Lumen Fidei - page 80

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auf einen gemeinsamen Vater als ihr letztes Fun-
dament entbehrt, nicht zu bestehen vermag. Es
ist also nötig, zur wahren Wurzel der Brüderlich-
keit zurückzukehren. Die Geschichte des Glau-
bens ist von ihrem Anbeginn an eine Geschichte
der Brüderlichkeit gewesen, wenn auch nicht frei
von Konflikten. Gott ruft Abraham, aus seinem
Land wegzuziehen, und verspricht ihm, ihn zu
einer großen Nation, zu einem großen Volk zu
machen, auf dem der göttliche Segen liegt (vgl.
Gen
12,1-3). Während die Heilsgeschichte fort-
schreitet, entdeckt der Mensch, dass Gott alle
als Brüder und Schwestern an dem einen Segen
teilhaben lassen will, der in Jesus seine Fülle fin-
det, damit alle eins würden. Die unerschöpfliche
Liebe des Vaters wird uns in Jesus auch durch
die Gegenwart des Bruders mitgeteilt. Der Glau-
be lehrt uns zu sehen, dass in jedem Menschen
ein Segen für mich gegeben ist, dass das Licht
des Antlitzes Gottes mich durch das Gesicht des
Bruders erleuchtet.
Wie viele Wohltaten hat die Sicht des christ-
lichen Glaubens dem Gemeinwesen der Men-
schen für ihr Gemeinschaftsleben gebracht!
Dank des Glaubens haben wir die einzigartige
Würde jedes einzelnen Menschen erfasst, die in
der antiken Welt nicht so klar ersichtlich war. Im
zweiten Jahrhundert warf der Heide Celsus den
Christen vor, was er für eine Illusion und eine
Täuschung hielt: nämlich zu meinen, Gott habe
die Welt für den Menschen erschaffen und ihn an
die Spitze des ganzen Kosmos gesetzt. Er fragte
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