Lumen Fidei - page 33

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24. In diesem Licht gelesen, führt der Jesaja-
Text zu einer Schlussfolgerung: Der Mensch
braucht Erkenntnis, er braucht Wahrheit, denn
ohne sie hat er keinen Halt, kommt er nicht voran.
Glaube ohne Wahrheit rettet nicht, gibt unseren
Schritten keine Sicherheit. Er bleibt ein schönes
Märchen, die Projektion unserer Sehnsucht nach
Glück, etwas, das uns nur in dem Maß befriedigt,
in dem wir uns Illusionen hingeben wollen. Oder
er reduziert sich auf ein schönes Gefühl, das trös-
tet und wärmt, doch dem Wechsel unserer Stim-
mung und der Veränderlichkeit der Zeiten unter-
worfen ist und einem beständigen Weg im Leben
keinen Halt zu bieten vermag. Wenn der Glaube
so wäre, hätte der König Ahas Recht, sein Leben
und die Sicherheit seines Reiches nicht auf eine
Gefühlsregung zu setzen. Aber gerade durch sei-
ne innere Verbindung mit der Wahrheit ist der
Glaube fähig, ein neues Licht zu bieten, das den
Berechnungen des Königs überlegen ist, weil es
weiter sieht, denn es versteht das Handeln Got-
tes, der seinem Bund und seinen Verheißungen
treu ist.
25. An die Verbindung des Glaubens mit der
Wahrheit zu erinnern, ist heute nötiger denn je,
gerade wegen der Wahrheitskrise, in der wir le-
ben. In der gegenwärtigen Kultur neigt man oft
dazu, als Wahrheit nur die der Technologie zu
akzeptieren: Wahr ist, was der Mensch mit sei-
ner Wissenschaft zu konstruieren und zu mes-
sen vermag — wahr, weil es funktioniert und
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