 875,
inneres Zitat: Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 339.
[44] Franziskus, Apost. Schreiben
Laudate Deum (4. Oktober 2023), Nr. 67:
L’Osservatore Romano (4. Oktober 2023), IV.
[45] Ebd., Nr. 63:
L’Osservatore Romano (4. Oktober 2023), IV.
[46] Katechismus der katholischen Kirche,
Nr. 1730.
[47] Benedikt XVI.,
Botschaft zur Feier des 44. Weltfriedenstages
(1. Januar 2011), Nr. 3:
Insegnamenti VI/2 (2011), S. 979.
[48] Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden,
Kompendium der Soziallehre der Kirche, Nr. 137.
[49] Franziskus, Enz.
Fratelli tutti
(3. Oktober 2020), Nr. 109: AAS 112 (2020),
S. 1006.
[50] Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden,
Kompendium der
Soziallehre der Kirche, Nr. 137.
[51] Franziskus,
Ansprache an die Teilnehmer des internationalen Treffens der Volksbewegungen
(28. Oktober 2014): AAS 106 (2014), S. 858.
[52] Franziskus, Enz.
Fratelli tutti
(3. Oktober 2020), Nr. 107: AAS 112 (2020),
S. 1005–1006.
[53] II. Vatikanisches Konzil, Past. Konst.
Gaudium et Spes
(7. Dezember 1965), Nr. 27: AAS 58
(1966), S. 1047.
[54] Ebd.
[55] Ebd.
[56] Vgl. Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 2267 und Kongregation für die Glaubenslehre,
Schreiben an die Bischöfe über die neue Formulierung der Nr. 2267 des
Katechismus der katholischen Kirche bezüglich der Todesstrafe (1. August
2018), Nrn. 7–8.
[57] Franziskus, Enz.
Fratelli tutti
(3. Oktober 2020), Nr. 269: AAS 112 (2020),
S. 1065.
[58] Hl. Johannes Paul II., Enz.
Sollicitudo Rei Socialis
(30. Dezember 1987), Nr. 28: AAS 80 (1988), S. 549.
[59] Benedikt XVI., Enz.
Caritas in veritate
(29. Juni 2009), Nr. 22: AAS 101 (2009), S. 657, inneres Zitat: Paul VI., Enz.
Populorum progressio
(26. März 1967), Nr. 9:
AAS 59 (1967), S. 261–262.
[60] Franziskus, Enz.
Fratelli tutti
(3. Oktober 2020), Nr. 21: AAS 112 (2020),
S. 976, inneres Zitat: Benedikt XVI., Enz.
Caritas in veritate
(29 giugno
2009), Nr. 22: AAS 101 (2009), S. 657.
[61] Franziskus, Enz.
Fratelli tutti
Nr. 20: AAS 112 (2020), S. 975–976. Vgl. auch das „Gebet zum Schöpfer“
am Ende dieser Enzyklika.
[62] Ebd., Nr. 116:
AAS 112 (2020), S. 1009, inneres Zitat: Franziskus,
Ansprache an die Teilnehmer des internationalen Treffens der Volksbewegungen
(28. Oktober 2014): AAS 106 (2014), S. 851–852.
[63] Franziskus, Enz.
Fratelli tutti, Nr. 162:
AAS 112 (2020), S. 1025, inneres
Zitat: Franziskus,
Ansprache an das beim Heiligen Stuhl akkreditierte
diplomatische Korps (12. Januar 2015): AAS 107 (2015), S. 165.
[64] Ebd., Nr. 25:
AAS 112 (2020), S. 978,
inneres Zitat: Franziskus,
Botschaft zur Feier der 49. Weltfriedenstages
(1. Januar 2016): AAS 108 (2016), S. 49.
[65] Franziskus, Botschaft an die Teilnehmer der VI. Veranstaltung des „Forum de Paris sur la Paix“ (10. November 2023):
L’Osservatore Romano (10. November 2023), S. 7, inneres
Zitat: Ders.,
Generalaudienz (23. März 2022):
L’Osservatore Romano
(23. März 2022), S. 3.
[66] Franziskus,
Ansprache bei der Konferenz der Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention
der Vereinten Nationen (COP 28) (2. Dezember 2023): L’Osservatore Romano (2. Dezember 2023), S. 2.
[67] Vgl. Hl. Paul VI.,
Ansprache an die Vereinten Nationen (4. Oktober
1965): AAS 57 (1965), S. 881.
[68] Hl. Johannes Paul II., Enz.
Redemptor hominis
(4. März 1979), Nr. 16: AAS 71 (1979), S. 295.
[69] Franziskus, Enz.
Fratelli tutti
(3. Oktober 2020), Nr. 258: AAS 112 (2020),
S. 1061.
[70] Franziskus, Ansprache an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (14. Juni 2023):
L’Osservatore Romano (15. Juni 2023), S. 8.
[71] Franziskus,
Ansprache am Weltgebetstag für den Frieden
(20. September 2016):
L’Osservatore Romano (22. September 2016), S. 5.
[72] Vgl. Franziskus, Enz.
Fratelli tutti
(3. Oktober 2020), Nr. 38: AAS 112 (2020), S. 983: „Folglich muss auch ,das
Recht nicht auszuwandern – das heißt, in der Lage zu sein, im eigenen Land zu
bleiben – bekräftigt werden‘“, inneres Zitat: Benedikt XVI.,
Botschaft zum
99. Welttag des Migranten und Flüchtlings (12. Oktober 2012): AAS
104
(2012), S. 908.
[73] Vgl. Franziskus, Enz.
Fratelli tutti
(3. Oktober 2020), Nr. 38: AAS 112 (2020), S. 982–983.
[74] Ebd., Nr. 39:
AAS 112 (2020), S. 983.
[75] Benedikt XVI., Enz.
Caritas in veritate
(29. Juni 2009), Nr. 62: AAS 101 (2009), S. 697.
[76] Franziskus, Enz.
Fratelli tutti
(3. Oktober 2020), Nr. 39: AAS 112 (2020), S. 983.
[77] An dieser Stelle kann es nützlich sein, an die Erklärung Pauls III. über
die Würde der Menschen in den Ländern der „Neuen Welt“ in der Bulle
Pastorale
officium (29. Mai 1537) zu erinnern, in der er – unter Androhung der
Exkommunikation – feststellt, dass die Bewohner dieser Territorien, „auch wenn
sie sich außerhalb des Schoßes der Kirche befinden, dennoch nicht ihrer Freiheit
oder der Herrschaft über ihren Besitz […] zu berauben seien, da sie Menschen und
deshalb fähig zum Glauben und zum Heil sind“ [„licet extra gremium Ecclesiae
existant, non tamen sua libertate, aut rerum suarum dominio […] privandos esse,
et cum homines, ideoque fidei et salutis capaces sint“]: DH 1495.
[78] Franziskus, Ansprache an die Teilnehmer der Vollversammlung des Päpstlichen Rats
der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs (24. Mai 2013):
AAS 105 (2013), S. 470–471.
[79] Franziskus,
Ansprache an die Mitglieder der UN-Generalversammlung, New York
(25.
September 2015): AAS 107 (2015), S. 1039.
[80] Franziskus, Ansprache an eine Gruppe neuer Botschafter beim Heiligen Stuhl (12.
Dezember 2013): L’Osservatore Romano (13. Dezember 2013), S. 8.
[81] Franziskus, Ansprache an die Teilnehmer der internationalen Konferenz zum
Menschenhandel (11. April 2019): AAS 111 (2019), S. 700.
[82]
Abschlussdokument der XV. Ordentlichen
Generalversammlung der Bischofssynode (27. Oktober 2018), Nr. 29.
[83] Franziskus, Enz.
Fratelli tutti
(3. Oktober 2020), Nr. 23: AAS 112 (2020),
S. 977, inneres Zitat: Ders., Apost. Schreiben
Evangelii gaudium
(24.
November 2013), Nr. 212: AAS 105 (2013), S. 1108.
[84] Hl. Johannes Paul II.,
Brief an die Frauen (29. Juni 1995), Nr. 4:
Insegnamenti XVIII/1 (1997), S. 1874.
[85] Ebd., Nr. 5:
Insegnamenti XVIII/1 (1997), S. 1875.
[86] Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 1645.
[87] Franziskus,
Ansprache bei der Marienandacht – Unsere Liebe Frau vom Tor (20. Januar
2018): AAS 110 (2018), Nr. 329.
[88] Franziskus, Ansprache an die Vollversammlung der Kongregation für die Glaubenslehre
(21. Januar 2022): L’Osservatore Romano (21. Januar 2022), S. 8.
[89] Hl. Johannes Paul II., Enz.
Evangelium vitae (25. März 1995), Nr. 58:
AAS 87 (1995), S. 466–467. Zur Frage der
Achtung gegenüber menschlichen Embryonen siehe Kongregation für die Glaubenslehre,
Instr.
Donum vitae (22. Februar 1987): „Die Praxis, menschliche Embryonen
in vivo oder in vitro für experimentelle oder kommerzielle Zwecke am Leben zu
erhalten, steht in völligem Widerspruch zur menschlichen Würde.“ (I, 4):
AAS
80 (1988), S. 82.
[90] Franziskus, Apost. Schreiben
Evangelii gaudium
(24. November 2013), Nr. 213: AAS 105 (2013), S. 1108.
[91]
Ebd.
[92] Franziskus,
Ansprache an das beim Heiligen Stuhl akkreditierte diplomatische Korps
(8. Januar 2024): L’Osservatore Romano (8. Januar 2024), S. 3.
[93] Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Instr.
Dignitas
Personae (8. September 2008), Nr. 16: AAS 100 (2008), S. 868–869. Alle diese
Aspekte werden in der Instruktion der damaligen Kongregation für die
Glaubenslehre mit dem Titel
Donum vitae genau erwähnt (22. Februar 1987):
AAS 80 (1988), S. 71–102.
[94] Kongregation für die Glaubenslehre, Brief
Samaritanus Bonus
(14. Juli 2020), V, Nr. 4: AAS 112
(2020), S. 925.
[95] Vgl.
ebd., V, Nr. 1:
AAS 112 (2020), S. 919.
[96] Franziskus,
Generalaudienz (9. Februar 2022):
L’Osservatore Romano (9.
Februar 2022), S. 3.
[97] Vgl. vor allem Franziskus, Enz.
Fratelli tutti (3. Oktober 2020),
Nrn. 18–21: AAS 112 (2020), S. 975–976: „Der Ausschuss der Welt“. Die Nr.
188 derselben Enzyklika kommt zur Identifikation einer „Wegwerf-Kultur“.
[98] Vgl. Franziskus,
Ansprache an die Teilnehmer der Tagung “Katechese und
Menschen mit Behinderung“, gefördert durch den Päpstlichen Rat zur Förderung der
Neuevangelisierung (21. Oktober 2017): L’Osservatore Romano (22.
Oktober 2017), S. 8: „Die Verletzlichkeit gehört zum Wesen des Menschen“.
[99] Vgl. Franziskus,
Botschaft zum internationalen Tag der Menschen mit
Behinderung (3. Dezember 2020): AAS 112 (2020), S. 1185–1186.
[100] Franziskus, Enz.
Fratelli tutti
(3. Oktober 2020), Nrn. 187–188: AAS 112
(2020), S. 1035–1036, inneres Zitat: Ders.,
Ansprache an das Europaparlament,
Straßburg (25. November 2014): AAS 106 (2014), S. 999, und Ders.,
Ansprache an die Vertreter des öffentlichen Lebens und an das diplomatische
Korps, Bangui – Zentralafrikanische Republik (29. November 2015):
AAS
107 (2015), S. 1320.
[101] Franziskus, Apost. Schreiben
Amoris laetitia
(19. März 2016), Nr. 250: AAS
108 (2016), S. 412–413, inneres Zitat: Katechismus der katholischen Kirche,
Nr. 2358.
[102] Franziskus,
Ansprache an das beim Heiligen Stuhl akkreditierte diplomatische Korps
(8. Januar 2024): L’Osservatore Romano (8. Januar 2024), S. 3.
[103] Franziskus, Apost. Schreiben
Amoris laetitia
(19. März 2016), Nr. 56: AAS 108 (2016), S. 334.
[104] Ebd., inneres Zitat: XIV. Ordentliche Generalversammlung der
Bischofssynode,
Abschlussbericht (24. Oktober 2015), Nr. 58.
[105] Franziskus, Apost. Schreiben
Amoris laetitia
(19. März 2016), Nr. 286: AAS 108 (2016), S. 425.
[106] Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 364.
[107] Dies gilt auch für die Achtung vor dem Leib der Verstorbenen; vgl. z. B. Kongregation für die Glaubenslehre,
Instr.
Ad resurgendum cum Christo
(15. August 2016), Nr. 3: AAS 108 (2016), S. 1290:
„Indem die Kirche den Leichnam der Verstorbenen beerdigt, bekräftigt sie den
Glauben an die Auferstehung des Fleisches.Zugleich möchte sie so die hohe Würde des menschlichen Leibes als wesentlicher
Teil der Person, dessen Geschichte der Leib teilt, ins Licht stellen“. Ausführlicher dazu vgl. Internationale Theologische Kommission,
Einige
aktuelle Fragen der Eschatologie (1990), Nr. 5: „Der zur Auferstehung
berufene Mensch“.
[108] Vgl. Franziskus, Enz.
Laudato si’
(24. Mai 2015), Nr. 155: AAS 107 (2015), S. 909.
[109] Franziskus, Apost. Schreiben
Amoris laetitia (19. März 2016), Nr. 56:
AAS 108 (2016), S. 344.
[110] Franziskus, Apost. Schreiben
Christus vivit
(25. März 2019), Nr. 88: AAS 111
(2019), S. 413, inneres Zitat:
Abschlussdokument der XV. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode
(27. Oktober 2018), Nr. 23.
[111] Franziskus, Enz.
Fratelli tutti
(3. Oktober 2020), Nr. 42: AAS 112 (2020),
S. 984.
[112] Franziskus, Enz.
Fratelli tutti
(3. Oktober 2020), Nr. 205: AAS 112 (2020),
S. 1042, inneres Zitat: Ders.,
Botschaft zum 48. Welttag der sozialen
Kommunikationsmittel (24. Januar 2014): AAS 106 (2014), S. 113.
[113] Franziskus,
Angelus
(10. Dezember 2023):
L’Osservatore Romano (11. Dezember 2023), S. 12.
[114] Vgl. Internationale Theologische Kommission,
Würde und Rechte der
menschlichen Person (1983), Nr. 2.
[115] Franziskus, Enz.
Fratelli tutti
(3. Oktober 2020), Nr. 195: AAS 112 (2020),
S. 1038, inneres Zitat: Ders., Apost. Schreiben
Evangelii gaudium
(24. November 2013), Nr. 274: AAS 105 (2013), S. 1130.
[116] Franziskus, Enz.
Laudato si’
(24. Mai 2015), Nr. 205: AAS 107 (2015), S. 928.
|