EVANGELII GAUDIUM - page 123

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189. Die Solidarität ist eine spontane Reaktion dessen, der die soziale
Funktion des Eigentums und die universale Bestimmung der Güter als
Wirklichkeiten erkennt, die älter sind als der Privatbesitz. Der private
Besitz von Gütern rechtfertigt sich dadurch, dass man sie so hütet und
mehrt, dass sie dem Gemeinwohl besser dienen; deshalb muss die
Solidarität als die Entscheidung gelebt werden, dem Armen das
zurückzugeben, was ihm zusteht. Wenn diese Einsichten und eine
solidarische Gewohnheit uns in Fleisch und Blut übergehen, öffnen sie den
Weg für weitere strukturelle Umwandlungen und machen sie möglich. Eine
Änderung der Strukturen, die hingegen keine neuen Einsichten und
Verhaltensweisen hervorbringt, wird dazu führen, dass ebendiese
Strukturen früher oder später korrupt, drückend und unwirksam werden.
190. Manchmal geht es darum, den Schrei ganzer Völker, der ärmsten
Völker der Erde zu hören, denn » der Friede gründet sich nicht nur auf die
Achtung der Menschenrechte, sondern auch auf die Achtung der Rechte
der Völker «
.
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Bedauerlicherweise können sogar die Menschenrechte als
Rechtfertigung für eine erbitterte Verteidigung der Rechte des Einzelnen
oder der Rechte der reichsten Völker genutzt werden. Bei allem Respekt vor
der Unabhängigkeit und der Kultur jeder einzelnen Nation muss doch
immer daran erinnert werden, dass der Planet der ganzen Menschheit
gehört und für die ganze Menschheit da ist und dass allein die Tatsache,
an einem Ort mit weniger Ressourcen oder einer niedrigeren
Entwicklungsstufe geboren zu sein, nicht rechtfertigt, dass einige
Menschen weniger würdevoll leben. Es muss noch einmal gesagt werden:
» Die am meisten Begünstigten müssen auf einige ihrer Rechte verzichten,
um mit größerer Freigebigkeit ihre Güter in den Dienst der anderen zu
stellen.
155
154
P
ÄPSTLICHER
R
AT FÜR
G
ERECHTIGKEIT UND
F
RIEDEN
,
Kompendium der Soziallehre der Kirche
, 157.
Um in angemessener Weise von unseren Rechten zu sprechen,
müssen wir unseren Gesichtskreis erweitern und unsere Ohren dem Schrei
155
P
AUL
VI.,
Apostolisches Schreiben
Octogesima adveniens
zum 80. Jahrestag der Enzyklika
Rerum novarum
(14. Mai 1971), 23:
AAS
63 (1971), 418.
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