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INTERNATIONALE THEOLOGISCHE KOMMISSION

Jesus Christus, Sohn Gottes, Erlöser

1700. Jahrestag des ökumenischen Konzils von Nizäa
325–2025

Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkung

Einleitung: Doxologie, Theologie und Verkündigung                                                                   

Kapitel 1: Das Symbolum für die Erlösung: Doxologie und Theologie des Dogmas von Nizäa        

1. Die Unermesslichkeit der drei göttlichen Personen erfassen, die uns retten: „Gott ist (in unfassbarer Weise) Liebe“

1.1 Die Erhabenheit der Vaterschaft Gottes, des Vaters, als Grundlage für die Erhabenheit des Sohnes und des Geistes
1.2 Überlegungen zur Verwendung des Ausdrucks homoousios
1.3 Die Einheit der Heilsgeschichte

2. Die Unermesslichkeit Christi, des Erlösers, und seiner Erlösungstat erfassen

2.1 Christus in seiner ganzen Größe sehen
2.2 Die Unermesslichkeit des Heilshandelns: Verwurzelung in der Geschichte
2.3 Die Größe des Heilshandelns: das Mysterium paschale

3. Die Unermesslichkeit des dem Menschen angebotenen Heils und die Unermesslichkeit unserer menschlichen Berufung erfassen

3.1 Die Größe der Erlösung: Eintritt in das Leben Gottes                                                             
3.2 Die Unermesslichkeit der menschlichen Berufung zur göttlichen Liebe                                    
3.3 Die Schönheit des Geschenks der Kirche und der Taufe

4. Gemeinsam die unermessliche Größe des Heils feiern: die ökumenische Bedeutung des Glaubens von Nizäa und die Hoffnung auf ein gemeinsames Osterdatum

Kapitel 2: Das Symbolum von Nizäa im Leben der Gläubigen – „Wir glauben, wie wir taufen; und wir beten, wie wir glauben“

Zum Auftakt

1. Taufe und trinitarischer Glaube                                                                                          

2. Die besondere Bedeutung des Symbolums von Nizäa

3. Vertiefung in Predigten und Katechesen

4. Gebet zum Sohn und die Doxologien

5. Theologie in Hymnen

Kapitel 3: Nizäa als theologisches und kirchliches Ereignis

1. Das Christus-Ereignis: „Niemand hat Gott gesehen. Der einziggeborene Sohn hat von ihm Kunde gebracht“ (Joh 1,18)

1.1 Christus, das fleischgewordene Wort, offenbart den Vater
1.2 „Wir aber haben das Denken (nous) Christi“ (1 Ko2 2,16): Analogie der Schöpfung und Analogie der Liebe
1.3 Zur Erkenntnis des Vaters eintreten durch das Gebet Christi

2. Ereignis der Weisheit: Neuheit für das menschliche Denken

2.1 Die Offenbarung befruchtet und erweitert das menschliche Denken
2.2 Ein kulturelles und interkulturelles Ereignis
2.3 Die schöpferische Treue der Kirche und  das Problem der Häresie

3. Das kirchliche Ereignis: das Konzil von Nizäa als erstes ökumenisches Konzil

3.1 Das Wesen und die Strukturen der Kirche haben ihre Wurzel im Christusereignis
3.2 Das konstruktive Zusammenwirken der Charismen in der Kirche und der Weg nach Nizäa
3.3 Das ökumenische Konzil von Nizäa

Kapitel 4: Den Glauben für das ganze Volk Gottes zugänglich halten

Auftakt: Das Konzil von Nizäa und die Grundlage der Glaubwürdigkeit des christlichen Mysteriums

1. Die Theologie im Dienst der Vollständigkeit der Heilswahrheit

1.1 Christus, die eschatologisch wirksame Wahrheit
1.2 Errettung und der Weg zur Gotteskindschaft

2. Die Vermittlung der Kirche und die Umkehrung der dogmatischen Reihenfolge: Trinität, Christologie, Pneumatologie, Ekklesiologie

2.1 Die Vermittlungen des Glaubens und das Amt der Kirche
2.2 Dissens und Synodalität
2.3 Bildung und Erneuerung des Konsenses durch die „Zungen des Heiligen Geistes“

3. Das Glaubensgut hüten: Liebe im Dienst an den Geringsten

3.1 Der einmütige Glaube des Gottesvolkes, der allen Menschen angeboten wird
3.2 Der Schutz des Glaubens angesichts politischer Macht

Fazit: Allen Menschen Jesus als unsere Erlösung heute verkünden

                                                                                                                                                         


 

INTERNATIONALE THEOLOGISCHE KOMMISSION

Jesus Christus, Sohn Gottes, Erlöser

1700. Jahrestag des Ökumenischen Konzils von Nizäa
325–2025

Vorbemerkung

Während ihres 10. Quinquenniums hat die Internationale Theologische Kommission beschlossen, eine vertiefte Studie über das Erste Ökumenische Konzil von Nizäa und seine dogmatische Aktualität zu erarbeiten. Die Aufgabe wurde von einer eigenen Unterkommission unter dem Vorsitz von P. Philippe Vallin übernommen, die sich aus den folgenden Mitgliedern zusammensetzte: S. Exz. Bischof Antonio Luiz Catelan Ferreira, S. Exz. Bischof Etienne Vetö, I.C.N., P. Mario Ángel Flores Ramos, P. Gaby Alfred Hachem, P. Karl-Heinz Menke, Prof. Marianne Schlosser, Prof. Robin Darling Young.

Umfassende Diskussionen zu diesem Thema erfolgten sowohl bei den verschiedenen Treffen der Unterkommission als auch bei den Plenarsitzungen der Kommission selbst, die in den Jahren 2022–2024 stattfanden. Der Text wurde den Mitgliedern der Internationalen Theologischen Kommission auf der Plenarsitzung im Jahr 2024 zur Abstimmung vorgelegt, wo er einstimmig in forma specifica angenommen wurde. Anschließend wurde das Dokument dem Vorsitzenden, S. Em. Kardinal Víctor Manuel Fernández, Präfekt des Dikasteriums für die Glaubenslehre, zur Genehmigung vorgelegt, der es nach der positiven Stellungnahme des Heiligen Vaters Franziskus am 16. Dezember 2024 zur Veröffentlichung freigab.

Einleitung: Doxologie, Theologie und Verkündigung

1. Am 20. Mai 2025 erinnern sich die katholische Kirche und die gesamte christliche Welt mit Dankbarkeit und Freude an die Eröffnung des Konzils von Nizäa im Jahr 325: „Das Konzil von Nizäa ist ein Meilenstein in der Kirchengeschichte. Sein Jahrestag lädt die Christen dazu ein, der Heiligen Dreifaltigkeit gemeinsam Lob und Dank zu singen, insbesondere Jesus Christus, dem Sohn Gottes, der ‚wesensgleich dem Vater‘ ist und uns dieses Geheimnis der Liebe offenbart hat.“[1]  Das Konzil blieb im christlichen Bewusstsein hauptsächlich durch das Symbolum haften, das den Glauben an die Erlösung durch Jesus Christus und an den Einen Gott, den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, zusammenfasst, festhält und verkündet. Das Nizänische Symbolum verkündet die frohe Botschaft von der umfassenden Erlösung der Menschen durch Gott selbst in Jesus Christus. 1700 Jahre später geht es vor allem darum, dieses Ereignis in der Weise der Doxologie zu feiern, einem Lobpreis der Herrlichkeit Gottes, die sich in dem unschätzbaren Reichtum des durch das Nizänische Bekenntnis ausgedrückten Glaubens offenbart hat: die unendliche Schönheit Gottes, des Vaters, der uns rettet, die unermessliche Barmherzigkeit Jesu Christi, unseres Erlösers, die überwältigende Großzügigkeit der Erlösung, die jedem Menschen im Heiligen Geist angeboten wird. Wir vereinen unsere Stimme mit der der Väter, wie Ephraem dem Syrer, um diese Herrlichkeit zu besingen:

„Lob sei jenem, der zu uns kam durch seinen Erstgebornen!
Lob jenem Schweigenden,
Der durch seine Stimme sprach!
Lob jenem in der Höhe,
der sichtbar wurde durch seinen Aufgang!
Lob dem Geistigen,
der gewollt hat,
dass sein Gezeugter ein Körper werde
damit durch ihn seine Macht ertastet werden könne,
und damit durch diesen Körper Leben fänden
die ihm verwandten Körper.“[2]

2. Das Licht, das durch das Konzil von Nizäa auf die christliche Offenbarung geworfen wurde, ermöglicht es, einen unerschöpflichen Reichtum zu entdecken, der sich durch alle Jahrhunderte und alle Kulturen hindurch immer wieder vertiefen lässt und sich in immer schöneren und neuen Facetten zeigt. Diese verschiedenen Facetten kommen insbesondere durch das betende und theologisch-nachdenkende Lesen des Symbolums ans Licht, das die meisten christlichen Traditionen vollziehen, jede von ihnen mit einer anderen Beziehung zur Existenz eines Symbolums selbst. Es ist auch eine Chance für alle, den Reichtum des Symbolums sowie das Band der Gemeinschaft zwischen allen Christen, das dieses Symbolum sein kann, wieder oder sogar neu zu entdecken. „Wie sollte man nicht die außerordentliche Bedeutung dieses Jahrestages für den Weg zur vollen Einheit der Christen erwähnen?“[3], betont Papst Franziskus.

3. Das Konzil von Nizäa war das erste als „ökumenisch“ bezeichnete Konzil, weil zum ersten Mal die Bischöfe aus der gesamten Oikoumenē eingeladen wurden.[4] Seine Beschlüsse sollten daher ökumenische, d. h. allgemeine Geltung haben: Als solche wurden sie von den Gläubigen und durch die christliche Tradition im Laufe eines langen und mühsamen Prozesses rezipiert. Die ekklesiologische Herausforderung ist von größter Bedeutung. Das Symbolum ist eingebettet in die Bewegung der schrittweisen Übernahme der griechischen Sprache und Denkmuster durch die christliche Glaubenslehre, wobei jene selbst durch den Kontakt mit der Offenbarung gewissermaßen selbst verwandelt wurden. Das Konzil zeigte auch die wachsende Bedeutung von Synoden und synodalen Leitungsformen in der Kirche der ersten Jahrhunderte und stellte gleichzeitig einen wichtigen Wendepunkt dar: Im Einklang mit der exousia, die den Aposteln von Jesus und dem Heiligen Geist verliehen wurde (Lk 10,16; Apg 1,14–2,1–4), ebnete das Ereignis von Nizäa den Weg für einen neuen institutionellen Ausdruck von Autorität in der Kirche, nämlich der universalen Autorität der ökumenischen Konzilien, sowohl hinsichtlich der Glaubenslehre als auch der Kirchenordnung. Diese entscheidende Wende in der Art und Weise, wie innerhalb der Gemeinschaft der Jünger des Herrn Jesus nachgedacht und entschieden wurde, hat wesentliche Elemente des Lehrauftrags der Kirche und damit ihres Wesens ans Licht gebracht.

4. Eine Präzisierung ist erforderlich, bevor wir weiter in die Reflexion eintreten. Wir stützen uns auf das Symbolum von Nizäa-Konstantinopel (381) und nicht streng genommen auf dasjenige, das in Nizäa (325) formuliert wurde.  Tatsächlich dauerte es etwa 50 Jahre, bis das Vokabular des Symbolums von Nizäa aufgenommen wurde und man sich über die universelle Bedeutung des ersten Konzils einig war. Der Rezeptionsprozess des Symbolums von Nizäa erfolgte während des Konflikts mit den Pneumatomachen in der Zeit zwischen Nizäa und Konstantinopel und führte zu einigen bedeutenden Textänderungen, insbesondere im dritten Artikel. Nach der Auffassung der Väter bedeutete dieser Prozess, der zum Symbolum von Nizäa-Konstantinopel führte, jedoch keine Veränderung des Nizänischen Glaubens, sondern seine authentische Bewahrung. In diesem Sinne „bestätigt“ die Präambel der dogmatischen Definition von Chalkedon, die der Abschrift des Symbolums von Nizäa und des Symbolums von Nizäa-Konstantinopel vorgeschaltet war, was im Symbolum der „150 Väter“ (Konstantinopel) gesagt wurde; denn  dessen Bedeutung liegt nach seinen eigenen Worten lediglich in der Präzisierung  des Bekenntnisses zum Heiligen Geist, gegen diejenigen, die sein  Herr-Sein leugnen.[5] Die Tragweite dessen, was in Nizäa geschah, zeigt sich in dem Verbot des Konzils von Ephesus, andere Glaubensformeln zu verkünden;[6] denn in der Zeit nach Nizäa waren die Vertreter der Orthodoxie der Auffassung, dass die im Nizänischen Symbolum formulierte  Unterscheidung ausreiche, um den Glauben der Kirche für alle Zeiten zu garantieren. Athanasius zum Beispiel wird von Nizäa sagen, dass es „das Wort Gottes ist, das in Ewigkeit bleibt“[7] (Jes 40,8). Dieser Prozess der lebendigen und normativen Tradition setzt sich zwischen dem 4. und 9. Jahrhundert fort, indem das Symbolum in den Taufliturgien, insbesondere im Osten, und später in den eucharistischen Liturgien übernommen wird. Es sei darauf hingewiesen, dass das Filioque, das in den aktuellen westlichen Versionen des Symbolums enthalten ist, nicht Teil des ursprünglichen Textes des Symbolums von Nizäa-Konstantinopel ist, auf den sich das vorliegende Dokument stützen will.[8] Dieser Punkt ist nach wie vor Anlass für Missverständnisse zwischen den christlichen Konfessionen, und somit Gegenstand weiteren Dialogs zwischen Orient und Okzident.

5. In einem ersten Kapitel werden wir daher eine doxologische Lesart des Symbolums vorschlagen, um seine soteriologische und damit christologische, trinitarische und anthropologische Fruchtbarkeit offenzulegen. Hier wird es darum gehen seine Bedeutung hervorzuheben und daraus neue Anregungen für die Wiedergewinnung der Einheit der Christen zu empfangen Den Reichtum des Konzils von Nizäa 1700 Jahre später zu würdigen, wird uns neu wahrnehmen lassen, wie das tägliche christliche Leben durch dieses Konzil Nahrung und Orientierung findet: In einem zweiten Kapitel patristischen Gepräges werden wir erkunden, wie das liturgische Leben und das Gebetsleben in der Kirche nach diesem Konzil befruchtet wurde. Nizäa stellt einen solchen Wendepunkt in der Geschichte des Christentums dar, dass wir uns im dritten Kapitel damit beschäftigen werden, wie das Symbolum und die Durchführung des Konzils das Christus-Ereignis selbst bezeugen, dessen Einbruch in die Geschichte einen bisher ungeahnten Zugang zu Gott eröffnet und eine Transformation des menschlichen Denkens einleitet, mit anderen Worten: ein Ereignis der Weisheit. Das Symbolum Nicaenum und auch das Konzil als solches stehen für etwas Neues in Bezug auf Struktur und Sendung der Kirche: Beides gehört zum Erbe des Ereignisses von Nizäa. Schließlich werden wir im vierten Kapitel die Bedingungen für die Glaubwürdigkeit des in Nizäa bekannten Glaubens in einem fundamentaltheologischen Schritt analysieren, der das Wesen und die Identität der Kirche herausstellen wird, als authentische Interpretin der normativen Glaubenswahrheit durch das Lehramt, und als Hüterin der Gläubigen, insbesondere der kleinsten und am meisten verletzlichen.

6. „Man zündet nicht eine Leuchte an und stellt sie unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter; dann leuchtet sie allen im Haus“ (Mt 5,15). Dieses Licht ist Christus, das „Licht vom Licht“. Darüber zu staunen bedeutet auch, neuen Schwung zu finden, um diese gute Nachricht mit noch mehr Kraft und Kreativität im Heiligen Geist zu überbringen. Dieses Licht leuchtet hell in unserer Zeit, die von Gewalt und Ungerechtigkeit geprägt, von Unsicherheiten durchzogen ist, ein kompliziertes Verhältnis zur Wahrheit hat, und in der der Glaube und die Zugehörigkeit zur Kirche schwieriger zu werden scheint. Das Licht ist umso lebendiger und strahlender, je mehr es von allen Christen geteilt wird, die ihren Glauben in einer gemeinsamen Marty̆ria, einem gemeinsamen Zeugnis bekennen können, um dazu beizutragen, die Männer und Frauen von heute für Jesus Christus, den Sohn Gottes und Erlöser, zu gewinnen:

Das, was für uns wesentlich, schöner, anziehender und zugleich notwendiger ist, das ist der Glaube an Jesus Christus. Diesen werden wir alle gemeinsam, so Gott will, im Lauf des bevorstehenden Jubiläums feierlich erneuern, und jeder von uns ist aufgerufen, ihn jedem Mann und jeder Frau dieser Erde zu verkünden. Das ist die Hauptaufgabe der Kirche, der ich in Evangelii gaudium Ausdruck verliehen habe.[9]

Kapitel 1

Das Symbolum für die Erlösung:
Doxologie und Theologie des Dogmas von Nizäa

7.  Das 1700-jährige Jubiläum von Nizäa zu feiern, bedeutet vor allem, über das Symbolum zu staunen, das uns das Konzil hinterlassen hat, und über die Schönheit dessen, was uns in Christus geschenkt ist – ist doch das Symbolum davon gleichsam eine Ikone in Worten. Wir beginnen unsere Studie zu Nizäa also mit einem Blick auf das Symbolum, um die außerordentliche Weite des trinitarischen Glaubens, der Christologie und Soteriologie, die es zum Ausdruck bringt, sowie seine anthropologischen und ekklesiologischen Implikationen herauszuarbeiten, bevor wir mit seiner ökumenischen Bedeutung schließen. Es handelt sich sozusagen um einen Vollzug doxologischer Theologie. Diese zielt nicht auf eine Vertiefung jedes einzelnen Aspekts dieses Konzentrats des christlichen Glaubens ab, das wir im Glaubensbekenntnis vorliegen haben – eine Aufgabe, die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wenig hilfreich und ohnehin unmöglich wäre –, sondern versucht, den Reichtum der Aussagen und Wahrheiten herauszuarbeiten, die das Nizänische Glaubensbekenntnis auf dogmatischer Ebene bietet, insbesondere jene, die für die gegenwärtige Epoche der Kirchen- und Weltgeschichte am wichtigsten und fruchtbarsten sind, jetzt, da wir den Jahrestag von Nizäa feiern.

1. Die Unermesslichkeit der drei göttlichen Personen erfassen, die uns retten: „Gott ist (in unfassbarer Weise) Liebe“

8. Das Symbolum von Nizäa-Konstantinopel hat seinen Kern in der Bekräftigung des trinitarischen Glaubens:

Wir glauben an den einen Gott, den allmächtigen Vater, den Schöpfer des Himmels und der Erde, 
aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge,

Und an den einen Herrn Jesus Christus, den Sohn Gottes, den einziggezeugten, 
der aus dem Vater gezeugt ist vor aller Zeit, Licht von Licht, 
wahrer Gott von wahrem Gott, gezeugt, nicht geschaffen, wesensgleich mit dem Vater, 
durch den alles geschaffen worden ist; […].

Und an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der vom Vater ausgeht, 
der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird, 
der gesprochen hat durch die Propheten […].[10]

1.1 Die Erhabenheit der Vaterschaft Gottes, des Vaters, als Grundlage für die Erhabenheit des Sohnes und des Geistes.

9. Am Ausgangspunkt des Glaubens von Nizäa steht die Bekräftigung der Einheit Gottes. Das Christentum ist ganz ursprünglich ein Monotheismus, der in Kontinuität mit der Offenbarung an Israel steht. Das Glaubensbekenntnis hebt jedoch nicht mit „Gott“ schlechthin und schon gar nicht mit der einen göttlichen Natur an, sondern mit der Ersten göttlichen Hypostase, die der Vater ist. Als „Schöpfer des Himmels und der Erde“ (vgl. Gen 1,1; Neh 9,6; Offb 10,6) ist er der Vater aller Dinge.[11] Christus offenbart darüber hinaus die unerhörte innergöttliche Vaterschaft Gottes, die die Grundlage für seine Vaterschaft ad extra bildet. Wenn Christus auf einzigartige Weise göttlicher Sohn ist, impliziert dies, dass es eine Zeugung in Gott gibt: Gott der Vater gibt alles, was er hat und alles, was er ist. Gott ist kein armes und egoistisches Prinzip: Er ist sine invidia.[12] Seine Vaterschaft, wie auch seine Allmacht, besteht in der Fähigkeit, sich ganz zu verschenken. Diese väterliche Hingabe ist nicht nur ein Aspekt unter vielen, sondern definiert den Vater, der ganz Vaterschaft ist.[13] Gott ist seit jeher Vater und war nie ein „einsamer“ Gott.[14] Diese Vaterschaft des Einen Gottes ist der erste Aspekt des christlichen Glaubens, der Staunen hervorruft und dessen Unermesslichkeit es zu feiern gilt, wenn wir 1700 Jahre später Nizäa wiederentdecken. Es geht darum, die Implikationen für das Verständnis des trinitarischen Geheimnisses zu erhellen.

10. Der Glaube an den Vater bezeugt die überfließende Fülle Gottes. Der erste Artikel ist nicht einfach eine Definition Gottes, sondern zunächst einmal ein Lobpreis, der in der doxologischen Tradition der jüdischen Liturgie und der frühen christlichen Liturgien steht.[15] Der „allmächtige (pantokratōr)“ Gott lässt verschiedene alttestamentarische Ausdrücke widerhallen, wie z. B. „Herr Zebaoth“, der im Neuen Testament im Zusammenhang mit den himmlischen Liturgien aufgegriffen wird (Offb 4,8; 11,17; 15,3; 16,14; 19,6).

11. Die Offenbarung der Vaterschaft Gottes in Christus macht auch die Unermesslichkeit des Sohnes und des Geistes offenbar. Wenn Gott der Vater alles außer seiner Vaterschaft gibt, bedeutet dies, dass der Sohn und der Geist dem Vater in ihrer Gottheit völlig ebenbürtig sind. Im Glaubensbekenntnis ist der Sohn „einer“, er ist „Herr“ (Kyrios, womit das Tetragramm in der Septuaginta übersetzt wird), „Sohn Gottes“, „der einzig Gezeugte“ (ho monogenēs) in der Intimität des Vaters, „Gott von Gott“, „Licht vom Licht“, „wahrer Gott vom wahren Gott“, eines Wesens (homoousios) mit dem Vater. Beachten wir zum Beispiel, dass der Sohn im vierten Evangelium mehrmals theos genannt wird: Joh 1,1; 5,18; 20,28. Der Sohn ist gezeugt „vor aller Zeit“, was im Symbolum bedeutet, dass er mit dem Vater gleich-ewig ist (vgl. Joh 1,1). Dies ist gegen Arius’ Positionen gerichtet, wonach „es eine Zeit gab, in der [der Sohn] nicht war“, und „bevor er geboren wurde, war er nicht“, und „er wurde aus dem, was nicht war“[16], oder „der Sohn ist aus dem Nichts“, durch „Willen und Ratschluss“ des Vaters[17]. Aufgrund seiner Gleich-Ewigkeit kann der Sohn als derjenige bekannt werden, „durch den [alles] geworden ist“ (vgl. 1 Kor 8,6; Joh 1,3). Gott ist so groß, dass der Vater in der Lage ist, einen anderen zu zeugen, der ihm an Göttlichkeit gleich ist. Gott übersteigt alles, was wir uns vorstellen und erdenken können, denn seine Einheit nimmt eine echte Pluralität an, die die Einheit nicht bricht.

12. Der Vater gibt ebenfalls alles an den Geist, der in den spezifischen und der Gottheit vorbehaltenen Begriffen benannt wird: „Geist“, „Heilig“ und „Herr“ (wieder eine Anspielung auf das Tetragramm). So wie der Vater Schöpfer ist und der Sohn das Wort ist, durch das der Vater alle Dinge erschafft, wird der Geist als „Lebensspender“ bekannt. So wie der Sohn vom Vater gezeugt wird, so „geht der Geist vom Vater aus“. Die Aussagen über den Geist sind absichtlich ein Echo auf den Artikel über den Sohn.[18] Folglich kann und muss der Geist zusammen mit dem Vater und dem Sohn angebetet werden – eine Bestätigung des doxologischen Charakters des Symbolums.

13. Es ist von entscheidender Bedeutung, sowohl die Gottheit des Geistes als des „Dritten“ in Gott wie auch seine Beziehung zum Vater und zum Sohn festzuhalten. In der Tat bereitet es auch heute noch Schwierigkeiten, ihn als eine eigenständige göttliche Person zu betrachten und nicht als eine bloße göttliche oder gar kosmische Kraft. Manchmal wird zum Vater und zum Sohn gebetet und der Geist weggelassen, im Gegensatz zum Gebet der Kirche (Tagesgebet): das liturgische Gebet richtet sich an den Vater stets durch den Sohn im Heiligen Geist. Man erkennt der Eucharistie, der Jungfrau Maria oder der Kirche vollkommen zu Recht ihre Bedeutung zu – ohne jedoch mit zu bedenken, dass sie gerade deshalb so kostbar sind, weil sie durch den Geist zum Leben erweckt werden.[19] Umgekehrt weisen andere dem Heiligen Geist einen zentralen, wenn nicht gar ausschließlichen Platz zu, bis hin zur Zurückdrängung des Vaters und des Sohnes, was paradoxerweise auf eine Form von pneumatologischem Reduktionismus hinausläuft, denn er ist ja der Geist des Vaters und Geist des Sohnes (Gal 4,6; Röm 8,9). Die überreiche Größe des Heiligen Geistes, die im Glauben von Nizäa zum Ausdruck kommt, ist ein Schutz gegen solche Reduktionismen.

14. So folgt aus dem Quellgrund der Fülle der Vaterschaft Gottes die überreiche Fülle von Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Geist, semper major. Die Fülle des Vaters impliziert nun eine taxis (Ordnung) im Leben des dreieinigen Gottes. Der Vater ist die Quelle der ganzen Gottheit.[20] Die zweite Person ist Gott und Licht, aber sie ist es als „Gott von Gott“, „Licht vom Licht“.  Und wenn der Geist als gleichrangig in der Göttlichkeit mit dem Sohn und dem Vater bekannt wird, wird er doch auf eine Art und Weise vorgestellt, die sich von den beiden anderen unterscheidet. Wir haben gerade gesehen (siehe oben § 12), dass er mit göttlichen Eigenschaften beschrieben wird und zusammen mit dem Vater und dem Sohn angebetet werden muss. Davon abgesehen sind die Unterschiede im Ausdruck bemerkenswert: Was über den Vater und den Sohn als „einen“ oder den Sohn als „wesensgleich“ gesagt wird, wird in Bezug auf den Geist nicht wiederholt. Ohne etwas von seiner Mitgöttlichkeit wegzunehmen, betont die Art und Weise, wie der Geist im Glaubensbekenntnis erwähnt wird, seine personale Unterscheidbarkeit. So hebt das Eigentliche des Heiligen Geistes die Einzigartigkeit jeder göttlichen Person hervor. In gewisser Weise ist in Gott „Hypostase“ oder „Person“ ein analoger Begriff, in dem Sinne, dass jeder der drei göttlichen „Namen“ voll und ganz eine Person ist, aber dies auf eine einzigartige Art und Weise. Diese Einzigartigkeit zeigt auch, dass Gleichheit einerseits und Unterschied und Ordnung andererseits einander nicht widersprechen. Auch dies ist die Frucht der überreichen Vaterschaft des Vaters. Nizäa zu rezipieren bedeutet, den Reichtum der göttlichen Vaterschaft zu rezipieren, wodurch Gleichheit, aber auch Unterschiedenheit und Einzigartigkeit begründet werden.

1.2 Überlegungen zur Verwendung des Ausdrucks homoousios

15. Ein zentraler Beitrag von Nizäa ist die Definition der Gottheit des Sohnes in Begriffen der Wesensgleichheit: Der Sohn ist „konsubstantiell“ (homoousios) mit dem Vater, „aus dem Vater gezeugt“, „d. h. aus dem Wesen des Vaters“[21]. Die Zeugung des Sohnes ist etwas anderes als die Schöpfung, weil es sich um eine Mitteilung des einzigartigen Wesens des Vaters handelt. Der Sohn ist nicht nur vollkommen Gott wie der Vater, sondern auch „eines Wesens“, das numerisch mit dem seinen identisch ist, weil es in dem einen Gott keine Teilung gibt.[22] Wiederholen wir es: Der Vater gibt dem Sohn alles, gemäß der Logik eines göttlichen Lebens, das agapē ist und immer über das hinausgeht, was der menschliche Geist sich vorstellen kann.

16. Zum ersten Mal werden in einem offiziellen und normativen Text der Kirche Begriffe verwendet, die nicht der Hl. Schrift entstammen – wir werden in den Kapiteln III und IV darauf zurückkommen. Die Absicht der Konzilsväter war es nicht, etwas Neues in den apostolischen Glauben einzuführen, sondern diesen zu schützen, durch die Explizierung dessen, was „Zeugung“ in Gott wirklich ist. Aus diesem Grund wird im Symbolum von 325 homoousios mit dem Ausdruck „das heißt“ eingeleitet: Die griechische, ontologische Terminologie steht im Dienst traditioneller schriftgemäßer Wendungen.[23] Der Ausdruck, der im Bereich der Gnosis beheimatet war und von der Regionalsynode von Antiochia (264–269) verurteilt wurde, wird in den Jahrzehnten nach Nizäa heftig umstritten sein. Doch seit den 360er Jahren stieg die Zustimmung, bis zu seiner vollständigen und friedlichen Bestätigung in Konstantinopel (381). In dieser Zeit wurde seine Bedeutung für die Erklärung und den Schutz des Glaubens anerkannt, ebenso wie die schöpferische Fähigkeit der menschlichen Vernunft, der Philosophie und der Kultur, die Offenbarung aufzunehmen, anerkannt wurde. Wie schon im Falle der Heiligen Schrift unterstreicht dies, dass die Offenbarung einen Dialog zwischen Gott und dem Menschen einschließt, einen Dialog, der auf beiden Seiten durch menschliche Worte geführt wird, die situationsbezogen, begrenzt und daher stets zu interpretieren sind. Nicht nur das göttliche Leben offenbart sich als Überfluss, sondern auch die Gestalt der Offenbarung selbst, die in menschlichen Worten ausgedrückt und bald in alle Sprachen übersetzt werden kann, zeigt sich hier als semper major.

17. Dieser Ausdruck ist jedoch nicht der einzige, der im Symbolum verwendet wird, um die rettende Gottheit des Sohnes auszudrücken. Er findet sich eingebettet in eine Reihe von Begriffen aus der Schrift und der Liturgie: „wahrer Gott vom wahren Gott“, „Gott von Gott“[24]‚ und „Licht vom Licht“. Kein Begriff für sich allein kann die überreiche Fülle der Offenbarung ausschöpfen. Der Glaube braucht die Artikulation durch schriftgemäße, philosophische und liturgische Formulierungen, durch Begriffe, Bilder und göttliche Namen (Vater, Sohn, Heiliger Geist), um sich auf möglichst treffende und vollständige Weise auszudrücken. Die Ausdrucksweisen der verschiedenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften können einander bei dieser Wiederentdeckung gegenseitig unterstützen, da einige von ihnen den ein oder anderen Ausdruck oder Aspekt stärker betonen: So legt die östliche Tradition den Schwerpunkt auf das Verständnis von Christus als „Licht vom Licht“[25]. Die Vielgestalt unseres Vokabulars trägt sicherlich dazu bei, den dort ausgedrückten Glauben in den verschiedenen Kulturen, und gemäß der forma mentis jedes Menschen, zugänglich zu machen.

1.3 Die Einheit der Heilsgeschichte

18. Um die Bedeutung des Symbolums von Nizäa-Konstantinopel richtig zu verstehen, muss man die Einheit des heilsgeschichtlichen Zusammenhangs, der das Glaubensbekenntnis formt, erfassen. Denn die Zuordnung der Schöpfung oder der „Gabe des Lebens“ zu den drei Personen unterstreicht die Einheit zwischen der Schöpfungs- und der Heilsordnung. Die Vergöttlichung beginnt bereits mit dem Schöpfungsakt, die Heilsgeschichte beginnt bereits mit der Schöpfung. Gegen den Markionismus und die verschiedenen Formen des Gnostizismus ist festzuhalten, dass es derselbe Gott ist, der erschafft und erlöst; dieselbe geschaffene Realität, die gut ist, weil sie von Gott gewollt ist, wird in der Erlösung wiederhergestellt. Die Gnade bringt also keinen Bruch mit sich, sondern gewährt Vollendung, denn sie ist bereits in der Schöpfung am Werk, die auf sie hin angelegt ist.

19. Ebenso wird die in Christus vollendete Heilsökonomie nur dann in ihrer wahren und vollen Bedeutung dargestellt, wenn ihre Treue zur Offenbarung an das Volk Israel betont wird, denn sonst würde der in Nizäa zum Ausdruck gebrachte Glaube seine Legitimität und die Fülle seiner geschichtlichen Dimension verlieren. Selbstverständlich wird die trinitarische und christologische Dimension des Nizänischen Glaubens von der rabbinischen Tradition nicht angenommen.  Aus christlicher Sicht jedoch wird sie wesentlich als etwas Neues verstanden, das dennoch in Kontinuität mit der Offenbarung steht, die dem auserwählten Volk anvertraut wurde. Die Lehre von der Dreieinigkeit ist mit Sicherheit nicht als Relativierung, sondern als Vertiefung des Glaubens an den einen und einzigen Gott Israels zu verstehen.[26] Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass die Hinweise auf den „einen“ Gott und „Schöpfer des Himmels und der Erde“ ein Echo auf das Alte Testament sind, wo Gott sich als derjenige offenbart, der aus Liebe erschafft, aus Liebe in Beziehung tritt und dazu aufruft, dass man seine Liebe erwidert. Gott nennt Abraham seinen „Freund“, „den er liebt“ (Jes 41,8; 2 Chr 20,7; Jak 2,23), und er unterhält sich mit Mose „von Angesicht zu Angesicht, wie man von Mensch zu Mensch spricht“ (Ex 33,11). Ebenso ist die Wahl des homoousios gerade dazu angetan, den monotheistischen Charakter des christlichen Glaubens zu schützen: In Gott gibt es keine andere Realität als die göttliche. Der Sohn und der Geist sind nichts anderes als Gott selbst und keine Zwischenwesen zwischen Gott und der Welt oder bloße Geschöpfe. Darüber hinaus bezeugt die Offenbarung an Israel den Herrn als den Einen und Einzigen, der in der Geschichte der Menschen handelnd gegenwärtig ist, sich ihr zuwendet und sich ihr mitteilt. Das Christentum versteht die Inkarnation als die unausdenkbare Fülle des Heilsplanes des Gottes Israels, der herabsteigt und inmitten seines Volkes wohnt, verwirklicht in Jesus, das heißt: in der Vereinigung des Sohnes Gottes mit einer singulären menschlichen Natur.[27]

20. Darüber hinaus vollzieht sich die Entwicklung des trinitarischen Glaubens, wie er in Nizäa zum Ausdruck gebracht wird, nicht losgelöst vom jüdischen Hintergrund. Das Glaubensbekenntnis ist durch eine dreifache Wiederholung strukturiert: „Wir glauben an einen Gott, den Vater… und an einen Herrn Jesus Christus… und an den Heiligen Geist“. Tatsächlich entwickelt der aufkommende trinitarische Glaube der ersten Jahrhunderte die Einheit der göttlichen Namen, Vater, Sohn und Geist, aus dem monotheistischen Glauben Israels, der zu Beginn des Sch’ma Israel, „Der Herr, unser Gott, ist einer“ (Dtn 6,4), ausgedrückt wird, durch eine Wiederholung dieses zentralen Gebets des Judentums, indem das Attribut der Einheit-Einzigkeit des Einen Gottes auf den Sohn ausgeweitet wird: „Ich glaube an einen Gott… und an einen Herrn…“. Dies ist bereits in den neutestamentlichen Ansätzen zur Formulierung des trinitarischen Glaubens der Fall: „Für uns gibt es nur einen Gott, den Vater, von dem alle Dinge kommen, und wir sind durch ihn; und einen Herrn Jesus Christus, durch den alle Dinge sind, und wir sind durch ihn“ (1 Kor 8,6; Hervorhebung hinzugefügt). Diese „binitarischen“ Formeln existieren neben „trinitarischen“ Formeln: „Es gibt einen Leib und einen Geist […]; es gibt einen Herrn, einen Glauben, eine Taufe; es gibt einen Gott und Vater aller, der über allen und mit allen und in allen ist“ (Eph 4,4–6; vgl. auch 1 Kor 12,4–6). Offensichtlich entfaltet sich der Gehalt rasch in eine Richtung, die vom rabbinischen Glauben nicht akzeptiert werden kann; dennoch sind es die Fundamente und der Kern der jüdischen liturgischen Strukturen, aus denen sich der christliche Glaube entwickelt. Darüber hinaus muss der vielschichtige Reichtum des Monotheismus Israels hervorgehoben werden, der sich in der hebräischen Bibel und in den Schriften aus der Zeit des Zweiten Tempels enthüllt.[28] Es gibt die Vorstellung von einem überfließenden Reichtum in Gott, der seiner Einzigartigkeit und Einheit nicht widerspricht. Dies zeigt sich in der Vielheit der Gottesbilder, wie etwa der „binitären“ Dimension, die einige Gelehrte in der Dualität zwischen dem „Hochbetagten“ und dem, der „wie ein Menschensohn“ ist (Dan 7,9–14), wahrnehmen.[29] Dieser Reichtum zeigt sich ferner in den verschiedenen Gestalten Gottes bei seinem Wirken in der Welt: der Engel des Herrn, das Wort (dābār), der Geist (rûaḥ) und die Weisheit (ḥākmâ).[30] Einige zeitgenössische Exegeten vertreten die These, dass es im christlichen Glaubensbekenntnis einen ersten binitarischen Schritt gab, der das Bekenntnis zu Jesus von Nazareth, als nach dem Tod erhöhten Kyrios mit einem wahrhaft göttlichen Rang, ganz selbstverständlich in die Kontinuität des in der Bibel ausgedrückten Monotheismus einordnete.[31] Obwohl es also von größter Wichtigkeit ist, den trinitarischen Glauben nicht auf das Alte Testament zurück zu projizieren, ist es dennoch möglich, zwischen dem Alten und dem Neuen Testament einen, wenn auch nicht linearen, Entwicklungsprozess wahrzunehmen, eine Form der Bündelung dieser verschiedenen Wirklichkeiten in zwei Figuren: dem Sohn-Logos und dem Geist. Sobald aber die Behauptung von zwei weiteren göttlichen Personen als eine dem einen Gott extrinsische Zufügung betrachtet wird, wird die Anerkennung des christlichen Gedankens einer intrinsischen Fruchtbarkeit des Vaters innerhalb der einen und unteilbaren Substanz der drei gleichewigen Personen verfehlt.

2. Die Unermesslichkeit Christi, des Erlösers, und seiner Erlösungstat erfassen

21. Im Zentrum des zweiten Artikels des Symbolum von Nizäa-Konstantinopel steht das Bekenntnis der Menschwerdung und der Erlösungstat des Sohnes. Nachdem wir die Gottheit Christi, des Sohnes Gottes, bekannt haben, bekennen wir auch:

[Wir glauben an den einen Herrn Jesus Christus].
der für uns Menschen und um unseres Heiles willen vom Himmel herabgestiegen ist,
Fleisch geworden ist aus dem Heiligen Geist und der Jungfrau Maria
[32] und Mensch geworden ist;
für uns unter Pontius Pilatus gekreuzigt worden ist, gelitten hat und begraben worden ist,
am dritten Tag gemäß der Heiligen Schrift auferstanden und in den Himmel aufgefahren ist,
sitzt zur Rechten des Vaters sitzt und wiederkommen wird in Herrlichkeit, zu richten die Lebenden und die Toten;
Und seine Herrschaft wird kein Ende haben.

2.1 Christus in seiner ganzen Größe sehen

22. Nizäa ermöglicht uns, „Christus in seiner ganzen Größe zu sehen“[33]. Die beiden Dimensionen, die ihn zum einzigen Mittler zwischen Gott und den Menschen machen, werden durch die Erwähnung der beiden Handelnden der Inkarnation markiert: „Er ist Fleisch geworden aus dem Heiligen Geist und der Jungfrau Maria“. Er ist ganz und gar Gott, der durch die Kraft des Geistes Gottes aus einer Jungfrau hervorgeht; er ist ganz und gar Mensch, der von einer Frau geboren wird. Er ist homoousios zum Vater, aber auch zu uns, gemäß der späteren Doppelaussage von Chalcedon[34] – wobei zu beachten ist, dass der Begriff homoousios keinen univoken Sinn haben kann, wenn es das Verhältnis des fleischgewordenen Sohnes zum Vater oder zu den Menschen bezeichnet. Das Wort, das Fleisch wird, ist das Wort Gottes selbst, das auf einzigartige und unumkehrbare Weise eine einzelne, endliche Menschheit annimmt. Weil Jesus personal (hypostatisch) mit dem ewigen Sohn identisch war, konnte er, indem er den menschlichen Tod auf tragische Weise erlitt, in lebendiger Beziehung zum Vater bleiben und die Trennung von Gott, nämlich Sünde und Tod (vgl. Röm 6,23), in einen Zugang zu Gott verwandeln (vgl. 1 Kor 15,54–56; Joh 14,6b). Weil Jesus wahrer Mensch war – „in allem uns gleich, außer der Sünde“ (Hebr 4,15) –, konnte er unsere Sünde annehmen und selbst durch den Tod hindurchgehen. Diese doppelte Konsubstantialität ist die Ursache dafür, dass nur Christus allein retten kann. Er allein kann die Erlösung bewirken. Er allein ist die Gemeinschaft der Menschen mit dem Vater.[35] Er allein ist der Erlöser aller Menschen zu allen Zeiten. Kein anderer Mensch vor oder nach ihm kann es sein. Das Unerhörte der vollkommenen Gemeinschaft zwischen Gott und dem Menschen wurde in Christus verwirklicht, jenseits jeder Form der Verwirklichung, die sich der Mensch selbst vorstellen kann.

23. Es ist nicht zu übersehen, wie schwierig es heute ist, an die volle Gottheit und die volle Menschheit Christi zu glauben. In der gesamten Geschichte des Christentums und auch heute noch gibt es echten Widerstand gegen die Anerkennung der vollen Gottheit Christi. Jesus kann leichter als spiritueller Meister und Wegweiser oder als politischer Messias betrachtet werden, der Gerechtigkeit predigt, während er doch in seiner Menschheit seine ewige Beziehung zum Vater lebt. Es gibt aber auch eine große Schwierigkeit, das volle Menschsein Christi anzuerkennen, der Müdigkeit (Joh 4,6), Gefühle der Traurigkeit und Verlassenheit (Joh 11,35; Gethsemane) und sogar Zorn (Joh 2,14–17) empfinden kann, und der auf geheimnisvolle, aber reale Weise bestimmte Dinge nicht weiß („Nur der Vater kennt die Stunde…“, Mt 24,36). Der ewige Sohn hat sich dafür entschieden, alles, was er auf Grund der Unendlichkeit der göttlichen Natur ist, die nach wie vor besteht, in der Endlichkeit seiner menschlichen Natur und durch sie hindurch zu leben.

24. Auch wenn derjenige Teil des Glaubensbekenntnisses, der sich mit der zweiten Person befasst, am ausführlichsten ist, sollte man dennoch beachten, dass die christologische Perspektive, wie sie im Glauben von Nizäa enthalten ist, notwendigerweise trinitarisch ist. Christus ist semper major, gerade weil dort, wo er ist, immer mehr als er ist: Der Vater bleibt der Vater, der „Heilige Israels“. Gewiss, „wer [Christus] gesehen hat, hat den Vater gesehen“ (Joh 14,9), aber, wie Jesus sagt, „der Vater ist größer als [er]“ (Joh 14,28). Arius selbst hatte dies gut erkannt, als er das Evangelium zitierte: „Nur einer ist gut“ (Mt 19,17)[36]. Ferner kann Christus nicht ohne den Vater und den Heiligen Geist verstanden werden: Bevor er als Gottmensch und Bräutigam gedacht wird, wird er im Neuen Testament als Sohn des Vaters und Gesalbter durch den Geist dargestellt. Entsprechend rettet er die Menschen nicht ohne den Vater, der die Quelle und das Ziel aller Dinge ist – denn er ist als Sohn eins mit dem Vater. Er rettet die Menschen nicht ohne den Geist, der die Menschen „Abba, Vater“ (Röm 8,15) rufen lässt und dessen inneres Wirken es ermöglicht, dass der Mensch verwandelt wird und aktiv in die Bewegung eintritt, die ihn zum Vater führt.

2.2 Die Unermesslichkeit des Heilshandelns: Verwurzelung in der Geschichte

25. Die Größe des Erlösers offenbart sich auch in der überreichen Fülle des göttlichen Heilsplanes. Nizäa bringt den Realismus des Erlösungswerkes ins Wort. In Christus rettet uns Gott, indem er in die Geschichte eintritt. Er schickt keinen Engel oder einen menschlichen Helden, sondern tritt selbst in die Geschichte der Menschen ein, indem er von einer Frau, Maria, im jüdischen Volk geboren wird („von einer Frau geboren, unter dem Gesetz geboren“, Gal 4,4) und in einer bestimmten historischen Periode stirbt, „unter Pontius Pilatus“ (vgl. 1 Tim 6,13; vgl. auch Apg 3,13)[37]. Wenn Gott selbst in die Geschichte eingetreten ist, ist die Heilsgeschichte der Ort seiner Offenbarung: In der Geschichte offenbart Christus authentisch den Vater und den Geist und verschafft vollen Zugang zum Vater im Geist. Weil Gott in die Geschichte eintritt, handelt es sich zudem nicht nur um eine Lehre, die in die Praxis umgesetzt werden muss, wie im Markionismus oder der „fälschlich so bezeichneten“ Gnosis, sondern um ein tatsächliches Handeln Gottes. Die Heilsgeschichte wird der Ort sein, an dem Gottes Erlösungswerk stattfindet. Wir bekennen, dass ein historisches Ereignis die Situation aller Menschen radikal verändert hat. Wir bekennen, dass die transzendente Wahrheit sich in die Geschichte eingeschrieben hat und in ihr wirkt. Deshalb kann die Botschaft Jesu nicht von seiner Person getrennt werden: Er ist für alle „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6), und nicht ein Weisheitslehrer unter vielen.

26. Trotz seiner Betonung der Geschichte wird ein Großteil des Inhalts des Alten Testaments und insbesondere die Erwählung und Geschichte Israels im Glaubensbekenntnis weder explizit erwähnt noch angesprochen. Natürlich hat ein Glaubensbekenntnis nicht den Anspruch, erschöpfend zu sein. Es ist jedoch hervorzuheben, dass dieses Schweigen keineswegs bedeutet, dass die Erwählung des Volkes des Alten Bundes hinfällig sei.[38] Was die Hebräische Bibel offenbart, ist nicht nur eine Vorbereitung, sondern bereits die Heilsgeschichte, die in Christus fortgesetzt und vollendet wird: „Die Kirche Christi anerkennt nämlich, dass sich nach dem Heilsmysterium Gottes die Anfänge (initia) ihre Glaubens und ihrer Erwählung schon bei den Patriarchen, bei Mose und den Propheten finden.“[39] Der Gott Jesu Christi ist der „Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs“, er ist der „Gott Israels“. Außerdem betont das Symbolum diskret die Kontinuität zwischen dem jüdischen Volk und dem Volk des Neuen Bundes durch die Nennung der „Jungfrau Maria“, wodurch der Messias in den Rahmen einer jüdischen Familie und einer jüdischen Genealogie gestellt wird und auch der alttestamentarische Text (Jes 7,14 LXX) widerhallt. Dies schlägt eine Brücke zwischen den Verheißungen des Alten und des Neuen Testaments, wie es auch der Ausdruck „er ist am dritten Tag auferstanden nach der Schrift“ im weiteren Verlauf des Artikels tun wird, wobei mit „Schrift“ das Alte Testament gemeint ist (vgl. 1 Kor 15,4). Die Kontinuität zwischen dem Alten und dem Neuen Testament wird erneut deutlich, wenn es im Artikel über den Geist heißt, dass er „durch die Propheten geredet hat“, was vielleicht eine antimarkionitische Stoßrichtung aufweist.[40] Wie dem auch sei, dieses aus der Liturgie entstandene Symbolum kann nur dann in seiner Bedeutung vollständig verstanden werden, wenn es in der Liturgie verkündet und mit der Lektüre der gesamten Heiligen Schrift – Altes Testament und Neues Testament – in Verbindung gebracht wird. Dadurch wird der christliche Glaube in den Rahmen der Heilsökonomie gestellt, die das auserwählte Volk und seine Geschichte auf genuine und strukturelle Weise einschließt.

2.3 Die Größe des Heilshandelns: das Mysterium paschale

27. Der Realismus und die trinitarische Dimension des Heils in Christus finden ihren Höhepunkt im Mysterium paschale. Der Sohn, das Licht Gottes und wahrer Gott, wird Fleisch, leidet, stirbt, steigt in die Scheol hinab und ersteht von den Toten auf. Auch hier handelt es sich um eine unausdenkbare Neuheit. Die Schwierigkeit des Arius bezog sich nicht nur auf die Einheit Gottes, die mit der Zeugung eines Sohnes unvereinbar sei, sondern auch auf das Verständnis seiner Gottheit, das mit dem Leiden Christi unvereinbar sei. Doch gerade in Christus und nur in Christus verstehen wir, wozu Gott selbst fähig ist, jenseits aller Grenzen unserer vorgefassten Vorstellungen.  Es geht darum, den Schrei Jesu als den in Blutschweiß und Angst geäußerten Schrei des Sohnes Gottes ernst zu nehmen: „Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber.“ (Mt 26,39b). Das Wort homoousios selbst hilft, das Unerhörte der Kenosis der Inkarnation zu realisieren: Nur das Bekenntnis zum Sohn, der dem Vater „wesensgleich“ ist, lässt die Radikalität und Tiefe dessen erkennen, wozu derselbe Sohn durch die Annahme des menschlichen Daseins seine Zustimmung gegeben hat. In einem gewissen Sinne könnte man sagen, dass der Sohn, semper major, wahrhaft minor wird, und dass der Allerhöchste in Jesus Christus in die tiefste Tiefe herabsteigt (vgl. Phil 2,5–11). Obwohl also nur Christus geboren wird, die Passion erleidet und stirbt, können wir sagen, dass „unus de Trinitate passus est[41]. Die gesamte Dreifaltigkeit ist – jede Person auf einzigartige Weise – in das erlösende Leiden Christi involviert. Auf diese Weise offenbart uns die Passion die wahrhaft göttliche Bedeutung der „Allmacht“. Die Allmacht des dreieinigen Gottes ist identisch mit Selbsthingabe und Liebe. Der gekreuzigte Erlöser ist daher nicht die Verhüllung, sondern die Offenbarung der Allmacht des Vaters.

28. Die Fülle der Erlösungstat Christi zeigt sich vollständig erst mit seiner Auferstehung, der Vollendung des Heils, in der alle Aspekte der neuen Schöpfung bestätigt werden. Die Auferstehung bezeugt die volle Gottheit Christi, die allein in der Lage ist, den Tod zu durchschreiten und zu besiegen, bezeugt aber auch seine Menschheit, denn es ist dieselbe, numerisch mit der seines irdischen Lebens identische Menschheit, die verklärt und verherrlicht wird. Es handelt sich hierbei nicht um ein Symbol oder eine Metapher: Christus ist in seiner Menschheit und seinem Leib auferstanden. Die Auferstehung transzendiert die Geschichte, ist aber mitten in der Geschichte der Menschen und dieses Menschen Jesus geschehen. Darüber hinaus ist sie zutiefst trinitarisch: Der Vater ist ihre Quelle, der Geist ist ihr lebensspendender Atem und der verherrlichte Christus lebt – immer noch in seiner Menschheit – inmitten der göttlichen Herrlichkeit und in unwandelbarer Gemeinschaft mit dem Vater und dem Geist. Beachten wir, dass es die Auferstehung Christi ist, des „Erstgeborenen von den Toten“ (Kol 1,18; vgl. Röm 8,29), welche die ewige Zeugung des Sohnes, des „Erstgeborenen aller Geschöpfe“ (Kol 1,15), offenbart. Somit sind Vaterschaft und Sohnschaft in Gott nicht zunächst Ausweitungen menschlicher Modelle, auch wenn sie in kulturell geprägten menschlichen Worten ausgedrückt werden, sondern sie sind Realitäten sui generis des göttlichen Lebens.

29. Das Glaubensbekenntnis betont, dass die Auferstehung Jesu Christi sich bis zum Ende der Zeiten ausdehnt, wenn Christus „in Herrlichkeit wiederkommen wird, um die Lebenden und die Toten zu richten; und sein Reich wird kein Ende haben“. Mit der Auferstehung ist der Sieg endgültig errungen, doch muss er sich in der Parusie erst vollständig verwirklichen. Die christliche Hoffnung ist umfassend: Sie stützt sich nicht nur auf das Ephapax des Leidens und der Auferstehung oder auf das gegenwärtige Geschenk der Gnade, sondern auch auf die Zukunft der glorreichen Wiederkunft Christi und das glorreiche Kommen seines Reiches. Es sei angemerkt, dass dieser Aspekt des Nizänischen Glaubens besser verstanden wird und größere Kraft erhält, wenn auch er in einem Kontext gelesen wird, in dem die Kirche dem Alten Testament und dem Glauben des heutigen jüdischen Volkes zuhört. Die Messias-Erwartung des Volkes Israel wirft ein Schlaglicht auf das Ganze der messianischen Verheißungen von Frieden auf der ganzen Erde und Gerechtigkeit für alle in einer völlig erneuerten Welt (Jes 2,4; 61,1–2; Mi 4,1–3), worauf die Christen mit der Parusie warten. Dies kann und soll die christliche Hoffnung auf die Rückkehr des Auferstandenen wecken, denn erst dann wird sein Erlösungswerk voll sichtbar sein.[42]

3. Die Unermesslichkeit des dem Menschen angebotenen Heils und die Unermesslichkeit unserer menschlichen Berufung erfassen

30. Nizäa zu feiern bedeutet nicht nur, über die überreiche Fülle Gottes und Christi, des Erlösers, zu staunen, sondern auch über die überreiche Größe des Geschenks, das den Menschen hier angeboten wird, und der menschlichen Berufung, die darin enthüllt wird. Das Geheimnis Gottes in seiner Unermesslichkeit ist Offenbarung der Wahrheit über den Menschen, der ebenfalls semper major ist. Hier gilt es, die soteriologischen und anthropologischen Implikationen der trinitarischen und christologischen Aussagen des Nizäa-Symbolums auszufalten, aber auch die am Ende des dritten Artikels über den Heiligen Geist enthaltene Lehre zu berücksichtigen, welche die Kirche und die Erlösung als Glaubensgegenstand vorstellt:

[Wir glauben] die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche.
Wir bekennen die eine Taufe zur Vergebung der Sünden;
Wir erwarten die Auferstehung der Toten und das Leben der kommenden Welt.
 Amen.

3.1 Die Größe der Erlösung: Eintritt in das Leben Gottes

31. Weil Christus uns rettet, bekennt der Nizänische Glaube die „Vergebung der Sünden“ und die „Auferstehung von den Toten“. Das Glaubensbekenntnis erwähnt die Sünde, weil wir wissen müssen, von welchem Übel wir erlöst sind. Im strengen theologischen Sinn ist Sünde nicht nur das Laster oder die Schuld, welche die Absicht des Schöpfers im Geschöpf beleidigt (vgl. Röm 2,14–15), sondern sie ist auch ein bewusster Bruch mit Gott innerhalb einer von ihm gestifteten Beziehung zu ihm. In diesem vollen Sinn wird sich der Sünder seiner Sünde im Licht der barmherzigen Liebe Gottes bewusst: Die Sünde muss durch das Werk der Gnade selbst „aufgedeckt“ werden, so dass diese die Herzen bekehren kann.[43] Somit ist die Offenbarung der Sünde der erste Schritt der Erlösung und muss als solcher bekannt werden.

32. Mit der ungeheuerlichen Behauptung der Auferstehung der Toten bekennt der Glaube von Nizäa, dass die Erlösung vollständig und umfassend ist. Der Mensch wird von allem Bösen befreit, einschließlich des „letzten Feindes“, der von Christus vernichtet werden muss, damit alles Gott unterworfen ist (vgl. 1 Kor 15,25–26). Der Glaube an die Auferstehung beinhaltet nicht einfach das Weiterleben der Seele, sondern den Sieg über den Tod.[44] Darüber hinaus wird nicht nur des Menschen Seele, sondern der ganze Mensch in seiner Leiblichkeit gerettet. Nichts, was die Identität und das Menschsein des Menschen ausmacht, bleibt außerhalb der neuen Schöpfung, die Christus schenkt. Dieses Geschenk wird schließlich für immer zueigen werden, denn es entfaltet sich im „Leben der zukünftigen Welt“, dem voll verwirklichten eschăton. Seit Ostern hat keine Sünde mehr die Macht, den Sünder von Gott zu trennen – zumindest wenn er die Hand des gekreuzigten Auferstandenen ergreift, der sich bis in die tiefsten Tiefen des Abgrunds ausstreckt, um die verlorenen Schafe zu beschenken: „Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Herrschaften, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Mächte noch Gewalten, weder Gewalten der Höhe noch der Tiefe noch irgendeine andere Kreatur – nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus, unserem Herrn, offenbart ist“ (Röm 8,38–39).

33. Weil Christus uns als wahrer Gott rettet, bedeutet die Auferstehung für uns den Eintritt in das göttliche Leben, eine wahre Vermenschlichung und Vergöttlichung zugleich, wie es Jesu Auslegung von Psalm 81,6 in Johannes 10,14 bezeugt: „Ihr seid Götter“[45]. Und weil er uns als Sohn rettet, der vom Vater gezeugt ist, ist diese Vergöttlichung Adoptivkindschaft und Gleichgestaltung mit Christus; sie ist der Eintritt in die Liebe des Vaters durch den Heiligen Geist. Wir werden von derselben Liebe geliebt und erneuert, mit der der Vater den Sohn ewiglich liebt und zeugt. Dies ist die soteriologische Implikation der Vaterschaft Gottes, die von Nizäa bezeugt wurde. Und schließlich, weil Christus uns als Sohn zusammen mit dem Vater und dem Heiligen Geist erlöst, ist diese Sohnschaft ein echtes Eintauchen in die trinitarischen Beziehungen. Deshalb entsteht das Glaubensbekenntnis aus dem trinitarischen Taufbekenntnis und die Taufe wird „im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ vollzogen. Die Unermesslichkeit des so geoffenbarten Geschenks wird im Geheimnis der Himmelfahrt Christi zum Ausdruck gebracht: „Er ist in den Himmel aufgefahren“, wodurch deutlich wird, dass Christus selbst „unser Himmel“ ist.[46] Der erhöhte Sohn wird die verheißene Gabe Gottes, den Geist von Pfingsten, senden. Keine eingeschränktere Sicht der Erlösung wäre wirklich christlich.

3.2 Die Unermesslichkeit der menschlichen Berufung zur göttlichen Liebe

34. All das oben Gesagte kann nicht ohne Auswirkungen auf das christliche Verständnis des menschlichen Wesens bleiben. Auch der Mensch wird in der überreichen Größe seiner Berufung als homo semper major offenbar. Das Nizäa-Symbolum enthält keinen anthropologischen Artikel im engeren Sinne, jedoch könnte der Mensch in seiner Berufung zur göttlichen Sohnschaft in Jesus als Gegenstand des Glaubens bezeichnet werden. Gemäß der Heiligen Schrift wird seine wahre Identität durch das Geheimnis Christi und das Geheimnis der Erlösung als Geheimnis im engeren Sinne offenbart, das dem Geheimnis Gottes und Christi analog ist, auch wenn diese es unvergleichlich übersteigen.

35. Dieses große Geheimnis ist zunächst mit dem des dreieinigen Gottes und Christi verbunden. Die Offenbarung der Vaterschaft Gottes ist die Offenbarung des Geheimnisses der Vaterschaft überhaupt: „Ich beuge meine Knie vor dem Vater, von dem alle Vaterschaft im Himmel und auf Erden ihren Namen hat“ (Eph 3,14). Die Offenbarung des eingeborenen Sohnes, insbesondere bei Johannes, ist die Manifestation der Sohnschaft im eigentlichen Sinne, die sich ontologisch aus der Ersten Zeugung ergibt und zum Geheimnis der Dreifaltigkeit selbst gehört. In einer Art Umkehrung des Verständnisses erleuchten und reinigen die trinitarische Vaterschaft und Sohnschaft die kulturell geprägten und von der Sünde gezeichneten menschlichen Relationen von Vaterschaft, Mutterschaft, Sohnschaft und Bruderschaft. Die göttliche Vaterschaft zeigt zunächst, dass die Sohnschaft das tiefste Merkmal des Menschen ist: Der Mensch ist sich selbst als ein Geschenk von Gott, dem Vater, gegeben, und er ist dazu berufen, sich von Gott und in Gott von den anderen und der ihn umgebenden geschaffenen Welt zu empfangen, um immer mehr er selbst zu werden. Aus diesem Grund werden seine Identität und seine Berufung besonders in Christus, dem fleischgewordenen Sohn, dem „vollkommenen Menschen“ offenbart, der „eben in der Offenbarung des Mysteriums des Vaters und seiner Liebe dem Menschen selbst den Menschen voll kund [macht] und […] ihm seine höchste Berufung [erschließt]“[47]. Andererseits sind die Menschen auch dazu berufen, am Geheimnis der Vaterschaft teilzuhaben, indem sie leibliche und geistliche Väter und Mütter sind. Nach dem Vorbild der göttlichen Vaterschaft beinhaltet die menschliche Vater- und Mutterschaft Selbsthingabe, völlige Gleichheit zwischen Eltern und Kindern, zwischen Gebenden und Empfangenden, aber auch Unterschiedlichkeit und Ordnung („taxis“) unter ihnen. Und schließlich gibt es keine wirklich christliche Anthropologie, die nicht pneumatologisch ist. Nur der Geist, „der lebendig macht“, vermenschlicht den Menschen vollständig, macht ihn zu Sohn und Tochter, Vater und Mutter. Analog kann man zweifellos von einer Form der Co-Spiration durch den Heiligen Geist oder der gemeinsamen Inspiration sprechen,[48] denn unsere Werke und Worte sind fruchtbar in dem Maße, in dem sie mit dem Heiligen Geist mitwirken, der durch sie tröstet, aufrichtet und führt. Daher müssen die Wahrheit und die Bedeutung der menschlichen Vaterschaft, Sohnschaft und Fruchtbarkeit offenbart werden, denn sie sind nicht nur natürliche oder kulturelle Gegebenheiten, sondern eine Teilhabe an der Seinsweise des dreieinigen Gottes. Sie können ohne die Offenbarung nicht in ihrer Tiefe verstanden und ebenso wenig ohne die Gnade ausgeübt werden. Auch dies ist eine gute Nachricht, die es heute im Licht von Nizäa wiederzuentdecken gilt.

36. In gewissem Sinne kann das homoousios selbst eine anthropologische Bedeutung haben. Ein Mensch hat den Zugang zu Gott ermöglicht. Wohlgemerkt sagt Christus auf einzigartige und ihm allein eigene Weise: „Wer mich sieht, sieht den Vater“ (Joh 14,9), aufgrund des Geheimnisses der hypostatischen Vereinigung. Doch diese einzigartige Vereinigung in ihm steht im Einklang mit dem Geheimnis des Menschen, der „nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen“ (Gen 1,27) ist. In diesem Sinne spiegelt wirklich jedes menschliche Wesen Gott wider, macht Gott bekannt und ermöglicht den Zugang zu ihm. Papst Paul VI. drückte dieses Paradoxon aus, indem er einerseits betonte, dass man „um den Menschen zu kennen, den wahren Menschen, den ganzen Menschen, […] Gott kennen [muss]“, andererseits aber auch, dass man, „um Gott zu kennen, […] den Menschen kennen [muss]“[49]. Diese Aussagen sind wörtlich zu nehmen: Nicht nur spiegelt jeder Mensch das Bild Gottes wider, sondern es ist auch nicht möglich, Gott zu erkennen, ohne durch den Menschen hindurchzugehen. Darüber hinaus wird die Kirche, wie wir oben (§ 22) gesehen haben, auf den Ausdruck homoousios zurückgreifen, um die mit allen Menschen gemeinsame Natur Christi als wahrer Mensch, „geboren von einer Frau“ (Gal 4,4), der Jungfrau Maria, auszudrücken.[50] Die beiden Seiten dieser doppelten „Konsubstantialität“ des menschgewordenen Sohnes verstärken sich gegenseitig, um auf tiefe, wirksame Weise die Brüderlichkeit aller Menschen zu begründen. Wir sind in gewissem Sinne Brüder und Schwestern Christi gemäß der Einheit der gleichen menschlichen Natur: „So musste er denn in allem seinen Brüdern gleich werden“ (Hebr 2,17; vgl. 2,11–12). Es ist diese Verbindung in der Menschheit, die es Christus, der dem Vater wesensgleich ist, ermöglicht, uns in seine Sohnschaft mit dem Vater hineinzuziehen und uns in einem neuen, radikalen und unzerstörbaren Sinn zu Kindern Gottes, seinen eigenen Brüdern und Schwestern und damit zu Brüdern und Schwestern untereinander zu machen.

37. Das Geheimnis des Menschen in seiner großen Würde leuchtet auch in der eschatologischen Dimension des Nizänischen Symbolums auf. Der Glaube an die „Auferstehung der Toten“, auch „Auferstehung des Fleisches“[51] genannt, bekräftigt die Schönheit des Leibes und die Schönheit dessen, was in der Welt durch den Leib gelebt wird, trotz der menschlichen Zerbrechlichkeit und Begrenztheit. Er bekräftigt den Wert dieses konkreten persönlichen Leibes, der auferweckt, verklärt, aber numerisch identisch bleiben wird.[52] Damit erhebt er eine ethische Forderung: Wenn die Akte wahrer Liebe, die in diesem Leben im und durch den Leib gesetzt werden, gewissermaßen die ersten Schritte des auferstandenen Lebens sind, dann bedeutet, den Leib zu achten, alles, was ihn betrifft, mit Rechtschaffenheit und Reinheit zu leben. Wir möchten hier anmerken, dass Christologien, die nicht von der vollen Menschheit Christi ausgehen, die Gefahr bergen, dass die Erlösung als Flucht aus dem Körper und der Welt verstanden wird und nicht als volle Verwirklichung des Menschen. Diese Verankerung in der Welt und im Leib, die gut geschaffen und durch die neue Schöpfung vollendet werden, ist jedoch eines der Kennzeichen des Christentums. Hier finden wir die tiefe Verbindung zwischen Schöpfung und Erlösung wieder: Alle menschlichen Züge Jesu, die von Maria, seiner Mutter, empfangen wurden, sind eine frohe Botschaft und laden jeden Menschen dazu ein, das, was sein eigenes konkretes Menschsein ausmacht, als frohe Botschaft zu betrachten.

38. Darüber hinaus bezeugt die Hoffnung auf die Auferstehung, wie auch die Hoffnung auf das „ewige Leben der zukünftigen Welt“, den immensen Wert der individuellen Person, die nicht zum Verschwinden im Nichts oder im All berufen ist, sondern zu einer ewigen Beziehung mit jenem Gott, der jeden vor Grundlegung der Welt erwählt hat (vgl. Eph 1,4). Schon die Erwählung Abrahams, Isaaks und Jakobs und der unwiderrufliche Bund mit dem Volk Israel offenbaren den Bund, den Gott mit allen Völkern und jedem Menschen in unzerstörbarer Treue schließen will. Ebenso bestätigt, begründet und vollendet die Inkarnation des ewigen Sohnes in einem singulären menschlichen Wesen die unverlierbare Würde der Person als Bruder und Schwester Jesu Christi.

39. Unsere Welt hat heute ein gewaltiges Bedürfnis, diese Aspekte des Geheimnisses des Menschen wiederzuentdecken, die ihn in seiner Größe vor Augen führen, ohne sein Elend zu ignorieren: „Der Mensch übersteigt den Menschen unendlich“, sagte Blaise Pascal.[53] Diese christliche Überzeugung widersetzt sich allen Formen des anthropologischen Reduktionismus. Der Glaube an die Vaterschaft, die Sohnschaft und die fruchtbare („pneumatische“) Inspiration der menschlichen Person begründet und leitet jede authentische Vorstellung von der Autonomie, Freiheit und Kreativität des Menschen. Diese haben ihren Ursprung in Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist, für den Allmacht, Weisheit und Liebe in der Selbsthingabe eins sind. Umgekehrt wird der Verlust des Glaubens an die Auferstehung und das ewige Leben dazu führen, dem Körper und dem heiligen Wert eines jeden Individuums in seiner Einzigartigkeit und Transzendenz den ihm gebührenden Platz zu verweigern. Der Schöpfer hat uns jedoch seine Absichten offenbart: „Du hast ihn nur wenig geringer gewollt als Gott und ihn mit Ruhm und Ehre gekrönt“ (Ps 8,6).

3.3 Die Schönheit des Geschenks der Kirche und der Taufe

40. Die verschiedenen Fäden, die bisher gesponnen wurden, verknüpfen sich in den ekklesiologischen und sakramentalen Aussagen des Glaubensbekenntnisses. Der Glaube von Nizäa bedeutet auch, „die eine, heilige, katholische und apostolische“ Kirche und die Taufe „zur Vergebung der Sünden“ zu glauben. Die Kirche und die Taufe sind als Geschenke zu feiern, die ebenfalls semper majora sind. Da sie die überreiche Fülle all dessen, was im Rest des Symbolums dargelegt wird, bestätigen und manifestieren, sind sie paradoxe Gegenstände des Glaubens: Es gilt, in ihnen weit mehr zu erkennen als das, was man sehen kann. Die Kirche ist eine jenseits ihrer sichtbaren Spaltungen, heilig jenseits der Sünden ihrer Glieder und der Fehler, die von ihren institutionellen Strukturen verursacht wurden, katholisch und apostolisch jenseits der identitären oder kulturellen Rückzugsorte und der quälenden Turbulenzen in Bezug auf Lehre und Ethik, die sie ständig umtreiben. In diesem Sinne ist sowohl der ekklesiologische „Monophysitismus“ als auch der ekklesiologische „Arianismus“ zu vermeiden: Ersterer unterschätzt die menschliche Dimension der Kirche oder blendet sie sogar aus, während letzterer die göttliche Dimension der Kirche zugunsten einer rein soziologischen und funktionalen Sichtweise unterschlägt. Ähnlich versteht man im Glauben die Taufe als Quelle des neuen Lebens und als Reinigung von der Sünde, die über das hinausgeht, was im unvollkommenen und manchmal gottfernen Leben der Getauften selbst sichtbar ist. Sie entfaltet und überhöht die unantastbare Würde eines jeden Menschen, indem sie ihn Christus, dem Priester, Propheten und König, gleichgestaltet.

41. Die Kirche zu „glauben“ und eine einzige Taufe zu „bekennen“, bedeutet, eine Gabe des Glaubens zu empfangen, die es ermöglicht, mitten in ihrer menschlichen und zerbrechlichen Dimension die handelnde und heiligmachende Gegenwart des Heiligen Geistes zu erkennen. Der Geist macht die Kirche eins, heilig, katholisch und apostolisch und verleiht der Taufe ihre Wirksamkeit. Die Kirche und die Taufe zu „glauben“ bedeutet auch, in ihr und durch sie das Heilswirken Christi wahrzunehmen. So wie Christus das Grund-Sakrament Gottes ist, seine reale und handelnde Gegenwart im realen Symbol seiner Menschheit, so ist die Kirche das „allgemeine Sakrament des Heiles“[54]. Nicht zuletzt bedeutet, „die Kirche“ und „die Taufe zu glauben“, dass man in ihr die Gegenwart des dreifaltigen Gottes erkennt. Die Kirche ist semper major, weil sie ihre Quelle und ihr Fundament im dreieinigen Gott hat und in ihr der Vater, der menschgewordene Sohn und der Geist leben. In ihr wird der Glaube von Nizäa verkündet und gefeiert – durch die Taufe und die anderen Sakramente: „Herrlichkeit dir, Vater und Sohn mit dem Heiligen Geist in der heiligen Kirche“[55].

42. An der Schnittstelle zwischen Soteriologie und Anthropologie bestätigt und entfaltet der Glaube an die Kirche und das Bekenntnis zu einer einzigen Taufe die Unermesslichkeit des Heils und des Geheimnisses des menschlichen Seins. Das Heil ist kein bloß individuelles, sondern ein gemeinschaftliches und übernatürliches Geschehen, empfangen durch die Mitwirkung anderer Menschen, die unsere Nächsten sind, und eine geistliche Frucht hervorbringend für andere, die ebenfalls unsere Nächsten sind.[56] Dies wirft ein Licht auf die Natur des Menschen, der keine isolierte Monade ist, sondern ein soziales Wesen, das in eine Familie, eine Nation, eine Glaubensgemeinschaft und in die gesamte Menschheit eingebunden ist.[57] Folglich impliziert der Glaube an die Kirche und die Taufe, dass die Erlösung in sichtbare Handlungen und Strukturen eingebettet ist, die mit der leiblichen Dimension des Individuums und des sozialen Gefüges verbunden sind und sich in der Geschichte entfalten. Diese sind der Ort des lebensspendenden und inspirierenden Geistes, der innerhalb ihrer Grenzen und darüber hinaus wirkt, um jedes menschliche Wesen zu erreichen. Indem die Kirche die Verbindung zwischen dem Einzelnen und dem Ganzen, der Leiblichkeit und der Einbettung in die Geschichte bezeugt, fügt sie sich in das Werk Christi ein, der „dem Menschen selbst den Menschen voll kund [macht]“[58]. In besonderer Weise, als „Sakrament der Einheit“[59], ist die Kirche, die sich zum Glauben von Nizäa bekennt, Zeichen und Werkzeug der Einheit all dieser Aspekte des Menschlichen und der gesamten Menschheit: Die christliche Sicht des Menschen sprengt die Enge aller Reduktionismen, die entweder die Gemeinschaft zugunsten des Individuums oder das Individuum zugunsten des Kollektivs ablehnen und nicht auf die Einheit hinstreben.

4. Gemeinsam die unermessliche Größe des Heils feiern: die ökumenische Bedeutung des Glaubens von Nizäa und die Hoffnung auf ein gemeinsames Osterdatum

43. Der Glaube von Nizäa ist, in seiner Schönheit und Größe, der gemeinsame Glaube aller Christen. Alle sind im Bekenntnis des Symbolums von Nizäa-Konstantinopel vereint, auch wenn nicht alle dem Konzil und seinen Entscheidungen den gleichen Rang einräumen. Das Jahr 2025 ist daher eine einzigartige Gelegenheit, um zu betonen, dass das, was wir gemeinsam haben, quantitativ und qualitativ viel stärker ist als das, was uns trennt: Gemeinsam glauben wir an den dreieinigen Gott, an Christus, der wahrer Mensch und wahrer Gott ist, an das Heil in Jesus Christus, gemäß der Schrift, die in der Kirche und unter der Führung des Heiligen Geistes gelesen wird. Gemeinsam bekennen wir uns zur Kirche, zur Taufe, zur Auferstehung der Toten und zum ewigen Leben. Das Konzil von Nizäa wird von den Kirchen des Ostens ganz besonders ehrfürchtig betrachtet, nicht einfach als ein Konzil unter vielen oder das erste in einer Reihe, sondern als das Konzil schlechthin, welches das Glaubensbekenntnis der „318 orthodoxen Väter“ verkündete.

44. Folglich ist das Jahr 2025 eine Gelegenheit für alle Christen, diesen Glauben und das Konzil, auf dem er zum Ausdruck gebracht wurde, gemeinsam zu feiern. Die theologische Ökumene konzentriert ihre Aufmerksamkeit und ihre Bemühungen legitimerweise auf die ungelösten Knoten unserer Unterschiede, aber es ist zweifellos ebenso fruchtbar, wenn nicht sogar noch fruchtbarer, gemeinsam zu feiern, um auf die Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft unter allen Christen hinzuarbeiten, damit die Welt glauben kann. Wir haben bereits erklärt, wie die unterschiedliche Gewichtung innerhalb der einzelnen christlichen Traditionen den Reichtum des Glaubensbekenntnisses zur Geltung bringt (vgl. oben § 17). Die gemeinsame Feier von Nizäa kann ein ökumenischer Weg der gegenseitigen Bereicherung sein, der zu einem besseren Verständnis des Geheimnisses, einer tieferen Gemeinschaft zwischen den kirchlichen Traditionen und einer stärkeren Bindung an das gemeinsame Bekenntnis des christlichen Glaubens führen wird.

45. Eines der Ziele von Nizäa war es, ein gemeinsames Datum für Ostern festzulegen, um die Einheit der Kirche in der gesamten Oikoumenē zum Ausdruck zu bringen. Leider gibt es bis heute kein gemeinsames Datum, auf das man sich einmütig verständigt hätte. Die Uneinigkeit der Christen über das wichtigste Fest in ihrem Kalender richtet innerhalb der Gemeinden pastoralen Schaden an, bis hin zur Spaltung von Familien, und ruft bei Nichtchristen Ärgernis hervor, wodurch das Zeugnis für das Evangelium beeinträchtigt wird. Aus diesem Grund haben Papst Franziskus, der Ökumenische Patriarch Bartholomäus und andere Kirchenoberhäupter wiederholt ein gemeinsames Datum für die Feier von Ostern gefordert. Im Jahr 2025 fällt Ostern für den Osten und den Westen zufällig auf das gleiche Datum. Wäre dies nicht eine providentielle Gelegenheit, die es zu ergreifen gilt, um das Leiden und die Auferstehung Christi, das „Fest der Feste“ (byzantinisches Morgenlob am Osterfest), zukünftig an einem gemeinsamen Tag in allen christlichen Gemeinschaften zu feiern? Es gibt eine Reihe recht realistischer Vorschläge für ein ungeteiltes Datum. In dieser Frage bleibt die katholische Kirche offen für den Dialog und für eine ökumenische Lösung. Bereits im Anhang der Konstitution Sacrosanctum Concilium hatte das Zweite Vatikanische Konzil nichts gegen die Einführung eines neuen Kalenders einzuwenden und betonte, dass dies unter der Bedingung geschehen müsse, dass „diejenigen, die es angeht, besonders die von der Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl getrennten Brüder, zustimmen“[60]. Beachten wir die Bedeutung, die die östliche Welt den Elementen beimisst, die in der Nachgeschichte von Nizäa zur Bestimmung des Osterdatums aufgestellt wurden[61]: Ostern soll am ersten Sonntag nach dem Vollmond gefeiert werden, der auf die Frühlings-Tagundnachtgleiche folgt oder mit ihr zusammenfällt. Der Sonntag erinnert an die Auferstehung Christi am ersten Tag der Woche, während der Vollmond nach der Frühlings-Tagundnachtgleiche an den jüdischen Ursprung des Festes am 14. Nissan erinnert, aber auch an die kosmische Dimension der Auferstehung, da die Frühlings-Tagundnachtgleiche an den Zeitpunkt erinnert, an dem die Länge des Tages die der Nacht übertrifft und die Natur nach dem Winter wieder zum Leben erwacht.

46. Es ist bemerkenswert, dass sich die Kirche im Rahmen des Konzils von Nizäa dafür entschied, sich vom Datum des jüdischen Passahfestes zu lösen. Das Argument, das Konzil habe sich vom Judentum abgrenzen wollen, wurde vorgebracht und stützt sich auf die von Eusebius überlieferten Briefe Kaiser Konstantins, die unter anderem antijüdische Begründungen für die Wahl eines Osterdatums, das nicht an den 14. Nisan gebunden ist, enthalten.[62] Allerdings muss zwischen den dem Kaiser zugeschriebenen Begründungen und denen der Konzilsväter unterschieden werden. Jedenfalls findet sich in den Kanones des Konzils nichts, was diese Ablehnung der jüdischen Praxis zum Ausdruck bringt. Es ist nicht zu übersehen, wie wichtig für die Kirche die Einheit des Kalenders und die Wahl des Sonntags sind, um den Glauben an die Auferstehung zum Ausdruck zu bringen. Dieses Ziel ist heute in Bezug auf die Reflexion über das Osterdatum immer noch relevant, besonders im 1700. Jubiläumsjahr des Konzils von Nizäa. Über die Frage des Kalenders hinaus wäre es wünschenswert, die Beziehung zwischen Ostern und Pesaḥ in der Theologie, in Predigten wie in der Katechese immer besser zu beleuchten, im Hinblick auf ein breiteres und tieferes Verständnis der Bedeutung von Ostern.

47. In der Osternacht und in jeder Taufliturgie wird das Symbolum von Nizäa-Konstantinopel in seiner dialogischen, feierlichsten Form verkündet. Dieses Glaubensbekenntnis, das die Basis des persönlichen christlichen Lebens und des Lebens der Kirche bildet, wird seine ganze Kraft entfalten, wenn es verwurzelt ist in der Offenbarung an unsere „älteren Brüder“ und „Väter im Glauben“[63], und in sichtbarer Gemeinschaft von allen Jüngern Christi gelebt wird.

Kapitel 2

Das Symbolum von Nizäa im Leben der Gläubigen
„Wir glauben, wie wir taufen; und wir beten, wie wir glauben.“

Zum Auftakt: Der bekannte Glaube im gelebten Glauben.

48. Der in Nizäa bekannte Glaube hat einen reichen dogmatischen Inhalt, der für die Entwicklung der christlichen Lehre entscheidend war. Allerdings war und ist es die Kernaufgabe der Lehre, das Leben der Gläubigen zu nähren und zu leiten. In diesem Sinne kann ein wahrer spiritueller Schatz des Konzils von Nizäa und seines Symbolums freigelegt werden, eine „Quelle lebendigen Wassers“, aus der die Kirche heute und immer wieder zu schöpfen aufgerufen ist. Um den Zugang zu diesem lebendigen Wasser zu schützen, erklärte sich der heilige Antonius bereit, seine Einsiedelei zu verlassen, um in Alexandria gegen die Arianer Zeugnis abzulegen.[64] Dieser Schatz offenbart sich direkt in der Art und Weise, wie der Glaube von Nizäa aus der lex orandi hervorgeht und diese wiederum genährt hat.[65] Außerdem hatten die Synoden nie die Absicht, ihre Debatten auf den spekulativen Bereich der Glaubensaussagen zu beschränken. Vielmehr war es den Teilnehmern der Synoden wichtig, sich über das gesamte kirchliche Leben auszutauschen, darüber, wie man die Glaubenswahrheiten am besten verinnerlicht und im Alltag praktiziert, und umgekehrt ihr Lehren an der richtigen Praxis in der Liturgie, der Feier der Sakramente und sogar der Ethik auszurichten.[66] Kurzum, die Bischöfe nahmen die Glieder des Leibes der Kirche, mit denen sie das Glaubens- und Gebetsleben teilten, und mit denen sie der Herrlichkeit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, des einen Gottes, Anbetung und Lobpreis darbrachten, im Geiste mit auf die Konzilien. Um also die spirituelle und theologische Bedeutung des Dogmas von Nizäa zu erfassen, muss ein Blick auf seine Rezeption in der liturgischen und sakramentalen Praxis, der Katechese und Predigt, dem Gebet und den Hymnen des vierten und fünften Jahrhunderts geworfen werden.

1. Taufe und trinitarischer Glaube

49. Noch bevor die Trinitäts-Lehre sich theologisch entfaltete, war der Trinitäts-Glaube durch die Taufe präsent. Das Tauf-Bekenntnis bzw. die sakramentale Formel der Taufspendung war niemals bloß Ausdruck eines spekulativen Mysteriums, sondern des lebendigen Glaubens, der sich auf die Realität des von Gott geschenkten Heiles, und damit auf Gott selbst, bezieht. Der Tauf-Glaube verleiht eine „Erkenntnis“ Gottes, die zugleich einen Zugang zum lebendigen Gott gewährt. So versichert der Apologet Athenagoras: „Es gibt also Menschen auf Erden […], die nur von dem einen Wunsch beseelt sind, den wahren Gott und Sein Wort zu erkennen, zu wissen, welches die Einheit des Sohnes mit dem Vater, welches die Gemeinschaft des Vaters mit dem Sohn, wer der Geist ist; und wie diese untereinander verbunden und die Verbundenen unterschieden sind: der Geist, der Sohn, der Vater.“[67]

50. Daher ist die Taufformel, in der Vater, Sohn und Heiliger Geist gleich-geordnet stehen, das zentrale Argument gegen Arius und seine Gefolgschaft, mehr noch als der Rückgriff auf theologische Argumentation. Dies wird sichtbar bei Ambrosius[68] und Hilarius[69] ebenso wie bei Basilius von Caesarea, Gregor von Nyssa oder Ephraem dem Syrer.[70] Athanasius betont: Der Sohn wird nicht deshalb in der Taufformel genannt, weil der Vater nicht genügt, und auch nicht einfach zufällig, sondern

[weil] er Gottes Wort und eigene Weisheit ist und als sein Abglanz (apaugasma) immer mit dem Vater besteht. Deshalb kann die Gnade, die der Vater verleiht, nur im Sohne gespendet werden; denn der Sohn ist im Vater, wie der Abglanz in dem Lichte. […] Wen der Vater tauft, den tauft auch der Sohn, und er wird im Heiligen Geiste geheiligt.[71]

51. Für Athanasius wie auch für die Kappadokier geht es bei der Taufe nicht nur um das einfache Hersagen der trinitarischen Formel, vielmehr setzt die Taufe den Glauben an die Gottheit Jesu Christi voraus. Daher ist auch die Unterweisung im rechten Glauben notwendig und Teil der ordnungsgemäßen Taufpraxis. Als Begründung führt Athanasius die Formulierung des Befehls in Mt 28,19 an: „Geht… lehrt… und tauft“ (n.43).[72] Deswegen muss Athanasius, ebenso wie Basilius und Gregor von Nyssa[73], der arianischen Taufe die Wirksamkeit absprechen, weil diejenigen, welche den Sohn für ein Geschöpf halten, keinen rechten Begriff von Gott dem Vater haben: Wer den Sohn nicht anerkennt, versteht auch den Vater nicht und „hat“ den Vater nicht; denn der Vater hat nie begonnen, Vater zu sein.[74]

2. Die besondere Bedeutung des Symbolums von Nizäa

52. Das Nizänische Bekenntnis ist nicht nur Ausdruck des Tauf-Glaubens, sondern könnte selbst auf ein Tauf-Bekenntnis, nämlich der Kirche von Caesarea in Palästina zurückgehen (wenn man Eusebius Glauben schenkt[75]), in das drei Ergänzungen eingefügt wurden: „… das heißt: aus dem Wesen des Vaters“, „gezeugt, nicht geschaffen“, und: „gleichen Wesens mit dem Vater (homo-ousios)“. Auf diese Weise wird in schockierender Klarheit festgehalten: Derjenige, der „für uns Menschen… Fleisch angenommen hat… und gelitten hat“, ist Gott,homo-ousios to patri, und doch vom Vater verschieden, da „aus dem Wesen des Vaters“ (ek tes ousias tou patros).  Durch ihn, der „um unseres Heiles willen… Mensch geworden ist“, wissen wir, was es bedeutet, dass der dreifaltige Gott „Liebe ist“ (1 Joh 4,16). Diese Ergänzungen sind wesentlich und zeigen den originären, entscheidenden Beitrag von Nizäa, aber gleichzeitig muss immer wieder betont werden, dass das Symbolum als Glaubensbekenntnis ursprünglich im liturgischen Rahmen verwurzelt ist, der sein Lebensumfeld und somit der Rahmen ist, in dem es seine volle Bedeutung erhält. Das Bekenntnis ist zweifellos keine theoretische Abhandlung, sondern Bestandteil der Tauffeier, die durch die übrige Liturgie bereichert wird und ihrerseits Licht auf diese wirft. Dass die Menschen unserer Tage manchmal den Eindruck haben, das Credo sei eine sehr theoretische Darlegung, mag daran liegen, dass sie seine Verwurzelung in der Liturgie, besonders in der Tauffeier, nicht kennen.

53. Die „Fides Nicaeana“ ist und bleibt „symbolum“ („ekthesis“, „pistis“): Glaubensbekenntnis; es unterscheidet sich in diesem Sinn von einer genaueren theologischen Auslegung oder präziseren Definition zum Schutz des Glaubens („horos“, lat. „definitio“), wie sie etwa die Konzilien von Ephesus und Chalkedon vorgelegt haben. Als Symbolum ist das Bekenntnis von Nizäa positive, schriftliche Formulierung des biblischen Glaubens;[76] es will keine neue Definition sein, sondern Erinnerung an den Glauben der Apostel, „den Glauben, den der Herr geschenkt, die Apostel verkündet und die in Nizäa aus unserer ganzen Welt versammelten Väter überliefert haben (paradosis).“[77]

54. Aufgrund der Stellung als Glaubensbekenntnis, als Bekenntnis des apostolischen Glaubens, nicht so sehr als Definition oder Lehre, gilt das Symbolum von Nizäa in der folgenden Zeit (bis mindestens zum Ende des 5. Jahrhunderts) als der entscheidende Ausweis der Rechtgläubigkeit[78] und wird auf den folgenden Konzilien als Basistext zugrunde gelegt. Auch Ephesus und Chalkedon wollen Auslegung des Nizänums sein, die Übereinstimmung mit Nizäa bekunden und gegen Dissens vorgehen. Als auf dem Konzil von Chalkedon das Nizäno-Konstantinopolitanische Bekenntnis vorgelesen wurde, riefen die versammelten Bischöfe: „Das ist unser Glaube. In diesem wurden wir getauft, in diesem taufen wir! Papst Leo glaubt so, Cyrill glaubte so…“.[79]

Es sei daran erinnert, dass das Glaubensbekenntnis im Singular ausgedrückt werden kann – „Ich glaube“ –, aber oft im Plural steht: „Wir glauben“; ebenso steht das Gebet des Herrn im Plural: „Vater unser …“. Mein radikal persönlicher Glaube ist nicht weniger radikal in den Glauben der Kirche als Glaubensgemeinschaft eingebettet. Das Symbolum von Nizäa und das griechische Original des Symbolums von Nizäa-Konstantinopel werden mit dem Plural „Wir glauben“ eröffnet, „um zu bezeugen, dass sich alle Kirchen in diesem ‚Wir‘ in Einheit befanden und alle Christen denselben Glauben bekannten.“[80]

55. Wie schon im vorhergehenden Kapitel angemerkt wurde, wird bis heute „Nizäa“ – „das Bekenntnis der 318 Rechtgläubigen“[81] – in den Ostkirchen als das Konzil schlechthin betrachtet, das heißt: nicht als „ein Konzil neben anderen“, auch nicht als „das erste in einer Reihe“, sondern als Maßstab rechten christlichen Glaubens. Die „dreihundertachtzehn Väter“ finden etwa in der Jerusalemer Liturgie ausdrückliche Erwähnung, und im Unterschied zur westlichen Tradition hat das Konzil von Nizäa ein eigenes Fest-Gedächtnis im liturgischen Kalender östlicher Kirchen.

Zu beachten ist, dass die in Nizäa behandelten Disziplinarfragen von Anfang an eine andere Gewichtung erhalten als das Bekenntnis: Während in Disziplinarfragen Mehrheitsentscheidungen möglich sind, ist in Glaubensfragen die apostolische Überlieferung maßgebend: „Was den Ostertermin betrifft, so schrieben sie: ‚Folgendes wurde beschlossen.‘ […] Was den Glauben betrifft, haben sie jedoch nicht geschrieben: ‚Es wurde beschlossen‘, sondern: ‚So glaubt die katholische Kirche!‘“[82]

3. Vertiefung in Predigten und Katechesen

56. Väter im Osten wie im Westen argumentierten nicht nur mit theologischen Traktaten, sondern verdeutlichten auch in Predigten für das Volk den Nizänischen Glauben, um die Gläubigen gegen Fehldeutungen zu wappnen, die verallgemeinernd mit dem Begriff „arianisch“ bezeichnet wurden. Mochten auch die Homöer im Westen zur Zeit Augustins sich in ihrer Argumentation stark von den Neo-Arianern des Ostens unterscheiden: Die theologische Auffassung, der Sohn sei nicht „wahrer Gott vom wahren Gott“, sondern nur das hervorragendste Geschöpf des Vaters und nicht von gleicher Ewigkeit wie dieser, wurde von den Vätern als eine bleibende Gefährdung erkannt und bekämpft, auch unabhängig von konkreten Gegnern. Gerade der Prolog des Johannes-Evangeliums bot die Gelegenheit, das Verhältnis von Vater und Sohn, bzw. zwischen „Gott“ und seinem „Wort“ gemäß dem Bekenntnis von Nizäa zu erläutern.[83] Bischöfe vermittelten den Nizänischen Glauben ihren Gläubigen, auch ohne spezielle Terminologie zu gebrauchen, wie z. B. Chromatius von Aquileia (Bischofsweihe 387/388, gestorben 407).[84]

Selbst diejenigen Kirchenväter, die eine grundsätzliche Skepsis gegenüber „theologischen Streitgesprächen“ hegen, nehmen sehr deutlich Stellung gegen die „arianische Gottlosigkeit“ („a-sebeia“, „impietas“). Die Arianer hätten kein Verständnis für die „ewige Zeugung des Sohnes“, noch für die „ursprüngliche Gleich-Ewigkeit“ von Vater und Sohn[85], daher ist ihre Gottesverehrung verkehrt; ja: sie verfehlen sich gegen den Monotheismus, indem sie eine zweite, untergeordnete Gottheit annehmen.

57. Johannes Chrysostomus erläutert den Taufglauben, der in Nizäa gültig formuliert worden war,[86] und grenzt ihn nicht nur von der homöischen Lehre, sondern auch von der sabellianischen ab: Christen glauben an Gott als „ein Wesen, drei Hypostasen“. Ähnlich argumentiert Augustinus in den Unterweisungen an Taufbewerber.[87]

Als Meisterstück einer Katechese, die offenbar für Multiplikatoren, nämlich Bischöfe und Katecheten, gedacht war, darf die Oratio catechetica magna des Gregor von Nyssa gelten, deren umfangreichste Teile dem ewigen und menschgewordenen WORT Gottes gewidmet sind. Thema ist nicht nur das Verhältnis des SOHNES-WORTES zum VATER (Kap. 1.3.4), sondern auch die Bedeutung der Menschwerdung als Erlösungshandeln (Kap. 5). Gregor will verdeutlichen, dass Geburt und Tod nichts seien, das Gottes unwürdig oder mit seiner Vollkommenheit unverträglich wären (Kap. 9 und 10), und erklärt die Menschwerdung aus dem Motiv der Menschenliebe Gottes. Vor allem aber betont er, dass die christliche Taufe auf die „unerschaffene Trinität“, also die gleich-ewigen drei Personen, vollzogen wird. Nur so verleiht die Taufe ewiges, unsterbliches Leben: „Würde jemand sich einem Geschöpf unterwerfen [d. h. den Sohn und den Heiligen Geist als geschaffen denken], dann setzt dieser seine Hoffnung nicht auf Gott, selbst wenn er es nicht beabsichtigt“.[88] 

58. Der Kern der Auseinandersetzung ist kein theoretisches Problem, sondern eine existentielle Frage: Ist mit der Taufe die „Einsetzung in die Sohnschaft“ (Basilius), der „Beginn des ewigen Lebens“ (Gregor von Nyssa), die „Errettung aus Sünde und Tod“ (Ambrosius[89]) verbunden? Dies ist nur möglich, wenn der Sohn (und der Hl. Geist) Gott sind. Nur wenn Gott „einer von uns“ wird, gibt es die reale Möglichkeit, dass der Mensch teilhaben kann am Leben der Dreifaltigkeit, also „vergöttlicht“ werden kann.

4. Gebet zum Sohn und die Doxologien

59. Der Glaube von Nizäa dient als Richtschnur für das persönliche wie liturgische Gebet und prägt es.[90] Obwohl die „Anrufung des Namens des Herrn (Jesus)“ bereits in den neutestamentlichen Schriften nachweisbar ist[91] und vor allem die Christus-Hymnen[92] die Darbringung von Lobpreis und Anbetung bezeugen, wird das Gebet zum Sohn in der arianischen Krise zum Ort der Kontroverse.

60. Gestützt auf bestimmte Texte des Origenes[93] lehnten Arianer des 4. Jahrhunderts, aber auch Origenes-Anhänger des 5. und 7. Jahrhunderts insbesondere das liturgische Gebet zum Sohn ab. Die arianisch Gesinnten waren interessiert, jene Schriftstellen hervorzuheben, welche Jesus selbst als Beter zeigen, um seine Inferiorität gegenüber dem Vater zu betonen. In Kombination mit der bei den Arianern ebenfalls verbreiteten (apollinaristischen) Auffassung, der Logos nehme die Stelle der Seele Jesu ein, schien damit die Unterordnung des Logos unter den Vater bewiesen. Das an den Sohn gerichtete Gebet sei daher unangemessen. Zugunsten ihrer Ansicht argumentierten die Gegner des homoousios mit der herkömmlichen Formulierung der Doxologie, die vor allem in den östlichen Liturgien von außerordentlicher Bedeutung ist: „Ehre und Anbetung dem Vater durch (dia / per) den Sohn im (en / in) Heiligen Geist“.[94] Die Verschiedenheit der Präpositionen wurde als Beweis für die wesentliche Verschiedenheit der Personen herangezogen. Die Liturgie – anerkannt als Bezeugungsinstanz des Glaubens der Kirche – sollte die theologische Legitimität der arianischen Auffassung belegen.

61. Demgegenüber hielten Verteidiger des Nizänums fest, dass die Gebetspraxis dem Glauben entsprechen müsse, dieser aber wiederum der Taufe korrespondiere. Die Taufformel aber zeigt die Gleich-Ordnung von Vater, Sohn und Heiligem Geist. Daraus folgt, dass sich das Gebet – sei es persönlich, sei es liturgisch – auch an den Sohn richten kann und darf.

Wiewohl sie die alt-hergebrachte Formel der Doxologie nicht verwarfen, sondern ihren rechtgläubigen Sinn verteidigten,[95] zogen sie andere Formulierungen und Präpositionen vor: „to patri, kai… kai…“ oder „to patri… meta… syn…“, die ebenfalls in biblischer und liturgischer Tradition bezeugt sind.[96] So bezieht sich Basilius unter anderem auf den sehr alten Hymnus Phos hilaron (vielleicht aus dem 2. Jahrhundert), worin dem Vater, dem Sohn und Geist der anbetende Lobgesang erwiesen wird.[97]

62. Der Grundsatz: „Wir müssen glauben, wie wir getauft werden, und daher auch so anbeten, wie es der Taufe entspricht!“[98], gilt auch für das persönliche Gebet. Ausdrücklich wird die Anrufung Jesu – wie sie in Formen des Jesus-Gebetes vor allem in monastischen Kreisen praktiziert wurde – mit Berufung auf das „homo-ousios to patri“ gerechtfertigt. „Wenn wir ‚Jesus‘ sagen“, so erklärt Shenute (zwischen 431 und 451), „wird die heiligste Dreifaltigkeit mitgenannt“. Wenn der menschgewordene Sohn angerufen wird, wird er nicht getrennt vom Vater und vom Hl. Geist angerufen. Wer nicht zu Jesus beten will, folgt der „neuen Gottlosigkeit“; er versteht nichts von der Dreifaltigkeit, versteht auch nichts von „Jesus“.[99] Wie jemand betet, zeigt, was er glaubt.

63. Das rechte Beten hat mit dem Glauben an die Erlösung zu tun. Es ist Gregor von Nyssa, der hier am eindringlichsten mahnt: Die Hoffnung des Gläubigen kommt im Gebet zum Ausdruck. Sie richtet sich auf das von Gott geschenkte Heil und Leben: Wenn nun „die erste große Hoffnung nicht mehr bei denen vorhanden ist, die sich zu einem Irrtum in der Lehre verführen lassen“, dann hat dies zur Folge, „dass es keinerlei Nutzen brachte, sich mit Hilfe der Gebote richtig zu verhalten“. Gregor fährt fort:

Wir sind nun getauft, wie wir es aus der Überlieferung empfangen haben, auf den VATER und den SOHN und den Hl. GEIST. Wir glauben aber, wie wir getauft werden; denn der Glaube muss mit dem Bekenntnis im Einklang stehen. Und wir beten an, wie wir glauben; denn es wäre verkehrt, wenn die Verherrlichung (Anbetung) dem Glauben widerstreitet. Vielmehr gilt: Woran wir glauben, das verherrlichen wir auch. Da sich der Glaube nun auf den VATER, den SOHN und den HEILIGEN GEIST richtet, und der Glaube, die Verherrlichung und die Taufe aufeinander folgen, deswegen wird kein Unterschied gemacht in der Herrlichkeit von Vater, Sohn und Hl. Geist.[100]

64. Die Anfügung der trinitarischen Doxologie zum Abschluss jedes Psalms, deren Anordnung Papst Damasus (gestorben 384 n. Chr.) zugeschrieben wird, kann in dieser Linie verstanden werden. Dadurch, so bemerkt Cassiodor, würden alle Häresien zunichte gemacht:

„An alle Psalmen und Cantica fügt die Mutter Kirche den Lobpreis der Trinität an. Sie gibt DEM die Ehre, von dem diese Worte stammen, und entzieht damit den Irrlehren des Sabellius, Arius, Mani und anderer den Boden.“[101] Dies gilt insbesondere von dem Zusatz „sicut erat in principio…“, der als klares anti-arianisches Bekenntnis verstanden wurde.[102]

5. Theologie in Hymnen

65. Nicht zuletzt finden wir in der frühen Hymnen-Dichtung den Ausdruck des Nizänischen Glaubens, der im Leben der Gläubigen Platz gefunden hat: Zahlreiche Hymnen schließen mit der trinitarischen Doxologie. Es war gerade die Auseinandersetzung mit der arianischen Irrlehre, die nicht wenig zur Entfaltung der liturgischen Dichtung beitrug. Zuerst wurden im Osten Hymnen und Lieder verfasst[103], die auf die Propaganda-Dichtungen heterodoxer Gruppen antworten wollten. Im Hinblick auf den Westen darf man sogar sagen, dass dessen wichtigster theologischer Beitrag im 4. Jahrhundert in der Hymnendichtung bestand.

66. Neben Johannes Chrysostomus war es vor allem Ephraem der Syrer (306–373: seine theologische Poesie wurde prägend für die klassische syrische Dichtkunst), der in den Hymnen De fide und De nativitate das Geheimnis Christi besang: Christus ist Gott, trotz der Schwachheit seiner Menschennatur; die Kenosis Christi ist ein so großes Wunder, weil er Gott ist und in dieser Entäußerung Gott bleibt.[104] Mit großer Ehrfurcht umschreibt Ephraem auch die innertrinitarischen Beziehungen: Der Sohn ist im Vater, „vor allen Zeiten“, er ist „dem Vater gleich und dennoch von ihm unterschieden“.[105] Gern gebraucht er das Bild: Sonne – Licht – Wärme, die in Einheit verbunden sind.[106] Immer wieder verweist er auf die drei „Namen“, denen göttliche Realität entspricht, und in denen „unsere Taufe und Rechtfertigung besteht“.[107] Ausdrücklich nennt er „die glorreiche Synode“ von Nizäa.[108] Andere syrische Dichter des 5. Jahrhunderts wie Isaak von Antiochien und Mar Baläus verfassten metrische Predigten und Gesänge, die sich an Christus selbst richten, und diesen ausdrücklich mit göttlichen Attributen verherrlichen: „Lob sei IHM (Jesus Christus) und SEINEM VATER und Ehre dem HEILIGEN GEISTE„ – „Lob sei Ihm, dem Hoch-Erhabenen, der kam, uns zu erlösen, Lob sei Ihm, dem Allmächtigen, dessen Wink die Welt trägt…“[109]

67. Hilarius lernte den Hymnen-Gesang während seines Exils kennen und führte ihn in Gallien ein; auch Ambrosius bekennt, dass er den „Brauch des Ostens“ übernommen habe, während der schweren Auseinandersetzungen mit den Arianern in Mailand in den Jahren 386–387. Der Sohn ist „immer Sohn, wie der Vater immer Vater ist. Wie könnte sonst der Vater diesen Namen tragen, wenn er nicht einen Sohn hätte“, betont Hilarius im Hymnus Ante saecula qui manens; er entfaltet die „zweifache Geburt des Sohnes: aus Gott dem Vater für den ungeborenen Vater, und aus der Jungfrau Maria für die Welt.“ 

68. Im Unterschied zu Hilarius’ hoch-theologischen Hymnen, die kaum in die Liturgie Eingang fanden, wurden die Hymnen des Ambrosius rasch überall bekannt und förderten kraftvoll den Glauben, wie Ambrosius selbst schreibt. Sein Morgen-Hymnus Splendor paternae gloriae könnte gleichsam als Kommentar zum Nizänischen Bekenntnis gelten. Besonders eindringlich sind die Schluss-Strophen mancher Hymnen, welche die Ebenbürtigkeit des Sohnes zum Vater hervorheben: „Aequalis aeterno Patri…“, oder sich direkt an den Sohn richten: Iesu, tibi sit gloria… cum Patre et almo Spiritu“. In einem sehr kurzen Hymnus, der vielleicht Ambrosius zum Verfasser hat, wird das Bekenntnis zum Einen Gott in Drei Personen geradezu als „Merksatz“ für die Gläubigen in Verse gebracht: „O lux beata trinitas, et principalis unitas…“.

69. Neben Ambrosius war es vor allem Prudentius (Aurelius Prudentius Clemens, 348–415/25), dessen Hymnen für die Christologie bedeutsam waren. Besonders bewegen den spanischen Dichter die wahre Gottheit und die wahre Menschheit des Erlösers, in der unsere Neu-Schaffung gründet:

Christus in der Gestalt des Vaters (vgl. Phil 2,6), wir aber Christi Bild und Gestalt;
geschaffen auf das Antlitz des Herrn hin, durch die Güte des Vaters,
wenn Christus kommt am Ende der Zeit, werden wir ihn sehen mit unserem Gesicht.

Christus forma patris, nos Christi forma et imago;
condimur in faciem domini bonitate paterna
venturo in nostram faciem post saecula Christo.
[110]
 

Kapitel 3

Nizäa als theologisches und kirchliches Ereignis

70. Nizäa zu feiern bedeutet, die bleibende Neuheit des Konzils zu verstehen, jene eschatologische Neuheit, die am Ostermorgen ihren Anfang nahm und die die Kirche 1700 Jahre nach dem Ereignis der Auferstehung immer noch erneuert. Es handelt sich nämlich im wahrsten Sinne des Wortes um ein Ereignis, um einen Wendepunkt innerhalb der Verkettungen des geschichtlichen Verlaufs, aber hierin auch um einen Punkt, in dem sich etwas konzentriert, der eine wirkliche Neuheit einbringt und entscheidenden Einfluss auf die folgende Entwicklung nimmt. Je nach Sprache verweist der Begriff „Ereignis“ auf das, was aufkommt, auf den ad-ventus (avènement, Avent, avvenimento), auf das, was hervortritt (évènement, event), auf ein Geschehen (acontecimiento) oder auf das Erscheinen von etwas Neuem (Ereignis). In diesem Sinne ist Nizäa Ausdruck eines Wendepunkts, der im menschlichen Denken aufkommt, hervortritt, geschieht und sich zeigt, hervorgerufen durch die Offenbarung des einen und dreifaltigen Gottes in Jesus, die den menschlichen Geist befruchtet, indem sie ihm neue Inhalte und neue Fähigkeiten verleiht. Es ist ein „Ereignis der Weisheit“. Gleichzeitig zeigt Nizäa, das im Nachhinein als erstes ökumenisches Konzil bezeichnet wurde, eine Wende im strukturellen Vorgehen der Kirche und der Art, wie sie ihre Einheit und die Wahrheit der Lehre durch ein und dasselbe Glaubensbekenntnis hütet: es ist ein „kirchliches Ereignis“. Die Neuheit beruht freilich in beiden Fällen auf einem vorhergehenden Prozess, auf einer schon bestehenden Wirklichkeit, und zwar genau auf jener, welche durch das Ereignis eine Wandlung erfährt. Das „Ereignis der Weisheit“ setzt die menschliche Kultur voraus, es nimmt sie geradezu an, um sie zu reinigen und zu verwandeln. Das kirchliche Ereignis beruht auf der vorherigen Entwicklung von Strukturen der Kirche in den ersten Jahrhunderten, die sich selbst wiederum an das jüdische und griechisch-römische Erbe anlehnt.

71. Diesen beiden Ereignissen liegt ein anderes zugrunde, ein von Gott initiiertes Ereignis, nämlich das Ereignis der Offenbarung Gottes, das „Christusereignis“. Dieses Ereignis ist das Neue schlechthin: Der Novus ist das Novum.[111] Es ist die Offenbarung selbst, während das Ereignis der Weisheit und das kirchliche Ereignis Teil der Weitergabe dieses ursprünglichen Geschenks sind.[112] Darin schließt Gott einen Bund mit einem Volk, um einen Bund mit allen Völkern zu schließen, er nimmt eine Menschheit an, um die ganze Menschheit anzunehmen. Nizäa ist Ausdruck und Frucht der Neuheit der Offenbarung, und aus diesem Grund bietet das Konzil von 325 ein Paradigma für jeden Schritt der Erneuerung sowohl des christlichen Denkens als auch der Strukturen der Kirche. Mehr noch, weil Nizäa aus dem Novum, das Christus ist, hervorgeht, kann es immer wieder aufs Neue verstanden werden und das Leben der Kirche beständig befruchten. Deshalb wird es nun zunächst darum gehen, das Quellereignis, das Ereignis Jesus Christus, auszuloten, um dann seine Auswirkungen auf das menschliche Denken und auf die Strukturen der Kirche zu untersuchen.

1. Das Christus-Ereignis: „Niemand hat Gott gesehen. Der einziggeborene Sohn hat von ihm Kunde gebracht“ (Joh 1,18)

1.1 Christus, das fleischgewordene Wort, offenbart den Vater

72. Das Symbolum von Nizäa ist der sprachliche Ausdruck dafür, dass durch das Christus-Ereignis ein unvorstellbar neuer, gewisser und vollkommen heilbringender Zugang zu Gott eröffnet wird. In der Menschwerdung, dem Leben, Leiden, der Auferstehung und der Himmelfahrt des dem Vater wesensgleichen Wortes, wie sie in der Heiligen Schrift und im Glauben der apostolischen Kirche bezeugt werden, eröffnet Gott, „semper major, aus eigener Initiative eine Erkenntnis von ihm und einen Zugang zu ihm selbst, die nur er allein geben kann, und die jenseits dessen liegen, was der Mensch sich vorstellen oder erhoffen könnte.[113] Tatsächlich überliefert das Neue Testament der Kirche aller Zeiten über die Jahrhunderte hinweg das Zeugnis, das Jesus von sich selbst gegeben hat, und das der Vater im Licht und in der Kraft des Heiligen Geistes ein für alle Mal[114] bestätigt hat: im Pascha des Todes, der Auferstehung und der Himmelfahrt des fleischgewordenen Sohnes, der pfingstlichen Ausgießung des Geistes, in der Fülle der Zeiten, „propter nos et propter nostram salutem“. Wenn es also wahr ist, dass „niemand Gott je gesehen hat“, so bezeugt der Glaube der Kirche, dass Jesus, „der eingeborene Sohn des Vaters, ihn offenbart hat“ (Joh 1,18; vgl. Joh 3,16.18 und 1 Joh 4,9). Dieses Zeugnis lässt sich in der Antwort zusammenfassen, die Jesus dem Apostel Philippus gab, der ihn fragte: „Herr, zeig uns den Vater; das genügt uns“. Jesus aber antwortete ihm:

Schon so lange bin ich bei euch und du hast mich nicht erkannt, Philippus? Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen. Wie kannst du sagen: Zeig uns den Vater? Glaubst du nicht, dass ich im Vater bin und dass der Vater in mir ist? Die Worte, die ich zu euch sage, habe ich nicht aus mir selbst. Der Vater, der in mir bleibt, vollbringt seine Werke. (Joh 14,8–11).

73. Wenn Jesus den Vater sehen lässt, ist alles an ihm Zugang zum Vater. Christus in seiner zerbrechlichen und verletzlichen Menschheit lässt Gott den Vater erkennen: „Ihn sehen heißt den Vater sehen“ (vgl. Joh 14,9)[115]. Daraus folgt, dass Gott sich nicht zuerst auf Golgota unter der Hilflosigkeit des Gekreuzigten verborgen hat, um sich dann am Ostermorgen endlich selbst, endlich allmächtig zu offenbaren. Vielmehr ist die Liebe Jesu Christi, der sich kreuzigen lässt, den physischen Tod erleidet und bis zu dem Ort hinabsteigt, an dem der Sünder in der Sünde gefangen ist (der scheol šəʾôl oder der Unterwelt), die Offenbarung der Liebe des dreifaltigen Gottes, die nicht durch Gewalt wirkt, sondern stärker ist als Tod und Sünde. Gerade angesichts des Kreuzes lässt Markus einen heidnischen Hauptmann sagen: „Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn“ (Mk 15,39). Wie Papst Benedikt XVI. in seinem Buch über Jesus erklärte:

Das Kreuz ist die wahre „Höhe“. Es ist die Höhe der Liebe „bis ans Ende“ (Joh 13,1); am Kreuz ist Jesus auf der „Höhe“ Gottes, die Liebe ist. Dort kann man ihn erkennen, kann erkennen, dass „ich es bin“. Der brennende Dornbusch ist das Kreuz. Der höchste Offenbarungsanspruch, das „Ich bin es“ und das Kreuz Jesu sind untrennbar.[116]

74. Gott durch Jesus Christus zu erkennen, bedeutet nicht einfach nur einen lehrmäßigen Inhalt zu erfassen, sondern stellt den Menschen in die rettende Gemeinschaft mit Gott; denn sie lässt ihn sozusagen in das Herz der Wirklichkeit, oder besser gesagt, der Person, die es zu erkennen und zu lieben gilt, eintauchen. Der Prolog des Johannesevangeliums ist Ausdruck der höchsten Kontemplation des Geheimnisses Gottes, das in Jesus sichtbar geworden ist, damit wir in der Gnade des Heiligen Geistes, der „ohne Maß“ (Joh 3,34) ausgegossen wurde, in das eigentliche Leben des dreifaltigen Gottes eintreten, der durch den Logos offenbart wurde. Die Gestalt dieses Logos ist nicht nur ein Echo des vom griechischen Denken erkannten göttlichen logos, sondern auch und noch tiefer des alttestamentlichen Erbes: des „Wortes Gottes“, des vom Alten Testament bezeugten Dābār. Denn bereits die Israel zuteil gewordene und im Alten Testament überlieferte Offenbarung führt in eine radikal neue Gotteserkenntnis ein, die das Ereignis der Offenbarung in Christus einleitet. Dieser Logos, der Sohn, „Gott von Gott“, der von Anfang an bei Gott ist, als sein Wort, das ihn in aller Wahrheit ausdrückt, auch er ist Gott wie der Vater. In der Fülle der Zeit ist der Logos „Fleisch geworden und hat sein Zelt unter uns aufgeschlagen“ (Joh 1,14), so dass diejenigen, die ihn aufnehmen, „die Macht (exousia) empfangen, Kinder Gottes zu werden“ (Joh 1,14). Indem der fleischgewordene Logos die Menschen zur vollen Gemeinschaft mit ihm zuließ, hat er sie so „der göttlichen Natur teilhaftig gemacht.“[117]

75. Diese unausdenkbare, wahrhafte Erkenntnis und Gemeinschaft mit Gott bewirkt auch eine heilvolle Gemeinschaft mit den von Gott geliebten Brüdern und Schwestern; denn das Christus-Ereignis ist untrennbar Gemeinschaft mit Gott und mit jedem Menschen. Der Glaube der apostolischen Kirche bezeugt diese Gemeinschaft in Christus und durch Christus innerhalb der trinitarischen Gemeinschaft:

Was von Anfang an war, was wir gehört haben, was wir mit unseren Augen gesehen haben, was wir geschaut und was unsere Hände angefasst haben, das Wort des Lebens […], das verkünden wir auch euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt. Wir aber haben Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus. Dies schreiben wir, damit unsere Freude vollkommen ist. (1 Joh 1,1.3–4)

Die theologische Tradition betont, dass die Liebe uns dazu bringt, Gott und unseren Nächsten zu lieben, und zwar insofern er Gottes Freund ist.[118] Wir können davon ausgehen, dass die drei theologischen Tugenden uns in eine umfassende und radikal neue Erkenntnis Gottes und Gemeinschaft mit ihm hineinführen. Aber entsprechend dem erneuerten Zugang zu Gott, den sie gewähren, erschließen sie darüber hinaus einen Glaubensweg hin zu Brüderlichkeit, eine ungeahnte Hoffnung für den Nächsten und jene Liebe, die alles verzeiht und dazu drängt, sich selbst zu verschenken.

1.2 „Wir aber haben das Denken (νοῦς) Christi“ (1 Kor 2,16): Analogie der Schöpfung und Analogie der Liebe

76. Indem das Ereignis Jesus Christus uns auf unvergleichliche Weise Zugang zu Gott gewährt, eröffnet und impliziert es zugleich einen „Weg“, der ebenfalls neu und einzigartig ist: Das Symbolum im Glauben und mit Glaubenseinsicht aufzunehmen, oder besser: Gott aufzunehmen, der sich darin kundtut, erlaubt uns, an dem Blick teilzunehmen, der der Blick des dem Vater wesensgleichen Christus ist – in das „Denken“, die Gesinnung, den Geist, oder in die mens Christi selbst einzutreten, in seine Beziehung zum Vater und zu anderen Menschen. „Wir, wir haben den Geist Christi (noun Christou)“, ruft der heilige Paulus aus (1 Kor 2,16).[119] Das ist ein Ausruf des Staunens. Auch hier verweist Nizäa auf die unermessliche Größe des Geschenks Gottes. Aber Nizäa zeigt auch, dass dies der einzige Weg ist, um Zugang zu dem zu erhalten, was das Symbolum sowohl in seinem Gehalt (res) als auch in seinem Buchstaben ausdrückt. Wir können den Gott Jesu Christi, die uns angebotene Erlösung, die Schönheit der Kirche und der menschlichen Berufung nicht erblicken und an ihnen teilhaben, ohne „das Denken Christi zu haben“. Das bedeutet mehr als eine bloße Kenntnis Christi, sondern vielmehr, in das Verstehen Christi selbst einzutreten, im Sinne eines genitivus subjectivus: das Verstehen, das Christus selbst eigen ist. Ohne die „Weisheit, die nicht von dieser Welt ist“, „geoffenbart durch den Heiligen Geist“, der allein „die Tiefen Gottes erforscht“ (vgl. 1 Kor 2,6.10), kann man das Glaubensbekenntnis nicht vollständig bejahen oder mit seinem ganzen Wesen bekennen:

Zur Fülle, in die Jesus den Glauben führt, gehört ein weiterer entscheidender Aspekt. Im Glauben ist Christus nicht nur der, an den wir glauben, die größte Offenbarung der Liebe Gottes, sondern auch der, mit dem wir uns verbinden, um glauben zu können. Der Glaube blickt nicht nur auf Jesus, sondern er blickt vom Gesichtspunkt Jesu aus, sieht mit seinen Augen: Er ist eine Teilhabe an seiner Sichtweise. […] Das Leben Christi, seine Weise, den Vater zu kennen, völlig in der Beziehung zu ihm zu leben, öffnet der menschlichen Erfahrung einen neuen Raum, und wir können in ihn eintreten.[120]

77. Dies ist möglich, weil Christus den Vater durch seine menschlichen Augen sieht und uns einlädt, in seinen Blick einzutreten. Andererseits erfordert dieser Weg eine tiefgreifende Umwandlung unseres Denkens, unserer mens, durch eine Bekehrung und Erhöhung: „Gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern lasst euch verwandeln durch die Erneuerung des Denkens“ (Röm 12,2). Und genau das ist es, was das Christus-Ereignis mit sich bringt: Der Verstand, der Wille und die Fähigkeit zu lieben werden durch die Offenbarung, wie sie in Nizäa verkündet wurde, im wahrsten Sinne des Wortes erlöst. Sie werden gereinigt, ausgerichtet und verwandelt. Sie erhalten eine neue Kraft, neue Formen und einen völlig neuen Inhalt. Unsere Fähigkeiten können nur dann in Gemeinschaft mit Christus treten, wenn sie ihm gleichförmig werden, in einem Prozess, der die Gläubigen dem Gekreuzigten und Auferstandenen bis in ihren Verstand hinein „ähnlich (symmorphizomenos)“ (Phil 3,10) macht. Dieses neue Denken zeichnet sich dadurch aus, dass Erkenntnis und Liebe in ihm untrennbar vereint sind. Wie Papst Franziskus betont: „In diesem Sinn hat der heilige Gregor der Große geschrieben, dass ‚amor ipse notitia est‘, dass die Liebe selbst eine Erkenntnis ist, eine neue Logik mit sich bringt.“[121] Sie ist barmherzige Erkenntnis voller Mitgefühl, weil die Barmherzigkeit die Quintessenz des Evangeliums ist[122] und den Charakter des Gottes Jesu Christi widerspiegelt, wie er im Symbolum von Nizäa bezeugt wurde. Die erneuerte mens impliziert ein Verständnis der Analogie, die im Licht des Mysteriums Christi neu betrachtet wird. Sie hält zusammen, was wir die „Analogie der Schöpfung“ nennen könnten, aufgrund derer die göttliche Gegenwart im Frieden der kosmischen Ordnung wahrgenommen wird,[123] und was wir die „Analogie der Liebe“ nennen könnten.[124] Diese sozusagen umgekehrte Analogie steht im Gegensatz zum Geheimnis der Bosheit und der Zerstörung, wird aber vom stärkeren Geheimnis des Leidens und der Auferstehung Christi erhellt und erkennt die Gegenwart des liebenden Gottes im Herzen der Verletzlichkeit und des Leidens. Diese Weisheit Christi wird im 1. Brief an die Korinther als die Weisheit beschrieben, die „die Weisheit der Welt als töricht entlarvt hat“:

Denn Christus hat mich nicht gesandt zu taufen, sondern das Evangelium zu verkünden, aber nicht mit gewandten und klugen Worten, damit das Kreuz Christi nicht um seine Kraft gebracht wird. Denn das Wort vom Kreuz ist denen, die verloren gehen, Torheit; uns aber, die gerettet werden, ist es Gottes Kraft. In der Schrift steht nämlich: Ich werde die Weisheit der Weisen vernichten und die Klugheit der Klugen verwerfen. Wo ist ein Weiser? Wo ein Schriftgelehrter? Wo ein Wortführer dieser Weltzeit? Hat Gott nicht die Weisheit der Welt als Torheit entlarvt? Denn da die Welt angesichts der Weisheit Gottes auf dem Weg ihrer Weisheit Gott nicht erkannte, beschloss Gott, alle, die glauben, durch die Torheit der Verkündigung zu retten. Die Juden fordern Zeichen, die Griechen suchen Weisheit. Wir dagegen verkünden Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein Ärgernis, für Heiden eine Torheit, für die Berufenen aber, Juden wie Griechen, Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Denn das Törichte an Gott ist weiser als die Menschen und das Schwache an Gott ist stärker als die Menschen. (1 Kor 1,17–25)

Diese Bekehrung und Verwandlung kann sich nicht ohne die Gnade vollziehen. Die menschliche Einsicht – wie auch der Mensch selbst – erweist sich als konstitutiv auf die Gnade hingeordnet, sie stützt sich auf die Gnade, um ganz sie selbst zu sein.[125] Auf diese Weise lässt sich verstehen, wie die menschlichen Fähigkeiten, die durch das Christus-Ereignis zu sich selbst gebracht und verwandelt werden, zur Vollendung geführt werden durch ihre Entfaltung  in der Form von Glauben, Hoffnung und Liebe, die in dieser Welt die Vorstufen des Lebens in Herrlichkeit sind: „Seid in eurem Inneren so gesinnt, wie es Christus Jesus war“ (Phil 2,5).

1.3 Zur Erkenntnis des Vaters eintreten durch das Gebet Christi.

78. Wie können wir in das „Denken Christi“ eintreten, wozu das Christus-Ereignis auffordert? Weil Jesus Christus nicht einfach nur ein Lehrer oder Ratgeber ist, sondern die Offenbarung und Wahrheit Gottes selbst, sind auch die von ihm Angesprochenen mehr als nur die Empfänger einer Unterweisung. Weil die Person des Auferstandenen kein Gegenstand der Vergangenheit ist, muss sich derjenige, der das innerste Geheimnis Jesu, die Offenbarung Gottes in Jesu Menschheit, verstehen will, in seine Beziehung und Gemeinschaft mit dem göttlichen Vater einbeziehen lassen. Dies geschieht durch ein Leben gemäß der Gnade: die Lesung der Heiligen Schrift in der Kirche, das persönliche und liturgische Gebet, insbesondere die Eucharistie.

79. Die durch die Gnade erwirkte Teilnahme am Gebet Christi ist der Königsweg zur Erkenntnis Christi, welche wiederum die Erkenntnis des Vaters offenlegt („Mein Vater und euer Vater“, in Joh 20,17). Joseph Ratzinger / Papst Benedikt XVI. erläutert, „dass das Gebet der Zentralakt der Person Jesu war, ja, dass diese Person konstituiert wird durch den Akt des Betens, der beständigen Kommunikation mit dem, den er ‚Vater‘ nennt. Wenn es sich so verhält, ist ein wirkliches Verstehen dieser Person nur möglich durch das Eintreten in diesen Gebetsakt, durch die Beteiligung daran.“[126] Mit anderen Worten, die Erkenntnis Christi beginnt damit, dass jemand in den Akt des Betens Jesu eintritt, wenn er ihn erkennt:

„Wo keine Beziehung zu Gott besteht, bleibt auch der unverständlich, der zuinnerst nichts anderes als Beziehung zu Gott, zum Vater, ist…“[127]. Und was für jeden einzelnen Gläubigen gilt, gilt auch für die Kirche als Ganzes. Nur als Gebetsgemeinschaft, die in die Beziehung Jesu zum Vater eingebunden ist, ist die Kirche das „Wir“, das Christus erkennt, wie Joh 5,19–20[128] und 1 Joh 3,11 in Erinnerung rufen.

Erneut geht es um die christologischen Aussagen des Glaubensbekenntnisses: „Das Grundwort des Dogmas ‚wesensgleicher Sohn‘, in dem sich das ganze Zeugnis der alten Konzilien zusammenfassen lässt, überträgt einfach das Faktum des Betens Jesu in philosophisch-theologische Fachsprache, nichts sonst.“[129] Der von Nizäa ausgedrückte Glaube erwächst aus der Beziehung Jesu zum Vater und führt in sie hinein, um den Menschen und der Kirche die Teilhabe an der Erkenntnis und Gemeinschaft Jesu mit dem Vater und dem Heiligen Geist anzubieten.

2. Ereignis der Weisheit: Neuheit für das menschliche Denken

2.1 Die Offenbarung befruchtet und erweitert das menschliche Denken

80. Indem es den christologischen und trinitarischen Glauben vorlegt, gehört das Symbolum von Nizäa in den Zusammenhang der Befruchtung des menschlichen Denkens, der „Erweiterung der Vernunft“[130] durch die Offenbarung in ihrer Weitergabe. Denn der unvergleichliche Zugang zu Gott, den das Christus-Ereignis darstellt, wie auch die Teilhabe am Denken (phronēsis) und am Gebet Christi, musste unweigerlich einen entscheidenden Einfluss auf das menschliche Denken und Sprechen haben. Man wird Zeuge eines „Ereignisses der Weisheit“; das bedeutet, dass Denken und Sprechen durch die Offenbarung erweitert werden müssen und tatsächlich auch erweitert werden, damit diese sich darin ausdrücken kann. Und gerade in dieser Bewegung bezeugen sie, dass sie die Fähigkeit in sich tragen, über sich selbst hinausgeführt zu werden. In der Geschichte des Ereignisses der Weisheit stellt Nizäa einen der großen Wendepunkte dar, „einen neuen und lebendigen Weg“ (Hebr 10,20), dessen entscheidende Bedeutung Pavel Florensky festgehalten und in kraftvollen Worten ausgedrückt hat:

Nicht ohne andächtigen Schauer und heiligen Schrecken sollte man sich an jenen Moment erinnern, unendlich bedeutsam und einzigartig in seiner philosophischen und dogmatischen Bedeutung, als der Donner des ὁμοούσιος über der Stadt des Sieges zum ersten Mal ertönte. Hier ging es nicht um eine spezielle theologische Frage, sondern um die ursprüngliche Selbst-Definition der Kirche Christi. Und mit dem einen Wort ὁμοούσιος wurde nicht nur das christologische Dogma ausgedrückt, sondern auch die spirituelle Beurteilung der rationalen Gesetze des Denkens. Hier wurde dem Rationalismus der Todesstoß versetzt. Hier wurde zum ersten Mal der Tätigkeit der Vernunft ein neuer Anfang urbi et orbi erklärt.[131]

Der in Christus menschgewordene Logos, Sohn des Vaters in der Gemeinschaft des Heiligen Geistes, zeigt, dass er selbst das Maß allen menschlichen Logos ist und diesen beleben und weiten, aber auch zum Richter über ihn werden kann, indem er ihn in eine Krisis im eigentlichen Sinn des Wortes bringt. In der Tat ist es auffällig, wie Athanasius in einem lapidaren Urteil die Ablehnung der Vollgestalt Christi durch Arius als Verneinung der Vernunft, des Logos überhaupt, wertet: „Da sie den Logos Gottes leugnen, sind sie eben ohne jeden Logos.“[132] Im Grunde führt das Ereignis der Weisheit, das durch das Christus-Ereignis bewirkt wird, die menschliche Vernunft und das menschliche Denken in ihre höchste und wahrhaftigste Berufung ein. Es bringt sie sozusagen zu sich selbst zurück. Somit ist das homoousios, wie wir sehen werden, nicht einfach ein Exempel der Interkulturalität, sondern gehört zu einem prototypischen Ereignis der Weisheit, das die Kirche in ihrer Apostolizität begründet.

81. Das Ereignis Jesus Christus ermöglicht eine neue Ontologie, bestimmt von der Wirklichkeit des einen und dreifaltigen Gottes und des fleischgewordenen Logos. Die menschliche Vernunft hatte sich bereits durch das Geheimnis der ontologischen Transzendenz Gottes, der doch jedem Geschöpf inniger ist als es sich selbst, öffnen und durchdringen lassen, das durch die Offenbarung der Schöpfung ex nihilo (2 Makk 7,28; Röm 4,17) zugänglich  wurde.[133] Sie lässt sich abermals von Grund auf erneuern, wenn sie durch den tiefen Sinn berührt wird, der allen Dingen durch das Geheimnis des dreieinigen Gottes, der Liebe ist (1 Joh 4,8.16), gegeben ist – Unterschieden-Sein, Beziehung, Gegenseitigkeit, gegenseitiges Innewohnen werden nun als die letzte Wahrheit und die strukturgebenden Kategorien der Ontologie offenbart. Das Sein wird dadurch gelichtet und zeigt sich in noch größerem Reichtum, als es in den vorangegangenen philosophischen Anläufen erschien, so tiefgründig und komplex diese auch gewesen sein mögen. Darüber hinaus spiegelt Nizäa, das von der christologischen und soteriologischen Frage ausgeht, um Gott, den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist zu beschreiben, gut die Art und Weise wider, wie das christologische Phänomen die „Auffindung“ (inventio) der Trinitätslehre befördert: nämlich aufgrund des Zusammenhangs zwischen dem, was der Erkenntnisordnung nach das Primäre ist, Christologie und Pneumatologie als Herz des Christentums, und der es seinsmäßig begründenden Trinitätslehre. Nizäa beschleunigt die Aufnahme der Theo-logie bzw. der Lehre von der „immanenten Dreifaltigkeit“ in die christliche Reflexion. Da das Geheimnis Christi, das sich in der Geschichte und in einer einzelnen Menschennatur verwirklicht, den Zugang zu Gott ermöglicht, werden Materie und Fleisch, Zeit und Geschichte, das Neue, die Endlichkeit und selbst die Zerbrechlichkeit geadelt und erhalten ihren Wert, um die Beschaffenheit des Seins auszudrücken. Im Grunde enthüllt sich auch das Sein durch die Offenbarung als semper maius.

82. Das Ereignis der Weisheit impliziert offenkundig eine Erneuerung der Anthropologie, da das Christus-Ereignis ein neues Licht auf das menschliche Sein wirft. Wir wollen diese Aspekte, die im ersten Kapitel dieses Dokuments entwickelt wurden, kurz umreißen.[134] Die Anthropologie der Bibel verpflichtet dazu, die Auffassung vom Menschen ausgehend vom Adel der Materie und des einzelnen Seienden neu zu überdenken. Gemäß dem Buch Genesis hat der Schöpfer jedes Individuum gewollt und es „in seine Hände eingezeichnet“ (Jes 49,16). Darüber hinaus nennt Jesus jeden Menschen seinen Bruder und seine Schwester, weil das Ereignis der Menschwerdung jeden einzelnen Menschen auf unübertreffliche und unwiderrufliche Weise geadelt hat. Wenn das Symbolum von Nizäa-Konstantinopel erklärt, dass Jesus Christus als wahrer Mensch der Sohn Gottes und als solcher Gott dem Vater „gleich“ ist, wird jedem Menschen – unabhängig von seiner Herkunft, Nation, Begabung oder Ausbildung – eine Würde zuerkannt, die dem menschlichen Erkennen die Pflicht auferlegt, neu zu denken und die Grenzen einer bloß natürlichen Sicht des Menschlichen zu überschreiten. Es gibt eine spezifisch christologische Würde der Einzelnen.

83. Ähnlich wie der Eintritt in das „Denken Christi“ setzt die Erweiterung der Ontologie und Anthropologie eine Bekehrung voraus; daher kann sie durchaus auf den Widerstand des Denkens stoßen, das an seine Grenzen gewöhnt ist. Das Ereignis der Weisheit verpflichtet dazu, nicht nur die „Analogie der Schöpfung“, sondern auch die „Analogie der Liebe“ in Betracht zu ziehen. Angesichts der Kenosis der Menschwerdung und der Passion Christi, angesichts des Leidens und des Bösen, das die Menschheit heimsucht, stößt der menschliche Geist an seine Grenzen. Die Frage drängt sich auf: Warum scheint der allmächtige Vater zunächst von oben den Kreuzweg des leidenden Sohnes beobachtet und erst nach dessen Tod gehandelt zu haben? Warum erhörte er nicht sofort das Gebet im Ölgarten, das mit dem Blutschweiß der Angst aufstieg: „Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber…" (Mt 26,39b)? Tatsächlich fordert die im Symbolum von Nizäa bekannte Wesensgleichheit des fleischgewordenen und gekreuzigten Sohnes mit dem Vater das menschliche Denken auf, sich zu bekehren, auch hinsichtlich des Verständnisses von „Allmacht“. Der dreifaltige Gott ist nicht zuerst Allmacht und dann erst Liebe; seine Allmacht ist vielmehr identisch mit der Liebe, die sich in Jesus Christus offenbart hat. Denn nach dem Zeugnis des Neuen Testamentes, ist das Leben Jesu durch das Wirken des Geistes die Offenbarung der innertrinitarischen Beziehungen in der Geschichte, auf der Ebene der heilsgeschichtlichen Trinität.[135] Gott ist wahrhaft Gott, wenn seine liebende Allmacht nichts aufzwingt, sondern vielmehr seinem Bundespartner, dem Menschen, die Fähigkeit verleiht, sich frei und unverdient an ihn binden zu können.

Gott entspricht seinem eigenen Wesen, wenn er die von der Sünde verdorbene Menschheit nicht gewaltsam bekehrt, sondern sie durch die Ereignisse in Bethlehem und auf Golgotha mit sich versöhnt. In all dem sind unsere menschlichen Betrachtungsweisen dazu aufgerufen, sich von Christus zutiefst verwandeln zu lassen: „Eure Gedanken sind nicht meine Gedanken“ (Jes 55,8; vgl. auch Mt 16,23).

2.2 Ein kulturelles und interkulturelles Ereignis

84. Wenn das Christus-Ereignis das Denken erneuert – als in einem „Ereignis der Weisheit“ neu geschaffen –, dann erneuert und reinigt, befruchtet und erweitert es auch die menschliche Kultur. Zweifellos ist das Konzil von Nizäa, das den christlichen Glauben für die unter allen Völkern verbreitete Kirche in der griechischen Sprache und mit einem Begriff aus der griechischen Philosophie in Worte fasst, ein kulturelles Ereignis. Es ist notwendig, dass der Glaube die menschliche Kultur annimmt, so wie er die menschliche Natur annimmt, da Natur und Kultur konstitutiv für den Menschen und daher untrennbar miteinander verbunden sind. „Der Mensch ist immer kulturell situiert“[136], erinnert Papst Franziskus. Da der Mensch ein relationales und soziales Wesen ist, das in die Geschichte eingebunden ist, gelangt er gerade durch die Kultur zur Fülle seines Menschseins.[137] Darüber hinaus braucht die Offenbarung, die die Gemeinschaft zwischen Gott und dem Menschen stiftet, Empfänger, die sich in dem Maße treu sind, in dem sie die Offenbarung in voller Freiheit und Verantwortlichkeit aufnehmen: Daher die Auserwählung des Volkes der zwölf Stämme Israels, das sich von allen anderen Völkern unterscheiden und mühsam lernen musste, zunächst für sich selbst die Wahrheit vom Irrtum zu scheiden; daher Jesus Christus, in dem der Sohn Gottes wahrhaft Mensch wird, ein Hebräer, ein Galiläer, dessen Menschsein die kulturellen Spuren des geschichtlichen Werdegangs seines Volkes trägt; daher die Kirche, die sich aus allen Nationen zusammensetzt. So stützt sich Papst Franziskus auf das thomasische Prinzip: „Die Gnade setzt die Natur voraus“, und fügt in Weiterführung dieses Prinzips hinzu: „Die Gnade setzt die Kultur voraus, und das Geschenk Gottes nimmt Fleisch an in der Kultur derer, die es empfangen.“[138].

85. Diese Annahme der Kultur durch die Offenbarung impliziert eine gewisse Reziprozität des Einflusses zwischen beiden, trotz ihrer Asymmetrie. So wie der menschliche Geist erhöht werden kann, so ist auch die Kultur dazu berufen, von der Offenbarung durch-lichtet zu werden, bis sie um den Preis der Bekehrung die Weisheit des Gekreuzigten aufnehmen kann: Der Auftrag der Kirche schließt ein, „dass die Kraft dieser Frohbotschaft die Denkweisen, die Maßstäbe des Urteils und die Handlungsnormen prägt; kurz gesagt, die gesamte Kultur des Menschen soll vom Evangelium durchdrungen werden“[139]. Der Glaube ist jedoch kein Element, das den Kulturen, in denen er gelebt wird, fremd ist, denn seit Pfingsten beinhaltet der christliche Glaube die Gewissheit, dass es keine einzige menschliche Kultur gibt, die nicht ihre Erfüllung von der Heimsuchung durch das Wort Gottes erwartet und erhofft; denn dieses Wort hat selbst die semina Verbi[140] in alle Kulturen, die auf seine Heimsuchung warten, ausgegossen. Dadurch werden sie vollends sie selbst. Die Offenbarung reinigt und erhebt sie also von innen heraus, setzt an bei ihrer Offenheit für das, was wahr, gut und schön ist. In der Folge aber ermöglichen die von der Neuheit der Offenbarung auf- und angenommenen, verwandelten Kulturen und Sprachen eine Bereicherung und Präzisierung in den Ausdrucksformen des Glaubens. Diese Gegenseitigkeit lässt sich durch die Jahrhunderte hindurch in der Befruchtung der Sprache, der Poesie und der Kunst durch die Bibel feststellen, deren Verständnis seinerseits wie „im Gegenzug“ durch ihre Verbreitung in anderen Sprachen und Weltanschauungen erhellt wird. Dies gilt auch für den Gebrauch des homoousios in Nizäa, wodurch das Verständnis der Kirche von der Sohnschaft Jesu Christi präzisiert und zugleich der übernommene Begriff verwandelt wird.

86. In dieser „Annahme der Kultur“ muss der Beziehung zwischen der hebräischen und der griechischen Kultur ein einzigartiger und von der Vorsehung gewollter Platz zuerkannt werden. Das homoousios wird sich hier als Frucht einer besonders kraftvollen Synthese zeigen, die sich ereignet zwischen der semitischen Kultur, die bereits von der Offenbarung berührt und verwandelt, aber auch durch die Begegnungen und Auseinandersetzungen mit Völkern anderer Kulturen – Ägypter, Kanaanäer, Mesopotamier, Römer – geformt worden war, und der griechischen Welt. Mehr als drei Jahrhunderte vor Christi Geburt und bis ins dritte Jahrhundert n. Chr. hatten die Lehre und das intellektuelle Leben des hellenistischen Judentums nicht nur in Aramäisch, sondern auch in Griechisch ihren Ausdruck gefunden, ein besonderer Schwerpunkt lag dabei auf der Septuaginta. Die Botschaft von Jesus wurde auf Griechisch aufgezeichnet und weitergegeben, um das Evangelium allen Menschen in der Weltsprache des Mittelmeerraums vermitteln zu können, aber auch, weil das Neue Testament Teil der Geschichte der Beziehung des jüdischen Volkes zur griechischen Kultur und Sprache ist. Wie in der Septuaginta finden Einflüsse in beide Richtungen statt. Beispielsweise wird durch panta ta ethnē in Mt 28,19 die alte jüdische Vorstellung von allen Völkern, die nach Jerusalem strömen, übersetzt, und măthētēs (Jünger-Schüler) überträgt das aramäische talmudim. Umgekehrt greifen die Evangelisten auf die  griechische Gerichtssprache zurück, um den Prozess und das Leiden Jesu zu interpretieren; der Autor der Apostelgeschichte lässt sich von der epischen Dichtung der Odyssee inspirieren, um von den Reisen des Paulus zu berichten, und Paulus greift oft auf Elemente der stoischen Philosophie zurück; ebenso tragen einige Passagen des Neuen Testaments die Spuren  griechisch-philosophischen Vokabulars .[141] Es ist ganz natürlich, dass das frühe Christentum diese Synthese aus semitischem und griechischem Denken im Dialog mit jüdisch-hellenistischen und griechisch-römischen Autoren fortsetzt, um die Heilige Schrift zu interpretieren und seine eigenen Gedanken zu entwickeln. Der Reichtum der griechischen Ausdrucksweise im Judentum und Christentum lässt daher annehmen, dass in der Aufpfropfung der griechischen Kultur auf die hebräische Kultur die Grundlage bereitet ist, die es erlaubt, die Einzigartigkeit und Universalität des Heils in Jesus Christus gegenüber der philosophischen Vernunft auf Griechisch zu verdeutlichen.[142] Natürlich gehörte ein großer Teil der Christen, vor allem außerhalb des Römischen Reiches, nicht zu diesem Kulturkreis und entfaltete sein eigenes Talent, um den Glauben in der syrischsprachigen Welt, in Armenien und Ägypten zum Ausdruck zu bringen, aber auch sie bezogen eine Position gegenüber dem griechischen Denken, indem sie sich von ihm inspirieren ließen und sich von ihm zugleich distanzierten.

87. Das Konzil von Nizäa ist nicht nur ein Ereignis der Aufnahme und Befruchtung der Kultur durch die Offenbarung, sondern auch ein Anlass für interkulturelle Begegnungen. Diese Begegnung zwischen den Kulturen ist ein wichtiger Aspekt des Ereignisses der Weisheit, das durch das Christus-Ereignis hervorgerufen wird, denn die Offenbarung verbindet die Kulturen miteinander und bringt sie in Gemeinschaft, indem sie den höchstmöglichen Grad an Interkulturalität ermöglicht. Der Austausch und die gegenseitige Befruchtung ist bereits konstitutiver Bestandteil aller Kulturen, die nur innerhalb des Prozesses existieren, in dem sie miteinander in Kontakt stehen und sich so weiterentwickeln und bereichern, manchmal auch in Opposition zueinander stehen und einander auch gefährden. Durch die erneuernde Kraft der Offenbarung wird diesen Beziehungen jedoch ein qualitativer Sprung an Intensität verliehen. Indem sie einerseits Zugang zur transzendenten Quelle des Wahren und Guten bringt, zur Wurzel der Universalität des menschlichen Geistes, wodurch die Kommunikation zwischen den Kulturen ermöglicht wird,[143] , öffnet sie den gemeinsamen Raum von Begegnung und Austausch vollständig. Andererseits wirkt das Christus-Ereignis als eine Kraft der Bekehrung und Befreiung angesichts der Kräfte des Sich-Verschließens und der Gegnerschaft gegenüber dem Anderen, die es im Leben der Völker und Kulturen ebenfalls gibt. Nur eine sozusagen „erlöste“ Kultur kann über sich hinauswachsen, ohne sich selbst zu verlieren, und sich für andere öffnen, um von ihnen Bereicherung zu erfahren und seinerseits diese zu bereichern. Das Hören auf das Wort Gottes und die Tradition, also auf das Wort des Anderen, gewöhnt den Geist und die Kulturen sozusagen an das Hören auf die Anderen.[144] Dies führt nicht zu einem äußerlichen und armseligen Nebeneinander der Kulturen oder zu einer Einschmelzung in ein undifferenziertes Konglomerat, sondern zu einer erlösten und erhöhten Interkulturalität, in der jede Kultur über sich selbst hinauswächst und gleichzeitig in ihrer eigenen Beschaffenheit gestärkt wird, gewissermaßen in einer Perichorese der Kulturen.[145] Daher gilt es, sowohl das wirklich Neue und  die „Überhöhung“ der Kulturen festzuhalten, wie auch die Tatsache, dass diejenigen, die das Evangelium Christi annehmen, ihre kulturelle Identität bewahren und darin gestärkt werden[146]: „Die Christen unterscheiden sich von den anderen Menschen weder durch ein Land, noch durch eine Sprache oder durch Kleidung […]. Während sie sich in Bezug auf Kleidung, Essen und das übrige Leben an die örtlichen Gepflogenheiten halten, demonstrieren sie die erstaunliche und – nach allgemeiner Auffassung – paradoxe Verfassung ihrer Republik.“[147]

88. Die Interkulturalität ist in der Tat die Manifestation einer tieferen Thematik, die ihr Fundament bildet: der göttliche Plan für die Einheit der Völker und der mühsame Weg zu dieser Einheit in der Vielfalt. Es handelt sich dabei um einen der wichtigsten Handlungsstränge in der biblischen Heilsgeschichte. Die Erzählung vom Turmbau zu Babel in Gen 11,1–9 unterstreicht die Spannung zwischen dem Reichtum der Vielfalt an Sprachen und Kulturen einerseits und der Möglichkeit des Menschen, die Einheit des gemeinsamen Hauses zu sprengen, den Logos des Oikos zu verwischen, andererseits. Der Ruf an Abraham, die ihm gegebene Verheißung, dass durch ihn „alle Sippen der Erde Segen erlangen“ sollen (Gen 12,3), ist die erste heilbringende Antwort Gottes. Die Propheten erweitern diese Verheißung für die Völker der Erde, indem sie die Einheit aller Nationen um das auserwählte Volk und das Gottes-Gesetz ankündigen.[148] Das Neue Testament stellt diese Einheit als im Messias verwirklicht dar, der durch sein Blut und in seinem Fleisch „die trennende Mauer, den Hass“ zwischen Israel und den Völkern niederreißt, um „aus beiden in ihm den neuen Menschen zu machen“ (Eph 2,14.15b). Auf diese Weise werden die Völker mit dem Bundesvolk verbunden, indem sie „zu demselben Erbe zugelassen, Glieder desselben Leibes, Teilhaber derselben Verheißung“ (Eph 3,6) werden. Dies ist in Christus möglich, dem Einen und Einzigen, der alles umfasst, der Andersartigkeit und Identität zusammenhält und die ganze Menschheit annimmt, indem er eine besondere, genealogisch und kulturell verortete Menschheit annimmt. Der Antitypus von Babel, das Pfingstfest mit der Herabkunft der Feuerzungen in Apg 2,1–18, ist die Manifestation und Verwirklichung dieser gemeinschaftsstiftenden Kraft des menschlichen Logos, der letztlich aus dem Logos Gottes hervorgeht.[149] Nicht in der verschmelzenden Einheit einer einzigen Sprache bewirkt der Heilige Geist die Gemeinschaft dieser Juden unterschiedlicher Sprachen und Kulturen, sondern indem er das Verständnis für den anderen inspiriert. Es stellt ein Bild dessen dar, was die Kirche sein wird, die alle Nationen vereint, ganz auf ihre Vollendung hin ausgerichtet, wenn die „144.000 Besiegelten“ aus den zwölf Stämmen Israels und „die große Schar, die niemand zählen konnte, aus allen Nationen, Stämmen, Völkern und Sprachen“ die volle eschatologische Gemeinschaft der Menschheit im neuen Jerusalem verwirklichen werden (Offb 7,4.9).

89. Die interkulturelle Dimension, die in Nizäa einen grundlegenden Ausdruck gefunden hat, kann auch als Modell für die heutige Zeit angesehen werden, in der die Kirche in einer Vielzahl von Kulturräumen präsent ist: asiatische, afrikanische, lateinamerikanische und ozeanische Kulturen, neue europäische Volkskulturen, ganz zu schweigen von der neuen kulturellen Form, die von der digitalen Revolution und den technischen Wissenschaften getragen wird. All diese zeitgenössischen kulturellen Welten scheinen weit entfernt von der altgriechischen Kultur zu sein, welche die im Ereignis von Nizäa verwirklichte Inkulturation der Lehre erstmals aufnahm. Einerseits gilt es zu betonen, dass es diese griechischen Kategorien waren, in denen sich die Kirche normativ ausgedrückt hat, und diese daher für immer mit dem Glaubensgut verbunden sind.[150] Andererseits jedoch kann sich die Kirche in Treue zu den aus jener Zeit stammenden Begriffen und darin ihre lebendige Wurzel findend, von den Vätern von Nizäa inspirieren lassen, um heute nach aussagekräftigen Formulierungen des Glaubens in den verschiedenen Sprachen und Kontexten zu suchen. In ihren jeweiligen kulturellen Situationen und Idiomen müssen die christlichen Gemeinschaften, ihre Theologen und Hirten in wirksamer Gemeinschaft mit dem Lehramt, mit der Gnade des Heiligen Geistes selbst eine ähnliche Arbeit leisten wie damals, um die radikale Einheit des Sohnes und des Vaters zu bekräftigen. Nizäa bleibt ein Paradigma für jede interkulturelle Begegnung und für die Möglichkeit, authentische neue Wege zu empfangen oder zu gestalten, um den apostolischen Glauben auszudrücken.

2.3 Die schöpferische Treue der Kirche und das Problem der Häresie

90. Die Wahrnehmung von Nizäa als Ereignis der Weisheit, das durch das Christus-Ereignis hervorgerufen wurde, ermöglicht eine differenziertere Relecture der Geschichte der Häresien, auf die das Konzil reagiert. Häresie, die absichtlich vom apostolischen Zeugnis abweicht und dessen Vollständigkeit verstümmelt, wird von den Vätern als das Neue gesehen, das den Weg der regula fidei und der traditio verlässt und sich dadurch von der geschichtlichen Realität Christi entfernt. Der Vorwurf an Arius besteht gerade darin, dass er Neues eingeführt habe.[151] Angesichts des Novum, das mit dem Christusereignis begann, kann es jedoch erhellend sein, Häresie auch als grundlegenden, passiven und aktiven Widerstand gegen die übernatürliche Neuheit zu verstehen, die das menschliche Denken und die menschlichen Kulturen über sich selbst hinaus öffnen soll – eine Neuheit der Gnade, von der die neue Sprache des Glaubens zeugt, die im homoousios zum Ausdruck kommt. Es ist nahezu unvermeidlich, dass der Mensch mit all seinen Fähigkeiten, in seinem ganzen Wesen, Widerstand gegen diese unfassliche Neuheit leistet, die ihn zu bekehren und zu verwandeln vermag. Es ist der Widerstand und damit Sünde des „alten Menschen“ (Röm 6,6; vgl. auch Eph 2,15), wurzelnd in der Schwierigkeit, die Unermesslichkeit Gottes und seiner Liebe sowie die unglaubliche Würde des Menschen ganz zu erfassen und zu akzeptieren. Der langsame, tastende, doch umsichtige Weg der ersten Versuche, die Bedeutung des Geheimnisses des Gekreuzigten und seiner glorreichen Auferstehung zu verstehen, der Übergang vom apostolischen Kerygma zu den ersten Schritten dessen, was wir heute Theologie nennen, ist daher von ständigen Spannungen und einer Vielzahl von Meinungen begleitet, die von der Fülle des apostolischen Zeugnisses abweichen und als Heterodoxie, oder auch als Häresie bezeichnet werden.

91. Anstatt einen erschöpfenden Überblick über die Häresien der ersten Jahrhunderte zu geben, wollen wir diesen Widerstand gegen das Novum der Offenbarung anhand einiger Beispiele beleuchten. Die rationalistische Lehre der Gnostiker, die oft als früheste Häresie angesehen wird, verfälscht den Realismus des Mysteriums der Inkarnation durch den Doketismus; durch die Reduzierung der Heilsgeschichte auf mythologische Erzählungen wird die Ganzheitlichkeit der menschlichen Erlösung geleugnet und auf die Ebene einer entleiblichten Spiritualität verschoben. Irenäus betont in seinem Kampf gegen die Gnosis, es handle sich um einen Widerstand gegen die Auffassung, dass Gott fähig und willens ist, selbst in die Geschichte einzutreten, sich selbst bis zum Äußersten mit der Menschheit zu vereinen, ja, wirklich Mensch zu werden und den Tod zu durchleiden. Der Gnostizismus blendet die Schönheit des Einzelnen, der Materie und der Geschichte aus, wie sie im Christusereignis offenbart wird, und wovon das Alte wie das Neue Testament Zeugnis ablegen. Die Väter zögerten in der Folge nicht, auf Begriffe und Kategorien aus der griechischen Philosophie zurückzugreifen, um das christliche Denken zu präzisieren. Dabei sind sie gezwungen, Denkrahmen zu sprengen, die von sich aus die Vorstellung von der Inkarnation des Logos nicht ermöglichen bzw. in denen nicht angelegt ist, dass der Logos oder der Nous (νοῦς), als Ausdruck der Gottheit, ebenbürtig mit der Quelle ist, aus der er stammt, oder dass eine Vielheit möglich ist, die der göttlichen Einheit nicht widerspricht und innerhalb dieser Einheit sogar gut ist. Die Vertreter der christologischen und trinitarischen Häresien sind diejenigen, denen es nicht gelungen ist, diese Denkrahmen, wie reich sie im Übrigen auch sein mögen und wie viel sie tatsächlich zur Gestaltwerdung der christlichen Lehre beitrugen, durch die unerhörte Weite des Nous (νοῦς) Christou erweitern zu lassen. Dieselbe Schwierigkeit findet sich auch im Wechselspiel der christologischen Strömungen im Osten während des gesamten 3. Jahrhunderts, das in gewissem Sinne der arianischen Häresie den Weg bereitet. Wir müssen dabei vermeiden, die variierenden Positionen der Protagonisten dieser Strömungen zu karikieren, da es sich in erster Linie um individuelle Denker handelt; jedoch kämpfen alle mit denselben Schwierigkeiten, den trinitarischen Reichtum des einen Gottes und die Radikalität der vollen Annahme einer singulären Menschheit durch den Sohn, der dem Vater gleich ist, durchzuhalten: Einige stehen einer trinitarischen Theologie mit subordinationistischer Tendenz und einer Christologie gegenüber, die Gefahr läuft, doketisch zu werden, während andere sich von Formen des trinitarischen Modalismus und des Adoptianismus abgrenzen. Es sind dieselben Widerstände der alten Denkmuster, die sich daher einige Jahrzehnte vor Nizäa zeigen und dann in der Lehre des Arius zum Ausdruck kommen: Es ist für ihn unvorstellbar, dass der Sohn, der anders als der Vater ist, der geboren wird und stirbt, gleich-ewig und Gott ebenbürtig sein kann, ohne dass die göttliche Einheit und Transzendenz und damit die Erlösung der Menschen beeinträchtigt wird.

92. Diese Widerstände sind durchaus verständlich, sie sind menschlich. Sie bezeugen gleichsam im Negativ das unglaubliche Licht, das durch das Christusereignis auf die Auffassung von Gott und der göttlichen Berufung des Menschen geworfen wurde, und die nicht minder unglaubliche Umwandlung des menschlichen Denkens und der menschlichen Kultur, die sich in dem daraus resultierenden Ereignis der Weisheit entfaltet. Nichts Menschliches wird aufgehoben; aber der Zugang zur Unermesslichkeit der Wahrheit Gottes erfordert die Selbstoffenbarung Gottes und die Gnade, welche die Fähigkeiten und Errungenschaften des Menschen umwandelt und überhöht. In gewissem Sinne lässt uns der Widerstand der Häresien Nizäa in seiner ganzen Kraft unermesslicher Neuheit sehen.

3. Das kirchliche Ereignis: das Konzil von Nizäa als erstes ökumenisches Konzil

3.1 Das Wesen und die Strukturen der Kirche wurzeln im Christusereignis

93. Das Konzil von Nizäa ist nicht nur ein Ereignis der Dogmengeschichte, sondern kann auch als ein kirchliches Ereignis verstanden werden, das einem grundlegenden Schritt im Prozess der Ausgestaltung der Kirche entspricht. Im Laufe eines langen Weges im Anschluss an Nizäa wurde das „Ökumenische Konzil“ zum richtungsweisenden Leuchtfeuer hinsichtlich der Lehre und der rechtlichen Bestimmungen der Gesamtkirche, zum Ort ihrer Communio und ihrer letzten Autorität. Kann man das Konzil von seiner Grundstruktur her als einen Wendepunkt sehen, der dem weiteren Leben der Kirche die Richtung weist, ähnlich dem Wendepunkt, den das Symbolum von Nizäa bezüglich des Zugangs zu Gott (Christusereignis) und bezüglich des menschlichen Denkens (Weisheitsereignis) darstellt? Dies wäre der Fall, wenn das Ökumenische Konzil als solches als eine Frucht und spezifisch ekklesialer Ausdruck des Christusereignisses betrachtet werden könnte.

94. Von ihren Anfängen an ist sich die Kirche bewusst, dass sie in der Kontinuität des auserwählten Volkes steht, einer Versammlung, die zusammengerufen wurde (qāhāl/ekklēsia – vgl. Dtn 5,22), um aus der geoffenbarten Tora zu leben und den Herrn, ihren Gott, zu verehren. Auch sie sieht sich als „auserwähltes Geschlecht, königliche Priesterschaft, heiliger Stamm, erworbenes Volk, um das Lob [Gottes] zu verkünden“ (1 Petr 2,9), des Gottes Israels. In der Apostelgeschichte wird sie als eine Gemeinschaft vorgestellt, die den Willen Gottes erkennt, in der der Haupthandelnde der Heilige Geist ist,[152] und die von Männern geleitet wird, die die Rolle der zwölf Apostel, der „Zeugen der Auferstehung“ (Apg 1,22), weiterführen. In gewissem Sinne ist es die kirchliche Gemeinschaft als Leib Christi, in der „die Gesinnung Christi“ (Phil 2,5; siehe oben, § 77) unterschieden werden kann.

95. Dieses Bewusstsein kommt bei den frühen Vätern zum Ausdruck, die den Aufbau und die Abläufe innerhalb der Kirche mit ihrem innersten Wesen und ihrer Berufung in Verbindung bringen. So unterstreicht Ignatius von Antiochien zu Beginn des 2. Jahrhunderts, dass die verschiedenen Teilkirchen sich in gegenseitiger Solidarität als Ausdruck der einen Kirche betrachten. Ihre Mitglieder sind synodoi, Reisegefährten, in denen jeder berufen ist, seine Rolle gemäß der göttlichen Ordnung zu spielen, welche die Harmonie begründet, die in der eucharistischen Synaxis zum Ausdruck kommt. So singt die Kirche in ihrer Einheit und Ordnung das Lob Gottes, des Vaters, in Christus und strebt nach ihrer vollendeten Einheit, die im Reich Gottes verwirklicht werden wird. Cyprian von Karthago vertiefte diese Lehre Mitte des 3. Jahrhunderts, indem er die synodale und episkopale Grundlage präzisierte, auf der das Leben der Kirche ruhen sollte: Nichts geschehe ohne den Bischof (nihil sine episcopo), aber ebenso wenig ohne „euren Rat“ (den der Priester und Diakone) und ohne die Zustimmung des Volkes (nihil sine consilio vestro et sine consensu plebis).[153]  Einheit, die mit der Einheit der Dreifaltigkeit in Verbindung gebracht wird, die Inspiration durch den Heiligen Geist, der gemeinsame Weg (synodos) zum Reich Gottes, die Treue zur Lehre der Apostel und zur Feier der Eucharistie, die Ordnung und Harmonie unter den Amtsträgern und den Getauften, wobei den Bischöfen eine besondere Rolle zukommt: Diese Elemente zeigen, dass die Kirche auch  in ihren Strukturen und ihrem Handeln tief in das Christusereignis hineinreicht, und auch darin dessen besonderer Ausdruck ist. Wenn wir Nizäa feiern, erinnern und feiern wir auch das gesamte synodale Verfahren, das dem Ökumenischen Konzil vorausging und in ihm seinen Höhepunkt fand.

3.2 Das konstruktive Zusammenwirken der Charismen in der Kirche und der Weg nach Nizäa

96. Diese Elemente, die zum theologischen Wesen der Kirche gehören und die nur die Frucht des Offenbarungsereignisses sein können, zeigten sich auf dem historischen Weg zum Ökumenischen Konzil von Nizäa durch das Zusammenspiel dreier Charismen, die auf die Leitung, die Lehre und die gemeinschaftliche Entscheidungsfindung in der Kirche bezogen sind: zuerst die dreigliedrige Hierarchie, dann die Lehrer und schließlich die Synode. Eine Rangordnung, in der die Apostel an erster Stelle stehen, ist offenbar in den paulinischen Briefen fest verankert: „Gott hat in der Kirche erstens Apostel eingesetzt, zweitens Propheten, drittens Lehrer…“ (1 Kor 12,28; vgl. Eph 4,11). Das erste Charakteristikum ist die allmähliche Entwicklung der dreigliedrigen Hierarchie von Bischöfen, Priestern und Diakonen. Diese beaufsichtigte die Propheten und Wanderlehrer der ersten 150 Jahre des Christentums (die oft in einem allgemeinen Sinn als „Apostel“ bezeichnet wurden), löste sie schließlich bis zu einem gewissen Grad ab und wurde zur lokalen Leitungsstruktur der Kirche. Insbesondere die Gestalt des Bischofs drückt die apostolische Dimension der Kirche aus. Ab dem 4. Jahrhundert bildeten sich Kirchenprovinzen aus, welche die Gemeinschaft zwischen den Teilkirchen zum Ausdruck brachten und förderten, mit einem Metropoliten an der Spitze.

97. Aufgrund der Berufung der Christgläubigen, Christus zu verkünden und seine Lehre und die Lehre der Apostel allen Nationen weiterzugeben, ist es nicht verwunderlich, dass als zweites Charakteristikum des vornizänischen Christentums die maßgebliche Bedeutung von Schulen und Lehrern zu nennen ist, die die Katechumenen unterrichteten und die Heilige Schrift auslegten. Diese konnten auch in späterer Zeit sowohl ordiniert als auch nicht ordiniert sein. Pelagius zum Beispiel lehrte im frühen 5. Jahrhundert in Rom, obwohl er kein Priester war, ebenso wie Melania die Ältere und Rufin in Jerusalem, und Hieronymus in Bethlehem und später in Rom. Origenes leitete nach dem Tod seines Vaters Leonidas die Schule in Alexandria noch vor seiner Priesterweihe.

98. Ab der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts und zu Beginn des dritten Jahrhunderts, insbesondere in Kleinasien, nahm schließlich die Synode einen immer wichtigeren Platz ein, um über Fragen der Disziplin, des Gottesdienstes und der Lehre zu entscheiden. Anfangs waren die Synoden lokale Versammlungen, doch die Tatsache, dass Synodal-Schreiben versandt wurden, in denen die jeweiligen Entscheidungen (acta) den anderen Kirchen mitgeteilt wurden, der Austausch von Delegationen und die Bitte um gegenseitige Anerkennung, zeigen die „feste Überzeugung, dass die getroffenen Entscheidungen Ausdruck der Gemeinschaft mit allen Kirchen sind“, da „jede Ortskirche Ausdruck der Einen und Katholischen Kirche ist.“[154] Zu beachten ist, dass die Synode als gesetzgebende Institution eine klare rechtliche bzw. kirchenrechtliche Dimension hat. Die Dokumente und Sammlungen von Synodenkanones werden in den bischöflichen Archiven, insbesondere in Rom, aufbewahrt: Die Entwicklung des kanonischen Rechts und die Entwicklung der Synoden gehen Hand in Hand und bedingen sich wechselseitig. Es ist nicht möglich, allein Konstantins Legitimation der Kirche als Wendepunkt hin zu einer institutionalisierten „Staatskirche“ anzusetzen. Ob als Polis, in der sich die Stadt Gottes, das himmlische Jerusalem, widerspiegelt (vgl. Jes 60 und 62; 65,18; Offb 3,12; 21,1–27), oder als Synodos – im Sinne des Volkes, das denselben Weg wie Jesus zum Königreich geht, mit Jesus an ihrer Spitze als ihrem Pro-estos oder Vorsteher –, die Kirche ist konstitutiv „politisch“ und institutionell.[155]

99. Die drei Charismen haben sich innerhalb der Kirche unterschiedlich und auf ihre eigene Weise entwickelt, aber keines war von den beiden anderen getrennt oder emanzipiert. Obwohl es verständlicherweise auch zu Spannungen zwischen ihnen und innerhalb ihrer kam, haben sie einander bereichert, beeinflusst und gestärkt. Lehrer nahmen häufig als Mitglieder an Synoden teil. Ebenso waren die Bischöfe von Anfang an Lehrer und Prediger nach dem Beispiel des Ignatius von Antiochien. Augenscheinlich führten die Bischöfe den Vorsitz auf den Synoden und hatten dort eine führende Rolle als Hüter des wahren Glaubens und der rechten Glaubenspraxis inne. Darüber hinaus stand der Bischof der Eucharistiefeier vor, die jede Synode eröffnete und schloss, als Quelle und Höhepunkt des „gemeinsamen Gehens“, das die Synodos[156] darstellt. Als Zeichen der Annahme der Synodenbeschlüsse und der Gemeinschaft der Gläubigen mit ihren Bischöfen, die durch die apostolische Sukzession in der Catholica, der einen und einzigen Kirche Gottes eingesetzt sind, manifestierte und verwirklichte die Eucharistie sichtbar die Zugehörigkeit zum Leib Christi und die gegenseitige Zusammengehörigkeit unter den Gläubigen (vgl. 1 Kor 12,12).[157]

100. Diese Elemente der Ausbildung kirchlicher Strukturen zeigen nicht nur ihre Verwurzelung im Christusereignis, sondern lassen auch eine gewisse Analogie zu dem Prozess des oben beschriebenen “Ereignisses der Weisheit” erkennen. So wie das menschliche Denken, das durch das Christusereignis zutiefst erneuert wurde, die menschlichen Kulturen annimmt und verwandelt, ausgehend insbesondere von der Begegnung des semitischen Denkens, das bereits durch die Offenbarung von innen heraus geformt worden war, mit der griechischen Kultur und anderen Kulturen, so waren auch die angeführten drei Dimensionen oder Charismen sowohl aus jüdischen als auch aus lokalen Varianten griechisch-römischer Institutionen der ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung hervorgegangen, sowohl ziviler als auch sakraler Institutionen. Einerseits hatte das Judentum des Zweiten Tempels seine eigene Priesterhierarchie, seine Schulen und Synoden. Da es andererseits keine speziellen Schulen für christliche Lehrer gab, wurden diese fast alle in der enkyklios paideia oder dem allgemeinen Bildungssystem der griechisch-römischen Welt zu „Rednern“ ausgebildet und bedienten sich daher der Rhetorik und der Philosophie, die sie mit ins Erbe der christlichen Lehre einbrachten. Auch die Synode (lat. concilium) war bereits eine bewährte Institution in der griechisch-römischen Welt, als die Christen ihr einen bedeutenden Platz gaben. Diese verschiedenen Aspekte gewinnen eigene, wenn man so will, „verwandelte“ Dimensionen, wenn sie dem Auftrag der Kirche dienen, das Evangelium zu verkünden und ein wirksames Zeichen der Einheit für das Menschengeschlecht zu sein.

3.3 Das ökumenische Konzil von Nizäa

101. Im Jahr 325 wurde in Nizäa eine Synode abgehalten, die zum Teil als Endpunkt dieses Prozesses zu sehen ist, aber aufgrund ihrer ökumenischen Bedeutung auch eine außergewöhnliche Form darstellt. Vom Kaiser begünstigt, um einen lokalen Streit beizulegen, der sich auf alle Kirchen des Oströmischen Reiches und viele Kirchen des Westens ausgeweitet hatte, versammelte sie Bischöfe aus verschiedenen Teilen des Ostens und Legaten des Bischofs von Rom. Zum ersten Mal kommen also Bischöfe aus der ganzen Oikoumene zu einer Synode zusammen. Ihr Glaubensbekenntnis und ihre kirchenrechtlichen Entscheidungen werden als normativ für die gesamte Kirche verkündet. Die einzigartige Gemeinschaft und Einheit, die durch das Christusereignis in der Kirche gestiftet ist, wird hiermit auf neue Weise durch ein Procedere von universaler Bedeutung sichtbar und wirksam, wie auch die Verkündigung der Frohen Botschaft Christi in ihrer unermesslichen Weite ein Instrument von bislang nicht dagewesener Autorität und Reichweite erhält:

„Im Konzil von Nizäa drückt sich zum ersten Mal durch die synodale Ausübung des Bischofsamtes die ἐξουσία des auferstandenen Herrn, der den Weg des Volkes Gottes im Heiligen Geist führt und leitet, institutionell auf einer universalen Ebene aus. Ähnliche Erfahrungen verwirklichen sich in den nachfolgenden Ökumenischen Konzilen des ersten Jahrtausends, durch die sich die Identität der Einen und Katholischen Kirche als Norm abzeichnet.“[158]

102. Mit dem Konzil von Nizäa setzte sich die Idee einer ökumenischen Synode oder eines ökumenischen Konzils durch. Obwohl allem Anschein nach die acta nicht erhalten geblieben sind, und ungeachtet eines langsamen und mühsamen Rezeptionsprozesses, hatten die Verkündigung des homoousios und die Bestimmungen von Nizäa Bestand. Nach dem langen Rezeptionsprozess – der wohl jedem Konzil beschieden sein wird – wurde Nizäa in den Augen vieler zum Idealbild eines Konzils. Seine traditionelle Darstellung als ein einheitliches, vom Heiligen Geist inspiriertes Konzil trug dazu bei, dass es in der späteren Tradition zum exemplarischen Konzil wurde; dadurch wuchs unter den Christen Schritt für Schritt die Hochschätzung ökumenischer Konzilien. Nizäa ebnete den Weg für die folgenden ökumenischen Konzilien und damit für eine neue Art der Synodalität oder Konziliarität, die das Leben der Kirche bis heute prägt, sowohl in ihrer Aufgabe, den Glauben zu verbindlich zu verkünden, als auch in der Manifestation der Einheit der gesamten Oikoumene, die hier repräsentiert wird.


Kapitel 4

Den Glauben für das ganze Volk Gottes zugänglich halten

Auftakt: Das Konzil von Nizäa und Grundlage der Glaubwürdigkeit des christlichen Mysteriums

103. Zuerst, und durchaus mit Recht, denkt man bei „Nizäa“ an die dogmatische Bedeutung dieses Konzils, das die christologische und trinitarische fides quae verteidigt und präzisiert hat. In diesem letzten Kapitel ist nun zu verdeutlichen, wie das Ereignis des Konzils auch ein bestimmtes institutionelles Mittel der einen und katholischen Kirche darstellte, um einen dogmatischen Konflikt so zu lösen, dass seine Entscheidung annehmbar wurde. Die fundamentaltheologische Betrachtung muss also die dogmatische und historische Untersuchung ergänzen. Es ist die fides quae, die Heilswahrheit, welche die Zustimmung zum Heil, die fides qua, hervorbringt; aber in Nizäa wurde die fides qua selbst in den Dienst der Annahme und des Verständnisses der fides quae gestellt. Wenn man die Entfaltung der fides qua und damit die Bedingungen für die Definition und den Empfang der fides quae betrachtet, erklärt man zugleich das Wesen und die Aufgabe der Kirche. Es ist freilich klar, dass die „Auffindung“ dieses institutionellen Mittels schrittweise erfolgte, dass es nicht wie Athene aus dem Kopf des Zeus geboren wurde; kurz gesagt, dass das dogmatische Konzept des „ökumenischen Konzils“ nicht genau zeitgleich mit dem Ereignis von 325 entstanden sein kann. Wie in Kapitel 2 erläutert wurde, ist der Ort schlechthin, an dem fides qua und fides quae zusammenkommen, die Taufe. Hier wird der Einzelne in den Glauben der Kirche aufgenommen, den er von der Mutter Kirche erhält. In diesem Kontext der Taufe und der Initiationskatechese hat die Alte Kirche die Regula fidei als dichteste Zusammenfassung des Glaubens ausgeformt. Aufgrund ihrer hohen Bedeutung wurde sie eingesetzt, um den wahren Glauben von der Häresie abzugrenzen (z. B. bei Irenäus, Tertullian, Origenes). Die Regula fidei ist die Vorstufe zum Symbolum, als lehrmäßiger Zusammenfassung der normativen Elemente des Glaubens. Dieses Bewusstsein einer Norm (regula; kănōn) ist bereits im Verfahren der vor-nizänischen Synoden präsent, wenn es um die Unterscheidung des Glaubens geht.

104. Auf der Grundlage der vielfältigen Erfahrungen der regionalen oder lokalen Synoden des 2. und 3. Jahrhunderts kann man jedoch die dogmatische These vertreten, dass eine bestimmte ekklesiologische Wahrheit, a priori als funktional erachtet, zur Lösung des Problems herangezogen wurde, dass eine trinitarische, christologische und soteriologische Wahrheit von Veränderung, Verfälschung oder Verschwinden bedroht war. Die Prozesse der fides qua machen das Wesen der Kirche sichtbar. Das fleischgewordene Wort Gottes (Joh 1,14) wirkt die wahrhaftige Erkenntnis des Vaters, und diese Erkenntnis ist durch die Kraft des Heiligen Geistes der Kirche anvertraut, die sie bewahren und weitergeben muss. Diese Sendung setzt voraus, dass die Kirche die Heilige Schrift mit Autorität auslegen kann. Ebenso wird deutlich, dass das Bekenntnis zur Kirche („ich glaube… die Kirche“) und die Überzeugung, sie habe die Autorität, die christologische und trinitarische Lehre zu definieren, im Akt des Glaubens an Jesus Christus und die Dreifaltigkeit begründet ist, in einer Art wechselseitigen „Priorität“ bzw. wechselseitigen „Kausalität“, wie es ein thomistischer Ausdruck gelungen formuliert.[159] Schließlich muss unser Augenmerk auch auf das Endziel dieses ganzen kirchlichen Procedere gerichtet werden. Wir stellen die Hypothese auf, dass das konziliare Procedere in den Dienst der Kleinen gestellt wurde, ja in den Dienst am Glauben der Kinder, der in den Augen Jesu, des Herrn, das Paradigma für den Glauben der wahren Jünger ist, und damit in den Dienst der Verkündigung des Evangeliums an alle. Dadurch wird die Bedeutung des Lehramts der Kirche erhellt, dessen Ziel eine schützende Liebe zu den „Geringsten“ unter den „Brüdern“ Christi ist (vgl. Mt 25,40).

1. Die Theologie im Dienst der Vollständigkeit der Heilswahrheit

1.1 Christus, die eschatologisch wirksame Wahrheit

105. Da Nizäa in Fragen, die die Erlösung betreffen, eine Wahrheit vorlegt und sie vom Irrtum unterscheidet, besteht die erste Herausforderung aus fundamentaltheologischer Sicht darin, den Stellenwert der Wahrheit in der Soteriologie zu bestimmen. Diese Überzeugung ergibt sich zunächst aus der Gestalt der Offenbarung selbst; indem sie sich in geschriebenen Worten aufzeichnen lässt, zeigt sie, dass die Dimension der Wahrheit für sie konstitutiv ist. Der christliche Glaube setzt voraus, dass die Wahrheit Christi seinen Jüngern zugänglich wird. Denn der Erlöser ist selbst die Wahrheit: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6). Im Christentum ist die Wahrheit eine Person. Die Wahrheit ist nicht mehr nur eine Sache der Logik oder der Argumentation, man kann sie nicht besitzen, und sie ist nicht abtrennbar von anderen Attributen, die mit der Person Christi selbst identifiziert werden, wie das Gute, die Gerechtigkeit oder die Liebe. Es bleibt dabei, dass die Verbundenheit mit Christus immer das Verstehen der Jünger aufruft: „Credo ut intelligam[160]. Denn es ist weder vorstellbar noch kohärent, dass der Gott, der den Menschen mit Erkenntnis und freiem Willen erschaffen hat – einer der Aspekte der Erschaffung nach dem Bild und Gleichnis des Schöpfers selbst (Gen 1,26–27) –, als erlösender Gott das Interesse daran verlieren könnte, den Zugang zur Erkenntnis seiner Wahrheit und der Wahrheit des Heils zu ermöglichen. Darüber hinaus besitzt diese Heilswahrheit eine gemeinschaftliche Dimension. Nizäa war eine gemeinschaftliche Äußerung der Wahrheit, um sie der ganzen Kirche mitzuteilen. Tatsächlich ist es ebenso wenig vorstellbar oder kohärent, dass der Schöpfer der Menschheitsfamilie und insbesondere deren Fähigkeit zur Verständigung mittels Sprachen (vgl. Gen 11,1–9 – Turmbau zu Babel, und Apg 2,1–11 – Pfingsten) sich nicht für den gemeinschaftlichen Zugang zu seiner Wahrheit, der Heilswahrheit, interessieren könnte. Daher gefährdet der Zerfall der Einheit des Glaubens die Kraft und Wirksamkeit der Erlösung in Jesus Christus.

106. Diese für das Heil konstitutive Stellung der Wahrheit strahlt auf das Wesen der Kirche selbst zurück, die „Trägerin der Wahrheit“ (alēthefora) ist. Sie trägt einen anderen als sich selbst, Christus die Wahrheit, und wäre ohne diesen nicht sie selbst. Die Kirche ist von ihrem Ursprung her notwendigerweise ein Ort der Suche, der Entdeckung, des Schutzes und der Entfaltung der im Wort Gestalt gewordenen Wahrheit, zum persönlichen und kirchlichen Wohl seiner Jünger und zum Wohl aller Menschen. Sie ist auch ein Ort der Gemeinschaft mit der lebensspendenden Kraft dieser Wahrheit, die in ihr fließt und gleichzeitig auch die Wahrheitssuche der Welt, ihr Denken und ihre Kultur belebt.[161] „Lebensstiftende Weitergabe der heilsamen Wahrheit selbst“ ist daher eine ausgesprochen zutreffende Umschreibung und vielleicht die tiefste Bedeutung, die der dogmatische Begriff der kirchlichen Tradition annehmen kann.[162]

107. Die herausragende Stellung der Wahrheit erklärt die entschiedene Ablehnung des Götzendienstes in der Heiligen Schrift. Der Heilige Israels ist ein sprechender Gott, im Gegensatz zu den Götzen. „Sie haben einen Mund und reden nicht“, heißt es in den Psalmen (115,5 und 135,15), die in 1 Kor 12,2 wieder aufgegriffen werden: „Als ihr noch Heiden wart, zog es euch, wie ihr wisst, mit unwiderstehlicher Gewalt zu den stummen Götzen“. Überdies wurden die Wahrheit, die Macht, die Gerechtigkeit und die Heiligkeit Gottes biblisch immer in Verbindung mit seinem Anspruch verstanden, wahres und umfassendes Heil zu bringen, während die götzendienerischen Praktiken nur beanspruchen, ein partielles und regional begrenztes Geschenk zu bieten. Da die Wahrheit zudem jene Person ist, die von Gott kommt und Gott und Herr ist (vgl. Joh 13,14), muss die Wahrheit des Heils empfangen werden, während der Götzendienst das Göttliche aus dem Menschlichen erbauen will. Die Tatsache, dass Gott nicht wie eine Götzenstatue geformt werden kann (vgl. die Ironie in Weish 13,11–19), verweist auf den Begriff der göttlichen Selbstoffenbarung, der frontal der Idee der Selbstverwirklichung entgegengesetzt ist, die so häufig in religiösen Angeboten vorkommt – selbst in frühen, wie der Gnostizismus beweist, den Irenäus korrekt als Häresie und als die „fälschlich sogenannte Erkenntnis“ bezeichnet. Die Gnosis „lügt“, sie widerspricht dem Begriff der Heilswahrheit selbst, denn sie ist nicht die von Gott empfangene und frei in Liebe aufgenommene Wahrheit. Demgegenüber fordert das Wort Gottes durch seine Menschwerdung den kirchlichen und persönlichen Glaubensakt als ein Empfangen der rettenden Geheimnisse im Heiligen Geist, mit dem Verstand und der ganzen Existenz: „Ihr betet an, was ihr nicht kennt, wir beten an, was wir kennen; denn das Heil kommt von den Juden“ (Joh 4,22). Zuletzt schließlich ist Jesus das Wort Gottes, das in die Welt gesandt wurde, um das Wort zu verkünden, das Wort der umfassenden Wahrheit, das die Glaubensantwort des Menschen fordert. Deshalb handelt es sich hier um eine wahrhaft heilbringende, eschatologisch wirksame Wahrheit: „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lk 23,43). Die Entscheidung von Nizäa, eine umfassende Heilswahrheit für alle in Worte zu fassen, die im Glauben zu empfangen ist, ist treu nicht nur der christologischen Wahrheit (fides quae), sondern auch der persönlichen Beziehung zu der Wahrheit, die Christus selbst ist (fides qua).

1.2 Errettung und der Weg zur Gotteskindschaft

108. Diese soteriologische Wahrheit ist im stärksten Sinne seinshaft/ontologisch zu verstehen. Ohne den Anspruch zu erheben, ein erschöpfendes Verständnis zu bieten, das dem Geheimnis der Erlösung als Geheimnis schaden würde, eröffnet sie dennoch den Zugang zur eigentlichen Wahrheit der Sohnschaft und Vaterschaft Gottes. Der Gott der Wahrheit wollte die Menschen sozusagen auf die Probe stellen, was den unerhörten Anspruch seines einzigen Sohnes Jesus auf die Sohnschaft betrifft. Die von Gott geoffenbarte Wahrheit konzentriert sich also in der Wahrheit seines einzigen „Sohnes“. Dieser Begriff lässt sich nicht auf eine einfache Metapher oder Analogie reduzieren, denn was hier metaphorisch ist, öffnet sich von selbst dem Bereich der Ontologie, so wie das Symbolon, im eigentlichen Sinne des Wortes, tatsächlich und wirksam Zugang zu der Realität schafft, die es bezeichnet. Das Zeugnis des Vaters, das Jesus gegeben wurde, begründet diese Wahrheit: „Wenn wir von Menschen ein Zeugnis annehmen, so ist das Zeugnis Gottes größer; denn das ist das Zeugnis Gottes: Er hat Zeugnis abgelegt von seinem Sohn.“ (1 Joh 5,9). Der Autor fügt hinzu: „Wer Gott nicht glaubt, hat ihn zum Lügner gemacht“ (1 Joh 5,10). Unsere alten Katechismen formulierten diese innerste Überzeugung des Glaubensaktes der Christen gerne in direkter Einfachheit: „Gott, der weder sich noch uns täuschen kann“,[163] in dem Thomas von Aquin seine eigenen Formulierungen wiedererkannt hätte.[164] So findet sich die ontologische Option des Neologismus von Nizäa, des homoousios, gerechtfertigt, um die biblische und hymnische Terminologie fortzuführen und zu präzisieren. Die Bestätigung der ontologischen Wahrheit der göttlichen Sohnschaft Jesu liegt darin, wie wir im ersten und dritten Kapitel gesehen haben, dass das Verhältnis von Vaterschaft und Sohnschaft zwischen dem Göttlichen und dem Menschlichen auf geheimnisvolle Weise umgekehrt wird: Die menschliche und irdische Vaterschaft ist zu einer zweiten, abgeleiteten Benennung ihres Prototyps, Gott, dem Vater, geworden (vgl. Eph 3,14; Mt 23,9). Es ist die Wahrheit der göttlichen Sohnschaft, in die der Gläubige eingeladen ist einzutreten, die der Wahrheit des „Sohn-Werdens“ in der Taufe zugrunde liegt.[165] Gerettet zu werden, bedeutet nach dem Evangelium Jesu, in die volle Wahrheit der Sohnschaft einzutreten, die in die ewige Sohnschaft Christi eingefügt ist.

2. Die Vermittlung der Kirche und die Umkehrung der dogmatischen Reihenfolge: Trinität, Christologie, Pneumatologie, Ekklesiologie

2.1 Die Vermittlungen des Glaubens und das Amt der Kirche

109. Diese heilbringende und heilswirksame Wahrheit wird in Nizäa in einem Akt der Auslegung des biblischen Textes mit Begriffen aus der Sprache der Dichtung und der Philosophie sowie durch die Anwendung des intellectus fidei (der Glaubenseinsicht) entfaltet und vermittelt. In der Tat bezeugt die gesamte Heilsgeschichte gemäß der biblischen Offenbarung, dass eine starke Überzeugung von der christologischen Wahrheit keineswegs im Sinne eines Fundamentalismus verstanden werden sollte, für den die Bedeutung der Heiligen Schrift einzig und allein auf unmittelbare Weise verfügbar ist. Die Auslegungstradition der kirchlichen Lehre und die theologische Forschung zeigen vielmehr, dass der Glaube vieler Vermittlungen bedarf, angefangen bei der ersten, einzigartigen und grundlegenden: der Menschheit des eingeborenen Sohnes, die er von Maria hat. Gott hat beschlossen, dass seine unvorstellbare göttliche Wahrheit durch die Vermittlung seines fleischgewordenen Wortes eine Bewegung zur Menschheit hin vollziehen werde: „Dieser ist mein geliebter Sohn, auf ihn sollt ihr hören“ (Mt 17,5; 3,17). Darüber hinaus erfordern die verschiedenen literarischen Gattungen, in denen die biblischen Bücher die Offenbarung zum Ausdruck bringen, entsprechende hermeneutische Rücksichten[166]. Das Symbolum, das aus der Liturgie hervorgegangen ist und innerhalb der Liturgie verkündet wird, bezeugt, dass die interpretative Vermittlung sich nicht auf einen Textkommentar beschränkt, sondern gestis verbisque erfolgt, wo der Glaube in einer Gemeinschaft des Gebets und der Gnade gelebt wird.[167] Wir lesen dies in der Erzählung von Lk 24, wo der Auferstandene selbst sich nicht nur durch die Auslegung von Gesetz und Propheten erklärt, sondern schließlich auch durch seine Gegenwart und seine eucharistische Selbsthingabe beim „Brechen des Brotes“, wie Papst Benedikt XVI. in Verbum Domini erläuterte:

Wort und Eucharistie gehören so eng zueinander, dass eines nicht ohne das andere verstanden werden kann: Das Wort Gottes wird im eucharistischen Geschehen sakramentales Fleisch. Die Eucharistie öffnet uns für das Verständnis der Heiligen Schrift, ebenso wie die Heilige Schrift ihrerseits das eucharistische Geheimnis beleuchtet und erklärt. In der Tat: Ohne die Erkenntnis der Realpräsenz des Herrn in der Eucharistie bleibt das Verständnis der Schrift unvollständig.[168]

110. So kann die innere Verknüpfung der Mysterien, wie sie sich in der Dogmatik darstellt, in der Fundamentaltheologie sinnvoll umgekehrt werden. Gerade durch das Mysterium der Kirche, „das am schwersten zu glaubende Mysterium“[169], eröffnen sich die ungeahnten Geheimnisse des christlichen Glaubens, Geheimnisse, von denen sie selbst logisch und ontologisch abhängt. Es ist deshalb in erster Linie Aufgabe der Kirche, den Rahmen für die Glaubwürdigkeit des Glaubensweges vorzugeben. Offensichtlich gibt es „eine Ordnung bzw. ‚Hierarchie‘ der Wahrheiten der katholischen Lehre, da ihr Zusammenhang mit dem Fundament des christlichen Glaubens verschieden ist.“[170] Die christologische, trinitarische und soteriologische Lehre des Glaubensbekenntnisses bildet dieses Fundament. Doch innerhalb des nexus mysteriorum der Dogmen[171] erhellt der Interpretationsakt des Konzils die Teilhabe der Kirche an der Heilsordnung, entsprechend ihrem spezifischen Platz und ihrer spezifischen Rolle.

2.2 Dissens und Synodalität

111. Die auslegende Vermittlung der Kirche zeigt sich in Form von Schiedssprüchen, insbesondere angesichts von Meinungsverschiedenheiten oder der Notwendigkeit, den heiligen Text zu übersetzen. Das „Konzil von Jerusalem“ in Apg 15 bezeugt zum ersten Mal einen konfliktträchtigen Dissens in Lehre (das Verhältnis der Jünger Christi aus den Heidenvölkern zum mosaischen Gesetz) und Praxis (Beschneidung, Götzendienst und Unzucht), dessen Beilegung und Lösung in Form des wiedererlangten kirchlichen Konsenses zunächst durch eine Prüfung durch das versammelte Kollegium der „Apostel und Ältesten“ (Apg 15,6) erfolgte. Es zeichnet sich ein Prozess ab: Zunächst gibt es eine Reihe von autorisierten Zeugenaussagen (Petrus, Paulus und Barnabas, Jakobus), die in gegenseitigem Zuhören aufgenommen wurden,[172] dann eine Berufung auf die Autorität des Mose, die Einsetzung von bevollmächtigten Boten im Gegensatz zu den Boten „ohne Auftrag“ (Apg 15,24) und schließlich die Abfassung einer verbindlichen Schrift, die der Versammlung in Antiochia (Apg 15,30–31), die auf Initiative dieser bevollmächtigten Boten zusammengekommen war, offiziell überreicht werden sollte. Alle sind Akteure, denn die Frage wird der gesamten Gemeinde in Jerusalem vorgelegt (Apg 15,12), die während des Verlaufs der kirchlichen Urteilsfindung anwesend ist und in die endgültige Entscheidung einbezogen wird (Apg 15,22).[173] Ein Zeichen für diesen Gemeinschaftsaspekt ist, dass die Boten zu zweit ausgesandt werden (Apg 15,27). Für unsere Überlegungen ist wesentlich, dass die vom Heiligen Geist unterstützte und synodal arbeitende Kirche, die sich auf den sensus fidei fidelium[174] und die besondere Autorität der Apostel stützt, das lebendige und wirkende Geheimnis darstellt, in dem die lehrmäßige Entwicklung betreffend die Unterscheidung zwischen den Jüngern Christi aus dem jüdischen Volk und denen aus den Nationen im Blick auf die Praxis des mosaischen Gesetzes ausgearbeitet wurde. Der Schiedsspruch in Glaubensfragen, der das universale Ziel Gottes und den Eintritt der Heidenvölker in das zuallererst Israel geoffenbarte Geheimnis betraf, wurde hier, im Wechselspiel zwischen fides qua und fides quae, innerhalb des dynamischen Mysteriums der Kirche vollzogen.

112. Bereits in der Zeit vor der Menschwerdung des Wortes hatte sich das auserwählte Volk mit einem ähnlichen Problem auseinandersetzen müssen, was die Bewahrung, aber vor allem die Verbreitung der Offenbarung in der Diaspora Israels und darüber hinaus unter den Völkern betraf, die das Neue Testament als „Proselyten“ (Mt 23,15 und Apg 2,10 und 6,15) und „Gottesfürchtige“ (Apg 10,2) heidnischer Herkunft bezeichnet. Diese grundlegende Option, deren tatsächlicher Ursprung sich in Legenden verliert (Brief des Aristeas oder Talmud-Soferim 1,7), erlaubte die Übersetzung der hebräischen Bibel ins Griechische und führte so zur alexandrinischen Version der Septuaginta. Denn diese Übersetzungen, wie auch später die Verwendung des Neologismus homoousios, werden zahlreiche lexikalische Abwägungen erfordert haben, damit der wahre Sinn des Originaltextes, im semitischen Sprachfeld entworfen, nicht verloren ging, als der Text in das semantische Feld einer indoeuropäischen Sprache übertragen wurde.

113. Diese Abwägungen bringen das Wesen der Kirche zum Ausdruck und ermöglichen es, die Bedeutung des von ihr ausgeübten Lehramts zu erfassen. Denn die Kirche ist eine in die Geschichte eingebettete Wirklichkeit der Gnade. Sie wird vom Heiligen Geist gebildet und bewegt, demselben Geist, der die Menschwerdung des Wortes wirkte und auch weiterhin die Eingliederung der Gläubigen in den mystischen Leib bewirkt, der wiederum den Freuden, Versuchungen und Wechselfällen der Geschichte ausgesetzt ist.  Die Heilssendung der Kirche vollzieht sich nicht nur durch die Predigt, die Unterweisung in der Heiligen Schrift und die Feier der Sakramente, sondern auch durch das Lehramt, das von den Bischöfen, den Nachfolgern der Apostel, in Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom, dem Nachfolger Petri, ausgeübt wird. Damit ist nicht gemeint, dass die Wahrheit des Glaubens historisch und veränderlich wäre: Es soll vielmehr gesagt werden, dass die Anerkennung der Wahrheit und die Vertiefung ihres Verständnisses eine geschichtliche Aufgabe des einen Subjekts Kirche darstellen. Die Kirche verfügt also nicht über die Wahrheit, die nicht hergestellt werden kann, da es sich grundsätzlich um Christus selbst handelt, sondern sie empfängt sie, ruft sie in Erinnerung und interpretiert sie. Mit der Kirche zu glauben bedeutet für jede Generation, an ihren unaufhörlichen Bemühungen um ein tieferes und vollständigeres Verständnis des Glaubens teilzunehmen. Die Pflicht zur Treue kann nicht nur auf eine passive Folgsamkeit reduziert werden: Sie ist eine Pflicht zur aktiven Aneignung für alle Jünger, mit der Unterstützung und unter der Obhut des lebendigen Lehramts des Bischofskollegiums. Die Bischöfe besitzen, wenn sie übereinstimmen, die Autorität, verbindlich zu entscheiden, ob eine theologische Interpretation treu zur Quelle – Christus und der apostolischen Tradition – ist oder nicht. Das Lehramt fügt der in Christus vollendeten und durch die Schrift bezeugten Offenbarung nichts hinzu, außer den Erläuterungen der dogmatischen Entwicklung, denn die Kirche übt darin ihre Rolle als authentische Interpretin des Wortes Gottes in Akten schöpferischer Treue zur Offenbarung aus[175]: „Daher kommt es, dass das Urteil über die Authentizität des sensus fidelium letzten Endes weder den Glaubenden selbst zukommt, noch der Theologie, sondern dem Lehramt.“[176]. Das sogenannte ordentliche Lehramt der Nachfolger der Apostel besteht aus der gewöhnlichen Unterweisung, welche die Tradition – bereits im Neuen Testament als „die gesunde Lehre“ (2 Tim 4,3) bezeichnet – kontinuierlich entfaltet. Im Vergleich dazu wird das außerordentliche Lehramt selten ausgeübt, jedoch immer dann, wenn eine lehrmäßige Entscheidung von universalkirchlicher Tragweite getroffen werden muss, insbesondere angesichts einer Infragestellung durch einen Teil der Kirche. Dies geschah in herausragender und ausdrücklicher Weise auf dem Ökumenischen Konzil von Nizäa.

2.3 Bildung und Erneuerung des Konsenses durch die „Zungen des Heiligen Geistes“

114. Im Grunde genommen war die Aufgabe der Kirche also zunächst die vom Geist gewirkte Metaphrase (genaue Umschreibung, Übertragung). Es handelt sich um eine Übersetzungstätigkeit, wie die Septuaginta und die Targumim, die die Treue zum hebräischen Text suchen, während sie sich entschieden in der dem Griechischen und dem Aramäischen eigenen Denkweise und Geistigkeit bewegen. Es ist anzunehmen, dass derselbe Vorgang bei der Übersetzung der auf Aramäisch gesprochenen Worte Jesu in das Griechisch der Evangelien stattfand. Es geht auch um die exegetische Arbeit am heiligen Text, die mit den Midraschim und den Schriften der frühen Kirchenväter einsetzte. Es ist diese doppelte Bewegung, die sich im lebendigen Austausch eines ökumenischen Konzils entfaltete, das unter der Leitung des Pfingstgeistes gefeiert wurde und bei dem die Sprecher aus der syrischen, griechischen, koptischen oder lateinischen Welt stammen konnten, und die zu Definitionen führte, die ihrerseits in andere Sprachen und Ausdrucksformen übersetzt werden konnten. Wir werden damit Zeugen einer doppelten Kühnheit, die vom Heiligen Geist empfangen wurde: Erstens eine Stärkung des Verständnisses des in Nizäa bekannten Glaubens auf Seiten derer, die ihn mit parrēsia und wirksam zum Nutzen des Volkes Gottes in den verschiedenen Kontexten dieser Welt verkünden; zweitens die Kühnheit im Heiligen Geist auf Seiten derer, die diese Verkündigung hören (auditus fidei) und empfangen (obsequium fidei)[177]. Diese Bewegung zeigt sowohl das Wesen der Kirche als auch die Selbigkeit des Geistes der Wahrheit, der an die Worte Christi „erinnert“ und in die „ganze Wahrheit“ (Joh 16,13; cf. 14,26) hineinführt. Es ist nicht überraschend, dass eine solche ekklesiologische Aufgabenstellung, die das Wirken der dritten göttlichen Person voraussetzt, von der Heilsgeschichte bis zum ursprünglichen Geheimnis der trinitarischen Beziehungen, von der ökonomischen Trinität bis zur immanenten Trinität aufsteigen musste.

115. Angesichts dieser geistgewirkten Metaphrase, die das berühmte homoousios als einen neuen, der Heiligen Schrift unbekannten Begriff einführt, müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass weder die biblischen Erzählungen noch die Metaphern der Schrifttexte durch die spekulativen Umschreibungen beseitigt oder verdunkelt werden, vielmehr bündeln und erhellen diese deren inhaltliche Substanz. Die dogmatische Klärung ist nur dann von Wert, wenn sie ihre Verwurzelung im biblischen Nährboden und in der liturgischen Glaubensgemeinschaft beibehält, woraus sie lebt. Dies ist im Text des Symbolums eindeutig der Fall. Unter Bedingungen wie denen der arianischen Krise, in denen das Wort Gottes scheinbar zwiespältige Stützen für die Bewahrung der Glaubenswahrheit bietet (Lk 18,19: „Warum sagt ihr, dass ich gut bin? Niemand ist gut außer Gott allein“), wird es notwendig, dass die spekulative Formulierung den exegetischen Streit entscheidet. Die lehrmäßige Entwicklung, samt ihrem Potential, sprachliche Neubildungen vorzunehmen, muss sich jedoch damit begnügen, die der Offenbarungssprache innewohnenden Wahrheiten zu entfalten. Ähnlich hat Christus selbst in Mt 13,3–9 sein Gleichnis vom Sämann erzählt und nachfolgend erklärt (13,18–23). An dieser Stelle darf man es nicht unterlassen festzuhalten, dass es in der Geschichte der Kirche alles in allem nur wenige dogmatische Neologismen gab; sie entsprachen den wirklich entscheidenden Knotenpunkten des christlichen Mysteriums : „Konsubstantialität – Wesensgleichheit“ und „hypostatische Union“ in der Christologie; und in der Trinitätstheologie die Begriffe „subsistierende Relationen“ und „Perichorese“; aber auch „Person“ (prosôpon und hypostasis) in ihrer spezifisch christlichen Bedeutung in der Trinitätstheologie, Christologie und Anthropologie.

3. Das Glaubensgut hüten: Liebe im Dienst an den Geringsten

3.1 Der einmütige Glaube des Gottesvolkes, der allen Menschen angeboten wird

116. Das Glaubensbekenntnis und die vom Konzil von Nizäa verabschiedeten Kanones sind nicht einfach nur kirchliche Akte der Interpretation, Übersetzung und Umschreibung, sondern wollen das von den Aposteln überlieferte Glaubensgut „bewahren“, „hüten“ (phȳlaxein: 1 Tim 6,20).  Dieser Schutz kommt jedoch insbesondere den am meisten gefährdeten Menschen zugute. So wie auf der Ebene der fides quae das homoousios im Hinblick auf alle Menschen bis hin zum Geringsten, Prinzip und Grundlage der koinonia in Christus ist, so schützt auf der Ebene der fides qua die Entscheidung des Konzils, ein gemeinsames Glaubensbekenntnis zu formulieren, alle Gläubigen. Denn die Klarheit der Lehre befähigt den Glauben, den Kräften des verabsolutierten kulturellen Partikularismus und der geopolitischen Zerrissenheit ebenso zu widerstehen wie den Kräften der Häresie, die oft mit einer Form elitärer Raffinesse verbunden ist.

117. Unterstreichen wir diesen letzten Aspekt. Im vierten Jahrhundert, in der Zeit des „Kirchenfriedens“, in der die Gefahr bestand, dass die christliche Überzeugung im Zuge ihrer universellen Ausbreitung verwässerte, versuchten im Gegenzug die Anhänger des antiken Heidentums, diesem seine verlorene Kraft zurückzugeben, indem sie betonten, dass die Götter seines Pantheons, seiner Praxis und der Bräuche der Vorfahren für die Normalsterblichen zugänglich seien. Der Glaube, den Jesus den einfachen Menschen predigte, ist nun kein simplifizierender Glaube. Gleichnisse und andere Aussprüche oder bestimmte johanneische Erklärungen wie das meisterhafte: „Ich und der Vater sind eins“ (Joh 10,30) zeugen von der Tatsache, dass der Zugang zum Geheimnis Gottes zumindest paradox ist. Weder das, was das Dogma die Trinität nennen wird, noch die hypostatische Vereinigung, die auf dem Konzil von Chalkedon verkündet wurde, noch der dynamische Dyotheletismus, der in der Soteriologie von Maximus dem Bekenner bewahrt wurde, kann man als „einfache“ Aussagen bezeichnen. Jedoch hat sich das Christentum selbst nie für eine esoterische Weltanschauung gehalten, die einer Elite von Eingeweihten vorbehalten wäre. Christus bekräftigt dies in einer grundlegenden Aussage: „Ich habe offen vor aller Welt gesprochen. Ich habe immer in der Synagoge und im Tempel gelehrt, wo alle Juden zusammenkommen. Nichts habe ich im Geheimen gesprochen. Warum fragst du mich? Frag doch die, die gehört haben, was ich zu ihnen gesagt habe; siehe, sie wissen, was ich geredet habe“ (Joh 18,20). Selbst die mystagogische Arkandisziplin während einer Zeit des frühen Christentums spricht nicht etwa für eine eifersüchtige Sorge um das Geheimnis, sondern dafür, dass die Ernsthaftigkeit der christlichen Initiation und ihre Schritte beachtet wurden. Und mit dem Fortschreiten der Jahrhunderte scheint der christliche Glaube seinen entschieden exoterischen und volksnahen Stil voll aufgenommen zu haben. Im Grunde drückt jeder Christ, wenn er sich mit dem Zeichen des Kreuzes bezeichnet, auf angemessene und volle Weise das Herzstück des trinitarischen und österlichen Glaubens aus.[178] Das ganze Volk Gottes soll den Grund für seinen Glauben und seine Hoffnung angeben können (vgl. 1 Petr 3,5): In diesem Sinne ist das Volk Gottes „Theologe“.[179]

118. In demselben Sinne begründet die Ausübung des Lehramts, wie sie auf dem Konzil von Nizäa erfolgt ist, und die der Unterweisung der „katholischen“ Kirche einen genuin öffentlichen und institutionellen Stil verleiht, dadurch die Gleichheit aller gegenüber dem Inhalt des Glaubens. Das liturgische Glaubensbekenntnis, das von allen Gliedern des mystischen Leibes in einer öffentlichen und gemeinsamen Liturgie abgelegt wird, bildet einen Prüfstein für die von Tertullian so sehr geschätzte contesseratio (das Band der Gastfreundschaft) in der kirchlichen Gemeinschaft.[180] Das Gemeingut der Offenbarung wird hier wirklich allen Gläubigen „zur Verfügung“ gestellt, was die katholische Lehre von der Unfehlbarkeit des Volkes der Getauften in credendo bestätigt: „Die Gesamtheit der Gläubigen, welche die Salbung  von dem Heiligen haben (vgl. 1 Joh 2,20.27), kann im Glauben nicht fehlgehen.“[181] Die Bischöfe haben eine besondere Rolle bei der Feststellung des Glaubens, können diese aber nicht wahrnehmen, ohne in der kirchlichen Gemeinschaft des gesamten Gottesvolkes zu stehen.[182] In diesem Sinne weist das neue Gesetz des Neuen Testaments die Merkmale des alten Gesetzes auf, dessen öffentliche Dimension normalerweise nicht ausreichend gewürdigt wird: Da das Gesetz feierlich bekannt gemacht wird, ist es allen als göttliches Gesetz bekannt. So sind selbst die führenden Männer durch die Öffentlichkeit des Gesetzes an dessen Einhaltung gebunden. „Auf die Person zu schauen“, die Bevorzugung von Personen ohne gerechten Grund, die in der Tora häufig angeprangert wird, wird umso klarer als eine objektive Verfehlung gegen die gleiche Würde der Kinder Gottes erscheinen (vgl. Lev 19,5; Dtn 10,17; Apg 10,34; Röm 2,11).

3.2 Der Schutz des Glaubens angesichts politischer Macht

119. So war das Konzil von Nizäa mit allem, was es der Initiative Kaiser Konstantins verdankt, dennoch ein Meilenstein auf dem langen Weg zur libertas Ecclesiae, die überall eine Garantie für den Schutz des Glaubens der einfachen und verletzlichsten Menschen vor der politischen Macht ist. Zweifellos entstand zur gleichen Zeit eine Gegenbewegung in Richtung dessen, was später als „Cäsaropapismus“ bezeichnet werden sollte, und was eine bleibende Versuchung für die christlichen Kirchen darstellt. Sollte man also in diesem Konzil die Anfänge einer kirchlichen Garantie für die Gewissensfreiheit der Kleinen erkennen oder die einer politischen Instrumentalisierung der christlichen Religion? In der Tat wird heute oft das politische Interesse Kaiser Konstantins geltend gemacht; es wird betont, dass das Konzil von Nizäa unter anderem dazu bestimmt war, den zwanzigsten Jahrestag seiner Herrschaft zu feiern, und in einigen Fällen wird sogar angedeutet, dass das in Nizäa angenommene Glaubensbekenntnis vor allem die Eintracht im Reich wiederherstellen wollte. Ebenso wird die Verknüpfung des Begriffs der Ketzerei mit der repressiven Macht des konfessionellen Staates kritisiert. Ohne im Rahmen dieses Dokuments eine ausführliche Behandlung dieser komplexen Fragen vornehmen zu können, können wir hier dennoch zwischen den Formen der Einheit und den jeweiligen Zielen unterscheiden, der Einheit des Glaubens unter den Christen und der Einheit der Bürger. Einerseits ließ es der trinitarische Monotheismus von Nizäa in seiner dogmatischen Wahrheit eben nicht zu, den Anspruch des Basileus, das staatliche und religiöse Symbol der römischen Einheit zu sein und die Grundlage für eine theologisch-politische Ordnung im strengen Sinne zu schaffen, im selben Maße zu würdigen wie der Arianismus.[183] Andererseits hätten die Geheimnisse des Glaubens, die durch die Selbstoffenbarung des fleischgewordenen, gekreuzigten und auferstandenen Wortes mitgeteilt wurden, gegenüber dem Widerstand der Häresie gegen das Unerhörte der Offenbarung ohne die lehramtliche Wachsamkeit der vom Heiligen Geist unterstützten apostolischen Kirche der Zersplitterung und Kakophonie nicht standgehalten.

120. Dass es um den Schutz des Glaubens aller sowie auf das Hören der Stimme selbst der Letzten und der am wenigsten Gehörten ging, zeigt sich in der Tatsache, dass Nizäa gerade nicht den Weg des Arianismus beschritt. Hieronymus betont die zahlenmäßige Mehrheit der Arianer und die ebenfalls zahlenmäßige Mehrheit der Bischöfe, die sich dem Arianismus angeschlossen hatten. Historisch gesehen muss man Hieronymus’ Lesart wahrscheinlich nuancieren, da die Mehrzahl der Bischöfe und Christen nicht direkt für den Arianismus optierte, sondern sich eher vor einer Terminologie scheute, die nicht im Neuen Testament zu finden war. Da das Konzil jedoch eine von der politischen Autorität ausgehende Kraftwirkung hatte, konnte es den sensus fidelium des Gottesvolkes bewahren.[184] In diesem Sinne kann man sagen, dass das Glaubensbekenntnis von Nizäa ein getreues Echo des Jubels Christi im Leben der Kirche ist: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du das vor den Weisen und Klugen verborgen und es den Unmündigen offenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir gefallen“ (Mt 11,25–26).

Fazit: Allen Menschen Jesus als unsere Erlösung heute verkünden

121. Die Feierlichkeiten zum 1700. Jahrestag des Konzils von Nizäa sind eine dringende Einladung an die Kirche, den ihr anvertrauten Schatz wiederzuentdecken und daraus zu schöpfen, um ihn mit Freude zu teilen, mit neuem Schwung, ja in einer „neuen Etappe der Evangelisierung.“[185] Jesus, unsere Erlösung, zu verkünden, ausgehend von dem in Nizäa zum Ausdruck gebrachten Glauben, wie er im Symbolum von Nizäa-Konstantinopel bekannt wird, bedeutet in erster Linie, dass wir uns von der Unermesslichkeit Christi in Staunen versetzen lassen, damit alle darüber staunen, das Feuer unserer Liebe für den Herrn Jesus neu entfachen, damit alle in Liebe zu ihm brennen mögen. Nichts und niemand ist schöner, lebensspendender und notwendiger als er. Dostojewski ruft es gewissermaßen laut heraus: „Ich [habe] mir ein Glaubensbekenntnis aufgestellt, in dem mir alles klar und heilig ist. Dieses Glaubensbekenntnis ist höchst einfach, hier ist es: Ich glaube, daß es nichts Schöneres, Tieferes, Sympathischeres, Vernünftigeres, Männlicheres und Vollkommeneres gibt als den Heiland.“[186] In Jesus, homoousios zum Vater, kommt Gott selbst, um uns zu retten, Gott selbst hat sich für immer mit der Menschheit verbunden, um unsere Berufung als Menschen zur Erfüllung zu bringen. Als eingeborener Sohn macht er uns sich selbst ähnlich, durch die lebensspendende Kraft des Heiligen Geistes, als geliebte Söhne und Töchter des Vaters. Wer die Herrlichkeit (doxă) Christi gesehen hat, kann sie besingen und die Doxologie in eine hochherzige brüderliche Verkündigung münden lassen, d. h. in das Kerygma.

122. Die Verkündigung Jesu, unseres Heils, auf der Grundlage des in Nizäa zum Ausdruck gebrachten Glaubens ignoriert nicht die menschliche Realität. Sie wendet sich nicht von den Leiden und Erschütterungen ab, die die Welt quälen und heute jede Hoffnung zu erschüttern scheinen. Im Gegenteil, sie stellt sich dem entgegen, indem sie die einzig mögliche Erlösung bekennt, die von demjenigen errungen wurde, der die Gewalt der Sünde und der Ablehnung, die Einsamkeit der Verlassenheit und den Tod kannte, und der aus dem Abgrund des Unheils selbst auferstanden ist, um auch uns in seinem Sieg zur Herrlichkeit der Auferstehung zu tragen. Diese erneuerte Verkündigung übergeht auch nicht die Kultur und die Kulturen, sondern hört im Gegenteil auch hier mit Hoffnung und Liebe auf sie und wird durch sie bereichert, lädt sie zur Läuterung ein und hebt sie über sich hinaus. In eine solche Hoffnung einzutreten, erfordert natürlich eine Bekehrung, und zuallererst von dem, der Jesus durch Leben und Wort verkündet, denn sie stellt eine Erneuerung der Erkenntnis gemäß dem Denken Christi dar. Nizäa ist das Ergebnis einer Umgestaltung des Denkens, die im Christusereignis sowohl impliziert ist als auch durch dieses möglich gemacht wird. Ebenso wird eine neue Phase der Evangelisierung nur möglich sein durch Menschen, die sich durch dieses Ereignis erneuern lassen, die sich von der Herrlichkeit des immer neuen Christus ergreifen lassen.

123. Jesus, unser Heil, auf der Grundlage des in Nizäa zum Ausdruck gebrachten Glaubens zu verkünden, bedeutet, besonders auf die Kleinsten und Verletzlichsten unter den Brüdern und Schwestern zu achten. Das neue Licht, das Christus, der wesensgleiche (homoousios) Sohn des Vaters, der die gemeinsame menschliche Natur teilt, auf die Brüderlichkeit zwischen allen Gliedern der Menschheitsfamilie wirft, erleuchtet vor allem diejenigen, die der Hoffnung auf die Gnade am meisten bedürfen. Wir sind durch ein unzerstörbares Band zutiefst mit allen Leidenden und Verstoßenen verbunden; wir sind alle dazu berufen, uns dafür einzusetzen, dass das Heil besonders sie erreichen kann. Verkündigung bedeutet hier „zu essen geben“, „zu trinken geben“, „aufnehmen“, „kleiden“ und „besuchen“ (Mt 25,34–40), die demütige Herrlichkeit des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe für den strahlen lassen, dem man nicht glaubt, auf den niemand hofft und der von der Welt ungeliebt ist. Verkünden bedeutet, diese theologischen Tugenden in Erniedrigung und Leiden zum Leuchten zu bringen: Dies kann nur von Christus, unserem Erlöser, herrühren und daher ihn bezeugen und die Begegnung mit ihm ermöglichen. Lassen wir uns nicht irreführen: Diese Gekreuzigten der Geschichte sind Christus unter uns, im eigentlichen Sinn: „Mir habt ihr es getan“ (Mt 25,40). Der Gekreuzigte und Auferstandene kennt ihre Leiden von innen heraus und sie kennen seine Leiden. Sie werden dadurch Apostel, Lehrer und Evangelisten für Reiche und Wohlhabende. Es geht darum, den Armen zu helfen, aber vor allem darum, mit ihnen in Beziehung zu treten und mit ihnen zu leben, um sich von ihnen lehren zu lassen: Sie verstehen besser als alle anderen die unermessliche Gabe des wesensgleichen (homoousios) Sohnes, die bis zum Kreuz geht – wie es in Nizäa bekannt wurde. Sie können uns in die Hoffnung einführen, die stärker ist als der Tod, in die Nachfolge des Wortes Gottes, das sich unter uns so völlig erniedrigt hat, um uns mit sich zur höchsten Höhe zu erheben.[187]

124 Die Verkündigung Jesu, unseres Heils, auf der Grundlage des in Nizäa zum Ausdruck gebrachten Glaubens, bedeutet, ihn in der Kirche zu verkünden. Es bedeutet, ihn durch das Zeugnis der einzigartigen Brüderlichkeit zu verkünden, die in Christus begründet ist. Es bedeutet, die Wunder bekannt zu machen, durch die die „eine, heilige, katholische und apostolische“ Kirche das „universale Sakrament des Heils“ ist und Zugang zu neuem Leben ermöglicht: den Schatz der Schrift, den das Glaubensbekenntnis auslegt, den Reichtum des Gebets, der Liturgie und der Sakramente, die aus der Taufe hervorgehen, wozu sich Nizäa bekannte, das Licht des Lehramts, das dem gemeinsamen Glauben dient. Diesen Schatz „tragen wir jedoch in irdenen Gefäßen“ (2 Kor 4,7). Das ist durchaus angemessen, denn die Verkündigung wird nur dann fruchtbar sein, wenn es eine Übereinstimmung zwischen der Form der Botschaft und ihrem Inhalt gibt, zwischen der Form Christi und der Form der Evangelisierung. In der Welt von heute geht es insbesondere darum, sich vor Augen zu halten, dass die Herrlichkeit, die wir geschaut haben, die Herrlichkeit Christi ist, der „sanftmütig und von Herzen demütig“ (Mt 11,29) ist, der verkündet hat: „Selig die Sanftmütigen, denn sie werden das Land erben.“ Der Gekreuzigte und Auferstandene ist wirklich siegreich, aber es ist ein Sieg über Tod und Sünde und nicht über Gegner – es gibt keine Verlierer im Ostergeheimnis, außer dem eschatologischen Verlierer, Satan, dem Spalter.[188] Die Verkündigung Jesu, unseres Heils, ist kein Eroberungskampf, sondern vielmehr ein Gleichförmig-Werden mit Christus, der die Menschen, denen er begegnete, mit Liebe und Erbarmen ansah (Mk 10,21; Mt 9,36), und sich von einem Anderen, vom Geist des Vaters, leiten ließ.[189]

Die Verkündigung wird fruchtbar sein, wenn es Christus ist, der in uns wirkt:

Erinnern wir uns daran: „Der Herr stand ihnen bei“ (Mk 16,20), als er die Jünger zur Mission aussandte. Er ist da, arbeitet, kämpft und tut Gutes mit uns. Es ist seine Liebe, die sich in unserem Dienst auf geheimnisvolle Weise zeigt, er selbst ist es, der zur Welt in jener Sprache spricht, die manchmal keine Worte hat.[190]

 

 


[1] Franziskus, Bulle über das Ordentliche Jubiläum des Jahres 2025 Spes non confundit, Nr. 17.

[2] Ephraem von Nisibis, Hymnen de Nativitate, III, 3 (CSCO 186, 21; CSCO 187, 18–19).

[3] Franziskus, Ansprache an die Mitglieder der Internationalen Theologischen Kommission, 30. November 2023.

[4] „Weil aber zunächst darin Übereinstimmung bestand, daß die Bischofssynode in Ancyra in Galatia stattfinden sollte, so scheint es uns jetzt aus vielen Gründen gut, daß es passend sei, daß sie sich in Nicaea in Bithynia versammle: Sowohl wegen der Bischöfe, die aus Italia und den übrigen Gegenden Europas sind, als auch wegen der guten Mischung der Luft und damit ich als Augenzeuge und Teilnehmer dem Geschehen nahe sei.“ (Konstantin, Brief an die Bischöfe (Athanasius Werke III/1, 3. Lfg., 105, Urkunde 20; Dokument 22; FNS 30)).

[5] Vgl. Konzil von Chalkedon, Prooemium definitionis (DH 300).

[6] Vgl. Konzil von Ephesus, 6. Sitzung der Kyrillianer (DH 265).

[7] Zitiert in K. Schatz, Allgemeine Konzilien – Brennpunkte der Kirchengeschichte, Paderborn 22008, 41.

[8] Päpstlicher Rat zur Förderung der Einheit der Christen, Die griechische und die lateinische Überlieferung über den Ausgang des Heiligen Geistes, in: US 50 (1995), 316–324, hier 316: „Die Katholische Kirche anerkennt die konziliare, ökumenische, normative und unwiderrufliche Geltung des Symbolums, das in griechischer Sprache im Jahre 381 in Konstantinopel vom Zweiten Ökumenischen Konzil bekannt worden ist, als Ausdruck des einen gemeinsamen Glaubens der Kirche und aller Christen. Kein Glaubensbekenntnis, das einer besonderen liturgischen Überlieferung eigen sein mag, kann diesem Ausdruck des Glaubens, wie ihn die ungeteilte Kirche gelehrt und bekannt hat, widersprechen.“

[9] Franziskus, Ansprache an die Teilnehmer der Vollversammlung des Dikasteriums für die Glaubenslehre, 26. Januar 2024.

[10] Wir folgen der griechischen Version des Symbolums von Nizäa-Konstantinopel (DH 150), wenn nicht anders angegeben.

[11] Die Thematik des Vaters als Schöpfer ist bei den frühen Kirchenvätern sehr präsent. Clemens von Rom sagt „Vater und Schöpfer der ganzen Welt“: 1 Clem 19,2 und 35,3 (FC 15, 112–113.148–149; SC 167, 133.157); Justin spricht vom „Vater und Herrn des Universums“: 1. Apologie 12,9; 61,3 (FC 91, 182–183); auch Tatian der Syrer erwähnt den „Urheber der Geister“ und den „Vater des Sinnlichen und Sichtbaren“, Oratio ad Graecos IV,3. – Diese Vorstellung findet sich bereits bei griechischen Autoren: Platon betrachtet Gott als „Urheber und Vater des gesamten Universums“ (Timaios 28c; 41a; vgl. auch Epiktet, Diss. I,9,7).

[12] Im Gegensatz zu Aischylos, der vom „τῶν θεῶν φθόνος“, dem „Neid der Götter“ (Die Perser, v. 362), spricht, vgl. Thomas von Aquin, Summa ctr. gent. I cap. 89 n. 12: „Invidiam igitur in Deo impossibile est esse, etiam secundum suae speciei rationem: non solum quia invidia species tristitiae est, sed etiam quia tristatur de bono alterius, et sic accipit bonum alterius tanquam malum sibi.“

[13] Hilarius von Poitiers, De Trinitate IX, 61 (CCSL 62A, 440–441).

[14] Vgl. Hippolyt, C. Noet. 10,1–2. Tertullian, Adversus Praxean 5,2 (CCL 2, 1163): „Ante omnia enim Deus erat solus, ipse sibi et mundus et locus et omnia. Solus autem quia nihil aliud extrinsecus praeter illum. Ceterum ne tunc quidem solus; habebat enim secum quam habebat in semetipso, rationem suam“.

[15] Vgl. das Martyrium des heiligen Polykarp, bes. n. 14 (in: R. Klein – P. Guyot (Hrsg.), Das frühe Christentum bis zum Ende der Verfolgungen, Bd. 1, Darmstadt 1993, 48–65, bes. 58–61); Justin, 1. Apologie 63 (FC 91, 186–191).

[16] Vgl. den gegen Arius gerichteten Anathematismus am Ende des Symbolum von Nizäa (DH 126).

[17] Arius, Brief an Eusebius von Nikomedia 5 (H.-G. Opitz, Athanasius Werke, III/1, S. 3; Urkunde 1).

[18] In einer Predigt über die Taufe, Sermo 18, 4 (SC 164, 14), bekräftigt Chromatius von Aquileia: „So wie wir durch das Wirken der Dreifaltigkeit erschaffen wurden, so werden wir auch neu geboren: Der Vater tut nichts ohne den Sohn und den Heiligen Geist; denn das Werk des Vaters ist das Werk des Sohnes, und das Werk des Sohnes ist das Werk des Heiligen Geistes. Ein und dieselbe ist die Gnade der Dreifaltigkeit – Sicut prima figuratio nostra per Trinitatem, ita secunda figuratio per Trinitatem. Nullum enim opus Patris sine Filio, nec sine Spiritu Sancto, quia opus Patris opus Filii est; opus Filii opus Spiritus Sancti est. Una enim atque eadem gratia Trinitatis est“.

[19] Zu diesen Formen der „Geist-Vergessenheit“ vgl. Y. Congar, Je crois en l’Esprit Saint, Bd. 1, Paris 42012, 218–226. Congars Analysen betreffen vor allem das 19. bis 20. Jahrhundert, aber die Phänomene, die er beschreibt, existieren auf sehr subtile Weise immer noch.

[20]Credimus […] Patrem […] fontem et originem totius divinitatis“ : 6. Konzil von Toledo (DH 490). Vgl. auch Augustinus, für den der Vater „Ursprung der ganzen Gottheit“ ist, De Trinitate, IV, xx, 29 (PL 42, 908; CCSL 50, 200).

[21] Version des Symbolums von Nizäa (325).

[22] Hilarius von Poitiers, De Trinitate VIII, 41 (CCSL 62A, 354): „Es gibt keinen Gott von anderer Art, sondern der Vater und der Sohn sind ein einziges Wesen – Neque alterius generis Deus est, sed Pater et Filius unum sunt“.

[23] Vgl. B. Sesboüé, Histoire des Dogmes, Bd. 1. Le Dieu du Salut, Paris 1994, 246.

[24] Lateinische Version des Symbolums von Nizäa-Konstantinopel, ausgehend von der Version, die Rusticus im 6. Jahrhundert übersetzt hat (vgl. I. Ortiz de Urbina, Storia dei Concili Ecumenici, Bd. 1, Vatikanstadt 1994, 172).

[25] Vgl. Ephraem und Gregor Palamas, aber auch Ambrosius: Splendor paternae gloriae als Kommentar zu lumen de lumine, in: Sant’Ambrogio, Opere poetiche e frammenti. Inni – Iscrizioni – Frammenti, a cura di G. Banterle, G. Biffi, I. Biffi, L. Migliavacca, Mailand – Rom 1994, Inno II, 34–37.

[26] Karl Rahner hält fest, „daß die Trinitätslehre nicht als Zusatz oder Abschwächung des christlichen Monotheismus, sondern als dessen Radikalisierung verstanden werden kann und muß“ (Einzigkeit und Dreifaltigkeit Gottes im Gespräch mit dem Islam (1978), in: KRSW 22/1B, 656–669, hier: 659).

[27] Vgl. M. Wyschogrod, Abraham’s Promise, Judaism and Jewish-Christian Relations, London 2006, 178.

[28] Vgl. D. Boyarin, Le Christ Juif, Paris 2019, 42–66; P. Lenhardt, L’Unité de la Trinité. À l’écoute de la tradition d’Israël, Paris 2011; P. Schäfer, Two Gods in Heaven: Jewish Concepts of God in Antiquity, Princeton/NJ 2020.

[29] Vgl. z. B. Boyarin, Le Christ Juif, 55–56. Diese Position wird in der jüdischen Welt tatsächlich als eine mögliche Interpretation von Daniel im aramäischen Text und verschiedenen Texten aus der Zeit des Zweiten Tempels angesehen, auch wenn sie ebenfalls sehr umstritten ist.

[30] Spr 1,9.14; 8,1–36; Weish 1,7; 7,22–27; Sir 24,1–22. Einige Exegeten verwenden auch den Ausdruck „Duotheismus“ in Bezug auf die personifizierte Weisheit; vgl. J. Trublet (Hrsg.), La Sagesse Biblique. De l‘Ancien au Nouveau Testament (LeDiv 160), Paris 1995.

[31] Vgl. L. W. Hurtado, One God, one Lord. Early Christian Devotion and Ancient Jewish Monotheism, Edinburg 21998 (1988); R. Bauckham, God Crucified (1996), in: Ders., Jesus and the God of Israel, Crownhill (UK) 2008, 1–59. Beispielsweise wurde ein Teil des Symbolums von Nizäa in der frühesten jüdisch-christlichen Literatur, den Oden Salomos, formuliert, die auf etwa 70–125 n. Chr. datiert werden (vgl. Ode 14:12–17, in A. Rahlfs – R. Hanhart (Hrsg.), Septuaginta: SESB Edition, Stuttgart 2006).

[32] Die lateinische Version des Symbolums unterscheidet zwischen der Tatsache, dass Christus Fleisch angenommen hat „de – vom“ Heiligen Geist und „ex – aus“ der Jungfrau Maria.

[33] J. Ratzinger, Einführung in das Christentum, Vorlesungen über das Apostolische Glaubensbekenntnis, Vorwort zur Neuausgabe (2000), in: JRGS 4, 52.

[34] „In der Nachfolge der heiligen Väter also lehren wir alle übereinstimmend, unseren Herrn Jesus Christus als ein und denselben Sohn zu bekennen: derselbe ist vollkommen in der Gottheit und derselbe ist vollkommen in der Menschheit; derselbe ist wahrhaft Gott und wahrhaft Mensch aus vernunftbegabter Seele und Leib; derselbe ist der Gottheit nach dem Vater wesensgleich und der Menschheit nach uns wesensgleich, in allem uns gleich außer der Sünde (vgl. Hebr 4,15); derselbe wurde einerseits  der Gottheit nach vor den Zeiten aus dem Vater gezeugt, andererseits der Menschheit nach in den letzten Tagen unseretwegen und um unseres Heiles willen aus Maria der Jungfrau und Gottesgebärerin geboren“:Ökumenisches Konzil von Chalcedon (DH 301).

[35] Athanasius, Contra Arianos (Oratio ctr. Arianos) II, 70, 1–2 (Athanasius Werke I/1, 247; vgl. BKV1 13, 218):„Der Mensch wäre nicht vergöttlicht worden, wenn der Sohn nicht wahrer Gott wäre. Auch hätte sich der Mensch nicht in der Gegenwart des Vaters halten können, wenn der, welcher den Leib anzog, nicht sein wesenhaftes und wahres Wort wäre. Und wie wir von der Sünde und dem Fluch nicht befreit worden wären, wenn das Fleisch, welches das Wort annahm, nicht von Natur her menschliches Fleisch wäre – denn mit dem, was uns fremd ist, haben wir nichts gemein –, so wären wir auch nicht vergöttlicht worden, wenn das Wort, das fleischgeworden ist, nicht seiner Natur nach aus dem Vater stammte und sein eigenes (idion), wahrhaftiges (alethinon) Wort wäre.“

[36] Ebd., III, 7,3, Athanasius Werke I/1, 297; vgl. BKV1 13, 251.

[37] Dieser Ausdruck findet sich bei den Vätern, wo manchmal auch andere Akteure der Geschichte zusammen mit Pilatus erwähnt werden, wie „Herodes der Tetrarch“: Ignatius von Antiochien, An die Smyrnäer 1,2 (Die Apostolischen Väter, Bd. I, eingel., hrsg., übertragen und erläutert von J. A. Fischer, Darmstadt 1993, 204–205) oder „Tiberius Caesar“: Justin, 1. Apologie 13,3 (FC 91, 87).

[38] „Der Alte Bund, ein Bund, der von Gott nie gekündigt wurde“: Johannes Paul II., Begegnung mit Vertretern der Jüdischen Gemeinde Mainz, 17. November 1980, Nr. 3. „Der Alte Bund ist nie widerrufen worden“: Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 121; vgl. Franziskus, Apostolisches Schreiben Evangelii Gaudium, 24. November 2013, IV, Nr. 247.

[39] Zweites Vatikanisches Konzil, Erklärung Nostra Aetate, Nr. 4.

[40] Bereits bei Irenäus von Lyon, Adversus haereses IV, 34, 3 (FC 8/4, 280–281; SC 100, 850–853): „Woher konnten die Propheten aber die Ankunft des Königs vorhersagen und die von ihm gegebene Freiheit im voraus verkündigen und alles, was Christus tat, predigte, wirkte und litt, voraussagen und den neuen Bund verkünden, wenn sie ihre Inspiration von einem anderen Gott hatten, der den unaussprechlichen Vater nach eurer Vorstellung gar nicht kannte noch sein Reich und seine Heilsplanungen, die der Sohn Gottes am Ende der Tage erfüllt hat, als er auf die Erde kam?“ – Vgl. A. De Halleux, La profession de l‘Esprit-Saint dans le Symbole de Constantinople, in: RTL 10 (1979), 5–39. Ein Symbolum des Epiphanius von Salamis aus dem Jahr 374 (DH 44) führt dieses Thema weiter aus: „…auch an den Heiligen Geist glauben wir, der gesprochen hat im Gesetz und verkündigt hat durch die Propheten, der auf den Jordan herabgestiegen ist, der spricht in den Aposteln und wohnt in den Heiligen…“.

[41] Johannes II., Brief Olim quidem, März 534 (DH 401).Zweites Konzil von Konstantinopel, Anathema 10 (DH 432): „Wer leugnet, dass unser im Fleisch gekreuzigter Herr Jesus Christus wahrer Gott und Herr der Herrlichkeit und einer der heiligen Dreifaltigkeit ist, der sei mit dem Anathem belegt.“

[42] Päpstliche Bibelkommission, Das jüdische Volk und seine heilige Schrift in der christlichen Bibel, II., Nr. 21:„Was sich in Christus bereits erfüllt hat, das muss sich in uns und in der Welt noch erfüllen. Die endgültige Vollendung wird die des Endes sein, mit der Auferstehung der Toten und dem neuen Himmel und der neuen Erde. Die jüdische Messiaserwartung ist nicht gegenstandslos. Sie kann für uns Christen ein starker Ansporn sein, die eschatologische Dimension unseres Glaubens lebendig zu erhalten. Wir wie sie leben von der Erwartung. Der Unterschied ist nur, dass Derjenige, der kommen wird, die Züge Jesu tragen wird, der schon gekommen ist, unter uns gegenwärtig ist und handelt.“

[43] Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, III, Nr. 1848.

[44] Vgl. Konzil von Orange (529), Kanon 1 (DH 371) und Kanon 2 (DH 372).

[45] Nach Irenäus von Lyon meint Jesus hier „die, welche die Annahme als Söhne Gottes“ in ihm erhielten: Adversus Haereses III, 6,1 (FC 8/3, 54–55).

[46] J. Ratzinger, Christi Himmelfahrt, in: JRGS 6/2, 859–864, hier 861): „Christus, der Mensch, der in Gott ist, ewig eins mit Gott, ist zugleich die immerwährende Öffnung Gottes für den Menschen. Er selbst ist so das, was wir ‚Himmel‘ heißen, denn der Himmel ist kein Raum, sondern eine Person, die Person dessen, in dem Gott und Mensch für immer trennungslos eins sind. Und wir gehen in dem Maß auf den Himmel zu, ja, in den Himmel ein, in dem wir zugehen auf Jesus Christus und eintreten in ihn.“ Vgl. auch H. U. von Balthasar, Eschatologie, in: J. Feiner – J. Trütsch – F. Böckle (Hrsg.), Fragen der Theologie heute, Einsiedeln u. a. 1957, 403–421, hier: 407–408.

[47] Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium et spes, I, Nr. 22.

[48] Vgl. Johannes vom Kreuz, Der Geistliche Gesang A 38, 3–7; B 39, 2–7 (Poesie und Prosa, Gesamtausgabe, Bd. 2, Die Prosakommentare, hrsg., eingel. und vollständig neu übers. von U. Dobhan OCD und E. Peeters OCD, Freiburg im Breisgau 2024, 244–249.513–517).

[49] Paul VI., Schlussansprache des Zweiten Vatikanischen Konzils, 7. Dezember 1965, § 8 (HThKVatII 5, 570–571).

[50] Vgl. Konzil von Chalkedon (DH 301).

[51] Vgl. das Symbolum Apostolicum.

[52] Vgl. Thomas von Aquin, Summa ctr. gent. IV, cap. 81.

[53] „L’homme passe infiniment l’homme“ : B. Pascal, Les Pensées, hrsg. von Jacques Chevalier (ed. Pléiade, Paris 1954, Laf. 131, S. 1207). Vgl. Franziskus, Apostolisches Schreiben Sublimitas et Miseria hominis zum vierhundertsten Jahrestag der Geburt von Blaise Pascal, 19. Juni 2023.

[54] Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, VII, Nr. 48; Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung Dominus Iesus, 2000, VI, Nr. 20.

[55] [Hippolyt von Rom], Traditio Apostolica 6 (FC 1, 229).

[56] Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, VIII, Nr. 62: „Wie die eine Güte Gottes in den Geschöpfen auf verschiedene Weisen wirklich ausgegossen wird, so schließt auch die einzige Mittlerschaft des Erlösers bei den Geschöpfen eine mannigfaltige Mitwirkung, die an der einzigen Quelle Anteil hat, nicht aus, sondern erweckt sie.“

[57] Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium et spes, II, Nr. 24–25.

[58] Ebd., II, Nr. 22.

[59] Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 1.

[60] Zweites Vatikanisches Konzil, Konstitution Sacrosanctum Concilium, Anhang.

[61] Vgl. Theodoret von Cyrus, Kirchengeschichte I, 9: „Synodalbrief an die Kirche von Alexandria“ (SC 501, 220–221.227).

[62] Vgl. auch Theodoret, Kirchengeschichte I, 10: „Brief des Kaisers Konstantin an die Kirchen“ (SC 501, 226–235); Eusebius, Vita Constantini, 3.17–20. „Purtroppo con questa decisione venne abbandonata la data comune di Pasqua tra cristiani ed ebrei“: Card. K. Koch, Verso una celebrazione ecumenica del 1700° anniversario del Concilio di Nicea (325–2025), in: L’Osservatore Romano [it. Ausgabe], 30. April 2021.

[63] Johannes Paul II., Begegnung mit der jüdischen Gemeinde in Rom, 13. April 1986, Nr. 4; Benedikt XVI., Licht der Welt, in: JRGS 13/2, 909.

[64] Vgl. Athanasius, Vita Antonii 69 (FC 69, 258–263).

[65] Franziskus, Apostolisches Schreiben Desiderio desideravi, 29. Juni 2022, Nr. 10–11: „Wenn wir nicht auch die Möglichkeit einer echten Begegnung mit Ihm hätten, wäre das so, als würde man die Neuheit des Fleisch gewordenen Wortes für erschöpft erklären. Stattdessen ist die Inkarnation nicht nur das einzige neue Ereignis, das die Geschichte kennt, sondern auch die Methode, welche die Heiligste Dreifaltigkeit gewählt hat, um uns den Weg der Gemeinschaft zu öffnen. Der christliche Glaube ist entweder eine Begegnung mit Ihm, dem Lebendigen, oder er ist es nicht. Die Liturgie gewährleistet uns die Möglichkeit einer solchen Begegnung.“

[66] Vgl. An Diognet 10–12 (Die Apostolischen Väter, hrsg. von A. Lindemann – H. Paulsen, Tübingen 1992, 318–322; auch: CMe 18, 27–32).

[67] Athenagoras, Legatio (Supplicatio) pro Christianis (176–180 n. Chr.) cap. 12,3; vgl. cap. 24,2 (SC 379, 108–109.160–161).

[68] Ambrosius, De fide ad Gratianum I, 1 n. 8 (CSEL 78, 7).

[69] Hilarius, De trin. 2,1 (CCSL 62, 38; SC 443, 274 ff.).

[70] Ephraem, De fide (adv. Scrut. – Against the Disputers) transl. J. B. Morris, Select Works of St. Ephrem the Syrian, 1847, rhythm 52, n. 1 (Morris, S. 273); 59, n.2 (S. 300); 76, n.1 (S. 347).

[71] Athanasius, Contra Arianos II, 41 n. 4.5 (Athanasius Werke I/1, 218).

[72] Vgl.Basilius, De spiritu sancto 26 (FC 12, 146–147; SC 17bis, 337): „Was macht uns zu Christen? Der Glaube, wird man antworten. Auf welche Weise werden wir gerettet? Offenbar durch die Wiedergeburt in der Taufe. … Wenn wir anerkennen, dass dieses Heil durch den Vater und den Sohn und den Heiligen Geist gewirkt wird, sollen wir dann die Form der Lehre (Röm 6,17: typos didaches), die wir empfangen haben, preisgeben? In der Tat wären wir sehr beklagenswert, wenn wir jetzt von unserem Heil weiter entfernt wären als damals, als wir gläubig wurden…“. Bezüglich des Heiligen Geistes: Athanasius,1. Brief an Serapion 30 (Athanasius Werke I/1, 523–526).

[73] Athanasius, Contra Arianos II, 42 n. 3 (Athanasius Werke I/1, 219); Basilius, De spiritu sancto 26 (FC 12, 146–148; SC 17bis, 336–339); Gregor von Nyssa, Oratio catech. (ed. E. Mühlenberg, 1996).

[74] Vgl. Ambrosius, De fide ad Gratianum I, 9 n.58 (CSEL 78, 25), auch Zeno von Verona, Sermones, liber II, serm. II, 5 n.9 (CCSL 22, 167).

[75] Eusebius von Caesarea, Ep. Ad Caesarienses 3–4.7–8 (Athanasius Werke III/1, 43–45 = Urkunde 22).

[76] Vgl. Hilarius von Poitiers, Contra Constantium, n. 16 (SC 334, 200; PL 10, 594), verteidigt das Nizänum gegen den Vorwurf, es sei nicht schriftgemäß: Neue Krankheiten erfordern eine neue Zusammenstellung von Heilmitteln. „Ungezeugt“ sei ja ebenfalls kein biblisches Wort für den Vater; auch stehe im NT nirgends, der Sohn sei dem Vater „ähnlich“.

[77] Athanasius, Ep. Ad Afr. 1,1 (Athanasius Werke II/1, 322–323; ed. A. von Stockhausen, PTS 56, 75); das Bekenntnis von Nizäa ist „ausreichend“. Vgl. Athanasius, Ep. an Epiktet 1 (Athanasius Werke I/1, 705–706).

[78] Als „nizänisch“ konnten auch Bekenntnis-Formulierungen gelten, welche das Nizänum erweiterten, solange sie den Inhalt bewahrten und keine entgegengesetzten Lehren aufnahmen.

[79] Konzil von Chalkedon, Actio 3, 10.12 (ACO 2,1,2, 79 [gr.]; ACO 2,3,2, 5–6  [lat.]); die „Definition“ (horos) von Chalkedon gründet sich auf das Nizänum zusammen mit dem Symbolum der 150 in Konstantinopel versammelten Väter, wie im Proömium festgehalten wird (ACO 2,1,2 , 126–129 [gr]; COeD, 1962, 60; DH 300): „Es würde nun zwar zur vollständigen Erkenntnis und Festigung des rechten Glaubens dieses weise und heilsame Bekenntnis der göttlichen Gnade genügen; denn seine Lehre über den Vater und den Sohn und den Heiligen Geist ist vollkommen, und es stellt denen, die es gläubig annehmen, die Menschwerdung des Herrn dar.– Sufficeret quidem ad plenam cognitionem pietatis et confirmationem sapiens hoc et salutare divinae gratiae symbolum; de Patre enim et de Filio et de Spiritu sancto perfectionem docet et inhumanationem fideliter accipientibus repraesentat.“

[80] Franziskus, Spes non confundit, Nr. 17.

[81] Es handelt sich um einen symbolischen Verweis auf Gen 14,14.

[82] Athanasius,de syn. 5, 3 aus dem Jahr 359 n. Chr. (Athanasius Werke II/1, 234; dt. Übers.: M. Fiedrowicz, Handbuch der Patristik, Freiburg im Breisgau 2010, Nr. 522, S. 422).

[83] Basilius, Homilia 16 in illud „In principio erat Verbum” (PG 31, 471–482).

[84] Wer wie Photinus oder Arius „nicht glaubt, dass Christus Gott ist, oder dass der Sohn aus dem Vater hervorgeht“, beleidigt den Evangelisten Johannes, Sermo 21,3: „Amaricavit [Ioannem evangelistam] Arrius, qui non credidit de Patre Filium processisse, cum Verbum Patris non alia ratione Filius, nisi proprie de paterno corde processisset, credatur“ (SC 164, 44). „Für denjenigen, der Christus nachfolgt, ist immer Tageslicht, denn er wandelt im ewigen Licht“, Sermo 18,1 (SC 164, 8). „Der Thron Gottes ist ein einziger, der Thron der Majestät des Vaters und der Majestät des Sohnes“, „es besteht kein Unterschied in der Würde“, Sermo 8, 4 (SC 154, 192–195).

[85] Zeno von Verona, Sermones, liber II, sermo II, 5 nn. 9.10 (CCSL 22, 167); sermo II, 8 (176–178).

[86] Vgl. Johannes Chrysostomus, Cat. 3/1,21 (FC 6/2, 308–309).

[87] Augustinus, De agone christiano 18; vgl. De fide et symbolo 5.18. Die eigentlich theologische Auseinandersetzung mit den Homöern führt Augustinus in De trinitate I – VII sowie in Contra sermonem Arrianorum und Contra Maximinum Arrianum (Augustinus Opera – Werke lat.-deutsch: Antiarianische Schriften, hg. von H. J. Sieben, 2008).

[88] Gregor von Nyssa, Oratio catech.39, 2 (ed. Mühlenberg, 1996, 100–101); dt. Übersetzung: BKV1 56, 80: „…wer die heilige Dreiheit ohne Ausnahme als unerschaffen bekennt, geht in deren wechsel- und wandelloses Leben ein; wer dagegen infolge seines Irrwahnes innerhalb der Dreiheit eine geschaffene Natur annimmt und sich auf dieselbe taufen lässt, wird zu einem wandelbaren und veränderlichen Leben wiedergeboren; denn der Gezeugte hat notwendig die nämliche Natur wie der Zeugende.“

[89] Ambrosius, In Lucam IV, 67 (CSEL 32, 173).

[90] A. Grillmeier, Das „Gebet zu Jesus“ und das „Jesus-Gebet“, in: Ders., Fragmente zur Christologie. Studien zum altkirchlichen Christusbild, Freiburg 1997, 357–371.

[91] 2 Kor 12,8.9; Röm 10,12; 2 Petr 3,18; im Gottesdienst beheimatete Anrufungen: 1 Kor 16,22; Offb 22,20; vgl. Did 10,6.

[92] Bes. Phil 2,6–11; Kol 1,15–20; Eph 1,3–10; 1 Tim 3,16; Offb 5,6–14.

[93] Origenes, De oratione 15; 16,1 (in: Origenes Werke griech.-deutsch, übers. von M. B. von Stritzky, vol. 21, 158–163); Contra Celsum VIII,13 (SC 150, 200–203).

[94] Basilius, De spiritu sancto 25–29.68 (FC 12, 144–159.282–285; SC 17bis, 334–350.488–490).

[95] Z. B. Athanasius, der die traditionelle Doxologie anti-sabellianisch verwendet, und Basilius, De spiritu sancto 3.4.16 (FC 12, 78–81.112–117; SC 256–260.298–300), der auf den Unterschied zwischen oikonomia (Heilsmittlerschaft Christi) und theologia (gleichwesentlicher Sohn) hinweist.

[96] Z. B. Traditio Apostolica 3.4.7: Bei der Bischofs- und Presbyter-Weihe, sowie beim Eucharistie-Gebet, lautet die Schluss-Doxologie: „durch deinen Knecht Jesus Christus, durch den Herrlichkeit ist dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist“ (FC 1, 220–221, 226–227, 232–233).; Origenes, In Luc. Hom. 37 (PG 13, 1896D): „…laudemus Deum in Patre, et Filio et Spiritu sancto, cui est gloria et imperium in saecula saeculorum. Amen“; Gregor von Nazianz, Or. 19, n. 17 (PG 35, 1064): „ein und dieselbe göttliche Ehre – dem Vater, dem Sohn, dem Hl. Geist“; Or. 17, n. 13 (PG 35, 981): „… in Christus Jesus, unserem Herrn, dem die Herrlichkeit und Macht, die Ehre und Herrschaft sei mit dem Vater und dem Heiligen Geist, wie es war und sein wird, jetzt und in alle Ewigkeit!“

[97] Basilius,De spiritu sancto 73 (FC 12, 300–303). – Wie brisant die Frage der Doxologie-Form im Leben der Ortskirchen werden konnte, zeigt das Beispiel des Bischofs Leontius von Antiochien: Um es sich mit keinem der Kontrahenten zu verderben, sprach er die Worte der Doxologie nicht mehr laut aus, sondern „man hörte nur mehr den Abschluss: in alle Ewigkeit“: Theodoret, Hist. eccl. 2,24,3 (SC 501, 446).

[98] Basilius, ep. 159, 2; ep. 125, 3 (ed. Courtonne II, 86–87; 33–34), vgl. De spiritu sancto 16.24.26.67–68 (FC 12, 112–117.142–145.146–149.280–285).

[99] Text bei Grillmeier, Fragmente zur Christologie, 365.

[100] Gregor von Nyssa, ep. 24 (PG 46, 1088.1092; SC 363, 276–284).

[101] Cassiodor, Expos. in ps., prooem. n. 17 (CCSL 97, 22–23).

[102] 2. Synode zu Vaison (524 n. Chr.) canon 5 (Mansi 8, 727): „Quia non solum in sede apostolica, sed etiam per totum Orientem et totam Africam vel Italiam propter Haereticorum astutiam, qui Dei filium non semper cum patre fuisse, sed a tempore coepisse blasphemant, in omnibus clausulis post Gloria [patri etc.] Sicut erat in principio dicitur; etiam et nos in universis ecclesiis nostris hoc ita dicendum esse decernimus.“

[103] Sozomenos, hist. eccl. 8, 8, 1–3 (GCS NF 4, 360–361); Ambrosius, Contra Auxentium sermo de basilicis tradendis n. 34 (CSEL 82/3, 105).

[104] De nativ. IV und XI; de nativ. III: „While He was lying on His Mother’s bosom – in His bosom were all creatures lying. He was silent as a Babe – and yet He was making His creatures execute all His commands. For without the First-born no man can approach unto the Essence, to which He is equal.“ (Morris, 13 Rhythms on the Nativity, 22).

[105] Über den Glauben gegen die Grübler – 80 Rhythms upon Faith against the Disputers LXXVI,1 (Morris 347); VI,5 (126–129), VIII (140).

[106]Über den Glauben, XL und LXXIII.

[107] Über den Glauben,LII n. 1 (Morris 273–274).

[108] Gegen die Häresien XXII,20 (CSCO 170, 82). Ephraems Lehre stimmt zwar mit der nizänischen Orthodoxie vollkommen überein, aber Vokabular und Ausdrucksweise sind nicht die von Nizäa, was sicherlich auf die bewusst gewählte poetische und nicht diskursive Form der Lehre zurückzuführen ist. Vgl. Wikes, 36–39.

[109] Mar Baläus, Gebete (dt. in:  BKV1 6, 92–93); Isaak von Antiochien, 1. Gedicht über die Menschwerdung (S. Isaaci Antioch. Opera omnia I, ed. G. Bickell, Gießen 1873, 23).

[110] Prudentius, Apotheosis (CCSL 126, 87, lin. 309–311).

[111] Vgl. Irenäus, der so oft von Henri de Lubac zitiert wird: „Omnem novitatem attulit, semetipsum afferens“, Irenäus von Lyon, Adversus haereses, IV, 34, 1 (SC 100/2, 846–847); vgl. auch Franziskus, Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, Nr. 11.

[112] Zu dieser Unterscheidung vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Dei Verbum, I, Nr. 2–5 und II, Nr. 7–8.

[113] „Ohne Gott war es unmöglich Gott zu erkennen; daher lehrt Gott durch sein Wort die Menschen, ihn zu kennen – Quoniam impossibile erat sine Deo discere Deum, per verbum suum docet homines scire Deum“: Irenäus von Lyon, Adversus haereses IV,5,1 (FC 8/4, 36–38; SC 100, 426–427).

[114] „Wenn wir das Zeugnis der Menschen annehmen, ist das Zeugnis Gottes größer, denn das ist das Zeugnis Gottes: Er hat Zeugnis abgelegt für seinen Sohn. Wer an den Sohn Gottes glaubt, hat das Zeugnis in sich“ (1 Joh 5,9).

[115] Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Dei Verbum, I, Nr. 2.

[116] J. Ratzinger, Jesus von Nazareth, in: JRGS 6/1, 408–409.

[117] Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Dei Verbum, I, Nr. 2; vgl. 2 Petr 1,4.

[118] Vgl. Thomas von Aquin, Summa theol. II-II, q.25, a.1, Resp.

[119] Paulus betont, dass Christus uns „in Gottes Gedanken“ einführt, denn er zitiert Jesaja 40,13: „Wer hat den Gedanken des Herrn (LXX: noun Kuriou; Heb: ruah Adonai) erkannt, um ihn zu lehren? Wir aber haben den Gedanken des Herrn“ (vgl. auch Röm 11,34). Vgl. M. Quesnel, La première épître aux Corinthiens (Commentaire Biblique, Nouveau Testament 7), Paris 2018, 88–92.

[120] Franziskus, Enzyklika Lumen Fidei, 29. Juni 2013, Nr. 18.

[121] Ebd., Nr. 27, Zitat Gregor der Grosse, Homiliae in Evangelia II, 27, 4 (PL 76, 1207; FC 28/2, 504–505).

[122] Vgl. Franziskus, Ansprache in Neapel aus Anlass der Konferenz „Theologie nach Veritatis Gaudium im Kontext des Mittelmeerraumes“, 21. Juni 2019.

[123] „Denn aus der Größe und Schönheit der Geschöpfe wird in Entsprechung ihr Schöpfer erschaut“ (Weish 13,5). Vgl. Thomas von Aquin, Scriptum super Sententiis lib. I, q. 1, a. 2, ad 2, wo die „analogia creaturae ad creatorem“ erwähnt wird.

[124] Vgl. M. Lochbrunner, Analogia Caritatis. Darstellung und Deutung der Theologie Hans Urs von Balthasars (FThSt 120), Freiburg im Breisgau u. a. 1981, 62, 292–293. Vgl. auch: Internationale Theologische Kommission, Theologie – Christologie – Anthropologie (1981), D, Nr. 1: „Die Verkündigung über Jesus Christus, den Sohn Gottes, wird unter dem biblischen Vorzeichen des pro nobis vorgelegt. Daher muss die ganze Christologie unter soteriologischem Aspekt behandelt werden. So haben einige moderne Autoren mit einem gewissen Recht und verdienstvollerweise versucht, eine Art ‚funktionaler‘ Christologie auszuarbeiten. Umgekehrt ist aber auch festzuhalten, dass sich die ‚Existenz für andere‘ bei Jesus Christus nicht von seinem innigsten Verhältnis und Austausch (communio) mit dem Vater trennen lässt und daher in seiner ewigen Sohnschaft grundgelegt ist. Die Pro-Existenz Jesu Christi, durch die Gott sich selbst den Menschen mitteilt, setzt die Präexistenz voraus.“

[125] Aus diesem Grund betont der heilige Thomas von Aquin, dass Adam bei seiner Erschaffung mit der Gnade ausgestattet wurde, da er sonst seine menschliche Berufung nicht hätte umsetzen können (vgl. Scriptum super Sententiis lib. II, d. 29, q. 1, a. 2; d. 30, q. 1, a. 1; Summa theol. I, q. 95, a. 1; I-II, q. 109, a. 5).

[126] J. Ratzinger, Schauen auf den Durchbohrten (JRGS VI/2, 701–702).

[127] Ebd., 30–31 (JRGS VI/2, 702).

[128] „Amen, amen, ich sage euch: Der Sohn kann nichts von sich aus tun, sondern nur, wenn er den Vater etwas tun sieht. Was nämlich der Vater tut, das tut in gleicher Weise der Sohn.  Denn der Vater liebt den Sohn und zeigt ihm alles, was er tut, und noch größere Werke wird er ihm zeigen, so dass ihr staunen werdet“ (Joh 5,19–20); „Das ist die Botschaft, die ihr von Anfang an gehört habt: Wir sollen s einander lieben“ (1 Joh 3,11).

[129] Ratzinger, Schauen auf den Durchbohrten (JRGS VI/2, 707).

[130] Vgl. Benedikt XVI., Enzyklika Caritas in veritate, 29. Juni 2009, Nr. 33.

[131] P. Florenskij, Säule und Sockel der Wahrheit.Versuch einer orthodoxen Theodizee in zwölf Briefen. Moskau 1914, aus dem Russischen übers., mit Anm. (Fußnoten) und einem Appendix vers. von Bernd Groth, Unterhaching 2021, 65 [Übersetzung leicht geändert].Wenn Florenskij von der „Definition der Kirche“ und nicht von der kirchlichen Institution spricht, meint er das Geheimnis der Kirche in seiner ganzen mystischen und theologischen Tiefe.

[132] „Τοῦ Θεοῦ Λόγον ἀρνούμενοι, εἰκότως καὶ λόγον παντός εἶσιν ἕρημοι“,Athanasius, De decretis Nicaenae synodi, 2,1 (Athanasius Werke II/ I, S. 2).

[133] Vgl. Augustinus, Conf. III, vi, 11 (CCL 27, 33); Thomas von Aquin, Summa theol. I, q. 104, a. 1, Resp.

[134] Vgl. oben, die Nummern 32–37.

[135] Vgl. Internationale Theologische Kommission, Theologie – Christologie – Anthropologie (1981), Abschnitt C.

[136] Franziskus, Apostolisches Schreiben Evangelii Gaudium, III, Nr. 115.

[137] Zweites Vatikanisches Konzil, Gaudium et spes, II, Kap. II, Nr. 53, § 1: „In der Person des Menschen selbst liegt es begründet, dass sie nur durch Kultur, das heißt, durch die entfaltende Pflege der Güter und Werte der Natur, zur wahren und vollen Verwirklichung des menschlichen Wesens gelangt.“

[138] Franziskus, Apostolisches Schreiben Evangelii Gaudium, III, Nr. 115. Vgl. auch, als Beispiele, Ders., Brief über die Bedeutung der Literatur in der Bildung, 17. Juli 2024; Brief zur Erneuerung des Studiums der Kirchengeschichte, 21. November 2024.

[139] Franziskus, Apostolische Konstitution Veritatis Gaudium, 27. Dezember 2017, Nr. 2, die sich an das Apostolische Schreiben von Papst Paul VI., Evangelii nuntiandi, 8. Dezember 1975, Nr. 19 anlehnt.

[140] Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret Ad gentes, II, Nr. 11.

[141] Zum Beispiel das Egô eimi des vierten Evangeliums, die Terminologie von Hebr 1,3 oder 2 Petr 1,4.

[142] Johannes Paul II., Enzyklika Fides et ratio, 14. September 1998, VI, Nr. 72 : „Wenn die Kirche mit großen Kulturen in Kontakt tritt, mit denen sie vorher noch nicht in Berührung gekommen war, darf sie sich nicht von dem trennen, was sie sich durch die Inkulturation ins griechisch-lateinische Denken angeeignet hat. Der Verzicht auf ein solches Erbe würde dem Vorsehungsplan Gottes zuwiderlaufen, der seine Kirche die Straßen der Zeit und der Geschichte entlangführt.“

[143] Ebd., VI, Nr. 71.

[144] Vgl. die Thematik der „Theologie des Zuhörens“ als Gegenmittel gegen das „Babel-Syndrom“ bei Franziskus, Ansprache in Neapel aus Anlass der Konferenz „Theologie nach Veritatis Gaudium im Kontext des Mittelmeerraumes“, 21. Juni 2019.

[145] Diese Reinigung und Verwandlung der Kulturen ist das, was die Gefahr des Relativismus vermeidet, die von der Kongregation für die Glaubenslehre hervorgehoben wurde (Erklärung Dominus Iesus, 6. August 2000, Nr. 4).

[146] „Die Begegnung des Glaubens mit den verschiedenen Kulturen hat tatsächlich eine neue Wirklichkeit ins Leben gerufen“: Johannes Paul II., Enzyklika Fides et ratio, VI, Nr. 70. Zur Wahrung der kulturellen Identität vgl. ebd., Nr. 71.

[147] Vgl. An Diognet, 5,1–4 (Die Apostolischen Väter, ed. A. Lindemann – H. Paulsen, Tübingen 1992, 310.312; auch: CMe 18, 19).

[148] „Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg des Hauses des Herrn steht fest gegründet als Höchster der Berge; er überragt alle Hügel. Zu ihm strömen alle Nationen. Viele Völker gehen und sagen: Auf, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn und zum Haus des Gottes Jakobs. […] Denn vom Zion zieht Weisung aus und das Wort des Herrn von Jerusalem. […] Sie erheben nicht das Schwert, Nation gegen Nation, und sie erlernen nicht mehr den Krieg.“ (Jes 2,2–4; vgl. Mi 4,1–4); „Mein Haus wird genannt werden: ‚Haus des Gebets für alle Völker‘“ (Jes 56,7; vgl. Sach 14,16).

[149] Es ist auffällig, wie Paulus bei der Verkündigung des Evangeliums im Gefolge von Pfingsten auf dem Areopag die Einheit der Menschheitsfamilie rühmt: „Er hat aus einem einzigen Menschen das ganze Menschengeschlecht erschaffen, damit es die ganze Erde bewohne. Er hat für sie bestimmte Zeiten und die Grenzen ihrer Wohnsitze festgesetzt.“ (Apg 17,26).

[150] Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Fides et ratio, VII, Nr. 95–96.

[151] Vgl. Alexander von Alexandria, Brief an Alexander von Byzanz, 5 (Athanasius Werke III/1, Urkunde 14, Dokument 17, 91–98; FNS 8,5, 46–55).

[152] Vgl. Internationale Theologische Kommission, Die Synodalität in Leben und Sendung der Kirche, I, Nr. 19.

[153] Cyprian, Epistula 14,4 (CSEL III, 2, 512). Diese Gedanken über Ignatius von Antiochien und Cyprian von Karthago folgen der Darstellung im Dokument der Internationalen Theologischen Kommission, Die Synodalität in Leben und Sendung der Kirche, I, Nr. 25, wo sich weitere Präzisierungen finden.

[154] Internationale Theologische Kommission, Die Synodalität in Leben und Sendung der Kirche, I, Nr. 28.

[155] Vgl. J. A. Brundage, Medieval Canon Law, London – New York 1995, 5.

[156] Eine Synode wird grundsätzlich „ geleitet vom Prinzip des Konsenses und der Eintracht (homonoia), was durch die eucharistische Konzelebration angedeutet wird, wie in der Schlussdoxologie des oben erwähnten Apostolischen Kanon 34 mit einbegriffen ist“: Gemeinsame Internationale Kommission für den theologischen Dialog zwischen der Römisch-Katholischen Kirche und der Orthodoxen Kirche, Kirchliche und kanonische Konsequenzen der sakramentalen Natur der Kirche: kirchliche Communio, Konziliarität und Autorität, Ravenna, 13. Oktober 2007, Nr. 26 (DWU 4, 840). „Die Kirche [offenbart] sich selbst als katholisch in der synaxis der Ortskirche“: ebd., Nr. 22 (DWU 4, 839).

[157] Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Konstitution Sacrosanctum Concilium, I, Nr. 10; Internationale Theologische Kommission, Die Synodalität in Leben und Sendung der Kirche, II, Nr. 47.

[158] Internationale Theologische Kommission, Die Synodalität in Leben und Sendung der Kirche, II, Nr. 29.

[159] Pierre Rousselot war der Ansicht, dass einige heuristische Verfahren des heiligen Thomas einer „gegenseitigen Priorität und Vorrangigkeit“ zweier untrennbarer und aufeinander bezogener Prinzipien entsprächen (Les yeux de la foi, in: RSR 1 (1910), 241–259, 444–475, hier: 448).

[160] Vgl. Augustinus: „Crede ut intelligas“, Sermo 43,7.9 (CCSL 41, Pars XI,1. Sermones de Vetere Testamento, 511.512); Anselm von Canterbury: „Credo ut intelligam“, Proslogion 1 (Opera omnia, ed. F. S. Schmitt, Bd. 1, Stuttgart – Bad Cannstatt 1968, 100).

[161] Paul VI., Enzyklika Ecclesiam suam, 1964, III, Nr. 70: „Wollte man nicht, und mit Recht, dem Konzil selbst einen pastoralen Zweck geben, ganz hingeordnet auf die Einfügung der christlichen Botschaft in das Denken, die Sprache, die Kultur, die Sitte, den Geist der Menschheit, wie sie heute auf Erden lebt?“

[162] Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Dei Verbum, II, Nr. 7–8.

[163] Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 156 mit Bezug auf Dei Filius I, 3 (DH 3008).

[164] „Hoc autem testimonium vel est hominis tantum: et istud non facit virtutem fidei, quia homo et fallere et falli potest. Vel istud testimonium est ex iudicio divino: et istud verissimum et firmissimum est, quia est ab ipsa veritate, quae nec fallere, nec falli potest. Et ideo dicit, ad Deum, ut scilicet assentiat his quae Deus dicit“ : Thomas von Aquin, Super Epistolam B. Pauli ad Hebraeos lectura [rep. vulgata], cap. 6, l. 1.

[165] Der übliche Begriff ist „Sohnschaft“, aber hier geht es darum, den Beginn der Sohnschaft zu betonen, die Bewegung selbst, durch die man Sohn und Tochter Gottes wird.

[166] Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Dei Verbum, III, Nr. 12: „Um die Absicht der Hagiographen zu ermitteln, sind unter anderem auch die literarischen Gattungen zu berücksichtigen. Jeweils anders nämlich wird die Wahrheit in Texten, die auf vielfältige Weise historisch, prophetisch oder poetisch sind, oder in anderen Redegattungen vorgelegt und ausgedrückt. […] Weil aber die Heilige Schrift in demselben Geist, in dem sie geschrieben wurde, auch zu lesen und auszulegen ist, ist für die rechte Ermittlung des Sinnes der heiligen Texte nicht weniger sorgfältig auf den Inhalt und die Einheit der ganzen Schrift zu achten, unter Berücksichtigung der lebendigen Überlieferung der ganzen Kirche und der Analogie des Glaubens.“

[167] Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Dei Verbum, I, Nr. 2: „Dieses Offenbarungsgeschehen ereignet sich in Taten und Worten, die inwendig miteinander verknüpft sind, so dass die Werke, die in der Heilsgeschichte von Gott vollbracht wurden, die Lehre und die durch die Worte bezeichneten Dinge kundtun und bekräftigen, die Worte aber die Werke verkündigen und das in ihnen enthaltene Mysterium ans Licht bringen.“

[168] Benedikt XVI., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Verbum Domini, 30. September 2010, Nr. 55.

[169] „Das Mysterium der Kirche ist, wenn möglich, noch tiefer, ‚schwerer zu glauben‘ als das Mysterium Christi, das seinerseits schon ‚schwerer zu glauben‘ war als das Mysterium Gottes.“, H. de Lubac, Glauben aus der Liebe, übertr. und eingel. von H. U. von Balthasar, Freiburg 31992, 67.

[170] Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret Unitatis redintegratio, II, 11.

[171] Vgl. den Referenztext Die Interpretation der Dogmen (1989), B, III, 3, in B. Hallensleben [Hrsg.], Theologie in weltkirchlicher Verantwortung. Die Dokumente der Internationalen Theologischen Kommission (1969–2020) (StOeFr 100), Münster 2022, 244; vgl. auch Erstes Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Dei Filius, IV (DH 3016).

[172] Man könnte an die Idee des „Gesprächs im Heiligen Geist“ denken, vgl. Franziskus, Ansprache zur Eröffnung der XVI. Sitzung der Bischofssynode, 4. Oktober 2023: „Die Kirche, eine einzige Harmonie von Stimmen, mit vielen Stimmen, bewirkt vom Heiligen Geist: So müssen wir uns die Kirche vorstellen.“

[173] Vgl. Internationale Theologische Kommission, Die Synodalität in Leben und Sendung der Kirche, I, Nr. 19–21.

[174] Vgl. Internationale Theologische Kommission, Sensus fidei und sensus fidelium im Leben der Kirche, 5. März 2014, III, Nr. 67–86.

[175] Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Dei Verbum, II, Nr. 10.

[176] Internationale Theologische Kommission, Sensus fidei und sensus fidelium im Leben der Kirche, 5. März 2014, III, Nr. 77.

[177] Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret Ad gentes, III, Nr. 15.

[178] „Toute ma foi est dans le plus banal de mes signes de croix, et, quand je prononce ‚Notre Père‘, j’ai inclus déjà tout ce dont la connaissance ne me sera livrée que dans la Révélation de gloire“ : Y. Congar, La Tradition et les traditions. Essai théologique, Bd. 2, Paris 1963, 185.

[179] Internationale Theologische Kommission, Theologie heute: Perspektiven, Prinzipien und Kriterien, 29. November 2011, Nr. 33: „Subjekt des Glaubens ist das Volk Gottes als Ganzes, das in der Kraft des Heiligen Geistes dem Wort Gottes zustimmt. Deshalb erklärt das Konzil, dass das gesamte Volk Gottes an dem prophetischen Amt Jesu Anteil hat, und dass es – gesalbt mit Heiligem Geist (vgl. 1 Joh 2,20.27) – ‚in Angelegenheiten des Glaubens nicht irren kann‘“.

[180] Vgl. Tertullian, praescr. haer., XX, 8–9 (SC 46, 113–114).

[181] Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, II, Nr. 12.

[182] Ebd., III, Nr. 24 am Ende und Nr. 25.

[183] „Dieser politisch-theologische Propagandabegriff wird von der Kirche bei ihrer Ausbreitung im Römischen Reich übernommen. Er stößt dann auf einen Begriff der politischen Theologie der Heiden, wonach der göttliche Monarch wohl herrschen, aber die nationalen Götter regieren müssen. Um dieser heidnischen, auf das Imperium Romanum zugeschnittenen Theologie entgegentreten zu können, wurde nun von christlicher Seite behauptet, die nationalen Götter könnten gar nicht regieren, da durch das Imperium Romanum der nationale Pluralismus aufgehoben worden sei. In diesem Sinn wurde die Pax Augusta dann als die Erfüllung der alttestamentlichen eschatologischen Weissagungen gedeutet. Doch die Lehre von der göttlichen Monarchie musste am trinitarischen Dogma und die Interpretation der Pax Augusta an der christlichen Eschatologie scheitern. Damit ist nicht nur theologisch der Monotheismus als politisches Problem erledigt und der christliche Glaube aus der Verkettung mit dem Imperium Romanum befreit worden, sondern auch grundsätzlich der Bruch mit jeder ‚politischen Theologie‘ vollzogen, die die christliche Verkündigung zur Rechtfertigung einer politischen Situation missbraucht. [...] die christliche Verkündigung von dem drei-einigen Gotte steht jenseits von Judentum und Heidentum, gibt es doch das Geheimnis der Dreieinigkeit nur in der Gottheit selber, nicht in der Kreatur. Wie denn auch der Friede, den der Christ sucht, von keinem Kaiser gewährt wird, sondern allein ein Geschenk dessen ist, der ‚höher ist als alle Vernunft‘“: E. Peterson, Der Monotheismus als politisches Problem. Ein Beitrag zur Geschichte der politischen Theologie im Imperium Romanum, Leipzig 1935, 98–100.

[184] Vgl. Internationale Theologische Kommission, Sensus fidei und sensus fidelium im Leben der Kirche: vgl. Nr. 26 zu Newman und dem Kriterium des sensus fidei fidelium gegen die Divergenzen der Bischöfe des 4. Jahrhunderts; vgl. Nr. 34 zum aktiven und nicht rein passiven Charakter des sensus fidei fidelium, dessen Konzept im 19. Jahrhundert erneuert wurde; vgl. Nr. 113 und 118 zum Verhältnis von sensus fidei und öffentlicher Mehrheitsmeinung, in und außerhalb der Kirche.

[185] Franziskus, Apostolische Konstitution Veritatis Gaudium, Nr. 3.

[186] Brief an Natalia Dmitrievna Fonwisina, Omsk, zwischen 20. und 28. Februar 1854, in: F. M. Dostojewski, Gesammelte Briefe 18331881, übers., hrsg. und komm. von F. Hitzer, unter Benutzung der Übertr. von Alexander Eliasberg, München 21986, 86–87. [187] „[Die Armen] haben uns viel zu lehren. Sie haben nicht nur Teil am sensus fidei, sondern kennen außerdem dank ihrer eigenen Leiden den leidenden Christus. Es ist nötig, dass wir alle uns von ihnen evangelisieren lassen. Die neue Evangelisierung ist eine Einladung, die heilbringende Kraft ihrer Leben zu erkennen und sie in den Mittelpunkt des Weges der Kirche zu stellen. Wir sind aufgerufen, Christus in ihnen zu entdecken, uns zu Wortführern ihrer Interessen zu machen, aber auch ihre Freunde zu sein, sie anzuhören, sie zu verstehen und die geheimnisvolle Weisheit anzunehmen, die Gott uns durch sie mitteilen will“: Franziskus, Apostolisches Schreiben Evangelii Gaudium, III, Nr. 198.

[188] Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 540: „Christus hat für uns den Versucher besiegt“. Vgl. auch Nr. 394, Nr. 677.

[189] Zweites Vatikanisches Konzil, Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae, II, Nr. 11: „Die Apostel sind, durch das Wort und Beispiel Christi belehrt, demselben Weg gefolgt. Schon von den Ursprüngen der Kirche an bemühten sich die Jünger Christi, die Menschen dazu zu bekehren, Christus, den Herrn zu bekennen, nicht durch Zwangshandlung und auch nicht durch Kunststückchen, die des Evangeliums unwürdig sind, sondern vor allem durch die Kraft des Wortes Gottes. Tapfer verkündeten sie allen das Vorhaben Gottes, des Erlösers, ‚der will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen‘ (1 Tim 2,4); zugleich aber achteten sie die Schwachen, auch wenn sie im Irrtum weilten, wobei sie so zeigten, wie ‚ein jeder von uns für sich Gott Rechenschaft geben wird‘ (Röm 14,12) und insofern gehalten ist, seinem Gewissen zu gehorchen. So wie Christus waren die Apostel stets bestrebt, Zeugnis für die Wahrheit Gottes abzulegen, indem sie in überreichem Maße wagten, vor dem Volk und den Fürsten ‚das Wort Gottes mit Zuversicht‘ (Apg 4,31) zu sagen.“

[190] Franziskus, Enzyklika Dilexit nos, 24. Oktober 2024, V, Nr. 214.