Lumen Fidei - page 41

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Es ist dagegen klar, dass dieser angebliche
Gegensatz nicht der biblischen Gegebenheit
entspricht. Das Alte Testament hat beide Arten
der Erkenntnis miteinander vereint, denn mit
dem Hören des Wortes Gottes verbindet sich
der Wunsch, sein Angesicht zu sehen. Auf diese
Weise konnte sich ein Dialog mit der hellenisti-
schen Kultur entwickeln, der zum Eigentlichen
der Schrift gehört. Das Hören bestätigt die per-
sönliche Berufung und den Gehorsam wie auch
die Tatsache, dass die Wahrheit sich in der Zeit
offenbart; das Sehen bietet die volle Sicht des ge-
samten Weges und erlaubt, sich in den großen
Plan Gottes einzureihen; ohne diese Sicht wür-
den wir nur über vereinzelte Fragmente eines un-
bekannten Ganzen verfügen.
30. Die Verbindung zwischen dem Sehen und
dem Hören als Organe der Glaubenserkenntnis
erscheint mit größter Deutlichkeit im Johannes-
evangelium. Für das vierte Evangelium bedeutet
glauben hören und zugleich sehen. Das Hören
des Glaubens geschieht entsprechend der Form
von Erkenntnis, die der Liebe eigen ist: Es ist ein
persönliches Hören, das die Stimme unterschei-
det und die des Guten Hirten erkennt (vgl.
Joh
10,3-5); ein Hören, das die Nachfolge verlangt
wie bei den ersten Jüngern: Sie »hörten, was er
sagte, und folgten Jesus« (
Joh
1,37). Andererseits
ist der Glaube auch mit dem Sehen verbunden.
Manchmal geht das Sehen der Zeichen Jesu dem
Glauben voraus wie bei den Juden, die nach der
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