INTERNATIONALE THEOLOGISCHE KOMMISSION
Jesus Christus, Sohn Gottes, Erlöser
1700. Jahrestag des ökumenischen Konzils von Nizäa
325–2025
Inhaltsverzeichnis
Vorbemerkung
Einleitung: Doxologie, Theologie und Verkündigung
Kapitel 1: Das Symbolum für die Erlösung: Doxologie und Theologie des Dogmas von
Nizäa
1. Die Unermesslichkeit der drei göttlichen Personen erfassen, die uns retten:
„Gott ist (in unfassbarer Weise) Liebe“
1.1 Die
Erhabenheit der Vaterschaft Gottes, des Vaters, als Grundlage
für die Erhabenheit des Sohnes und des Geistes
1.2 Überlegungen zur Verwendung des Ausdrucks homoousios
1.3 Die Einheit der Heilsgeschichte
2. Die
Unermesslichkeit Christi, des Erlösers, und seiner Erlösungstat
erfassen
2.1 Christus in seiner ganzen Größe sehen
2.2 Die Unermesslichkeit des Heilshandelns: Verwurzelung in der
Geschichte
2.3 Die Größe des
Heilshandelns: das Mysterium paschale
3. Die
Unermesslichkeit des dem Menschen angebotenen Heils und die
Unermesslichkeit unserer menschlichen Berufung erfassen
3.1 Die Größe der Erlösung: Eintritt in das Leben
Gottes
3.2 Die
Unermesslichkeit der menschlichen Berufung zur göttlichen
Liebe
3.3
Die Schönheit des Geschenks der Kirche und der Taufe
4. Gemeinsam die unermessliche Größe des Heils feiern: die
ökumenische Bedeutung des Glaubens von Nizäa und die Hoffnung auf
ein gemeinsames Osterdatum
Kapitel 2: Das
Symbolum von Nizäa im Leben der Gläubigen – „Wir glauben, wie wir
taufen; und wir beten, wie wir glauben“
Zum Auftakt
1. Taufe und trinitarischer
Glaube
2. Die besondere Bedeutung des Symbolums von
Nizäa
3.
Vertiefung in Predigten und Katechesen
4. Gebet zum Sohn
und die Doxologien
5. Theologie in Hymnen
Kapitel 3:
Nizäa
als theologisches und kirchliches Ereignis
1. Das Christus-Ereignis: „Niemand hat Gott gesehen. Der einziggeborene Sohn hat
von ihm Kunde gebracht“ (Joh 1,18)
1.1
Christus, das fleischgewordene Wort, offenbart den Vater
1.2 „Wir aber haben das Denken (nous) Christi“ (1 Ko2 2,16): Analogie der
Schöpfung und Analogie der Liebe
1.3
Zur Erkenntnis des Vaters eintreten durch das Gebet Christi
2. Ereignis der Weisheit: Neuheit für das menschliche Denken
2.1
Die Offenbarung befruchtet und erweitert das menschliche Denken
2.2 Ein kulturelles und interkulturelles Ereignis
2.3 Die schöpferische Treue der Kirche
und das Problem der Häresie
3. Das kirchliche Ereignis: das Konzil von Nizäa als erstes ökumenisches Konzil
3.1
Das Wesen und die Strukturen der Kirche haben ihre Wurzel
im Christusereignis
3.2 Das konstruktive Zusammenwirken der Charismen in der Kirche und der Weg nach
Nizäa
3.3 Das ökumenische Konzil von Nizäa
Kapitel 4: Den Glauben für das ganze Volk Gottes zugänglich halten
Auftakt: Das Konzil von Nizäa und die Grundlage der Glaubwürdigkeit des
christlichen Mysteriums
1. Die Theologie im Dienst der Vollständigkeit der Heilswahrheit
1.1
Christus, die eschatologisch wirksame Wahrheit
1.2 Errettung und der Weg zur Gotteskindschaft
2. Die Vermittlung der Kirche und die Umkehrung der dogmatischen Reihenfolge:
Trinität, Christologie, Pneumatologie, Ekklesiologie
2.1
Die Vermittlungen des Glaubens und das Amt der Kirche
2.2 Dissens und Synodalität
2.3 Bildung und Erneuerung des Konsenses durch die „Zungen des Heiligen Geistes“
3. Das Glaubensgut hüten: Liebe im Dienst an den Geringsten
3.1 Der einmütige Glaube des Gottesvolkes, der allen Menschen angeboten wird
3.2 Der Schutz des Glaubens angesichts politischer Macht
Fazit: Allen Menschen Jesus als unsere Erlösung heute verkünden
INTERNATIONALE THEOLOGISCHE KOMMISSION
Jesus Christus, Sohn Gottes, Erlöser
1700. Jahrestag des Ökumenischen Konzils von Nizäa
325–2025
Vorbemerkung
Während ihres 10. Quinquenniums hat die Internationale Theologische Kommission
beschlossen, eine vertiefte Studie über das Erste Ökumenische Konzil von Nizäa
und seine dogmatische Aktualität zu erarbeiten. Die Aufgabe wurde von einer
eigenen Unterkommission unter dem Vorsitz von P. Philippe Vallin übernommen, die
sich aus den folgenden Mitgliedern zusammensetzte: S. Exz. Bischof Antonio Luiz
Catelan Ferreira, S. Exz. Bischof Etienne Vetö, I.C.N., P. Mario Ángel Flores
Ramos, P. Gaby Alfred Hachem, P. Karl-Heinz Menke, Prof. Marianne Schlosser,
Prof. Robin Darling Young.
Umfassende Diskussionen zu diesem Thema erfolgten sowohl bei den verschiedenen
Treffen der Unterkommission als auch bei den Plenarsitzungen der Kommission
selbst, die in den Jahren 2022–2024 stattfanden. Der Text wurde den Mitgliedern
der Internationalen Theologischen Kommission auf der Plenarsitzung im Jahr 2024
zur Abstimmung vorgelegt, wo er einstimmig in forma specifica angenommen
wurde. Anschließend wurde das Dokument dem Vorsitzenden, S. Em. Kardinal Víctor
Manuel Fernández, Präfekt des Dikasteriums für die Glaubenslehre, zur
Genehmigung vorgelegt, der es nach der positiven Stellungnahme des Heiligen
Vaters Franziskus am 16. Dezember 2024 zur Veröffentlichung freigab.
Einleitung: Doxologie, Theologie und Verkündigung
1. Am 20. Mai 2025 erinnern sich die katholische Kirche und die gesamte
christliche Welt mit Dankbarkeit und Freude an die Eröffnung des Konzils von
Nizäa im Jahr 325: „Das Konzil von Nizäa ist ein Meilenstein in der
Kirchengeschichte. Sein Jahrestag lädt die Christen dazu ein, der Heiligen
Dreifaltigkeit gemeinsam Lob und Dank zu singen, insbesondere Jesus Christus,
dem Sohn Gottes, der ‚wesensgleich dem Vater‘ ist und uns dieses Geheimnis der
Liebe offenbart hat.“[1] Das Konzil
blieb im christlichen Bewusstsein hauptsächlich durch das Symbolum haften, das
den Glauben an die Erlösung durch Jesus Christus und an den Einen Gott, den
Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, zusammenfasst, festhält und verkündet.
Das Nizänische Symbolum verkündet die frohe Botschaft von der umfassenden
Erlösung der Menschen durch Gott selbst in Jesus Christus. 1700 Jahre später
geht es vor allem darum, dieses Ereignis in der Weise der Doxologie zu
feiern, einem Lobpreis der Herrlichkeit Gottes, die sich in dem unschätzbaren
Reichtum des durch das Nizänische Bekenntnis ausgedrückten Glaubens offenbart
hat: die unendliche Schönheit Gottes, des Vaters, der uns rettet, die
unermessliche Barmherzigkeit Jesu Christi, unseres Erlösers, die überwältigende
Großzügigkeit der Erlösung, die jedem Menschen im Heiligen Geist angeboten wird.
Wir vereinen unsere Stimme mit der der Väter, wie Ephraem dem Syrer, um diese
Herrlichkeit zu besingen:
„Lob sei jenem, der zu uns kam durch seinen Erstgebornen!
Lob jenem Schweigenden,
Der durch seine Stimme sprach!
Lob jenem in der Höhe,
der sichtbar wurde durch seinen Aufgang!
Lob dem Geistigen,
der gewollt hat,
dass sein Gezeugter ein Körper werde
damit durch ihn seine Macht ertastet werden könne,
und damit durch diesen Körper Leben fänden
die ihm verwandten Körper.“[2]
2. Das Licht, das durch das Konzil von Nizäa auf die christliche Offenbarung
geworfen wurde, ermöglicht es, einen unerschöpflichen Reichtum zu entdecken, der
sich durch alle Jahrhunderte und alle Kulturen hindurch immer wieder vertiefen
lässt und sich in immer schöneren und neuen Facetten zeigt. Diese verschiedenen
Facetten kommen insbesondere durch das betende und theologisch-nachdenkende
Lesen des Symbolums ans Licht, das die meisten christlichen Traditionen
vollziehen, jede von ihnen mit einer anderen Beziehung zur Existenz eines
Symbolums selbst. Es ist auch eine Chance für alle, den Reichtum des Symbolums
sowie das Band der Gemeinschaft zwischen allen Christen, das dieses Symbolum
sein kann, wieder oder sogar neu zu entdecken. „Wie sollte man nicht die
außerordentliche Bedeutung dieses Jahrestages für den Weg zur vollen Einheit der
Christen erwähnen?“[3], betont Papst
Franziskus.
3. Das Konzil von Nizäa war das erste als „ökumenisch“ bezeichnete Konzil, weil
zum ersten Mal die Bischöfe aus der gesamten Oikoumenē eingeladen wurden.[4]
Seine Beschlüsse sollten daher ökumenische, d. h. allgemeine Geltung haben: Als
solche wurden sie von den Gläubigen und durch die christliche Tradition im Laufe
eines langen und mühsamen Prozesses rezipiert. Die ekklesiologische
Herausforderung ist von größter Bedeutung. Das Symbolum ist eingebettet in die
Bewegung der schrittweisen Übernahme der griechischen Sprache und Denkmuster
durch die christliche Glaubenslehre, wobei jene selbst durch den Kontakt mit der
Offenbarung gewissermaßen selbst verwandelt wurden. Das Konzil zeigte auch die
wachsende Bedeutung von Synoden und synodalen Leitungsformen in der Kirche der
ersten Jahrhunderte und stellte gleichzeitig einen wichtigen Wendepunkt dar: Im
Einklang mit der exousia, die den Aposteln von Jesus und dem Heiligen Geist verliehen wurde (Lk 10,16;
Apg 1,14–2,1–4), ebnete das Ereignis von Nizäa den Weg für einen neuen
institutionellen Ausdruck von Autorität in der Kirche, nämlich der universalen
Autorität der ökumenischen Konzilien, sowohl hinsichtlich der Glaubenslehre als
auch der Kirchenordnung. Diese entscheidende Wende in der Art und Weise, wie
innerhalb der Gemeinschaft der Jünger des Herrn Jesus nachgedacht und
entschieden wurde, hat wesentliche Elemente des Lehrauftrags der Kirche und
damit ihres Wesens ans Licht gebracht.
4. Eine Präzisierung ist erforderlich, bevor wir weiter in die Reflexion eintreten. Wir stützen uns auf das Symbolum von Nizäa-Konstantinopel (381) und nicht streng
genommen auf dasjenige, das in Nizäa (325) formuliert wurde. Tatsächlich
dauerte es etwa 50 Jahre, bis das Vokabular des Symbolums von Nizäa aufgenommen
wurde und man sich über die universelle Bedeutung des ersten Konzils einig war.
Der Rezeptionsprozess des Symbolums von Nizäa erfolgte während des Konflikts mit
den Pneumatomachen in der Zeit zwischen Nizäa und Konstantinopel und führte zu
einigen bedeutenden Textänderungen, insbesondere im dritten Artikel. Nach der
Auffassung der Väter bedeutete dieser Prozess, der zum Symbolum von
Nizäa-Konstantinopel führte, jedoch keine Veränderung des Nizänischen Glaubens,
sondern seine authentische Bewahrung. In diesem Sinne „bestätigt“ die Präambel
der dogmatischen Definition von Chalkedon, die der Abschrift des Symbolums von
Nizäa und des Symbolums von Nizäa-Konstantinopel vorgeschaltet war, was im
Symbolum der „150 Väter“ (Konstantinopel) gesagt wurde; denn dessen Bedeutung
liegt nach seinen eigenen Worten lediglich in der Präzisierung des
Bekenntnisses zum Heiligen Geist, gegen diejenigen, die sein Herr-Sein leugnen.[5]
Die Tragweite dessen, was in Nizäa geschah, zeigt sich in dem Verbot des Konzils
von Ephesus, andere Glaubensformeln zu verkünden;[6]
denn in der Zeit nach Nizäa waren die Vertreter der Orthodoxie der Auffassung,
dass die im Nizänischen Symbolum formulierte Unterscheidung ausreiche, um den
Glauben der Kirche für alle Zeiten zu garantieren. Athanasius zum Beispiel wird
von Nizäa sagen, dass es „das Wort Gottes ist, das in Ewigkeit bleibt“[7]
(Jes 40,8). Dieser Prozess der lebendigen und normativen Tradition setzt sich
zwischen dem 4. und 9. Jahrhundert fort, indem das Symbolum in den
Taufliturgien, insbesondere im Osten, und später in den eucharistischen
Liturgien übernommen wird. Es sei darauf hingewiesen, dass das Filioque,
das in den aktuellen westlichen Versionen des Symbolums enthalten ist, nicht
Teil des ursprünglichen Textes des Symbolums von Nizäa-Konstantinopel ist, auf
den sich das vorliegende Dokument stützen will.[8]
Dieser Punkt ist nach wie vor Anlass für Missverständnisse zwischen den
christlichen Konfessionen, und somit Gegenstand weiteren Dialogs zwischen Orient
und Okzident.
5. In einem ersten Kapitel werden wir daher eine doxologische Lesart des
Symbolums vorschlagen, um seine soteriologische und damit christologische,
trinitarische und anthropologische Fruchtbarkeit offenzulegen. Hier wird es
darum gehen seine Bedeutung hervorzuheben und daraus neue Anregungen für die
Wiedergewinnung der Einheit der Christen zu empfangen Den Reichtum des Konzils
von Nizäa 1700 Jahre später zu würdigen, wird uns neu wahrnehmen lassen, wie das
tägliche christliche Leben durch dieses Konzil Nahrung und Orientierung findet:
In einem zweiten Kapitel patristischen Gepräges werden wir erkunden, wie das
liturgische Leben und das Gebetsleben in der Kirche nach diesem Konzil
befruchtet wurde. Nizäa stellt einen solchen Wendepunkt in der Geschichte des
Christentums dar, dass wir uns im dritten Kapitel damit beschäftigen werden, wie
das Symbolum und die Durchführung des Konzils das Christus-Ereignis selbst
bezeugen, dessen Einbruch in die Geschichte einen bisher ungeahnten Zugang zu
Gott eröffnet und eine Transformation des menschlichen Denkens einleitet, mit
anderen Worten: ein Ereignis der Weisheit. Das Symbolum Nicaenum und auch das Konzil als solches stehen für etwas
Neues in Bezug auf Struktur und Sendung der Kirche: Beides gehört zum Erbe des
Ereignisses von Nizäa. Schließlich werden wir im vierten Kapitel die Bedingungen für die
Glaubwürdigkeit des in Nizäa bekannten Glaubens in einem
fundamentaltheologischen Schritt analysieren, der das Wesen und die Identität
der Kirche herausstellen wird, als authentische Interpretin der normativen
Glaubenswahrheit durch das Lehramt, und als Hüterin der Gläubigen, insbesondere
der kleinsten und am meisten verletzlichen.
6. „Man zündet nicht eine Leuchte an und stellt sie unter den Scheffel, sondern
auf den Leuchter; dann leuchtet sie allen im Haus“ (Mt 5,15). Dieses Licht ist
Christus, das „Licht vom Licht“. Darüber zu staunen bedeutet auch, neuen Schwung
zu finden, um diese gute Nachricht mit noch mehr Kraft und Kreativität im
Heiligen Geist zu überbringen. Dieses Licht leuchtet hell in unserer Zeit, die
von Gewalt und Ungerechtigkeit geprägt, von Unsicherheiten durchzogen ist, ein
kompliziertes Verhältnis zur Wahrheit hat, und in der der Glaube und die
Zugehörigkeit zur Kirche schwieriger zu werden scheint. Das Licht ist umso
lebendiger und strahlender, je mehr es von allen Christen geteilt wird, die
ihren Glauben in einer gemeinsamen Marty̆ria, einem gemeinsamen Zeugnis
bekennen können, um dazu beizutragen, die Männer und Frauen von heute für Jesus
Christus, den Sohn Gottes und Erlöser, zu gewinnen:
Das, was für uns wesentlich, schöner, anziehender und zugleich notwendiger ist,
das ist der Glaube an Jesus Christus. Diesen werden wir alle gemeinsam, so Gott
will, im Lauf des bevorstehenden Jubiläums feierlich erneuern, und jeder von uns
ist aufgerufen, ihn jedem Mann und jeder Frau dieser Erde zu verkünden. Das ist
die Hauptaufgabe der Kirche, der ich in Evangelii gaudium Ausdruck
verliehen habe.[9]
Kapitel 1
Das Symbolum für die Erlösung:
Doxologie und Theologie des Dogmas von Nizäa
7. Das 1700-jährige Jubiläum von Nizäa zu feiern, bedeutet vor allem, über das
Symbolum zu staunen, das uns das Konzil hinterlassen hat, und über die Schönheit
dessen, was uns in Christus geschenkt ist – ist doch das Symbolum davon
gleichsam eine Ikone in Worten. Wir beginnen unsere Studie zu Nizäa also mit
einem Blick auf das Symbolum, um die außerordentliche Weite des trinitarischen
Glaubens, der Christologie und Soteriologie, die es zum Ausdruck bringt, sowie
seine anthropologischen und ekklesiologischen Implikationen herauszuarbeiten,
bevor wir mit seiner ökumenischen Bedeutung schließen. Es handelt sich sozusagen
um einen Vollzug doxologischer Theologie. Diese zielt nicht auf eine
Vertiefung jedes einzelnen Aspekts dieses Konzentrats des christlichen
Glaubens ab, das wir im Glaubensbekenntnis vorliegen haben – eine Aufgabe, die
im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wenig hilfreich und ohnehin unmöglich
wäre –, sondern versucht, den Reichtum der Aussagen und Wahrheiten
herauszuarbeiten, die das Nizänische Glaubensbekenntnis auf dogmatischer Ebene
bietet, insbesondere jene, die für die gegenwärtige Epoche der Kirchen- und
Weltgeschichte am wichtigsten und fruchtbarsten sind, jetzt, da wir den
Jahrestag von Nizäa feiern.
1. Die Unermesslichkeit der drei göttlichen Personen erfassen, die uns
retten: „Gott ist (in unfassbarer Weise) Liebe“
8. Das Symbolum von Nizäa-Konstantinopel hat seinen Kern in der Bekräftigung des
trinitarischen Glaubens:
Wir glauben an den einen Gott, den allmächtigen Vater, den Schöpfer des Himmels
und der Erde,
aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge,
Und an den einen Herrn Jesus Christus, den Sohn Gottes, den einziggezeugten,
der aus dem Vater gezeugt ist vor aller Zeit, Licht von Licht,
wahrer Gott von wahrem Gott, gezeugt, nicht geschaffen, wesensgleich mit dem Vater,
durch den alles geschaffen worden ist; […].
Und an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der vom Vater
ausgeht,
der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird,
der gesprochen hat durch die Propheten […].[10]
1.1 Die Erhabenheit der Vaterschaft Gottes, des Vaters, als Grundlage für die
Erhabenheit des Sohnes und des Geistes.
9. Am Ausgangspunkt des Glaubens von Nizäa steht die Bekräftigung der Einheit
Gottes. Das Christentum ist ganz ursprünglich ein Monotheismus, der in
Kontinuität mit der Offenbarung an Israel steht. Das Glaubensbekenntnis hebt
jedoch nicht mit „Gott“ schlechthin und schon gar nicht mit der einen göttlichen
Natur an, sondern mit der Ersten göttlichen Hypostase, die der Vater ist. Als
„Schöpfer des Himmels und der Erde“ (vgl. Gen 1,1; Neh 9,6; Offb 10,6) ist er
der Vater aller Dinge.[11] Christus
offenbart darüber hinaus die unerhörte innergöttliche Vaterschaft Gottes, die
die Grundlage für seine Vaterschaft ad extra bildet. Wenn Christus auf
einzigartige Weise göttlicher Sohn ist, impliziert dies, dass es eine Zeugung in
Gott gibt: Gott der Vater gibt alles, was er hat und alles, was er ist. Gott ist
kein armes und egoistisches Prinzip: Er ist sine invidia.[12]
Seine Vaterschaft, wie auch seine Allmacht, besteht in der Fähigkeit, sich ganz
zu verschenken. Diese väterliche Hingabe ist nicht nur ein Aspekt unter vielen,
sondern definiert den Vater, der ganz Vaterschaft ist.[13]
Gott ist seit jeher Vater und war nie ein „einsamer“ Gott.[14]
Diese Vaterschaft des Einen Gottes ist der erste Aspekt des christlichen
Glaubens, der Staunen hervorruft und dessen Unermesslichkeit es zu feiern gilt,
wenn wir 1700 Jahre später Nizäa wiederentdecken. Es geht darum, die
Implikationen für das Verständnis des trinitarischen Geheimnisses zu erhellen.
10. Der Glaube an den Vater bezeugt die überfließende Fülle Gottes. Der erste
Artikel ist nicht einfach eine Definition Gottes, sondern zunächst einmal ein
Lobpreis, der in der doxologischen Tradition der jüdischen Liturgie und der
frühen christlichen Liturgien steht.[15]
Der „allmächtige (pantokratōr)“ Gott lässt verschiedene
alttestamentarische Ausdrücke widerhallen, wie z. B. „Herr Zebaoth“, der im
Neuen Testament im Zusammenhang mit den himmlischen Liturgien aufgegriffen wird
(Offb 4,8; 11,17; 15,3; 16,14; 19,6).
11. Die Offenbarung der Vaterschaft Gottes in Christus macht auch die
Unermesslichkeit des Sohnes und des Geistes offenbar. Wenn Gott der Vater alles
außer seiner Vaterschaft gibt, bedeutet dies, dass der Sohn und der Geist dem
Vater in ihrer Gottheit völlig ebenbürtig sind. Im Glaubensbekenntnis ist der
Sohn „einer“, er ist „Herr“ (Kyrios, womit das Tetragramm in der
Septuaginta übersetzt wird), „Sohn Gottes“, „der einzig Gezeugte“ (ho
monogenēs) in der Intimität des Vaters, „Gott von Gott“, „Licht vom Licht“,
„wahrer Gott vom wahren Gott“, eines Wesens (homoousios) mit dem Vater.
Beachten wir zum Beispiel, dass der Sohn im vierten Evangelium mehrmals theos
genannt wird: Joh 1,1; 5,18; 20,28. Der Sohn ist gezeugt „vor aller Zeit“, was
im Symbolum bedeutet, dass er mit dem Vater gleich-ewig ist (vgl. Joh 1,1). Dies
ist gegen Arius’ Positionen gerichtet, wonach „es eine Zeit gab, in der [der
Sohn] nicht war“, und „bevor er geboren wurde, war er nicht“, und „er wurde aus
dem, was nicht war“[16], oder „der
Sohn ist aus dem Nichts“, durch „Willen und Ratschluss“ des Vaters[17].
Aufgrund seiner Gleich-Ewigkeit kann der Sohn als derjenige bekannt werden,
„durch den [alles] geworden ist“ (vgl. 1 Kor 8,6; Joh 1,3). Gott ist so groß,
dass der Vater in der Lage ist, einen anderen zu zeugen, der ihm an Göttlichkeit
gleich ist. Gott übersteigt alles, was wir uns vorstellen und erdenken können,
denn seine Einheit nimmt eine echte Pluralität an, die die Einheit nicht bricht.
12. Der Vater gibt ebenfalls alles an den Geist, der in den spezifischen und der
Gottheit vorbehaltenen Begriffen benannt wird: „Geist“, „Heilig“ und „Herr“
(wieder eine Anspielung auf das Tetragramm). So wie der Vater Schöpfer ist und
der Sohn das Wort ist, durch das der Vater alle Dinge erschafft, wird der Geist
als „Lebensspender“ bekannt. So wie der Sohn vom Vater gezeugt wird, so „geht
der Geist vom Vater aus“. Die Aussagen über den Geist sind absichtlich ein Echo
auf den Artikel über den Sohn.[18]
Folglich kann und muss der Geist zusammen mit dem Vater und dem Sohn angebetet
werden – eine Bestätigung des doxologischen Charakters des Symbolums.
13. Es ist von entscheidender Bedeutung, sowohl die Gottheit des Geistes als des
„Dritten“ in Gott wie auch seine Beziehung zum Vater und zum Sohn festzuhalten.
In der Tat bereitet es auch heute noch Schwierigkeiten, ihn als eine
eigenständige göttliche Person zu betrachten und nicht als eine bloße göttliche
oder gar kosmische Kraft. Manchmal wird zum Vater und zum Sohn gebetet und der
Geist weggelassen, im Gegensatz zum Gebet der Kirche (Tagesgebet): das
liturgische Gebet richtet sich an den Vater stets durch den Sohn im Heiligen
Geist. Man erkennt der Eucharistie, der Jungfrau Maria oder der Kirche
vollkommen zu Recht ihre Bedeutung zu – ohne jedoch mit zu bedenken, dass sie
gerade deshalb so kostbar sind, weil sie durch den Geist zum Leben erweckt
werden.[19] Umgekehrt weisen andere
dem Heiligen Geist einen zentralen, wenn nicht gar ausschließlichen Platz zu,
bis hin zur Zurückdrängung des Vaters und des Sohnes, was paradoxerweise auf
eine Form von pneumatologischem Reduktionismus hinausläuft, denn er ist ja der
Geist des Vaters und Geist des Sohnes (Gal 4,6; Röm 8,9). Die
überreiche Größe des Heiligen Geistes, die im Glauben von Nizäa zum Ausdruck
kommt, ist ein Schutz gegen solche Reduktionismen.
14. So folgt aus dem Quellgrund der Fülle der Vaterschaft Gottes die überreiche
Fülle von Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Geist, semper major. Die
Fülle des Vaters impliziert nun eine taxis (Ordnung) im Leben des
dreieinigen Gottes. Der Vater ist die Quelle der ganzen Gottheit.[20]
Die zweite Person ist Gott und Licht, aber sie ist es als „Gott von
Gott“, „Licht vom Licht“. Und wenn der Geist als gleichrangig in der
Göttlichkeit mit dem Sohn und dem Vater bekannt wird, wird er doch auf eine Art
und Weise vorgestellt, die sich von den beiden anderen unterscheidet. Wir haben
gerade gesehen (siehe oben § 12), dass er mit göttlichen Eigenschaften
beschrieben wird und zusammen mit dem Vater und dem Sohn angebetet werden muss.
Davon abgesehen sind die Unterschiede im Ausdruck bemerkenswert: Was über den
Vater und den Sohn als „einen“ oder den Sohn als „wesensgleich“ gesagt wird,
wird in Bezug auf den Geist nicht wiederholt. Ohne etwas von seiner
Mitgöttlichkeit wegzunehmen, betont die Art und Weise, wie der Geist im
Glaubensbekenntnis erwähnt wird, seine personale Unterscheidbarkeit. So hebt das
Eigentliche des Heiligen Geistes die Einzigartigkeit jeder göttlichen
Person hervor. In gewisser Weise ist in Gott „Hypostase“ oder „Person“ ein
analoger Begriff, in dem Sinne, dass jeder der drei göttlichen „Namen“ voll und
ganz eine Person ist, aber dies auf eine einzigartige Art und Weise. Diese
Einzigartigkeit zeigt auch, dass Gleichheit einerseits und Unterschied und
Ordnung andererseits einander nicht widersprechen. Auch dies ist die Frucht der
überreichen Vaterschaft des Vaters. Nizäa zu rezipieren bedeutet, den Reichtum
der göttlichen Vaterschaft zu rezipieren, wodurch Gleichheit, aber auch
Unterschiedenheit und Einzigartigkeit begründet werden.
1.2 Überlegungen zur Verwendung des Ausdrucks homoousios
15. Ein zentraler Beitrag von Nizäa ist die Definition der Gottheit des Sohnes
in Begriffen der Wesensgleichheit: Der Sohn ist „konsubstantiell“ (homoousios)
mit dem Vater, „aus dem Vater gezeugt“, „d. h. aus dem Wesen des Vaters“[21].
Die Zeugung des Sohnes ist etwas anderes als die Schöpfung, weil es sich um eine
Mitteilung des einzigartigen Wesens des Vaters handelt. Der Sohn ist nicht nur
vollkommen Gott wie der Vater, sondern auch „eines Wesens“, das numerisch mit
dem seinen identisch ist, weil es in dem einen Gott keine Teilung gibt.[22]
Wiederholen wir es: Der Vater gibt dem Sohn alles, gemäß der Logik eines
göttlichen Lebens, das agapē ist und immer über das hinausgeht, was der
menschliche Geist sich vorstellen kann.
16. Zum ersten Mal werden in einem offiziellen und normativen Text der Kirche
Begriffe verwendet, die nicht der Hl. Schrift entstammen – wir werden in den
Kapiteln III und IV darauf zurückkommen. Die Absicht der Konzilsväter war es
nicht, etwas Neues in den apostolischen Glauben einzuführen, sondern diesen zu
schützen, durch die Explizierung dessen, was „Zeugung“ in Gott wirklich ist. Aus
diesem Grund wird im Symbolum von 325 homoousios mit dem Ausdruck „das
heißt“ eingeleitet: Die griechische, ontologische Terminologie steht im Dienst
traditioneller schriftgemäßer Wendungen.[23]
Der Ausdruck, der im Bereich der Gnosis beheimatet war und von der
Regionalsynode von Antiochia (264–269) verurteilt wurde, wird in den Jahrzehnten
nach Nizäa heftig umstritten sein. Doch seit den 360er Jahren stieg die
Zustimmung, bis zu seiner vollständigen und friedlichen Bestätigung in
Konstantinopel (381). In dieser Zeit wurde seine Bedeutung für die Erklärung und
den Schutz des Glaubens anerkannt, ebenso wie die schöpferische Fähigkeit der
menschlichen Vernunft, der Philosophie und der Kultur, die Offenbarung
aufzunehmen, anerkannt wurde. Wie schon im Falle der Heiligen Schrift
unterstreicht dies, dass die Offenbarung einen Dialog zwischen Gott und dem
Menschen einschließt, einen Dialog, der auf beiden Seiten durch menschliche
Worte geführt wird, die situationsbezogen, begrenzt und daher stets zu
interpretieren sind. Nicht nur das göttliche Leben offenbart sich als Überfluss,
sondern auch die Gestalt der Offenbarung selbst, die in menschlichen Worten
ausgedrückt und bald in alle Sprachen übersetzt werden kann, zeigt sich hier als
semper major.
17. Dieser Ausdruck ist jedoch nicht der einzige, der im Symbolum verwendet
wird, um die rettende Gottheit des Sohnes auszudrücken. Er findet sich
eingebettet in eine Reihe von Begriffen aus der Schrift und der Liturgie:
„wahrer Gott vom wahren Gott“, „Gott von Gott“[24]‚
und „Licht vom Licht“. Kein Begriff für sich allein kann die überreiche Fülle
der Offenbarung ausschöpfen. Der Glaube braucht die Artikulation durch
schriftgemäße, philosophische und liturgische Formulierungen, durch Begriffe,
Bilder und göttliche Namen (Vater, Sohn, Heiliger Geist), um sich auf möglichst
treffende und vollständige Weise auszudrücken. Die Ausdrucksweisen der
verschiedenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften können einander bei dieser
Wiederentdeckung gegenseitig unterstützen, da einige von ihnen den ein oder
anderen Ausdruck oder Aspekt stärker betonen: So legt die östliche Tradition den
Schwerpunkt auf das Verständnis von Christus als „Licht vom Licht“[25].
Die Vielgestalt unseres Vokabulars trägt sicherlich dazu bei, den dort
ausgedrückten Glauben in den verschiedenen Kulturen, und gemäß der forma
mentis jedes Menschen, zugänglich zu machen.
1.3 Die Einheit der Heilsgeschichte
18. Um die Bedeutung des Symbolums von Nizäa-Konstantinopel richtig zu
verstehen, muss man die Einheit des heilsgeschichtlichen Zusammenhangs, der das
Glaubensbekenntnis formt, erfassen. Denn die Zuordnung der Schöpfung oder der
„Gabe des Lebens“ zu den drei Personen unterstreicht die Einheit zwischen der
Schöpfungs- und der Heilsordnung. Die Vergöttlichung beginnt bereits mit dem
Schöpfungsakt, die Heilsgeschichte beginnt bereits mit der Schöpfung. Gegen den
Markionismus und die verschiedenen Formen des Gnostizismus ist festzuhalten,
dass es derselbe Gott ist, der erschafft und erlöst; dieselbe geschaffene
Realität, die gut ist, weil sie von Gott gewollt ist, wird in der Erlösung
wiederhergestellt. Die Gnade bringt also keinen Bruch mit sich, sondern gewährt
Vollendung, denn sie ist bereits in der Schöpfung am Werk, die auf sie hin
angelegt ist.
19. Ebenso wird die in Christus vollendete Heilsökonomie nur dann in ihrer
wahren und vollen Bedeutung dargestellt, wenn ihre Treue zur Offenbarung an das
Volk Israel betont wird, denn sonst würde der in Nizäa zum Ausdruck gebrachte
Glaube seine Legitimität und die Fülle seiner geschichtlichen Dimension
verlieren. Selbstverständlich wird die trinitarische und christologische
Dimension des Nizänischen Glaubens von der rabbinischen Tradition nicht
angenommen. Aus christlicher Sicht jedoch wird sie wesentlich als etwas
Neues verstanden, das dennoch in Kontinuität mit der Offenbarung
steht, die dem auserwählten Volk anvertraut wurde. Die Lehre von der
Dreieinigkeit ist mit Sicherheit nicht als Relativierung, sondern als Vertiefung
des Glaubens an den einen und einzigen Gott Israels zu verstehen.[26]
Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass die Hinweise auf den „einen“ Gott und
„Schöpfer des Himmels und der Erde“ ein Echo auf das Alte Testament sind, wo
Gott sich als derjenige offenbart, der aus Liebe erschafft, aus Liebe in
Beziehung tritt und dazu aufruft, dass man seine Liebe erwidert. Gott nennt
Abraham seinen „Freund“, „den er liebt“ (Jes 41,8; 2 Chr 20,7; Jak 2,23), und er
unterhält sich mit Mose „von Angesicht zu Angesicht, wie man von Mensch zu
Mensch spricht“ (Ex 33,11). Ebenso ist die Wahl des homoousios gerade
dazu angetan, den monotheistischen Charakter des christlichen Glaubens zu
schützen: In Gott gibt es keine andere Realität als die göttliche. Der Sohn und
der Geist sind nichts anderes als Gott selbst und keine Zwischenwesen zwischen
Gott und der Welt oder bloße Geschöpfe. Darüber hinaus bezeugt die Offenbarung
an Israel den Herrn als den Einen und Einzigen, der in der Geschichte der
Menschen handelnd gegenwärtig ist, sich ihr zuwendet und sich ihr mitteilt. Das
Christentum versteht die Inkarnation als die unausdenkbare Fülle des Heilsplanes
des Gottes Israels, der herabsteigt und inmitten seines Volkes wohnt,
verwirklicht in Jesus, das heißt: in der Vereinigung des Sohnes Gottes mit einer
singulären menschlichen Natur.[27]
20. Darüber hinaus vollzieht sich die Entwicklung des trinitarischen Glaubens,
wie er in Nizäa zum Ausdruck gebracht wird, nicht losgelöst vom jüdischen
Hintergrund. Das Glaubensbekenntnis ist durch eine dreifache Wiederholung
strukturiert: „Wir glauben an einen Gott, den Vater… und an einen Herrn Jesus
Christus… und an den Heiligen Geist“. Tatsächlich entwickelt der aufkommende
trinitarische Glaube der ersten Jahrhunderte die Einheit der göttlichen Namen,
Vater, Sohn und Geist, aus dem monotheistischen Glauben Israels, der zu Beginn
des Sch’ma Israel, „Der Herr, unser Gott, ist einer“ (Dtn 6,4),
ausgedrückt wird, durch eine Wiederholung dieses zentralen Gebets des Judentums,
indem das Attribut der Einheit-Einzigkeit des Einen Gottes auf den Sohn
ausgeweitet wird: „Ich glaube an einen Gott… und an einen Herrn…“.
Dies ist bereits in den neutestamentlichen Ansätzen zur Formulierung des
trinitarischen Glaubens der Fall: „Für uns gibt es nur einen Gott, den
Vater, von dem alle Dinge kommen, und wir sind durch ihn; und einen Herrn
Jesus Christus, durch den alle Dinge sind, und wir sind durch ihn“ (1 Kor 8,6;
Hervorhebung hinzugefügt). Diese „binitarischen“ Formeln existieren neben
„trinitarischen“ Formeln: „Es gibt einen Leib und einen Geist […]; es
gibt einen Herrn, einen Glauben, eine Taufe; es gibt einen Gott
und Vater aller, der über allen und mit allen und in allen ist“ (Eph 4,4–6; vgl.
auch 1 Kor 12,4–6). Offensichtlich entfaltet sich der Gehalt rasch in eine
Richtung, die vom rabbinischen Glauben nicht akzeptiert werden kann; dennoch
sind es die Fundamente und der Kern der jüdischen liturgischen Strukturen, aus
denen sich der christliche Glaube entwickelt. Darüber hinaus muss der
vielschichtige Reichtum des Monotheismus Israels hervorgehoben werden, der sich
in der hebräischen Bibel und in den Schriften aus der Zeit des Zweiten Tempels
enthüllt.[28] Es gibt die
Vorstellung von einem überfließenden Reichtum in Gott, der seiner
Einzigartigkeit und Einheit nicht widerspricht. Dies zeigt sich in der Vielheit
der Gottesbilder, wie etwa der „binitären“ Dimension, die einige Gelehrte in der
Dualität zwischen dem „Hochbetagten“ und dem, der „wie ein Menschensohn“ ist
(Dan 7,9–14), wahrnehmen.[29]
Dieser Reichtum zeigt sich ferner in den verschiedenen Gestalten Gottes bei
seinem Wirken in der Welt: der Engel des Herrn, das Wort (dābār), der
Geist (rûaḥ) und die Weisheit (ḥākmâ).[30]
Einige zeitgenössische Exegeten vertreten die These, dass es im christlichen
Glaubensbekenntnis einen ersten binitarischen Schritt gab, der das Bekenntnis zu
Jesus von Nazareth, als nach dem Tod erhöhten Kyrios mit einem wahrhaft
göttlichen Rang, ganz selbstverständlich in die Kontinuität des in der Bibel
ausgedrückten Monotheismus einordnete.[31]
Obwohl es also von größter Wichtigkeit ist, den trinitarischen Glauben nicht auf
das Alte Testament zurück zu projizieren, ist es dennoch möglich, zwischen dem
Alten und dem Neuen Testament einen, wenn auch nicht linearen,
Entwicklungsprozess wahrzunehmen, eine Form der Bündelung dieser
verschiedenen Wirklichkeiten in zwei Figuren: dem Sohn-Logos und dem Geist.
Sobald aber die Behauptung von zwei weiteren göttlichen Personen als eine dem
einen Gott extrinsische Zufügung betrachtet wird, wird die Anerkennung
des christlichen Gedankens einer intrinsischen Fruchtbarkeit des Vaters
innerhalb der einen und unteilbaren Substanz der drei gleichewigen Personen
verfehlt.
2. Die Unermesslichkeit Christi, des Erlösers, und seiner Erlösungstat
erfassen
21. Im Zentrum des zweiten Artikels des Symbolum von Nizäa-Konstantinopel steht
das Bekenntnis der Menschwerdung und der Erlösungstat des Sohnes. Nachdem wir
die Gottheit Christi, des Sohnes Gottes, bekannt haben, bekennen wir auch:
[Wir glauben an den einen Herrn Jesus Christus].
der für uns Menschen und um unseres Heiles willen vom Himmel herabgestiegen ist,
Fleisch geworden ist aus dem Heiligen Geist und der Jungfrau Maria[32] und Mensch geworden ist;
für uns unter Pontius Pilatus gekreuzigt worden ist, gelitten hat und begraben
worden ist,
am dritten Tag gemäß der Heiligen Schrift auferstanden und in den Himmel
aufgefahren ist,
sitzt zur Rechten des Vaters sitzt und wiederkommen wird in Herrlichkeit, zu
richten die Lebenden und die Toten;
Und seine Herrschaft wird kein Ende haben.
2.1 Christus in seiner ganzen Größe sehen
22. Nizäa ermöglicht uns, „Christus in seiner ganzen Größe zu sehen“[33].
Die beiden Dimensionen, die ihn zum einzigen Mittler zwischen Gott und den
Menschen machen, werden durch die Erwähnung der beiden Handelnden der
Inkarnation markiert: „Er ist Fleisch geworden aus dem Heiligen Geist und der
Jungfrau Maria“. Er ist ganz und gar Gott, der durch die Kraft des Geistes
Gottes aus einer Jungfrau hervorgeht; er ist ganz und gar Mensch, der von einer
Frau geboren wird. Er ist homoousios zum Vater, aber auch zu uns, gemäß
der späteren Doppelaussage von Chalcedon[34]
– wobei zu beachten ist, dass der Begriff homoousios keinen univoken Sinn
haben kann, wenn es das Verhältnis des fleischgewordenen Sohnes zum Vater oder
zu den Menschen bezeichnet. Das Wort, das Fleisch wird, ist das Wort Gottes
selbst, das auf einzigartige und unumkehrbare Weise eine einzelne, endliche
Menschheit annimmt. Weil Jesus personal (hypostatisch) mit dem ewigen Sohn
identisch war, konnte er, indem er den menschlichen Tod auf tragische Weise
erlitt, in lebendiger Beziehung zum Vater bleiben und die Trennung von Gott,
nämlich Sünde und Tod (vgl. Röm 6,23), in einen Zugang zu Gott verwandeln (vgl.
1 Kor 15,54–56; Joh 14,6b). Weil Jesus wahrer Mensch war – „in allem uns gleich,
außer der Sünde“ (Hebr 4,15) –, konnte er unsere Sünde annehmen und selbst durch
den Tod hindurchgehen. Diese doppelte Konsubstantialität ist die Ursache dafür,
dass nur Christus allein retten kann. Er allein kann die Erlösung bewirken.
Er allein ist die Gemeinschaft der Menschen mit dem Vater.[35]
Er allein ist der Erlöser aller Menschen zu allen Zeiten. Kein
anderer Mensch vor oder nach ihm kann es sein. Das Unerhörte der vollkommenen
Gemeinschaft zwischen Gott und dem Menschen wurde in Christus verwirklicht,
jenseits jeder Form der Verwirklichung, die sich der Mensch selbst vorstellen
kann.
23. Es ist nicht zu übersehen, wie schwierig es heute ist, an die volle Gottheit
und die volle Menschheit Christi zu glauben. In der gesamten Geschichte des
Christentums und auch heute noch gibt es echten Widerstand gegen die Anerkennung
der vollen Gottheit Christi. Jesus kann leichter als spiritueller Meister und
Wegweiser oder als politischer Messias betrachtet werden, der
Gerechtigkeit predigt, während er doch in seiner Menschheit seine ewige
Beziehung zum Vater lebt. Es gibt aber auch eine große Schwierigkeit, das volle
Menschsein Christi anzuerkennen, der Müdigkeit (Joh 4,6), Gefühle der
Traurigkeit und Verlassenheit (Joh 11,35; Gethsemane) und sogar Zorn (Joh
2,14–17) empfinden kann, und der auf geheimnisvolle, aber reale Weise bestimmte
Dinge nicht weiß („Nur der Vater kennt die Stunde…“, Mt 24,36). Der ewige Sohn
hat sich dafür entschieden, alles, was er auf Grund der Unendlichkeit der
göttlichen Natur ist, die nach wie vor besteht, in der Endlichkeit seiner
menschlichen Natur und durch sie hindurch zu leben.
24. Auch wenn derjenige Teil des Glaubensbekenntnisses, der sich mit der zweiten
Person befasst, am ausführlichsten ist, sollte man dennoch beachten, dass die
christologische Perspektive, wie sie im Glauben von Nizäa enthalten ist,
notwendigerweise trinitarisch ist. Christus ist semper major, gerade weil
dort, wo er ist, immer mehr als er ist: Der Vater bleibt der Vater, der „Heilige
Israels“. Gewiss, „wer [Christus] gesehen hat, hat den Vater gesehen“
(Joh 14,9), aber, wie Jesus sagt, „der Vater ist größer als [er]“ (Joh 14,28).
Arius selbst hatte dies gut erkannt, als er das Evangelium zitierte: „Nur einer
ist gut“ (Mt 19,17)[36]. Ferner
kann Christus nicht ohne den Vater und den Heiligen Geist verstanden werden:
Bevor er als Gottmensch und Bräutigam gedacht wird, wird er im Neuen Testament
als Sohn des Vaters und Gesalbter durch den Geist dargestellt. Entsprechend
rettet er die Menschen nicht ohne den Vater, der die Quelle und das Ziel aller
Dinge ist – denn er ist als Sohn eins mit dem Vater. Er rettet die Menschen
nicht ohne den Geist, der die Menschen „Abba, Vater“ (Röm 8,15) rufen lässt und
dessen inneres Wirken es ermöglicht, dass der Mensch verwandelt wird und aktiv
in die Bewegung eintritt, die ihn zum Vater führt.
2.2 Die Unermesslichkeit des Heilshandelns: Verwurzelung in der Geschichte
25. Die Größe des Erlösers offenbart sich auch in der überreichen Fülle des
göttlichen Heilsplanes. Nizäa bringt den Realismus des Erlösungswerkes ins Wort.
In Christus rettet uns Gott, indem er in die Geschichte eintritt. Er schickt
keinen Engel oder einen menschlichen Helden, sondern tritt selbst in die
Geschichte der Menschen ein, indem er von einer Frau, Maria, im jüdischen Volk
geboren wird („von einer Frau geboren, unter dem Gesetz geboren“, Gal 4,4) und
in einer bestimmten historischen Periode stirbt, „unter Pontius Pilatus“ (vgl. 1
Tim 6,13; vgl. auch Apg 3,13)[37].
Wenn Gott selbst in die Geschichte eingetreten ist, ist die Heilsgeschichte der
Ort seiner Offenbarung: In der Geschichte offenbart Christus authentisch den
Vater und den Geist und verschafft vollen Zugang zum Vater im Geist. Weil Gott
in die Geschichte eintritt, handelt es sich zudem nicht nur um eine Lehre, die
in die Praxis umgesetzt werden muss, wie im Markionismus oder der „fälschlich so
bezeichneten“ Gnosis, sondern um ein tatsächliches Handeln Gottes. Die
Heilsgeschichte wird der Ort sein, an dem Gottes Erlösungswerk stattfindet. Wir
bekennen, dass ein historisches Ereignis die Situation aller Menschen radikal
verändert hat. Wir bekennen, dass die transzendente Wahrheit sich in die
Geschichte eingeschrieben hat und in ihr wirkt. Deshalb kann die Botschaft Jesu
nicht von seiner Person getrennt werden: Er ist für alle „der Weg, die
Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6), und nicht ein Weisheitslehrer unter vielen.
26. Trotz seiner Betonung der Geschichte wird ein Großteil des Inhalts des Alten
Testaments und insbesondere die Erwählung und Geschichte Israels im
Glaubensbekenntnis weder explizit erwähnt noch angesprochen. Natürlich hat ein
Glaubensbekenntnis nicht den Anspruch, erschöpfend zu sein. Es ist jedoch
hervorzuheben, dass dieses Schweigen keineswegs bedeutet, dass die Erwählung des
Volkes des Alten Bundes hinfällig sei.[38]
Was die Hebräische Bibel offenbart, ist nicht nur eine Vorbereitung, sondern
bereits die Heilsgeschichte, die in Christus fortgesetzt und vollendet wird:
„Die Kirche Christi anerkennt nämlich, dass sich nach dem Heilsmysterium Gottes
die Anfänge (initia) ihre Glaubens und ihrer Erwählung schon bei den
Patriarchen, bei Mose und den Propheten finden.“[39]
Der Gott Jesu Christi ist der „Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs“, er ist der
„Gott Israels“. Außerdem betont das Symbolum diskret die Kontinuität zwischen
dem jüdischen Volk und dem Volk des Neuen Bundes durch die Nennung der „Jungfrau
Maria“, wodurch der Messias in den Rahmen einer jüdischen Familie und einer
jüdischen Genealogie gestellt wird und auch der alttestamentarische Text (Jes
7,14 LXX) widerhallt. Dies schlägt eine Brücke zwischen den Verheißungen des
Alten und des Neuen Testaments, wie es auch der Ausdruck „er ist am dritten Tag
auferstanden nach der Schrift“ im weiteren Verlauf des Artikels tun wird, wobei
mit „Schrift“ das Alte Testament gemeint ist (vgl. 1 Kor 15,4). Die Kontinuität
zwischen dem Alten und dem Neuen Testament wird erneut deutlich, wenn es im
Artikel über den Geist heißt, dass er „durch die Propheten geredet hat“, was
vielleicht eine antimarkionitische Stoßrichtung aufweist.[40]
Wie dem auch sei, dieses aus der Liturgie entstandene Symbolum kann nur dann in
seiner Bedeutung vollständig verstanden werden, wenn es in der Liturgie
verkündet und mit der Lektüre der gesamten Heiligen Schrift – Altes Testament
und Neues Testament – in Verbindung gebracht wird. Dadurch wird der christliche
Glaube in den Rahmen der Heilsökonomie gestellt, die das auserwählte Volk und
seine Geschichte auf genuine und strukturelle Weise einschließt.
2.3 Die Größe des Heilshandelns: das Mysterium paschale
27. Der Realismus und die trinitarische Dimension des Heils in Christus finden
ihren Höhepunkt im Mysterium paschale. Der Sohn, das Licht Gottes und
wahrer Gott, wird Fleisch, leidet, stirbt, steigt in die Scheol hinab und
ersteht von den Toten auf. Auch hier handelt es sich um eine unausdenkbare
Neuheit. Die Schwierigkeit des Arius bezog sich nicht nur auf die Einheit
Gottes, die mit der Zeugung eines Sohnes unvereinbar sei, sondern auch auf das
Verständnis seiner Gottheit, das mit dem Leiden Christi unvereinbar sei. Doch
gerade in Christus und nur in Christus verstehen wir, wozu Gott selbst fähig
ist, jenseits aller Grenzen unserer vorgefassten Vorstellungen. Es geht darum,
den Schrei Jesu als den in Blutschweiß und Angst geäußerten Schrei des Sohnes
Gottes ernst zu nehmen: „Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir
vorüber.“ (Mt 26,39b). Das Wort homoousios selbst hilft, das Unerhörte
der Kenosis der Inkarnation zu realisieren: Nur das Bekenntnis zum Sohn, der dem
Vater „wesensgleich“ ist, lässt die Radikalität und Tiefe dessen erkennen, wozu
derselbe Sohn durch die Annahme des menschlichen Daseins seine Zustimmung
gegeben hat. In einem gewissen Sinne könnte man sagen, dass der Sohn, semper
major, wahrhaft minor wird, und dass der Allerhöchste in Jesus
Christus in die tiefste Tiefe herabsteigt (vgl. Phil 2,5–11). Obwohl also nur
Christus geboren wird, die Passion erleidet und stirbt, können wir sagen, dass „unus
de Trinitate passus est“[41].
Die gesamte Dreifaltigkeit ist – jede Person auf einzigartige Weise – in das
erlösende Leiden Christi involviert. Auf diese Weise offenbart uns die Passion
die wahrhaft göttliche Bedeutung der „Allmacht“. Die Allmacht des dreieinigen
Gottes ist identisch mit Selbsthingabe und Liebe. Der gekreuzigte Erlöser ist
daher nicht die Verhüllung, sondern die Offenbarung der Allmacht des Vaters.
28. Die Fülle der Erlösungstat Christi zeigt sich vollständig erst mit seiner
Auferstehung, der Vollendung des Heils, in der alle Aspekte der neuen Schöpfung
bestätigt werden. Die Auferstehung bezeugt die volle Gottheit Christi, die
allein in der Lage ist, den Tod zu durchschreiten und zu besiegen, bezeugt aber
auch seine Menschheit, denn es ist dieselbe, numerisch mit der seines irdischen
Lebens identische Menschheit, die verklärt und verherrlicht wird. Es handelt
sich hierbei nicht um ein Symbol oder eine Metapher: Christus ist in seiner
Menschheit und seinem Leib auferstanden. Die Auferstehung transzendiert die
Geschichte, ist aber mitten in der Geschichte der Menschen und dieses Menschen
Jesus geschehen. Darüber hinaus ist sie zutiefst trinitarisch: Der Vater ist
ihre Quelle, der Geist ist ihr lebensspendender Atem und der verherrlichte
Christus lebt – immer noch in seiner Menschheit – inmitten der göttlichen
Herrlichkeit und in unwandelbarer Gemeinschaft mit dem Vater und dem Geist.
Beachten wir, dass es die Auferstehung Christi ist, des „Erstgeborenen von den
Toten“ (Kol 1,18; vgl. Röm 8,29), welche die ewige Zeugung des Sohnes, des
„Erstgeborenen aller Geschöpfe“ (Kol 1,15), offenbart. Somit sind Vaterschaft
und Sohnschaft in Gott nicht zunächst Ausweitungen menschlicher Modelle, auch
wenn sie in kulturell geprägten menschlichen Worten ausgedrückt werden, sondern
sie sind Realitäten sui generis des göttlichen Lebens.
29. Das Glaubensbekenntnis betont, dass die Auferstehung Jesu Christi sich bis
zum Ende der Zeiten ausdehnt, wenn Christus „in Herrlichkeit wiederkommen wird,
um die Lebenden und die Toten zu richten; und sein Reich wird kein Ende haben“.
Mit der Auferstehung ist der Sieg endgültig errungen, doch muss er sich in der
Parusie erst vollständig verwirklichen. Die christliche Hoffnung ist umfassend:
Sie stützt sich nicht nur auf das Ephapax des Leidens und der
Auferstehung oder auf das gegenwärtige Geschenk der Gnade, sondern auch auf die
Zukunft der glorreichen Wiederkunft Christi und das glorreiche Kommen
seines Reiches. Es sei angemerkt, dass dieser Aspekt des Nizänischen Glaubens
besser verstanden wird und größere Kraft erhält, wenn auch er in einem Kontext
gelesen wird, in dem die Kirche dem Alten Testament und dem Glauben des heutigen
jüdischen Volkes zuhört. Die Messias-Erwartung des Volkes Israel wirft ein
Schlaglicht auf das Ganze der messianischen Verheißungen von Frieden auf der
ganzen Erde und Gerechtigkeit für alle in einer völlig erneuerten Welt (Jes 2,4;
61,1–2; Mi 4,1–3), worauf die Christen mit der Parusie warten. Dies kann und
soll die christliche Hoffnung auf die Rückkehr des Auferstandenen wecken, denn
erst dann wird sein Erlösungswerk voll sichtbar sein.[42]
3. Die Unermesslichkeit des dem Menschen angebotenen Heils und die
Unermesslichkeit unserer menschlichen Berufung erfassen
30. Nizäa zu feiern bedeutet nicht nur, über die überreiche Fülle Gottes und
Christi, des Erlösers, zu staunen, sondern auch über die überreiche Größe des
Geschenks, das den Menschen hier angeboten wird, und der menschlichen Berufung,
die darin enthüllt wird. Das Geheimnis Gottes in seiner Unermesslichkeit ist
Offenbarung der Wahrheit über den Menschen, der ebenfalls semper major
ist. Hier gilt es, die soteriologischen und anthropologischen Implikationen der
trinitarischen und christologischen Aussagen des Nizäa-Symbolums auszufalten,
aber auch die am Ende des dritten Artikels über den Heiligen Geist enthaltene
Lehre zu berücksichtigen, welche die Kirche und die Erlösung als
Glaubensgegenstand vorstellt:
[Wir glauben] die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche.
Wir bekennen die eine Taufe zur Vergebung der Sünden;
Wir erwarten die Auferstehung der Toten und das Leben der kommenden Welt. Amen.
3.1 Die Größe der Erlösung: Eintritt in das Leben Gottes
31. Weil Christus uns rettet, bekennt der Nizänische Glaube die „Vergebung der
Sünden“ und die „Auferstehung von den Toten“. Das Glaubensbekenntnis erwähnt die
Sünde, weil wir wissen müssen, von welchem Übel wir erlöst sind. Im strengen
theologischen Sinn ist Sünde nicht nur das Laster oder die Schuld, welche die
Absicht des Schöpfers im Geschöpf beleidigt (vgl. Röm 2,14–15), sondern sie ist
auch ein bewusster Bruch mit Gott innerhalb einer von ihm gestifteten Beziehung
zu ihm. In diesem vollen Sinn wird sich der Sünder seiner Sünde im Licht der
barmherzigen Liebe Gottes bewusst: Die Sünde muss durch das Werk der Gnade
selbst „aufgedeckt“ werden, so dass diese die Herzen bekehren kann.[43]
Somit ist die Offenbarung der Sünde der erste Schritt der Erlösung und muss als
solcher bekannt werden.
32. Mit der ungeheuerlichen Behauptung der Auferstehung der Toten bekennt der
Glaube von Nizäa, dass die Erlösung vollständig und umfassend ist. Der Mensch
wird von allem Bösen befreit, einschließlich des „letzten Feindes“, der von
Christus vernichtet werden muss, damit alles Gott unterworfen ist (vgl. 1 Kor
15,25–26). Der Glaube an die Auferstehung beinhaltet nicht einfach das
Weiterleben der Seele, sondern den Sieg über den Tod.[44]
Darüber hinaus wird nicht nur des Menschen Seele, sondern der ganze Mensch in
seiner Leiblichkeit gerettet. Nichts, was die Identität und das Menschsein des
Menschen ausmacht, bleibt außerhalb der neuen Schöpfung, die Christus schenkt.
Dieses Geschenk wird schließlich für immer zueigen werden, denn es entfaltet
sich im „Leben der zukünftigen Welt“, dem voll verwirklichten eschăton.
Seit Ostern hat keine Sünde mehr die Macht, den Sünder von Gott zu trennen –
zumindest wenn er die Hand des gekreuzigten Auferstandenen ergreift, der sich
bis in die tiefsten Tiefen des Abgrunds ausstreckt, um die verlorenen Schafe zu
beschenken: „Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Herrschaften, weder
Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Mächte noch Gewalten, weder Gewalten der
Höhe noch der Tiefe noch irgendeine andere Kreatur – nichts kann uns scheiden
von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus, unserem Herrn, offenbart ist“ (Röm
8,38–39).
33. Weil Christus uns als wahrer Gott rettet, bedeutet die Auferstehung für uns
den Eintritt in das göttliche Leben, eine wahre Vermenschlichung und
Vergöttlichung zugleich, wie es Jesu Auslegung von Psalm 81,6 in Johannes 10,14
bezeugt: „Ihr seid Götter“[45]. Und
weil er uns als Sohn rettet, der vom Vater gezeugt ist, ist diese Vergöttlichung
Adoptivkindschaft und Gleichgestaltung mit Christus; sie ist der Eintritt in die
Liebe des Vaters durch den Heiligen Geist. Wir werden von derselben Liebe
geliebt und erneuert, mit der der Vater den Sohn ewiglich liebt und zeugt. Dies
ist die soteriologische Implikation der Vaterschaft Gottes, die von Nizäa
bezeugt wurde. Und schließlich, weil Christus uns als Sohn zusammen mit dem
Vater und dem Heiligen Geist erlöst, ist diese Sohnschaft ein echtes Eintauchen
in die trinitarischen Beziehungen. Deshalb entsteht das Glaubensbekenntnis aus
dem trinitarischen Taufbekenntnis und die Taufe wird „im Namen des Vaters und
des Sohnes und des Heiligen Geistes“ vollzogen. Die Unermesslichkeit des so
geoffenbarten Geschenks wird im Geheimnis der Himmelfahrt Christi zum Ausdruck
gebracht: „Er ist in den Himmel aufgefahren“, wodurch deutlich wird, dass
Christus selbst „unser Himmel“ ist.[46]
Der erhöhte Sohn wird die verheißene Gabe Gottes, den Geist von Pfingsten,
senden. Keine eingeschränktere Sicht der Erlösung wäre wirklich christlich.
3.2 Die Unermesslichkeit der menschlichen Berufung zur göttlichen Liebe
34. All das oben Gesagte kann nicht ohne Auswirkungen auf das christliche
Verständnis des menschlichen Wesens bleiben. Auch der Mensch wird in der
überreichen Größe seiner Berufung als homo semper major offenbar. Das
Nizäa-Symbolum enthält keinen anthropologischen Artikel im engeren Sinne, jedoch
könnte der Mensch in seiner Berufung zur göttlichen Sohnschaft in Jesus als
Gegenstand des Glaubens bezeichnet werden. Gemäß der Heiligen Schrift wird
seine wahre Identität durch das Geheimnis Christi und das Geheimnis der Erlösung
als Geheimnis im engeren Sinne offenbart, das dem Geheimnis Gottes und
Christi analog ist, auch wenn diese es unvergleichlich übersteigen.
35. Dieses große Geheimnis ist zunächst mit dem des dreieinigen Gottes und
Christi verbunden. Die Offenbarung der Vaterschaft Gottes ist die Offenbarung
des Geheimnisses der Vaterschaft überhaupt: „Ich beuge meine Knie vor dem Vater,
von dem alle Vaterschaft im Himmel und auf Erden ihren Namen hat“ (Eph 3,14).
Die Offenbarung des eingeborenen Sohnes, insbesondere bei Johannes, ist die
Manifestation der Sohnschaft im eigentlichen Sinne, die sich ontologisch aus der
Ersten Zeugung ergibt und zum Geheimnis der Dreifaltigkeit selbst gehört. In
einer Art Umkehrung des Verständnisses erleuchten und reinigen die trinitarische
Vaterschaft und Sohnschaft die kulturell geprägten und von der Sünde
gezeichneten menschlichen Relationen von Vaterschaft, Mutterschaft, Sohnschaft
und Bruderschaft. Die göttliche Vaterschaft zeigt zunächst, dass die Sohnschaft
das tiefste Merkmal des Menschen ist: Der Mensch ist sich selbst als ein
Geschenk von Gott, dem Vater, gegeben, und er ist dazu berufen, sich von Gott
und in Gott von den anderen und der ihn umgebenden geschaffenen Welt zu
empfangen, um immer mehr er selbst zu werden. Aus diesem Grund werden seine
Identität und seine Berufung besonders in Christus, dem fleischgewordenen Sohn,
dem „vollkommenen Menschen“ offenbart, der „eben in der Offenbarung des
Mysteriums des Vaters und seiner Liebe dem Menschen selbst den Menschen voll
kund [macht] und […] ihm seine höchste Berufung [erschließt]“[47].
Andererseits sind die Menschen auch dazu berufen, am Geheimnis der Vaterschaft
teilzuhaben, indem sie leibliche und geistliche Väter und Mütter sind. Nach dem
Vorbild der göttlichen Vaterschaft beinhaltet die menschliche Vater- und
Mutterschaft Selbsthingabe, völlige Gleichheit zwischen Eltern und Kindern,
zwischen Gebenden und Empfangenden, aber auch Unterschiedlichkeit und Ordnung
(„taxis“) unter ihnen. Und schließlich gibt es keine wirklich
christliche Anthropologie, die nicht pneumatologisch ist. Nur der Geist, „der
lebendig macht“, vermenschlicht den Menschen vollständig, macht ihn zu Sohn und
Tochter, Vater und Mutter. Analog kann man zweifellos von einer Form der
Co-Spiration durch den Heiligen Geist oder der gemeinsamen Inspiration
sprechen,[48] denn unsere Werke und
Worte sind fruchtbar in dem Maße, in dem sie mit dem Heiligen Geist mitwirken,
der durch sie tröstet, aufrichtet und führt. Daher müssen die Wahrheit und die
Bedeutung der menschlichen Vaterschaft, Sohnschaft und Fruchtbarkeit offenbart
werden, denn sie sind nicht nur natürliche oder kulturelle Gegebenheiten,
sondern eine Teilhabe an der Seinsweise des dreieinigen Gottes. Sie können ohne
die Offenbarung nicht in ihrer Tiefe verstanden und ebenso wenig ohne die Gnade
ausgeübt werden. Auch dies ist eine gute Nachricht, die es heute im Licht von
Nizäa wiederzuentdecken gilt.
36. In gewissem Sinne kann das homoousios selbst eine anthropologische
Bedeutung haben. Ein Mensch hat den Zugang zu Gott ermöglicht. Wohlgemerkt sagt
Christus auf einzigartige und ihm allein eigene Weise: „Wer mich sieht, sieht
den Vater“ (Joh 14,9), aufgrund des Geheimnisses der hypostatischen Vereinigung.
Doch diese einzigartige Vereinigung in ihm steht im Einklang mit dem Geheimnis
des Menschen, der „nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen“ (Gen 1,27)
ist. In diesem Sinne spiegelt wirklich jedes menschliche Wesen Gott wider, macht
Gott bekannt und ermöglicht den Zugang zu ihm. Papst Paul VI. drückte dieses
Paradoxon aus, indem er einerseits betonte, dass man „um den Menschen zu kennen,
den wahren Menschen, den ganzen Menschen, […] Gott kennen [muss]“, andererseits
aber auch, dass man, „um Gott zu kennen, […] den Menschen kennen [muss]“[49].
Diese Aussagen sind wörtlich zu nehmen: Nicht nur spiegelt jeder Mensch das Bild
Gottes wider, sondern es ist auch nicht möglich, Gott zu erkennen, ohne durch
den Menschen hindurchzugehen. Darüber hinaus wird die Kirche, wie wir oben (§
22) gesehen haben, auf den Ausdruck homoousios zurückgreifen, um die mit
allen Menschen gemeinsame Natur Christi als wahrer Mensch, „geboren von einer
Frau“ (Gal 4,4), der Jungfrau Maria, auszudrücken.[50]
Die beiden Seiten dieser doppelten „Konsubstantialität“ des menschgewordenen
Sohnes verstärken sich gegenseitig, um auf tiefe, wirksame Weise die
Brüderlichkeit aller Menschen zu begründen. Wir sind in gewissem Sinne Brüder
und Schwestern Christi gemäß der Einheit der gleichen menschlichen Natur: „So
musste er denn in allem seinen Brüdern gleich werden“ (Hebr 2,17; vgl. 2,11–12).
Es ist diese Verbindung in der Menschheit, die es Christus, der dem Vater
wesensgleich ist, ermöglicht, uns in seine Sohnschaft mit dem Vater
hineinzuziehen und uns in einem neuen, radikalen und unzerstörbaren Sinn zu
Kindern Gottes, seinen eigenen Brüdern und Schwestern und damit zu Brüdern und
Schwestern untereinander zu machen.
37. Das Geheimnis des Menschen in seiner großen Würde leuchtet auch in der
eschatologischen Dimension des Nizänischen Symbolums auf. Der Glaube an die
„Auferstehung der Toten“, auch „Auferstehung des Fleisches“[51]
genannt, bekräftigt die Schönheit des Leibes und die Schönheit dessen, was in
der Welt durch den Leib gelebt wird, trotz der menschlichen Zerbrechlichkeit und
Begrenztheit. Er bekräftigt den Wert dieses konkreten persönlichen Leibes, der
auferweckt, verklärt, aber numerisch identisch bleiben wird.[52]
Damit erhebt er eine ethische Forderung: Wenn die Akte wahrer Liebe, die in
diesem Leben im und durch den Leib gesetzt werden, gewissermaßen die ersten
Schritte des auferstandenen Lebens sind, dann bedeutet, den Leib zu achten,
alles, was ihn betrifft, mit Rechtschaffenheit und Reinheit zu leben. Wir
möchten hier anmerken, dass Christologien, die nicht von der vollen Menschheit
Christi ausgehen, die Gefahr bergen, dass die Erlösung als Flucht aus dem Körper
und der Welt verstanden wird und nicht als volle Verwirklichung des Menschen.
Diese Verankerung in der Welt und im Leib, die gut geschaffen und durch die neue
Schöpfung vollendet werden, ist jedoch eines der Kennzeichen des Christentums.
Hier finden wir die tiefe Verbindung zwischen Schöpfung und Erlösung wieder:
Alle menschlichen Züge Jesu, die von Maria, seiner Mutter, empfangen wurden,
sind eine frohe Botschaft und laden jeden Menschen dazu ein, das, was sein
eigenes konkretes Menschsein ausmacht, als frohe Botschaft zu betrachten.
38. Darüber hinaus bezeugt die Hoffnung auf die Auferstehung, wie auch die
Hoffnung auf das „ewige Leben der zukünftigen Welt“, den immensen Wert der
individuellen Person, die nicht zum Verschwinden im Nichts oder im All berufen
ist, sondern zu einer ewigen Beziehung mit jenem Gott, der jeden vor Grundlegung
der Welt erwählt hat (vgl. Eph 1,4). Schon die Erwählung Abrahams, Isaaks und
Jakobs und der unwiderrufliche Bund mit dem Volk Israel offenbaren den Bund, den
Gott mit allen Völkern und jedem Menschen in unzerstörbarer Treue schließen
will. Ebenso bestätigt, begründet und vollendet die Inkarnation des ewigen
Sohnes in einem singulären menschlichen Wesen die unverlierbare Würde der Person
als Bruder und Schwester Jesu Christi.
39. Unsere Welt hat heute ein gewaltiges Bedürfnis, diese Aspekte des
Geheimnisses des Menschen wiederzuentdecken, die ihn in seiner Größe vor Augen
führen, ohne sein Elend zu ignorieren: „Der Mensch übersteigt den Menschen
unendlich“, sagte Blaise Pascal.[53]
Diese christliche Überzeugung widersetzt sich allen Formen des anthropologischen
Reduktionismus. Der Glaube an die Vaterschaft, die Sohnschaft und die fruchtbare
(„pneumatische“) Inspiration der menschlichen Person begründet und leitet jede
authentische Vorstellung von der Autonomie, Freiheit und Kreativität des
Menschen. Diese haben ihren Ursprung in Gott, dem Vater, dem Sohn und dem
Heiligen Geist, für den Allmacht, Weisheit und Liebe in der Selbsthingabe eins
sind. Umgekehrt wird der Verlust des Glaubens an die Auferstehung und das ewige
Leben dazu führen, dem Körper und dem heiligen Wert eines jeden Individuums in
seiner Einzigartigkeit und Transzendenz den ihm gebührenden Platz zu verweigern.
Der Schöpfer hat uns jedoch seine Absichten offenbart: „Du hast ihn nur wenig
geringer gewollt als Gott und ihn mit Ruhm und Ehre gekrönt“ (Ps 8,6).
3.3 Die Schönheit des Geschenks der Kirche und der Taufe
40. Die verschiedenen Fäden, die bisher gesponnen wurden, verknüpfen sich in den
ekklesiologischen und sakramentalen Aussagen des Glaubensbekenntnisses. Der
Glaube von Nizäa bedeutet auch, „die eine, heilige, katholische und
apostolische“ Kirche und die Taufe „zur Vergebung der Sünden“ zu glauben. Die
Kirche und die Taufe sind als Geschenke zu feiern, die ebenfalls semper
majora sind. Da sie die überreiche Fülle all dessen, was im Rest des
Symbolums dargelegt wird, bestätigen und manifestieren, sind sie paradoxe
Gegenstände des Glaubens: Es gilt, in ihnen weit mehr zu erkennen als das, was
man sehen kann. Die Kirche ist eine jenseits ihrer sichtbaren Spaltungen,
heilig jenseits der Sünden ihrer Glieder und der Fehler, die von ihren
institutionellen Strukturen verursacht wurden, katholisch und
apostolisch jenseits der identitären oder kulturellen Rückzugsorte und der
quälenden Turbulenzen in Bezug auf Lehre und Ethik, die sie ständig umtreiben.
In diesem Sinne ist sowohl der ekklesiologische „Monophysitismus“ als auch der
ekklesiologische „Arianismus“ zu vermeiden: Ersterer unterschätzt die
menschliche Dimension der Kirche oder blendet sie sogar aus, während letzterer
die göttliche Dimension der Kirche zugunsten einer rein soziologischen und
funktionalen Sichtweise unterschlägt. Ähnlich versteht man im Glauben die Taufe
als Quelle des neuen Lebens und als Reinigung von der Sünde, die über das
hinausgeht, was im unvollkommenen und manchmal gottfernen Leben der Getauften
selbst sichtbar ist. Sie entfaltet und überhöht die unantastbare Würde eines
jeden Menschen, indem sie ihn Christus, dem Priester, Propheten und König,
gleichgestaltet.
41. Die Kirche zu „glauben“ und eine einzige Taufe zu „bekennen“, bedeutet, eine
Gabe des Glaubens zu empfangen, die es ermöglicht, mitten in ihrer menschlichen
und zerbrechlichen Dimension die handelnde und heiligmachende Gegenwart des
Heiligen Geistes zu erkennen. Der Geist macht die Kirche eins, heilig,
katholisch und apostolisch und verleiht der Taufe ihre Wirksamkeit. Die Kirche
und die Taufe zu „glauben“ bedeutet auch, in ihr und durch sie das Heilswirken
Christi wahrzunehmen. So wie Christus das Grund-Sakrament Gottes ist, seine
reale und handelnde Gegenwart im realen Symbol seiner Menschheit, so ist die
Kirche das „allgemeine Sakrament des Heiles“[54].
Nicht zuletzt bedeutet, „die Kirche“ und „die Taufe zu glauben“, dass man in ihr
die Gegenwart des dreifaltigen Gottes erkennt. Die Kirche ist semper major,
weil sie ihre Quelle und ihr Fundament im dreieinigen Gott hat und in ihr der
Vater, der menschgewordene Sohn und der Geist leben. In ihr wird der Glaube von
Nizäa verkündet und gefeiert – durch die Taufe und die anderen Sakramente:
„Herrlichkeit dir, Vater und Sohn mit dem Heiligen Geist in der heiligen Kirche“[55].
42. An der Schnittstelle zwischen Soteriologie und Anthropologie bestätigt und
entfaltet der Glaube an die Kirche und das Bekenntnis zu einer einzigen Taufe
die Unermesslichkeit des Heils und des Geheimnisses des menschlichen Seins. Das
Heil ist kein bloß individuelles, sondern ein gemeinschaftliches und
übernatürliches Geschehen, empfangen durch die Mitwirkung anderer Menschen, die
unsere Nächsten sind, und eine geistliche Frucht hervorbringend für andere, die
ebenfalls unsere Nächsten sind.[56]
Dies wirft ein Licht auf die Natur des Menschen, der keine isolierte Monade ist,
sondern ein soziales Wesen, das in eine Familie, eine Nation, eine
Glaubensgemeinschaft und in die gesamte Menschheit eingebunden ist.[57]
Folglich impliziert der Glaube an die Kirche und die Taufe, dass die Erlösung in
sichtbare Handlungen und Strukturen eingebettet ist, die mit der leiblichen
Dimension des Individuums und des sozialen Gefüges verbunden sind und sich in
der Geschichte entfalten. Diese sind der Ort des lebensspendenden und
inspirierenden Geistes, der innerhalb ihrer Grenzen und darüber hinaus wirkt, um
jedes menschliche Wesen zu erreichen. Indem die Kirche die Verbindung zwischen
dem Einzelnen und dem Ganzen, der Leiblichkeit und der Einbettung in die
Geschichte bezeugt, fügt sie sich in das Werk Christi ein, der „dem Menschen
selbst den Menschen voll kund [macht]“[58].
In besonderer Weise, als „Sakrament der Einheit“[59],
ist die Kirche, die sich zum Glauben von Nizäa bekennt, Zeichen und Werkzeug der
Einheit all dieser Aspekte des Menschlichen und der gesamten Menschheit: Die
christliche Sicht des Menschen sprengt die Enge aller Reduktionismen, die
entweder die Gemeinschaft zugunsten des Individuums oder das Individuum
zugunsten des Kollektivs ablehnen und nicht auf die Einheit hinstreben.
4. Gemeinsam die unermessliche Größe des Heils feiern: die ökumenische
Bedeutung des Glaubens von Nizäa und die Hoffnung auf ein gemeinsames Osterdatum
43. Der Glaube von Nizäa ist, in seiner Schönheit und Größe, der gemeinsame
Glaube aller Christen. Alle sind im Bekenntnis des Symbolums von
Nizäa-Konstantinopel vereint, auch wenn nicht alle dem Konzil und seinen
Entscheidungen den gleichen Rang einräumen. Das Jahr 2025 ist daher eine
einzigartige Gelegenheit, um zu betonen, dass das, was wir gemeinsam haben,
quantitativ und qualitativ viel stärker ist als das, was uns trennt: Gemeinsam
glauben wir an den dreieinigen Gott, an Christus, der wahrer Mensch und wahrer
Gott ist, an das Heil in Jesus Christus, gemäß der Schrift, die in der Kirche
und unter der Führung des Heiligen Geistes gelesen wird. Gemeinsam bekennen wir
uns zur Kirche, zur Taufe, zur Auferstehung der Toten und zum ewigen Leben. Das
Konzil von Nizäa wird von den Kirchen des Ostens ganz besonders ehrfürchtig
betrachtet, nicht einfach als ein Konzil unter vielen oder das erste in einer
Reihe, sondern als das Konzil schlechthin, welches das Glaubensbekenntnis
der „318 orthodoxen Väter“ verkündete.
44. Folglich ist das Jahr 2025 eine Gelegenheit für alle Christen, diesen
Glauben und das Konzil, auf dem er zum Ausdruck gebracht wurde, gemeinsam zu
feiern. Die theologische Ökumene konzentriert ihre Aufmerksamkeit und ihre
Bemühungen legitimerweise auf die ungelösten Knoten unserer Unterschiede, aber
es ist zweifellos ebenso fruchtbar, wenn nicht sogar noch fruchtbarer,
gemeinsam zu feiern, um auf die Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft
unter allen Christen hinzuarbeiten, damit die Welt glauben kann. Wir haben
bereits erklärt, wie die unterschiedliche Gewichtung innerhalb der einzelnen
christlichen Traditionen den Reichtum des Glaubensbekenntnisses zur Geltung
bringt (vgl. oben § 17). Die gemeinsame Feier von Nizäa kann ein ökumenischer
Weg der gegenseitigen Bereicherung sein, der zu einem besseren Verständnis des
Geheimnisses, einer tieferen Gemeinschaft zwischen den kirchlichen Traditionen
und einer stärkeren Bindung an das gemeinsame Bekenntnis des christlichen
Glaubens führen wird.
45. Eines der Ziele von Nizäa war es, ein gemeinsames Datum für Ostern
festzulegen, um die Einheit der Kirche in der gesamten Oikoumenē zum
Ausdruck zu bringen. Leider gibt es bis heute kein gemeinsames Datum, auf das
man sich einmütig verständigt hätte. Die Uneinigkeit der Christen über das
wichtigste Fest in ihrem Kalender richtet innerhalb der Gemeinden pastoralen
Schaden an, bis hin zur Spaltung von Familien, und ruft bei Nichtchristen
Ärgernis hervor, wodurch das Zeugnis für das Evangelium beeinträchtigt wird. Aus
diesem Grund haben Papst Franziskus, der Ökumenische Patriarch Bartholomäus und
andere Kirchenoberhäupter wiederholt ein gemeinsames Datum für die Feier von
Ostern gefordert. Im Jahr 2025 fällt Ostern für den Osten und den Westen
zufällig auf das gleiche Datum. Wäre dies nicht eine providentielle Gelegenheit,
die es zu ergreifen gilt, um das Leiden und die Auferstehung Christi, das „Fest
der Feste“ (byzantinisches Morgenlob am Osterfest), zukünftig an einem
gemeinsamen Tag in allen christlichen Gemeinschaften zu feiern? Es gibt eine
Reihe recht realistischer Vorschläge für ein ungeteiltes Datum. In dieser Frage
bleibt die katholische Kirche offen für den Dialog und für eine ökumenische
Lösung. Bereits im Anhang der Konstitution Sacrosanctum Concilium hatte
das Zweite Vatikanische Konzil nichts gegen die Einführung eines neuen Kalenders
einzuwenden und betonte, dass dies unter der Bedingung geschehen müsse, dass
„diejenigen, die es angeht, besonders die von der Gemeinschaft mit dem
Apostolischen Stuhl getrennten Brüder, zustimmen“[60].
Beachten wir die Bedeutung, die die östliche Welt den Elementen beimisst, die in
der Nachgeschichte von Nizäa zur Bestimmung des Osterdatums aufgestellt wurden[61]:
Ostern soll am ersten Sonntag nach dem Vollmond gefeiert werden, der auf die
Frühlings-Tagundnachtgleiche folgt oder mit ihr zusammenfällt. Der Sonntag
erinnert an die Auferstehung Christi am ersten Tag der Woche, während der
Vollmond nach der Frühlings-Tagundnachtgleiche an den jüdischen Ursprung des
Festes am 14. Nissan erinnert, aber auch an die kosmische Dimension der
Auferstehung, da die Frühlings-Tagundnachtgleiche an den Zeitpunkt erinnert, an
dem die Länge des Tages die der Nacht übertrifft und die Natur nach dem Winter
wieder zum Leben erwacht.
46. Es ist bemerkenswert, dass sich die Kirche im Rahmen des Konzils von Nizäa
dafür entschied, sich vom Datum des jüdischen Passahfestes zu lösen. Das
Argument, das Konzil habe sich vom Judentum abgrenzen wollen, wurde vorgebracht
und stützt sich auf die von Eusebius überlieferten Briefe Kaiser Konstantins,
die unter anderem antijüdische Begründungen für die Wahl eines Osterdatums, das
nicht an den 14. Nisan gebunden ist, enthalten.[62]
Allerdings muss zwischen den dem Kaiser zugeschriebenen Begründungen und denen
der Konzilsväter unterschieden werden. Jedenfalls findet sich in den Kanones des
Konzils nichts, was diese Ablehnung der jüdischen Praxis zum Ausdruck bringt. Es
ist nicht zu übersehen, wie wichtig für die Kirche die Einheit des Kalenders und
die Wahl des Sonntags sind, um den Glauben an die Auferstehung zum Ausdruck zu
bringen. Dieses Ziel ist heute in Bezug auf die Reflexion über das Osterdatum
immer noch relevant, besonders im 1700. Jubiläumsjahr des Konzils von Nizäa.
Über die Frage des Kalenders hinaus wäre es wünschenswert, die Beziehung
zwischen Ostern und Pesaḥ in der Theologie, in Predigten wie in der
Katechese immer besser zu beleuchten, im Hinblick auf ein breiteres und tieferes
Verständnis der Bedeutung von Ostern.
47. In der Osternacht und in jeder Taufliturgie wird das Symbolum von
Nizäa-Konstantinopel in seiner dialogischen, feierlichsten Form verkündet.
Dieses Glaubensbekenntnis, das die Basis des persönlichen christlichen Lebens
und des Lebens der Kirche bildet, wird seine ganze Kraft entfalten, wenn es
verwurzelt ist in der Offenbarung an unsere „älteren Brüder“ und „Väter im
Glauben“[63], und in sichtbarer
Gemeinschaft von allen Jüngern Christi gelebt wird.
Kapitel 2
Das Symbolum von Nizäa im Leben der Gläubigen
„Wir glauben, wie wir taufen; und wir beten, wie wir glauben.“
Zum Auftakt: Der bekannte Glaube im gelebten Glauben.
48. Der in Nizäa bekannte Glaube hat einen reichen dogmatischen Inhalt, der für
die Entwicklung der christlichen Lehre entscheidend war. Allerdings war und ist
es die Kernaufgabe der Lehre, das Leben der Gläubigen zu nähren und zu leiten.
In diesem Sinne kann ein wahrer spiritueller Schatz des Konzils von Nizäa und
seines Symbolums freigelegt werden, eine „Quelle lebendigen Wassers“, aus der
die Kirche heute und immer wieder zu schöpfen aufgerufen ist. Um den Zugang zu
diesem lebendigen Wasser zu schützen, erklärte sich der heilige Antonius bereit,
seine Einsiedelei zu verlassen, um in Alexandria gegen die Arianer Zeugnis
abzulegen.[64]
Dieser Schatz offenbart sich direkt in der Art und Weise, wie der Glaube von
Nizäa aus der lex orandi hervorgeht und diese wiederum genährt hat.[65]
Außerdem hatten die Synoden nie die Absicht, ihre Debatten auf den spekulativen
Bereich der Glaubensaussagen zu beschränken. Vielmehr war es den Teilnehmern der
Synoden wichtig, sich über das gesamte kirchliche Leben auszutauschen, darüber,
wie man die Glaubenswahrheiten am besten verinnerlicht und im Alltag
praktiziert, und umgekehrt ihr Lehren an der richtigen Praxis in der Liturgie,
der Feier der Sakramente und sogar der Ethik auszurichten.[66]
Kurzum, die Bischöfe nahmen die Glieder des Leibes der Kirche, mit denen sie das
Glaubens- und Gebetsleben teilten, und mit denen sie der Herrlichkeit des Vaters
und des Sohnes und des Heiligen Geistes, des einen Gottes, Anbetung und Lobpreis
darbrachten, im Geiste mit auf die Konzilien. Um also die spirituelle und
theologische Bedeutung des Dogmas von Nizäa zu erfassen, muss ein Blick auf
seine Rezeption in der liturgischen und sakramentalen Praxis, der Katechese und
Predigt, dem Gebet und den Hymnen des vierten und fünften Jahrhunderts geworfen
werden.
1. Taufe und trinitarischer Glaube
49. Noch bevor die Trinitäts-Lehre sich theologisch entfaltete, war der
Trinitäts-Glaube durch die Taufe präsent. Das Tauf-Bekenntnis bzw. die
sakramentale Formel der Taufspendung war niemals bloß Ausdruck eines
spekulativen Mysteriums, sondern des lebendigen Glaubens, der sich auf die
Realität des von Gott geschenkten Heiles, und damit auf Gott selbst, bezieht.
Der Tauf-Glaube verleiht eine „Erkenntnis“ Gottes, die zugleich einen Zugang zum
lebendigen Gott gewährt. So versichert der Apologet Athenagoras: „Es gibt also
Menschen auf Erden […], die nur von dem einen Wunsch beseelt sind, den wahren
Gott und Sein Wort zu erkennen, zu wissen, welches die Einheit des Sohnes mit
dem Vater, welches die Gemeinschaft des Vaters mit dem Sohn, wer der Geist ist;
und wie diese untereinander verbunden und die Verbundenen unterschieden sind:
der Geist, der Sohn, der Vater.“[67]
50. Daher ist die Taufformel, in der Vater, Sohn und Heiliger Geist
gleich-geordnet stehen, das zentrale Argument gegen Arius und seine
Gefolgschaft, mehr noch als der Rückgriff auf theologische Argumentation. Dies
wird sichtbar bei Ambrosius[68]
und Hilarius[69]
ebenso wie bei Basilius von Caesarea, Gregor von Nyssa oder Ephraem dem Syrer.[70]
Athanasius betont: Der Sohn wird nicht deshalb in der Taufformel genannt, weil
der Vater nicht genügt, und auch nicht einfach zufällig, sondern
[weil] er Gottes Wort und eigene Weisheit ist und als sein Abglanz (apaugasma)
immer mit dem Vater besteht. Deshalb kann die Gnade, die der Vater verleiht, nur
im Sohne gespendet werden; denn der Sohn ist im Vater, wie der Abglanz in dem
Lichte. […] Wen der Vater tauft, den tauft auch der Sohn, und er wird im
Heiligen Geiste geheiligt.[71]
51. Für Athanasius wie auch für die Kappadokier geht es bei der Taufe nicht nur
um das einfache Hersagen der trinitarischen Formel, vielmehr setzt die Taufe den
Glauben an die Gottheit Jesu Christi voraus. Daher ist auch die Unterweisung im
rechten Glauben notwendig und Teil der ordnungsgemäßen Taufpraxis. Als
Begründung führt Athanasius die Formulierung des Befehls in Mt 28,19 an: „Geht…
lehrt… und tauft“ (n.43).[72]
Deswegen muss Athanasius, ebenso wie Basilius und Gregor von Nyssa[73],
der arianischen Taufe die Wirksamkeit absprechen, weil diejenigen, welche
den Sohn für ein Geschöpf halten, keinen rechten Begriff von Gott dem Vater
haben: Wer den Sohn nicht anerkennt, versteht auch den Vater nicht und „hat“ den
Vater nicht; denn der Vater hat nie begonnen, Vater zu sein.[74]
2. Die besondere Bedeutung des Symbolums von Nizäa
52. Das Nizänische Bekenntnis ist nicht nur Ausdruck des Tauf-Glaubens, sondern
könnte selbst auf ein Tauf-Bekenntnis, nämlich der Kirche von Caesarea in
Palästina zurückgehen (wenn man Eusebius Glauben schenkt[75]),
in das drei Ergänzungen eingefügt wurden: „… das heißt: aus dem Wesen des
Vaters“, „gezeugt, nicht geschaffen“, und: „gleichen Wesens mit dem Vater (homo-ousios)“.
Auf diese Weise wird in schockierender Klarheit festgehalten: Derjenige, der
„für uns Menschen… Fleisch angenommen hat… und gelitten hat“, ist Gott, „homo-ousios
to patri“, und doch vom Vater verschieden, da „aus dem Wesen des
Vaters“ (ek tes ousias tou patros). Durch ihn, der „um unseres Heiles
willen… Mensch geworden ist“, wissen wir, was es bedeutet, dass der dreifaltige
Gott „Liebe ist“ (1 Joh 4,16). Diese Ergänzungen sind wesentlich und zeigen den
originären, entscheidenden Beitrag von Nizäa, aber gleichzeitig muss immer
wieder betont werden, dass das Symbolum als Glaubensbekenntnis ursprünglich im
liturgischen Rahmen verwurzelt ist, der sein Lebensumfeld und somit der Rahmen
ist, in dem es seine volle Bedeutung erhält. Das Bekenntnis ist zweifellos keine
theoretische Abhandlung, sondern Bestandteil der Tauffeier, die durch die übrige
Liturgie bereichert wird und ihrerseits Licht auf diese wirft. Dass die Menschen
unserer Tage manchmal den Eindruck haben, das Credo sei eine sehr theoretische
Darlegung, mag daran liegen, dass sie seine Verwurzelung in der Liturgie,
besonders in der Tauffeier, nicht kennen.
53. Die „Fides Nicaeana“ ist und bleibt „symbolum“ („ekthesis“, „pistis“):
Glaubensbekenntnis; es unterscheidet sich in diesem Sinn von einer genaueren
theologischen Auslegung oder präziseren Definition zum Schutz des Glaubens („horos“,
lat. „definitio“), wie sie etwa die Konzilien von Ephesus und
Chalkedon vorgelegt haben. Als Symbolum ist das Bekenntnis von Nizäa positive,
schriftliche Formulierung des biblischen Glaubens;[76]
es will keine neue Definition sein, sondern Erinnerung an den Glauben der
Apostel, „den Glauben, den der Herr geschenkt, die Apostel verkündet und die in
Nizäa aus unserer ganzen Welt versammelten Väter überliefert haben (paradosis).“[77]
54. Aufgrund der Stellung als Glaubensbekenntnis, als Bekenntnis des
apostolischen Glaubens, nicht so sehr als Definition oder Lehre, gilt das
Symbolum von Nizäa in der folgenden Zeit (bis mindestens zum Ende des 5.
Jahrhunderts) als der entscheidende Ausweis der Rechtgläubigkeit[78]
und wird auf den folgenden Konzilien als Basistext zugrunde gelegt. Auch Ephesus
und Chalkedon wollen Auslegung des Nizänums sein, die Übereinstimmung mit Nizäa
bekunden und gegen Dissens vorgehen. Als auf dem Konzil von Chalkedon das
Nizäno-Konstantinopolitanische Bekenntnis vorgelesen wurde, riefen die
versammelten Bischöfe: „Das ist unser Glaube. In diesem wurden wir getauft, in
diesem taufen wir! Papst Leo glaubt so, Cyrill glaubte so…“.[79]
Es sei daran erinnert, dass das Glaubensbekenntnis im Singular ausgedrückt
werden kann – „Ich glaube“ –, aber oft im Plural steht: „Wir glauben“; ebenso
steht das Gebet des Herrn im Plural: „Vater unser …“. Mein radikal persönlicher
Glaube ist nicht weniger radikal in den Glauben der Kirche als
Glaubensgemeinschaft eingebettet. Das Symbolum von Nizäa und das griechische
Original des Symbolums von Nizäa-Konstantinopel werden mit dem Plural „Wir
glauben“ eröffnet, „um zu bezeugen, dass sich alle Kirchen in diesem ‚Wir‘ in
Einheit befanden und alle Christen denselben Glauben bekannten.“[80]
55. Wie schon im vorhergehenden Kapitel angemerkt wurde, wird bis heute „Nizäa“
– „das Bekenntnis der 318 Rechtgläubigen“[81]
– in den Ostkirchen als das Konzil schlechthin betrachtet, das heißt:
nicht als „ein Konzil neben anderen“, auch nicht als „das erste in einer Reihe“,
sondern als Maßstab rechten christlichen Glaubens. Die
„dreihundertachtzehn Väter“ finden etwa in der Jerusalemer Liturgie
ausdrückliche Erwähnung, und im Unterschied zur westlichen Tradition hat das
Konzil von Nizäa ein eigenes Fest-Gedächtnis im liturgischen Kalender östlicher
Kirchen.
Zu beachten ist, dass die in Nizäa behandelten Disziplinarfragen von Anfang an
eine andere Gewichtung erhalten als das Bekenntnis: Während in Disziplinarfragen
Mehrheitsentscheidungen möglich sind, ist in Glaubensfragen die apostolische
Überlieferung maßgebend: „Was den Ostertermin betrifft, so schrieben sie:
‚Folgendes wurde beschlossen.‘ […] Was den Glauben betrifft, haben sie jedoch
nicht geschrieben: ‚Es wurde beschlossen‘, sondern: ‚So glaubt die katholische
Kirche!‘“[82]
3. Vertiefung in Predigten und Katechesen
56. Väter im Osten wie im Westen argumentierten nicht nur mit theologischen
Traktaten, sondern verdeutlichten auch in Predigten für das Volk den Nizänischen
Glauben, um die Gläubigen gegen Fehldeutungen zu wappnen, die verallgemeinernd
mit dem Begriff „arianisch“ bezeichnet wurden. Mochten auch die Homöer im Westen
zur Zeit Augustins sich in ihrer Argumentation stark von den Neo-Arianern des
Ostens unterscheiden: Die theologische Auffassung, der Sohn sei nicht „wahrer
Gott vom wahren Gott“, sondern nur das hervorragendste Geschöpf des Vaters und
nicht von gleicher Ewigkeit wie dieser, wurde von den Vätern als eine bleibende
Gefährdung erkannt und bekämpft, auch unabhängig von konkreten Gegnern. Gerade
der Prolog des Johannes-Evangeliums bot die Gelegenheit, das Verhältnis von
Vater und Sohn, bzw. zwischen „Gott“ und seinem „Wort“ gemäß dem Bekenntnis von
Nizäa zu erläutern.[83]
Bischöfe vermittelten den Nizänischen Glauben ihren Gläubigen, auch ohne
spezielle Terminologie zu gebrauchen, wie z. B. Chromatius von Aquileia
(Bischofsweihe 387/388, gestorben 407).[84]
Selbst diejenigen Kirchenväter, die eine grundsätzliche Skepsis gegenüber
„theologischen Streitgesprächen“ hegen, nehmen sehr deutlich Stellung gegen die
„arianische Gottlosigkeit“ („a-sebeia“, „impietas“). Die Arianer
hätten kein Verständnis für die „ewige Zeugung des Sohnes“, noch für die
„ursprüngliche Gleich-Ewigkeit“ von Vater und Sohn[85],
daher ist ihre Gottesverehrung verkehrt; ja: sie verfehlen sich gegen den
Monotheismus, indem sie eine zweite, untergeordnete Gottheit annehmen.
57. Johannes Chrysostomus erläutert den Taufglauben, der in Nizäa gültig
formuliert worden war,[86]
und grenzt ihn nicht nur von der homöischen Lehre, sondern auch von der
sabellianischen ab: Christen glauben an Gott als „ein Wesen, drei Hypostasen“.
Ähnlich argumentiert Augustinus in den Unterweisungen an Taufbewerber.[87]
Als Meisterstück einer Katechese, die offenbar für Multiplikatoren, nämlich
Bischöfe und Katecheten, gedacht war, darf die Oratio catechetica magna
des Gregor von Nyssa gelten, deren umfangreichste Teile dem ewigen und
menschgewordenen WORT Gottes gewidmet sind. Thema ist nicht nur das Verhältnis
des SOHNES-WORTES zum VATER (Kap. 1.3.4), sondern auch die Bedeutung der
Menschwerdung als Erlösungshandeln (Kap. 5). Gregor will verdeutlichen, dass
Geburt und Tod nichts seien, das Gottes unwürdig oder mit seiner Vollkommenheit
unverträglich wären (Kap. 9 und 10), und erklärt die Menschwerdung aus dem Motiv
der Menschenliebe Gottes. Vor allem aber betont er, dass die christliche Taufe
auf die „unerschaffene Trinität“, also die gleich-ewigen drei Personen,
vollzogen wird. Nur so verleiht die Taufe ewiges, unsterbliches Leben: „Würde
jemand sich einem Geschöpf unterwerfen [d. h. den Sohn und den Heiligen Geist
als geschaffen denken], dann setzt dieser seine Hoffnung nicht auf Gott, selbst
wenn er es nicht beabsichtigt“.[88]
58. Der Kern der Auseinandersetzung ist kein theoretisches Problem, sondern eine
existentielle Frage: Ist mit der Taufe die „Einsetzung in die Sohnschaft“
(Basilius), der „Beginn des ewigen Lebens“ (Gregor von Nyssa), die „Errettung
aus Sünde und Tod“ (Ambrosius[89])
verbunden? Dies ist nur möglich, wenn der Sohn (und der Hl. Geist) Gott sind.
Nur wenn Gott „einer von uns“ wird, gibt es die reale Möglichkeit, dass der
Mensch teilhaben kann am Leben der Dreifaltigkeit, also „vergöttlicht“ werden
kann.
4. Gebet zum Sohn und die Doxologien
59. Der Glaube von Nizäa dient als Richtschnur für das persönliche wie liturgische
Gebet und prägt es.[90] Obwohl die „Anrufung des Namens des Herrn (Jesus)“ bereits in den
neutestamentlichen Schriften nachweisbar ist[91]
und vor allem die Christus-Hymnen[92]
die Darbringung von Lobpreis und Anbetung bezeugen, wird das Gebet zum Sohn in
der arianischen Krise zum Ort der Kontroverse.
60. Gestützt auf bestimmte Texte des Origenes[93]
lehnten Arianer des 4. Jahrhunderts, aber auch Origenes-Anhänger des 5. und 7.
Jahrhunderts insbesondere das liturgische Gebet zum Sohn ab. Die
arianisch Gesinnten waren interessiert, jene Schriftstellen hervorzuheben,
welche Jesus selbst als Beter zeigen, um seine Inferiorität gegenüber dem Vater
zu betonen. In Kombination mit der bei den Arianern ebenfalls verbreiteten
(apollinaristischen) Auffassung, der Logos nehme die Stelle der Seele Jesu ein,
schien damit die Unterordnung des Logos unter den Vater bewiesen. Das an
den Sohn gerichtete Gebet sei daher unangemessen. Zugunsten ihrer Ansicht
argumentierten die Gegner des homoousios mit der herkömmlichen
Formulierung der Doxologie, die vor allem in den östlichen Liturgien von
außerordentlicher Bedeutung ist: „Ehre und Anbetung dem Vater durch
(dia / per) den Sohn im (en / in) Heiligen Geist“.[94]
Die Verschiedenheit der Präpositionen wurde als Beweis für die wesentliche
Verschiedenheit der Personen herangezogen. Die Liturgie – anerkannt als
Bezeugungsinstanz des Glaubens der Kirche – sollte die theologische Legitimität
der arianischen Auffassung belegen.
61. Demgegenüber hielten Verteidiger des Nizänums fest, dass die Gebetspraxis
dem Glauben entsprechen müsse, dieser aber wiederum der Taufe
korrespondiere. Die Taufformel aber zeigt die Gleich-Ordnung von Vater, Sohn und
Heiligem Geist. Daraus folgt, dass sich das Gebet – sei es persönlich, sei es
liturgisch – auch an den Sohn richten kann und darf.
Wiewohl sie die alt-hergebrachte Formel der Doxologie nicht verwarfen, sondern
ihren rechtgläubigen Sinn verteidigten,[95]
zogen sie andere Formulierungen und Präpositionen vor: „to patri, kai… kai…“
oder „to patri… meta… syn…“, die ebenfalls in biblischer und liturgischer
Tradition bezeugt sind.[96]
So bezieht sich Basilius unter anderem auf den sehr alten Hymnus Phos hilaron
(vielleicht aus dem 2. Jahrhundert), worin dem Vater, dem Sohn und
Geist der anbetende Lobgesang erwiesen wird.[97]
62. Der Grundsatz: „Wir müssen glauben, wie wir getauft werden, und daher auch
so anbeten, wie es der Taufe entspricht!“[98],
gilt auch für das persönliche Gebet. Ausdrücklich wird die Anrufung Jesu
– wie sie in Formen des Jesus-Gebetes vor allem in monastischen Kreisen
praktiziert wurde – mit Berufung auf das „homo-ousios to patri“
gerechtfertigt. „Wenn wir ‚Jesus‘ sagen“, so erklärt Shenute (zwischen 431 und
451), „wird die heiligste Dreifaltigkeit mitgenannt“. Wenn der menschgewordene
Sohn angerufen wird, wird er nicht getrennt vom Vater und vom Hl. Geist
angerufen. Wer nicht zu Jesus beten will, folgt der „neuen
Gottlosigkeit“; er versteht nichts von der Dreifaltigkeit, versteht auch nichts
von „Jesus“.[99]
Wie jemand betet, zeigt, was er glaubt.
63. Das rechte Beten hat mit dem Glauben an die Erlösung zu tun. Es ist Gregor von Nyssa, der hier am eindringlichsten mahnt: Die Hoffnung des
Gläubigen kommt im Gebet zum Ausdruck. Sie richtet sich auf das von Gott
geschenkte Heil und Leben: Wenn nun „die erste große Hoffnung nicht mehr bei
denen vorhanden ist, die sich zu einem Irrtum in der Lehre verführen lassen“,
dann hat dies zur Folge, „dass es keinerlei Nutzen brachte, sich mit Hilfe der
Gebote richtig zu verhalten“. Gregor fährt fort:
Wir sind nun getauft, wie wir es aus der Überlieferung empfangen haben, auf den
VATER und den SOHN und den Hl. GEIST. Wir glauben aber, wie wir getauft werden;
denn der Glaube muss mit dem Bekenntnis im Einklang stehen. Und wir beten an,
wie wir glauben; denn es wäre verkehrt, wenn die Verherrlichung (Anbetung) dem
Glauben widerstreitet. Vielmehr gilt: Woran wir glauben, das verherrlichen wir
auch. Da sich der Glaube nun auf den VATER, den SOHN und den HEILIGEN GEIST
richtet, und der Glaube, die Verherrlichung und die Taufe aufeinander folgen,
deswegen wird kein Unterschied gemacht in der Herrlichkeit von Vater, Sohn und
Hl. Geist.[100]
64. Die Anfügung der trinitarischen Doxologie zum Abschluss jedes Psalms, deren
Anordnung Papst Damasus (gestorben 384 n. Chr.) zugeschrieben wird, kann in
dieser Linie verstanden werden. Dadurch, so bemerkt Cassiodor, würden alle
Häresien zunichte gemacht:
„An alle Psalmen und Cantica fügt die Mutter Kirche den Lobpreis der Trinität
an. Sie gibt DEM die Ehre, von dem diese Worte stammen, und entzieht damit den
Irrlehren des Sabellius, Arius, Mani und anderer den Boden.“[101]
Dies gilt insbesondere von dem Zusatz „sicut erat in principio…“, der als klares
anti-arianisches Bekenntnis verstanden wurde.[102]
5. Theologie in Hymnen
65. Nicht zuletzt finden wir in der frühen Hymnen-Dichtung den Ausdruck des
Nizänischen Glaubens, der im Leben der Gläubigen Platz gefunden hat: Zahlreiche
Hymnen schließen mit der trinitarischen Doxologie. Es war gerade die Auseinandersetzung mit der
arianischen Irrlehre, die nicht wenig zur Entfaltung der liturgischen Dichtung
beitrug. Zuerst wurden im Osten Hymnen und Lieder verfasst[103],
die auf die Propaganda-Dichtungen heterodoxer Gruppen antworten wollten. Im
Hinblick auf den Westen darf man sogar sagen, dass dessen wichtigster
theologischer Beitrag im 4. Jahrhundert in der Hymnendichtung bestand.
66. Neben Johannes Chrysostomus war es vor allem Ephraem der Syrer (306–373:
seine theologische Poesie wurde prägend für die klassische syrische Dichtkunst),
der in den Hymnen De fide und De nativitate das Geheimnis Christi
besang: Christus ist Gott, trotz der Schwachheit seiner Menschennatur; die
Kenosis Christi ist ein so großes Wunder, weil er Gott ist und in dieser
Entäußerung Gott bleibt.[104]
Mit großer Ehrfurcht umschreibt Ephraem auch die innertrinitarischen
Beziehungen: Der Sohn ist im Vater, „vor allen Zeiten“, er ist „dem Vater
gleich und dennoch von ihm unterschieden“.[105]
Gern gebraucht er das Bild: Sonne – Licht – Wärme, die in Einheit verbunden
sind.[106]
Immer wieder verweist er auf die drei „Namen“, denen göttliche Realität
entspricht, und in denen „unsere Taufe und Rechtfertigung besteht“.[107]
Ausdrücklich nennt er „die glorreiche Synode“ von Nizäa.[108]
Andere syrische Dichter des 5. Jahrhunderts wie Isaak von Antiochien und Mar
Baläus verfassten metrische Predigten und Gesänge, die sich an Christus selbst
richten, und diesen ausdrücklich mit göttlichen Attributen verherrlichen: „Lob
sei IHM (Jesus Christus) und SEINEM VATER und Ehre dem HEILIGEN GEISTE„ – „Lob
sei Ihm, dem Hoch-Erhabenen, der kam, uns zu erlösen, Lob sei Ihm, dem
Allmächtigen, dessen Wink die Welt trägt…“[109]
67. Hilarius lernte den Hymnen-Gesang während seines Exils kennen und führte ihn
in Gallien ein; auch Ambrosius bekennt, dass er den „Brauch des Ostens“
übernommen habe, während der schweren Auseinandersetzungen mit den Arianern in
Mailand in den Jahren 386–387. Der Sohn ist „immer Sohn, wie der Vater immer
Vater ist. Wie könnte sonst der Vater diesen Namen tragen, wenn er nicht
einen Sohn hätte“, betont Hilarius im Hymnus Ante saecula qui manens;
er entfaltet die „zweifache Geburt des Sohnes: aus Gott dem Vater für den
ungeborenen Vater, und aus der Jungfrau Maria für die Welt.“
68. Im Unterschied zu Hilarius’ hoch-theologischen Hymnen, die kaum in die
Liturgie Eingang fanden, wurden die Hymnen des Ambrosius rasch überall bekannt
und förderten kraftvoll den Glauben, wie Ambrosius selbst schreibt. Sein
Morgen-Hymnus Splendor paternae gloriae könnte gleichsam als Kommentar
zum Nizänischen Bekenntnis gelten. Besonders eindringlich sind die
Schluss-Strophen mancher Hymnen, welche die Ebenbürtigkeit des Sohnes zum Vater
hervorheben: „Aequalis aeterno Patri…“, oder sich direkt an den Sohn
richten: „Iesu, tibi sit gloria… cum Patre et almo Spiritu“.
In einem sehr kurzen Hymnus, der vielleicht Ambrosius zum Verfasser hat,
wird das Bekenntnis zum Einen Gott in Drei Personen geradezu als „Merksatz“ für
die Gläubigen in Verse gebracht: „O lux beata trinitas, et principalis
unitas…“.
69. Neben Ambrosius war es vor allem Prudentius (Aurelius Prudentius Clemens, 348–415/25), dessen Hymnen für die Christologie bedeutsam waren. Besonders
bewegen den spanischen Dichter die wahre Gottheit und die wahre Menschheit des
Erlösers, in der unsere Neu-Schaffung gründet:
Christus in der Gestalt des Vaters (vgl. Phil 2,6), wir aber Christi Bild und
Gestalt;
geschaffen auf das Antlitz des Herrn hin, durch die Güte des Vaters,
wenn Christus kommt am Ende der Zeit, werden wir ihn sehen mit unserem Gesicht.
Christus forma patris, nos Christi forma et imago;
condimur in faciem domini bonitate paterna
venturo in nostram faciem post saecula Christo.[110]
Kapitel 3
Nizäa als theologisches und kirchliches Ereignis
70. Nizäa zu feiern bedeutet, die bleibende Neuheit des Konzils zu verstehen,
jene eschatologische Neuheit, die am Ostermorgen ihren Anfang nahm und die die
Kirche 1700 Jahre nach dem Ereignis der Auferstehung immer noch erneuert. Es
handelt sich nämlich im wahrsten Sinne des Wortes um ein Ereignis, um
einen Wendepunkt innerhalb der Verkettungen des geschichtlichen Verlaufs, aber
hierin auch um einen Punkt, in dem sich etwas konzentriert, der eine wirkliche
Neuheit einbringt und entscheidenden Einfluss auf die folgende Entwicklung
nimmt. Je nach Sprache verweist der Begriff „Ereignis“ auf das, was aufkommt,
auf den ad-ventus (avènement, Avent, avvenimento), auf das, was
hervortritt (évènement, event), auf ein Geschehen (acontecimiento)
oder auf das Erscheinen von etwas Neuem (Ereignis). In diesem Sinne ist
Nizäa Ausdruck eines Wendepunkts, der im menschlichen Denken aufkommt,
hervortritt, geschieht und sich zeigt, hervorgerufen durch die Offenbarung des
einen und dreifaltigen Gottes in Jesus, die den menschlichen Geist befruchtet,
indem sie ihm neue Inhalte und neue Fähigkeiten verleiht. Es ist ein „Ereignis
der Weisheit“. Gleichzeitig zeigt Nizäa, das im Nachhinein als erstes
ökumenisches Konzil bezeichnet wurde, eine Wende im strukturellen Vorgehen
der Kirche und der Art, wie sie ihre Einheit und die Wahrheit der Lehre durch
ein und dasselbe Glaubensbekenntnis hütet: es ist ein „kirchliches Ereignis“.
Die Neuheit beruht freilich in beiden Fällen auf einem vorhergehenden Prozess,
auf einer schon bestehenden Wirklichkeit, und zwar genau auf jener, welche durch
das Ereignis eine Wandlung erfährt. Das „Ereignis der Weisheit“ setzt die
menschliche Kultur voraus, es nimmt sie geradezu an, um sie zu reinigen und zu
verwandeln. Das kirchliche Ereignis beruht auf der vorherigen Entwicklung von
Strukturen der Kirche in den ersten Jahrhunderten, die sich selbst wiederum an
das jüdische und griechisch-römische Erbe anlehnt.
71. Diesen beiden Ereignissen liegt ein anderes zugrunde, ein von Gott
initiiertes Ereignis, nämlich das Ereignis der Offenbarung Gottes, das
„Christusereignis“. Dieses Ereignis ist das Neue schlechthin: Der Novus
ist das Novum.[111] Es ist
die Offenbarung selbst, während das Ereignis der Weisheit und das
kirchliche Ereignis Teil der Weitergabe dieses ursprünglichen Geschenks
sind.[112] Darin schließt Gott
einen Bund mit einem Volk, um einen Bund mit allen Völkern zu schließen, er
nimmt eine Menschheit an, um die ganze Menschheit anzunehmen. Nizäa ist
Ausdruck und Frucht der Neuheit der Offenbarung, und aus diesem Grund bietet das
Konzil von 325 ein Paradigma für jeden Schritt der Erneuerung sowohl des
christlichen Denkens als auch der Strukturen der Kirche. Mehr noch, weil Nizäa
aus dem Novum, das Christus ist, hervorgeht, kann es immer wieder aufs
Neue verstanden werden und das Leben der Kirche beständig befruchten. Deshalb
wird es nun zunächst darum gehen, das Quellereignis, das Ereignis Jesus
Christus, auszuloten, um dann seine Auswirkungen auf das menschliche Denken und
auf die Strukturen der Kirche zu untersuchen.
1. Das Christus-Ereignis: „Niemand hat Gott gesehen. Der
einziggeborene Sohn hat von ihm Kunde gebracht“ (Joh 1,18)
1.1 Christus, das fleischgewordene Wort, offenbart den Vater
72. Das Symbolum von Nizäa ist der sprachliche Ausdruck dafür, dass durch das
Christus-Ereignis ein unvorstellbar neuer, gewisser und vollkommen
heilbringender Zugang zu Gott eröffnet wird. In der Menschwerdung, dem Leben,
Leiden, der Auferstehung und der Himmelfahrt des dem Vater wesensgleichen
Wortes, wie sie in der Heiligen Schrift und im Glauben der apostolischen Kirche
bezeugt werden, eröffnet Gott, „semper major“, aus eigener
Initiative eine Erkenntnis von ihm und einen Zugang zu ihm selbst, die nur er
allein geben kann, und die jenseits dessen liegen, was der Mensch sich
vorstellen oder erhoffen könnte.[113]
Tatsächlich überliefert das Neue Testament der Kirche aller Zeiten über die
Jahrhunderte hinweg das Zeugnis, das Jesus von sich selbst gegeben hat, und das
der Vater im Licht und in der Kraft des Heiligen Geistes ein für alle Mal[114]
bestätigt hat: im Pascha des Todes, der Auferstehung und der Himmelfahrt des
fleischgewordenen Sohnes, der pfingstlichen Ausgießung des Geistes, in der Fülle
der Zeiten, „propter nos et propter nostram salutem“. Wenn es also wahr
ist, dass „niemand Gott je gesehen hat“, so bezeugt der Glaube der Kirche, dass
Jesus, „der eingeborene Sohn des Vaters, ihn offenbart hat“ (Joh 1,18; vgl. Joh
3,16.18 und 1 Joh 4,9). Dieses Zeugnis lässt sich in der Antwort zusammenfassen,
die Jesus dem Apostel Philippus gab, der ihn fragte: „Herr, zeig uns den Vater;
das genügt uns“. Jesus aber antwortete ihm:
Schon so lange bin ich bei euch und du hast mich nicht erkannt, Philippus? Wer
mich gesehen hat, hat den Vater gesehen. Wie kannst du sagen: Zeig uns den
Vater? Glaubst du nicht, dass ich im Vater bin und dass der Vater in mir ist?
Die Worte, die ich zu euch sage, habe ich nicht aus mir selbst. Der Vater, der
in mir bleibt, vollbringt seine Werke. (Joh 14,8–11).
73. Wenn Jesus den Vater sehen lässt, ist alles an ihm Zugang zum Vater.
Christus in seiner zerbrechlichen und verletzlichen Menschheit lässt Gott den
Vater erkennen: „Ihn sehen heißt den Vater sehen“ (vgl. Joh 14,9)[115].
Daraus folgt, dass Gott sich nicht zuerst auf Golgota unter der Hilflosigkeit
des Gekreuzigten verborgen hat, um sich dann am Ostermorgen endlich selbst,
endlich allmächtig zu offenbaren. Vielmehr ist die Liebe Jesu Christi, der sich
kreuzigen lässt, den physischen Tod erleidet und bis zu dem Ort hinabsteigt, an
dem der Sünder in der Sünde gefangen ist (der scheol šəʾôl oder der
Unterwelt), die Offenbarung der Liebe des dreifaltigen Gottes, die nicht durch
Gewalt wirkt, sondern stärker ist als Tod und Sünde. Gerade angesichts des
Kreuzes lässt Markus einen heidnischen Hauptmann sagen: „Wahrhaftig, dieser
Mensch war Gottes Sohn“ (Mk 15,39). Wie Papst Benedikt XVI. in seinem Buch über
Jesus erklärte:
Das Kreuz ist die wahre „Höhe“. Es ist die Höhe der Liebe „bis ans Ende“ (Joh 13,1); am Kreuz ist Jesus
auf der „Höhe“ Gottes, die Liebe ist. Dort kann man ihn erkennen, kann erkennen,
dass „ich es bin“. Der brennende Dornbusch ist das Kreuz. Der höchste
Offenbarungsanspruch, das „Ich bin es“ und das Kreuz Jesu sind untrennbar.[116]
74. Gott durch Jesus Christus zu erkennen, bedeutet nicht einfach nur einen
lehrmäßigen Inhalt zu erfassen, sondern stellt den Menschen in die rettende
Gemeinschaft mit Gott; denn sie lässt ihn sozusagen in das Herz der
Wirklichkeit, oder besser gesagt, der Person, die es zu erkennen und zu lieben
gilt, eintauchen. Der Prolog des Johannesevangeliums ist Ausdruck der höchsten
Kontemplation des Geheimnisses Gottes, das in Jesus sichtbar geworden ist, damit
wir in der Gnade des Heiligen Geistes, der „ohne Maß“ (Joh 3,34) ausgegossen
wurde, in das eigentliche Leben des dreifaltigen Gottes eintreten, der durch den
Logos offenbart wurde. Die Gestalt dieses Logos ist nicht nur ein Echo des vom
griechischen Denken erkannten göttlichen logos, sondern auch und noch
tiefer des alttestamentlichen Erbes: des „Wortes Gottes“, des vom Alten
Testament bezeugten Dābār. Denn bereits die Israel zuteil gewordene und
im Alten Testament überlieferte Offenbarung führt in eine radikal neue
Gotteserkenntnis ein, die das Ereignis der Offenbarung in Christus einleitet.
Dieser Logos, der Sohn, „Gott von Gott“, der von Anfang an bei Gott ist, als
sein Wort, das ihn in aller Wahrheit ausdrückt, auch er ist Gott wie der Vater.
In der Fülle der Zeit ist der Logos „Fleisch geworden und hat sein Zelt unter
uns aufgeschlagen“ (Joh 1,14), so dass diejenigen, die ihn aufnehmen, „die Macht
(exousia) empfangen, Kinder Gottes zu werden“ (Joh 1,14). Indem der
fleischgewordene Logos die Menschen zur vollen Gemeinschaft mit ihm zuließ, hat
er sie so „der göttlichen Natur teilhaftig gemacht.“[117]
75. Diese unausdenkbare, wahrhafte Erkenntnis und Gemeinschaft mit Gott bewirkt
auch eine heilvolle Gemeinschaft mit den von Gott geliebten Brüdern und
Schwestern; denn das Christus-Ereignis ist untrennbar Gemeinschaft mit Gott und
mit jedem Menschen. Der Glaube der apostolischen Kirche bezeugt diese
Gemeinschaft in Christus und durch Christus innerhalb der trinitarischen
Gemeinschaft:
Was von Anfang an war, was wir gehört haben, was wir mit unseren Augen gesehen
haben, was wir geschaut und was unsere Hände angefasst haben, das Wort des
Lebens […], das verkünden wir auch euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns
habt. Wir aber haben Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus
Christus. Dies schreiben wir, damit unsere Freude vollkommen ist. (1 Joh
1,1.3–4)
Die theologische Tradition betont, dass die Liebe uns dazu bringt, Gott und
unseren Nächsten zu lieben, und zwar insofern er Gottes Freund ist.[118]
Wir können davon ausgehen, dass die drei theologischen Tugenden uns in eine
umfassende und radikal neue Erkenntnis Gottes und Gemeinschaft mit ihm
hineinführen. Aber entsprechend dem erneuerten Zugang zu Gott, den sie gewähren,
erschließen sie darüber hinaus einen Glaubensweg hin zu Brüderlichkeit, eine
ungeahnte Hoffnung für den Nächsten und jene Liebe, die alles verzeiht und dazu
drängt, sich selbst zu verschenken.
1.2 „Wir aber
haben das Denken (νοῦς) Christi“ (1 Kor 2,16): Analogie der
Schöpfung und Analogie der Liebe
76. Indem das Ereignis Jesus Christus uns auf unvergleichliche Weise Zugang zu
Gott gewährt, eröffnet und impliziert es zugleich einen „Weg“, der ebenfalls neu
und einzigartig ist: Das Symbolum im Glauben und mit Glaubenseinsicht
aufzunehmen, oder besser: Gott aufzunehmen, der sich darin kundtut, erlaubt uns,
an dem Blick teilzunehmen, der der Blick des dem Vater wesensgleichen Christus
ist – in das „Denken“, die Gesinnung, den Geist, oder in die mens Christi
selbst einzutreten, in seine Beziehung zum Vater und zu anderen Menschen. „Wir,
wir haben den Geist Christi (noun Christou)“, ruft der heilige Paulus aus
(1 Kor 2,16).[119] Das ist ein
Ausruf des Staunens. Auch hier verweist Nizäa auf die unermessliche Größe des
Geschenks Gottes. Aber Nizäa zeigt auch, dass dies der einzige Weg ist, um
Zugang zu dem zu erhalten, was das Symbolum sowohl in seinem Gehalt (res) als auch in seinem Buchstaben
ausdrückt. Wir können den Gott Jesu Christi, die uns angebotene Erlösung, die
Schönheit der Kirche und der menschlichen Berufung nicht erblicken und an ihnen
teilhaben, ohne „das Denken Christi zu haben“. Das bedeutet mehr als eine bloße
Kenntnis Christi, sondern vielmehr, in das Verstehen Christi selbst einzutreten,
im Sinne eines genitivus subjectivus: das Verstehen, das Christus selbst
eigen ist. Ohne die „Weisheit, die nicht von dieser Welt ist“, „geoffenbart
durch den Heiligen Geist“, der allein „die Tiefen Gottes erforscht“ (vgl. 1 Kor
2,6.10), kann man das Glaubensbekenntnis nicht vollständig bejahen oder mit
seinem ganzen Wesen bekennen:
Zur Fülle, in die Jesus den Glauben führt, gehört ein weiterer entscheidender
Aspekt. Im Glauben ist Christus nicht nur der, an den wir glauben, die größte
Offenbarung der Liebe Gottes, sondern auch der, mit dem wir uns verbinden, um
glauben zu können. Der Glaube blickt nicht nur auf Jesus, sondern er blickt vom
Gesichtspunkt Jesu aus, sieht mit seinen Augen: Er ist eine Teilhabe an seiner
Sichtweise. […] Das Leben Christi, seine Weise, den Vater zu kennen, völlig in
der Beziehung zu ihm zu leben, öffnet der menschlichen Erfahrung einen neuen
Raum, und wir können in ihn eintreten.[120]
77. Dies ist möglich, weil Christus den Vater durch seine menschlichen Augen
sieht und uns einlädt, in seinen Blick einzutreten. Andererseits erfordert
dieser Weg eine tiefgreifende Umwandlung unseres Denkens, unserer mens,
durch eine Bekehrung und Erhöhung: „Gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern
lasst euch verwandeln durch die Erneuerung des Denkens“ (Röm 12,2). Und genau
das ist es, was das Christus-Ereignis mit sich bringt: Der Verstand, der Wille
und die Fähigkeit zu lieben werden durch die Offenbarung, wie sie in Nizäa
verkündet wurde, im wahrsten Sinne des Wortes erlöst. Sie werden gereinigt,
ausgerichtet und verwandelt. Sie erhalten eine neue Kraft, neue Formen und einen
völlig neuen Inhalt. Unsere Fähigkeiten können nur dann in Gemeinschaft mit
Christus treten, wenn sie ihm gleichförmig werden, in einem Prozess, der die
Gläubigen dem Gekreuzigten und Auferstandenen bis in ihren Verstand
hinein „ähnlich (symmorphizomenos)“ (Phil 3,10) macht. Dieses neue Denken
zeichnet sich dadurch aus, dass Erkenntnis und Liebe in ihm untrennbar vereint
sind. Wie Papst Franziskus betont: „In diesem Sinn hat der heilige Gregor der
Große geschrieben, dass ‚amor ipse notitia est‘, dass die Liebe selbst
eine Erkenntnis ist, eine neue Logik mit sich bringt.“[121]
Sie ist barmherzige Erkenntnis voller Mitgefühl, weil die Barmherzigkeit die
Quintessenz des Evangeliums ist[122]
und den Charakter des Gottes Jesu Christi widerspiegelt, wie er im Symbolum von
Nizäa bezeugt wurde. Die erneuerte mens impliziert ein Verständnis der
Analogie, die im Licht des Mysteriums Christi neu betrachtet wird. Sie hält
zusammen, was wir die „Analogie der Schöpfung“ nennen könnten, aufgrund derer
die göttliche Gegenwart im Frieden der kosmischen Ordnung wahrgenommen wird,[123]
und was wir die „Analogie der Liebe“ nennen könnten.[124]
Diese sozusagen umgekehrte Analogie steht im Gegensatz zum Geheimnis der Bosheit
und der Zerstörung, wird aber vom stärkeren Geheimnis des Leidens und der
Auferstehung Christi erhellt und erkennt die Gegenwart des liebenden Gottes im
Herzen der Verletzlichkeit und des Leidens. Diese Weisheit Christi wird im 1.
Brief an die Korinther als die Weisheit beschrieben, die „die Weisheit der Welt
als töricht entlarvt hat“:
Denn Christus hat mich nicht gesandt zu taufen, sondern das Evangelium zu
verkünden, aber nicht mit gewandten und klugen Worten, damit das Kreuz Christi
nicht um seine Kraft gebracht wird. Denn das Wort vom Kreuz ist denen, die
verloren gehen, Torheit; uns aber, die gerettet werden, ist es Gottes Kraft. In
der Schrift steht nämlich: Ich werde die Weisheit der Weisen vernichten und die
Klugheit der Klugen verwerfen. Wo ist ein Weiser? Wo ein Schriftgelehrter? Wo
ein Wortführer dieser Weltzeit? Hat Gott nicht die Weisheit der Welt als Torheit
entlarvt? Denn da die Welt angesichts der Weisheit Gottes auf dem Weg ihrer
Weisheit Gott nicht erkannte, beschloss Gott, alle, die glauben, durch die
Torheit der Verkündigung zu retten. Die Juden fordern Zeichen, die Griechen
suchen Weisheit. Wir dagegen verkünden Christus als den Gekreuzigten: für Juden
ein Ärgernis, für Heiden eine Torheit, für die Berufenen aber, Juden wie
Griechen, Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Denn das Törichte an Gott
ist weiser als die Menschen und das Schwache an Gott ist stärker als die
Menschen. (1 Kor 1,17–25)
Diese Bekehrung und Verwandlung kann sich nicht ohne die Gnade vollziehen. Die
menschliche Einsicht – wie auch der Mensch selbst – erweist sich als konstitutiv
auf die Gnade hingeordnet, sie stützt sich auf die Gnade, um ganz sie selbst zu
sein.[125] Auf diese Weise lässt
sich verstehen, wie die menschlichen Fähigkeiten, die durch das Christus-Ereignis zu sich selbst gebracht und verwandelt werden, zur Vollendung
geführt werden durch ihre Entfaltung in der Form von Glauben, Hoffnung und
Liebe, die in dieser Welt die Vorstufen des Lebens in Herrlichkeit sind: „Seid
in eurem Inneren so gesinnt, wie es Christus Jesus war“ (Phil 2,5).
1.3 Zur Erkenntnis des Vaters eintreten durch das Gebet Christi.
78. Wie können wir in das „Denken Christi“ eintreten, wozu das Christus-Ereignis auffordert? Weil Jesus Christus nicht einfach nur ein Lehrer
oder Ratgeber ist, sondern die Offenbarung und Wahrheit Gottes selbst, sind auch
die von ihm Angesprochenen mehr als nur die Empfänger einer Unterweisung. Weil
die Person des Auferstandenen kein Gegenstand der Vergangenheit ist, muss sich
derjenige, der das innerste Geheimnis Jesu, die Offenbarung Gottes in Jesu
Menschheit, verstehen will, in seine Beziehung und Gemeinschaft mit dem
göttlichen Vater einbeziehen lassen. Dies geschieht durch ein Leben gemäß der
Gnade: die Lesung der Heiligen Schrift in der Kirche, das persönliche und
liturgische Gebet, insbesondere die Eucharistie.
79. Die durch die Gnade erwirkte Teilnahme am Gebet Christi ist der Königsweg
zur Erkenntnis Christi, welche wiederum die Erkenntnis des Vaters offenlegt
(„Mein Vater und euer Vater“, in Joh 20,17). Joseph Ratzinger / Papst Benedikt
XVI. erläutert, „dass das Gebet der Zentralakt der Person Jesu war, ja, dass diese Person
konstituiert wird durch den Akt des Betens, der beständigen Kommunikation mit
dem, den er ‚Vater‘ nennt. Wenn es sich so verhält, ist ein wirkliches Verstehen
dieser Person nur möglich durch das Eintreten in diesen Gebetsakt, durch die
Beteiligung daran.“[126] Mit anderen Worten, die Erkenntnis Christi beginnt damit, dass jemand in
den Akt des Betens Jesu eintritt, wenn er ihn erkennt:
„Wo keine Beziehung zu Gott besteht, bleibt auch der unverständlich, der zuinnerst nichts anderes als
Beziehung zu Gott, zum Vater, ist…“[127].
Und was für jeden einzelnen Gläubigen gilt, gilt auch für die Kirche als Ganzes.
Nur als Gebetsgemeinschaft, die in die Beziehung Jesu zum Vater eingebunden ist,
ist die Kirche das „Wir“, das Christus erkennt, wie Joh 5,19–20[128]
und 1 Joh 3,11 in Erinnerung rufen.
Erneut geht es um die christologischen Aussagen des Glaubensbekenntnisses: „Das Grundwort des Dogmas ‚wesensgleicher Sohn‘, in dem sich das ganze Zeugnis
der alten Konzilien zusammenfassen lässt, überträgt einfach das Faktum des
Betens Jesu in philosophisch-theologische Fachsprache, nichts sonst.“[129] Der von Nizäa ausgedrückte Glaube erwächst aus der Beziehung Jesu zum
Vater und führt in sie hinein, um den Menschen und der Kirche die Teilhabe an
der Erkenntnis und Gemeinschaft Jesu mit dem Vater und dem Heiligen Geist
anzubieten.
2. Ereignis der Weisheit: Neuheit für das menschliche Denken
2.1 Die Offenbarung befruchtet und erweitert das menschliche Denken
80. Indem es den christologischen und trinitarischen Glauben vorlegt, gehört das
Symbolum von Nizäa in den Zusammenhang der Befruchtung des menschlichen Denkens,
der „Erweiterung der Vernunft“[130]
durch die Offenbarung in ihrer Weitergabe. Denn der unvergleichliche Zugang zu
Gott, den das Christus-Ereignis darstellt, wie auch die Teilhabe am Denken (phronēsis)
und am Gebet Christi, musste unweigerlich einen entscheidenden Einfluss auf das
menschliche Denken und Sprechen haben. Man wird Zeuge eines „Ereignisses der
Weisheit“; das bedeutet, dass Denken und Sprechen durch die Offenbarung
erweitert werden müssen und tatsächlich auch erweitert werden, damit diese sich
darin ausdrücken kann. Und gerade in dieser Bewegung bezeugen sie, dass sie die
Fähigkeit in sich tragen, über sich selbst hinausgeführt zu werden. In der
Geschichte des Ereignisses der Weisheit stellt Nizäa einen der großen
Wendepunkte dar, „einen neuen und lebendigen Weg“ (Hebr 10,20), dessen
entscheidende Bedeutung Pavel Florensky festgehalten und in kraftvollen Worten
ausgedrückt hat:
Nicht ohne andächtigen Schauer und heiligen Schrecken sollte man sich an jenen
Moment erinnern, unendlich bedeutsam und einzigartig in seiner philosophischen
und dogmatischen Bedeutung, als der Donner des ὁμοούσιος über der Stadt des
Sieges zum ersten Mal ertönte. Hier ging es nicht um eine spezielle theologische
Frage, sondern um die ursprüngliche Selbst-Definition der Kirche Christi. Und
mit dem einen Wort ὁμοούσιος wurde nicht nur das christologische Dogma
ausgedrückt, sondern auch die spirituelle Beurteilung der rationalen Gesetze des
Denkens. Hier wurde dem Rationalismus der Todesstoß versetzt. Hier wurde zum
ersten Mal der Tätigkeit der Vernunft ein neuer Anfang urbi et orbi
erklärt.[131]
Der in Christus menschgewordene Logos, Sohn des Vaters in der Gemeinschaft des
Heiligen Geistes, zeigt, dass er selbst das Maß allen menschlichen Logos ist und
diesen beleben und weiten, aber auch zum Richter über ihn werden kann, indem er
ihn in eine Krisis im eigentlichen Sinn des Wortes bringt. In der Tat ist es
auffällig, wie Athanasius in einem lapidaren Urteil die Ablehnung der
Vollgestalt Christi durch Arius als Verneinung der Vernunft, des Logos
überhaupt, wertet: „Da sie den Logos Gottes leugnen, sind sie eben ohne jeden
Logos.“[132] Im Grunde führt das
Ereignis der Weisheit, das durch das Christus-Ereignis bewirkt wird, die
menschliche Vernunft und das menschliche Denken in ihre höchste und
wahrhaftigste Berufung ein. Es bringt sie sozusagen zu sich selbst zurück. Somit
ist das homoousios, wie wir sehen werden, nicht einfach ein Exempel der
Interkulturalität, sondern gehört zu einem prototypischen Ereignis der Weisheit,
das die Kirche in ihrer Apostolizität begründet.
81. Das Ereignis Jesus Christus ermöglicht eine neue Ontologie, bestimmt von der
Wirklichkeit des einen und dreifaltigen Gottes und des fleischgewordenen Logos.
Die menschliche Vernunft hatte sich bereits durch das Geheimnis der
ontologischen Transzendenz Gottes, der doch jedem Geschöpf inniger ist als es
sich selbst, öffnen und durchdringen lassen, das durch die Offenbarung der
Schöpfung ex nihilo (2 Makk 7,28; Röm 4,17) zugänglich wurde.[133]
Sie lässt sich abermals von Grund auf erneuern, wenn sie durch den tiefen Sinn
berührt wird, der allen Dingen durch das Geheimnis des dreieinigen Gottes, der
Liebe ist (1 Joh 4,8.16), gegeben ist – Unterschieden-Sein, Beziehung,
Gegenseitigkeit, gegenseitiges Innewohnen werden nun als die letzte Wahrheit und
die strukturgebenden Kategorien der Ontologie offenbart. Das Sein wird dadurch
gelichtet und zeigt sich in noch größerem Reichtum, als es in den
vorangegangenen philosophischen Anläufen erschien, so tiefgründig und komplex
diese auch gewesen sein mögen. Darüber hinaus spiegelt Nizäa, das von der
christologischen und soteriologischen Frage ausgeht, um Gott, den Vater, den
Sohn und den Heiligen Geist zu beschreiben, gut die Art und Weise wider, wie das
christologische Phänomen die „Auffindung“ (inventio) der Trinitätslehre
befördert: nämlich aufgrund des Zusammenhangs zwischen dem, was der
Erkenntnisordnung nach das Primäre ist, Christologie und Pneumatologie als Herz
des Christentums, und der es seinsmäßig begründenden Trinitätslehre. Nizäa
beschleunigt die Aufnahme der Theo-logie bzw. der Lehre von der
„immanenten Dreifaltigkeit“ in die christliche Reflexion. Da das Geheimnis
Christi, das sich in der Geschichte und in einer einzelnen Menschennatur
verwirklicht, den Zugang zu Gott ermöglicht, werden Materie und Fleisch, Zeit
und Geschichte, das Neue, die Endlichkeit und selbst die Zerbrechlichkeit
geadelt und erhalten ihren Wert, um die Beschaffenheit des Seins auszudrücken.
Im Grunde enthüllt sich auch das Sein durch die Offenbarung als semper maius.
82. Das Ereignis der Weisheit impliziert offenkundig eine Erneuerung der
Anthropologie, da das Christus-Ereignis ein neues Licht auf das menschliche Sein
wirft. Wir wollen diese Aspekte, die im ersten Kapitel dieses Dokuments
entwickelt wurden, kurz umreißen.[134]
Die Anthropologie der Bibel verpflichtet dazu, die Auffassung vom Menschen
ausgehend vom Adel der Materie und des einzelnen Seienden neu zu überdenken.
Gemäß dem Buch Genesis hat der Schöpfer jedes Individuum gewollt und es „in
seine Hände eingezeichnet“ (Jes 49,16). Darüber hinaus nennt Jesus jeden
Menschen seinen Bruder und seine Schwester, weil das Ereignis der Menschwerdung
jeden einzelnen Menschen auf unübertreffliche und unwiderrufliche Weise geadelt
hat. Wenn das Symbolum von Nizäa-Konstantinopel erklärt, dass Jesus Christus als
wahrer Mensch der Sohn Gottes und als solcher Gott dem Vater „gleich“ ist, wird
jedem Menschen – unabhängig von seiner Herkunft, Nation, Begabung oder
Ausbildung – eine Würde zuerkannt, die dem menschlichen Erkennen die Pflicht
auferlegt, neu zu denken und die Grenzen einer bloß natürlichen Sicht des
Menschlichen zu überschreiten. Es gibt eine spezifisch christologische Würde der
Einzelnen.
83. Ähnlich wie der Eintritt in das „Denken Christi“ setzt die Erweiterung der
Ontologie und Anthropologie eine Bekehrung voraus; daher kann sie durchaus auf
den Widerstand des Denkens stoßen, das an seine Grenzen gewöhnt ist. Das
Ereignis der Weisheit verpflichtet dazu, nicht nur die „Analogie der Schöpfung“,
sondern auch die „Analogie der Liebe“ in Betracht zu ziehen. Angesichts der
Kenosis der Menschwerdung und der Passion Christi, angesichts des Leidens und
des Bösen, das die Menschheit heimsucht, stößt der menschliche Geist an seine
Grenzen. Die Frage drängt sich auf: Warum scheint der allmächtige Vater zunächst
von oben den Kreuzweg des leidenden Sohnes beobachtet und erst nach dessen Tod
gehandelt zu haben? Warum erhörte er nicht sofort das Gebet im Ölgarten, das mit
dem Blutschweiß der Angst aufstieg: „Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser
Kelch an mir vorüber…" (Mt 26,39b)? Tatsächlich fordert die im Symbolum von
Nizäa bekannte Wesensgleichheit des fleischgewordenen und gekreuzigten Sohnes
mit dem Vater das menschliche Denken auf, sich zu bekehren, auch hinsichtlich
des Verständnisses von „Allmacht“. Der dreifaltige Gott ist nicht zuerst
Allmacht und dann erst Liebe; seine Allmacht ist vielmehr identisch mit der
Liebe, die sich in Jesus Christus offenbart hat. Denn nach dem Zeugnis des Neuen
Testamentes, ist das Leben Jesu durch das Wirken des Geistes die Offenbarung der
innertrinitarischen Beziehungen in der Geschichte, auf der Ebene der
heilsgeschichtlichen Trinität.[135]
Gott ist wahrhaft Gott, wenn seine liebende Allmacht nichts aufzwingt, sondern
vielmehr seinem Bundespartner, dem Menschen, die Fähigkeit verleiht, sich frei
und unverdient an ihn binden zu können.
Gott entspricht seinem eigenen Wesen, wenn er die von der Sünde verdorbene
Menschheit nicht gewaltsam bekehrt, sondern sie durch die Ereignisse in
Bethlehem und auf Golgotha mit sich versöhnt. In all dem sind unsere
menschlichen Betrachtungsweisen dazu aufgerufen, sich von Christus zutiefst
verwandeln zu lassen: „Eure Gedanken sind nicht meine Gedanken“ (Jes 55,8; vgl.
auch Mt 16,23).
2.2 Ein kulturelles und interkulturelles Ereignis
84. Wenn das Christus-Ereignis das Denken erneuert – als in einem „Ereignis der
Weisheit“ neu geschaffen –, dann erneuert und reinigt, befruchtet und erweitert
es auch die menschliche Kultur. Zweifellos ist das Konzil von Nizäa, das den
christlichen Glauben für die unter allen Völkern verbreitete Kirche in der
griechischen Sprache und mit einem Begriff aus der griechischen Philosophie in
Worte fasst, ein kulturelles Ereignis. Es ist notwendig, dass der Glaube die
menschliche Kultur annimmt, so wie er die menschliche Natur annimmt, da Natur
und Kultur konstitutiv für den Menschen und daher untrennbar miteinander
verbunden sind. „Der Mensch ist immer kulturell situiert“[136],
erinnert Papst Franziskus. Da der Mensch ein relationales und soziales Wesen
ist, das in die Geschichte eingebunden ist, gelangt er gerade durch die Kultur
zur Fülle seines Menschseins.[137]
Darüber hinaus braucht die Offenbarung, die die Gemeinschaft zwischen Gott und
dem Menschen stiftet, Empfänger, die sich in dem Maße treu sind, in dem sie die
Offenbarung in voller Freiheit und Verantwortlichkeit aufnehmen: Daher die
Auserwählung des Volkes der zwölf Stämme Israels, das sich von allen anderen
Völkern unterscheiden und mühsam lernen musste, zunächst für sich selbst die
Wahrheit vom Irrtum zu scheiden; daher Jesus Christus, in dem der Sohn Gottes
wahrhaft Mensch wird, ein Hebräer, ein Galiläer, dessen Menschsein die
kulturellen Spuren des geschichtlichen Werdegangs seines Volkes trägt; daher die
Kirche, die sich aus allen Nationen zusammensetzt. So stützt sich Papst
Franziskus auf das thomasische Prinzip: „Die Gnade setzt die Natur voraus“, und
fügt in Weiterführung dieses Prinzips hinzu: „Die Gnade setzt die Kultur voraus,
und das Geschenk Gottes nimmt Fleisch an in der Kultur derer, die es empfangen.“[138].
85. Diese Annahme der Kultur durch die Offenbarung impliziert eine gewisse
Reziprozität des Einflusses zwischen beiden, trotz ihrer Asymmetrie. So wie der
menschliche Geist erhöht werden kann, so ist auch die Kultur dazu berufen, von
der Offenbarung durch-lichtet zu werden, bis sie um den Preis der Bekehrung die
Weisheit des Gekreuzigten aufnehmen kann: Der Auftrag der Kirche schließt ein,
„dass die Kraft dieser Frohbotschaft die Denkweisen, die Maßstäbe des Urteils und die
Handlungsnormen prägt; kurz gesagt, die gesamte Kultur des Menschen soll vom
Evangelium durchdrungen werden“[139]. Der Glaube ist jedoch kein Element, das den Kulturen, in denen er gelebt wird,
fremd ist, denn seit Pfingsten beinhaltet der christliche Glaube die Gewissheit,
dass es keine einzige menschliche Kultur gibt, die nicht ihre Erfüllung von der
Heimsuchung durch das Wort Gottes erwartet und erhofft; denn dieses Wort hat
selbst die semina Verbi[140]
in alle Kulturen, die auf seine Heimsuchung warten, ausgegossen. Dadurch werden
sie vollends sie selbst. Die Offenbarung reinigt und erhebt sie also von innen
heraus, setzt an bei ihrer Offenheit für das, was wahr, gut und schön ist. In
der Folge aber ermöglichen die von der Neuheit der Offenbarung auf- und
angenommenen, verwandelten Kulturen und Sprachen eine Bereicherung und
Präzisierung in den Ausdrucksformen des Glaubens. Diese Gegenseitigkeit lässt
sich durch die Jahrhunderte hindurch in der Befruchtung der Sprache, der Poesie
und der Kunst durch die Bibel feststellen, deren Verständnis seinerseits wie „im
Gegenzug“ durch ihre Verbreitung in anderen Sprachen und Weltanschauungen
erhellt wird. Dies gilt auch für den Gebrauch des homoousios in Nizäa,
wodurch das Verständnis der Kirche von der Sohnschaft Jesu Christi präzisiert
und zugleich der übernommene Begriff verwandelt wird.
86. In dieser „Annahme der Kultur“ muss der Beziehung zwischen der hebräischen
und der griechischen Kultur ein einzigartiger und von der Vorsehung gewollter
Platz zuerkannt werden. Das homoousios wird sich hier als Frucht einer
besonders kraftvollen Synthese zeigen, die sich ereignet zwischen der
semitischen Kultur, die bereits von der Offenbarung berührt und verwandelt, aber
auch durch die Begegnungen und Auseinandersetzungen mit Völkern anderer Kulturen
– Ägypter, Kanaanäer, Mesopotamier, Römer – geformt worden war, und der
griechischen Welt. Mehr als drei Jahrhunderte vor Christi Geburt und bis ins
dritte Jahrhundert n. Chr. hatten die Lehre und das intellektuelle Leben des
hellenistischen Judentums nicht nur in Aramäisch, sondern auch in Griechisch
ihren Ausdruck gefunden, ein besonderer Schwerpunkt lag dabei auf der
Septuaginta. Die Botschaft von Jesus wurde auf Griechisch aufgezeichnet und
weitergegeben, um das Evangelium allen Menschen in der Weltsprache des
Mittelmeerraums vermitteln zu können, aber auch, weil das Neue Testament Teil
der Geschichte der Beziehung des jüdischen Volkes zur griechischen Kultur und
Sprache ist. Wie in der Septuaginta finden Einflüsse in beide Richtungen statt.
Beispielsweise wird durch panta ta ethnē in Mt 28,19 die alte jüdische
Vorstellung von allen Völkern, die nach Jerusalem strömen, übersetzt, und
măthētēs (Jünger-Schüler) überträgt das aramäische talmudim.
Umgekehrt greifen die Evangelisten auf die griechische Gerichtssprache zurück,
um den Prozess und das Leiden Jesu zu interpretieren; der Autor der
Apostelgeschichte lässt sich von der epischen Dichtung der Odyssee inspirieren,
um von den Reisen des Paulus zu berichten, und Paulus greift oft auf Elemente
der stoischen Philosophie zurück; ebenso tragen einige Passagen des Neuen
Testaments die Spuren griechisch-philosophischen Vokabulars .[141]
Es ist ganz natürlich, dass das frühe Christentum diese Synthese aus semitischem
und griechischem Denken im Dialog mit jüdisch-hellenistischen und
griechisch-römischen Autoren fortsetzt, um die Heilige Schrift zu interpretieren
und seine eigenen Gedanken zu entwickeln. Der Reichtum der griechischen
Ausdrucksweise im Judentum und Christentum lässt daher annehmen, dass in der
Aufpfropfung der griechischen Kultur auf die hebräische Kultur die Grundlage
bereitet ist, die es erlaubt, die Einzigartigkeit und Universalität des Heils in
Jesus Christus gegenüber der philosophischen Vernunft auf Griechisch zu
verdeutlichen.[142] Natürlich
gehörte ein großer Teil der Christen, vor allem außerhalb des Römischen Reiches,
nicht zu diesem Kulturkreis und entfaltete sein eigenes Talent, um den Glauben
in der syrischsprachigen Welt, in Armenien und Ägypten zum Ausdruck zu bringen,
aber auch sie bezogen eine Position gegenüber dem griechischen Denken, indem sie
sich von ihm inspirieren ließen und sich von ihm zugleich distanzierten.
87. Das Konzil von Nizäa ist nicht nur ein Ereignis der Aufnahme und Befruchtung
der Kultur durch die Offenbarung, sondern auch ein Anlass für interkulturelle
Begegnungen. Diese Begegnung zwischen den Kulturen ist ein wichtiger Aspekt des
Ereignisses der Weisheit, das durch das Christus-Ereignis hervorgerufen wird,
denn die Offenbarung verbindet die Kulturen miteinander und bringt sie in
Gemeinschaft, indem sie den höchstmöglichen Grad an Interkulturalität
ermöglicht. Der Austausch und die gegenseitige Befruchtung ist bereits
konstitutiver Bestandteil aller Kulturen, die nur innerhalb des Prozesses
existieren, in dem sie miteinander in Kontakt stehen und sich so
weiterentwickeln und bereichern, manchmal auch in Opposition zueinander stehen
und einander auch gefährden. Durch die erneuernde Kraft der Offenbarung wird
diesen Beziehungen jedoch ein qualitativer Sprung an Intensität verliehen. Indem
sie einerseits Zugang zur transzendenten Quelle des Wahren und Guten bringt, zur
Wurzel der Universalität des menschlichen Geistes, wodurch die Kommunikation
zwischen den Kulturen ermöglicht wird,[143]
, öffnet sie den gemeinsamen Raum von Begegnung und Austausch vollständig.
Andererseits wirkt das Christus-Ereignis als eine Kraft der Bekehrung und
Befreiung angesichts der Kräfte des Sich-Verschließens und der Gegnerschaft
gegenüber dem Anderen, die es im Leben der Völker und Kulturen ebenfalls gibt.
Nur eine sozusagen „erlöste“ Kultur kann über sich hinauswachsen, ohne sich
selbst zu verlieren, und sich für andere öffnen, um von ihnen Bereicherung zu
erfahren und seinerseits diese zu bereichern. Das Hören auf das Wort Gottes und
die Tradition, also auf das Wort des Anderen, gewöhnt den Geist und die Kulturen
sozusagen an das Hören auf die Anderen.[144]
Dies führt nicht zu einem äußerlichen und armseligen Nebeneinander der Kulturen
oder zu einer Einschmelzung in ein undifferenziertes Konglomerat, sondern zu
einer erlösten und erhöhten Interkulturalität, in der jede Kultur über sich
selbst hinauswächst und gleichzeitig in ihrer eigenen Beschaffenheit gestärkt
wird, gewissermaßen in einer Perichorese der Kulturen.[145]
Daher gilt es, sowohl das wirklich Neue und die „Überhöhung“ der Kulturen
festzuhalten, wie auch die Tatsache, dass diejenigen, die das Evangelium Christi
annehmen, ihre kulturelle Identität bewahren und darin gestärkt werden[146]:
„Die Christen unterscheiden sich von den anderen Menschen weder durch ein Land,
noch durch eine Sprache oder durch Kleidung […]. Während sie sich in Bezug auf
Kleidung, Essen und das übrige Leben an die örtlichen Gepflogenheiten halten,
demonstrieren sie die erstaunliche und – nach allgemeiner Auffassung – paradoxe
Verfassung ihrer Republik.“[147]
88. Die Interkulturalität ist in der Tat die Manifestation einer tieferen
Thematik, die ihr Fundament bildet: der göttliche Plan für die Einheit der
Völker und der mühsame Weg zu dieser Einheit in der Vielfalt. Es handelt sich
dabei um einen der wichtigsten Handlungsstränge in der biblischen
Heilsgeschichte. Die Erzählung vom Turmbau zu Babel in Gen 11,1–9 unterstreicht
die Spannung zwischen dem Reichtum der Vielfalt an Sprachen und Kulturen
einerseits und der Möglichkeit des Menschen, die Einheit des gemeinsamen Hauses
zu sprengen, den Logos des Oikos zu verwischen, andererseits. Der
Ruf an Abraham, die ihm gegebene Verheißung, dass durch ihn „alle Sippen der
Erde Segen erlangen“ sollen (Gen 12,3), ist die erste heilbringende Antwort
Gottes. Die Propheten erweitern diese Verheißung für die Völker der Erde, indem
sie die Einheit aller Nationen um das auserwählte Volk und das Gottes-Gesetz
ankündigen.[148] Das Neue
Testament stellt diese Einheit als im Messias verwirklicht dar, der durch sein
Blut und in seinem Fleisch „die trennende Mauer, den Hass“ zwischen Israel und
den Völkern niederreißt, um „aus beiden in ihm den neuen Menschen zu machen“
(Eph 2,14.15b). Auf diese Weise werden die Völker mit dem Bundesvolk verbunden,
indem sie „zu demselben Erbe zugelassen, Glieder desselben Leibes, Teilhaber
derselben Verheißung“ (Eph 3,6) werden. Dies ist in Christus möglich, dem Einen
und Einzigen, der alles umfasst, der Andersartigkeit und Identität zusammenhält
und die ganze Menschheit annimmt, indem er eine besondere, genealogisch und
kulturell verortete Menschheit annimmt. Der Antitypus von Babel, das Pfingstfest
mit der Herabkunft der Feuerzungen in Apg 2,1–18, ist die Manifestation und
Verwirklichung dieser gemeinschaftsstiftenden Kraft des menschlichen Logos, der
letztlich aus dem Logos Gottes hervorgeht.[149]
Nicht in der verschmelzenden Einheit einer einzigen Sprache bewirkt der Heilige
Geist die Gemeinschaft dieser Juden unterschiedlicher Sprachen und Kulturen,
sondern indem er das Verständnis für den anderen inspiriert. Es stellt ein Bild
dessen dar, was die Kirche sein wird, die alle Nationen vereint, ganz auf ihre
Vollendung hin ausgerichtet, wenn die „144.000 Besiegelten“ aus den zwölf
Stämmen Israels und „die große Schar, die niemand zählen konnte, aus allen
Nationen, Stämmen, Völkern und Sprachen“ die volle eschatologische Gemeinschaft
der Menschheit im neuen Jerusalem verwirklichen werden (Offb 7,4.9).
89. Die interkulturelle Dimension, die in Nizäa einen grundlegenden Ausdruck
gefunden hat, kann auch als Modell für die heutige Zeit angesehen werden, in der
die Kirche in einer Vielzahl von Kulturräumen präsent ist: asiatische,
afrikanische, lateinamerikanische und ozeanische Kulturen, neue europäische
Volkskulturen, ganz zu schweigen von der neuen kulturellen Form, die von der
digitalen Revolution und den technischen Wissenschaften getragen wird. All diese
zeitgenössischen kulturellen Welten scheinen weit entfernt von der
altgriechischen Kultur zu sein, welche die im Ereignis von Nizäa verwirklichte
Inkulturation der Lehre erstmals aufnahm. Einerseits gilt es zu betonen, dass es
diese griechischen Kategorien waren, in denen sich die Kirche normativ
ausgedrückt hat, und diese daher für immer mit dem Glaubensgut verbunden sind.[150]
Andererseits jedoch kann sich die Kirche in Treue zu den aus jener Zeit
stammenden Begriffen und darin ihre lebendige Wurzel findend, von den Vätern von
Nizäa inspirieren lassen, um heute nach aussagekräftigen Formulierungen des
Glaubens in den verschiedenen Sprachen und Kontexten zu suchen. In ihren
jeweiligen kulturellen Situationen und Idiomen müssen die christlichen
Gemeinschaften, ihre Theologen und Hirten in wirksamer Gemeinschaft mit dem
Lehramt, mit der Gnade des Heiligen Geistes selbst eine ähnliche Arbeit leisten
wie damals, um die radikale Einheit des Sohnes und des Vaters zu bekräftigen.
Nizäa bleibt ein Paradigma für jede interkulturelle Begegnung und für die
Möglichkeit, authentische neue Wege zu empfangen oder zu gestalten, um den
apostolischen Glauben auszudrücken.
2.3 Die schöpferische Treue der Kirche und das Problem der Häresie
90. Die Wahrnehmung von Nizäa als Ereignis der Weisheit, das durch das
Christus-Ereignis hervorgerufen wurde, ermöglicht eine differenziertere
Relecture der Geschichte der Häresien, auf die das Konzil reagiert. Häresie, die
absichtlich vom apostolischen Zeugnis abweicht und dessen Vollständigkeit
verstümmelt, wird von den Vätern als das Neue gesehen, das den Weg der regula
fidei und der traditio verlässt und sich dadurch von der
geschichtlichen Realität Christi entfernt. Der Vorwurf an Arius besteht gerade
darin, dass er Neues eingeführt habe.[151]
Angesichts des Novum, das mit dem Christusereignis begann, kann es jedoch
erhellend sein, Häresie auch als grundlegenden, passiven und aktiven Widerstand
gegen die übernatürliche Neuheit zu verstehen, die das menschliche Denken und
die menschlichen Kulturen über sich selbst hinaus öffnen soll – eine Neuheit der
Gnade, von der die neue Sprache des Glaubens zeugt, die im homoousios zum
Ausdruck kommt. Es ist nahezu unvermeidlich, dass der Mensch mit all seinen
Fähigkeiten, in seinem ganzen Wesen, Widerstand gegen diese unfassliche Neuheit
leistet, die ihn zu bekehren und zu verwandeln vermag. Es ist der Widerstand und
damit Sünde des „alten Menschen“ (Röm 6,6; vgl. auch Eph 2,15), wurzelnd in der
Schwierigkeit, die Unermesslichkeit Gottes und seiner Liebe sowie die
unglaubliche Würde des Menschen ganz zu erfassen und zu akzeptieren. Der
langsame, tastende, doch umsichtige Weg der ersten Versuche, die Bedeutung des
Geheimnisses des Gekreuzigten und seiner glorreichen Auferstehung zu verstehen,
der Übergang vom apostolischen Kerygma zu den ersten Schritten dessen, was wir
heute Theologie nennen, ist daher von ständigen Spannungen und einer Vielzahl
von Meinungen begleitet, die von der Fülle des apostolischen Zeugnisses
abweichen und als Heterodoxie, oder auch als Häresie bezeichnet
werden.
91. Anstatt einen erschöpfenden Überblick über die Häresien der ersten
Jahrhunderte zu geben, wollen wir diesen Widerstand gegen das Novum der
Offenbarung anhand einiger Beispiele beleuchten. Die rationalistische Lehre der
Gnostiker, die oft als früheste Häresie angesehen wird, verfälscht den Realismus
des Mysteriums der Inkarnation durch den Doketismus; durch die Reduzierung der
Heilsgeschichte auf mythologische Erzählungen wird die Ganzheitlichkeit der
menschlichen Erlösung geleugnet und auf die Ebene einer entleiblichten
Spiritualität verschoben. Irenäus betont in seinem Kampf gegen die Gnosis, es
handle sich um einen Widerstand gegen die Auffassung, dass Gott fähig und
willens ist, selbst in die Geschichte einzutreten, sich selbst bis zum Äußersten
mit der Menschheit zu vereinen, ja, wirklich Mensch zu werden und den Tod zu
durchleiden. Der Gnostizismus blendet die Schönheit des Einzelnen, der Materie
und der Geschichte aus, wie sie im Christusereignis offenbart wird, und wovon
das Alte wie das Neue Testament Zeugnis ablegen. Die Väter zögerten in der Folge
nicht, auf Begriffe und Kategorien aus der griechischen Philosophie
zurückzugreifen, um das christliche Denken zu präzisieren. Dabei sind sie
gezwungen, Denkrahmen zu sprengen, die von sich aus die Vorstellung von der
Inkarnation des Logos nicht ermöglichen bzw. in denen nicht angelegt ist, dass
der Logos oder der Nous (νοῦς), als Ausdruck der Gottheit,
ebenbürtig mit der Quelle ist, aus der er stammt, oder dass eine Vielheit
möglich ist, die der göttlichen Einheit nicht widerspricht und innerhalb dieser
Einheit sogar gut ist. Die Vertreter der christologischen und trinitarischen
Häresien sind diejenigen, denen es nicht gelungen ist, diese Denkrahmen, wie
reich sie im Übrigen auch sein mögen und wie viel sie tatsächlich zur
Gestaltwerdung der christlichen Lehre beitrugen, durch die unerhörte Weite des
Nous (νοῦς) Christou erweitern zu lassen. Dieselbe Schwierigkeit
findet sich auch im Wechselspiel der christologischen Strömungen im Osten
während des gesamten 3. Jahrhunderts, das in gewissem Sinne der arianischen
Häresie den Weg bereitet. Wir müssen dabei vermeiden, die variierenden
Positionen der Protagonisten dieser Strömungen zu karikieren, da es sich in
erster Linie um individuelle Denker handelt; jedoch kämpfen alle mit denselben
Schwierigkeiten, den trinitarischen Reichtum des einen Gottes und die
Radikalität der vollen Annahme einer singulären Menschheit durch den Sohn, der
dem Vater gleich ist, durchzuhalten: Einige stehen einer trinitarischen
Theologie mit subordinationistischer Tendenz und einer Christologie gegenüber,
die Gefahr läuft, doketisch zu werden, während andere sich von Formen des
trinitarischen Modalismus und des Adoptianismus abgrenzen. Es sind dieselben
Widerstände der alten Denkmuster, die sich daher einige Jahrzehnte vor Nizäa
zeigen und dann in der Lehre des Arius zum Ausdruck kommen: Es ist für ihn
unvorstellbar, dass der Sohn, der anders als der Vater ist, der geboren wird und
stirbt, gleich-ewig und Gott ebenbürtig sein kann, ohne dass die göttliche
Einheit und Transzendenz und damit die Erlösung der Menschen beeinträchtigt
wird.
92. Diese Widerstände sind durchaus verständlich, sie sind menschlich. Sie
bezeugen gleichsam im Negativ das unglaubliche Licht, das durch das
Christusereignis auf die Auffassung von Gott und der göttlichen Berufung des
Menschen geworfen wurde, und die nicht minder unglaubliche Umwandlung des
menschlichen Denkens und der menschlichen Kultur, die sich in dem daraus
resultierenden Ereignis der Weisheit entfaltet. Nichts Menschliches wird
aufgehoben; aber der Zugang zur Unermesslichkeit der Wahrheit Gottes erfordert
die Selbstoffenbarung Gottes und die Gnade, welche die Fähigkeiten und
Errungenschaften des Menschen umwandelt und überhöht. In gewissem Sinne lässt
uns der Widerstand der Häresien Nizäa in seiner ganzen Kraft unermesslicher
Neuheit sehen.
3. Das kirchliche Ereignis: das Konzil von Nizäa als erstes ökumenisches
Konzil
3.1 Das Wesen und die Strukturen der Kirche wurzeln im Christusereignis
93. Das Konzil von Nizäa ist nicht nur ein Ereignis der Dogmengeschichte,
sondern kann auch als ein kirchliches Ereignis verstanden werden, das einem
grundlegenden Schritt im Prozess der Ausgestaltung der Kirche entspricht. Im
Laufe eines langen Weges im Anschluss an Nizäa wurde das „Ökumenische Konzil“
zum richtungsweisenden Leuchtfeuer hinsichtlich der Lehre und der rechtlichen
Bestimmungen der Gesamtkirche, zum Ort ihrer Communio und ihrer letzten
Autorität. Kann man das Konzil von seiner Grundstruktur her als einen Wendepunkt
sehen, der dem weiteren Leben der Kirche die Richtung weist, ähnlich dem
Wendepunkt, den das Symbolum von Nizäa bezüglich des Zugangs zu Gott
(Christusereignis) und bezüglich des menschlichen Denkens (Weisheitsereignis)
darstellt? Dies wäre der Fall, wenn das Ökumenische Konzil als solches als eine
Frucht und spezifisch ekklesialer Ausdruck des Christusereignisses betrachtet
werden könnte.
94. Von ihren Anfängen an ist sich die Kirche bewusst, dass sie in der
Kontinuität des auserwählten Volkes steht, einer Versammlung, die
zusammengerufen wurde (qāhāl/ekklēsia – vgl. Dtn 5,22), um aus der
geoffenbarten Tora zu leben und den Herrn, ihren Gott, zu verehren. Auch sie
sieht sich als „auserwähltes Geschlecht, königliche Priesterschaft, heiliger
Stamm, erworbenes Volk, um das Lob [Gottes] zu verkünden“ (1 Petr 2,9), des
Gottes Israels. In der Apostelgeschichte wird sie als eine Gemeinschaft
vorgestellt, die den Willen Gottes erkennt, in der der Haupthandelnde der
Heilige Geist ist,[152] und die
von Männern geleitet wird, die die Rolle der zwölf Apostel, der „Zeugen der
Auferstehung“ (Apg 1,22), weiterführen. In gewissem Sinne ist es die kirchliche
Gemeinschaft als Leib Christi, in der „die Gesinnung Christi“ (Phil 2,5; siehe
oben, § 77) unterschieden werden kann.
95. Dieses Bewusstsein kommt bei den frühen Vätern zum Ausdruck, die den Aufbau
und die Abläufe innerhalb der Kirche mit ihrem innersten Wesen und ihrer
Berufung in Verbindung bringen. So unterstreicht Ignatius von Antiochien zu
Beginn des 2. Jahrhunderts, dass die verschiedenen Teilkirchen sich in
gegenseitiger Solidarität als Ausdruck der einen Kirche betrachten. Ihre
Mitglieder sind synodoi, Reisegefährten, in denen jeder berufen ist,
seine Rolle gemäß der göttlichen Ordnung zu spielen, welche die Harmonie
begründet, die in der eucharistischen Synaxis zum Ausdruck kommt. So
singt die Kirche in ihrer Einheit und Ordnung das Lob Gottes, des Vaters, in
Christus und strebt nach ihrer vollendeten Einheit, die im Reich Gottes
verwirklicht werden wird. Cyprian von Karthago vertiefte diese Lehre Mitte des
3. Jahrhunderts, indem er die synodale und episkopale Grundlage
präzisierte, auf der das Leben der Kirche ruhen sollte: Nichts geschehe ohne den
Bischof (nihil sine episcopo), aber ebenso wenig ohne „euren Rat“ (den
der Priester und Diakone) und ohne die Zustimmung des Volkes (nihil sine
consilio vestro et sine consensu plebis).[153]
Einheit, die mit der Einheit der Dreifaltigkeit in Verbindung gebracht wird, die
Inspiration durch den Heiligen Geist, der gemeinsame Weg (synodos) zum
Reich Gottes, die Treue zur Lehre der Apostel und zur Feier der Eucharistie, die
Ordnung und Harmonie unter den Amtsträgern und den Getauften, wobei den
Bischöfen eine besondere Rolle zukommt: Diese Elemente zeigen, dass die Kirche
auch in ihren Strukturen und ihrem Handeln tief in das Christusereignis
hineinreicht, und auch darin dessen besonderer Ausdruck ist. Wenn wir Nizäa
feiern, erinnern und feiern wir auch das gesamte synodale Verfahren, das dem
Ökumenischen Konzil vorausging und in ihm seinen Höhepunkt fand.
3.2 Das konstruktive Zusammenwirken der Charismen in der Kirche und der Weg nach
Nizäa
96. Diese Elemente, die zum theologischen Wesen der Kirche gehören und die nur
die Frucht des Offenbarungsereignisses sein können, zeigten sich auf dem
historischen Weg zum Ökumenischen Konzil von Nizäa durch das Zusammenspiel
dreier Charismen, die auf die Leitung, die Lehre und die gemeinschaftliche
Entscheidungsfindung in der Kirche bezogen sind: zuerst die dreigliedrige
Hierarchie, dann die Lehrer und schließlich die Synode. Eine Rangordnung, in der
die Apostel an erster Stelle stehen, ist offenbar in den paulinischen Briefen
fest verankert: „Gott hat in der Kirche erstens Apostel eingesetzt, zweitens
Propheten, drittens Lehrer…“ (1 Kor 12,28; vgl. Eph 4,11). Das erste
Charakteristikum ist die allmähliche Entwicklung der dreigliedrigen Hierarchie
von Bischöfen, Priestern und Diakonen. Diese beaufsichtigte die Propheten und
Wanderlehrer der ersten 150 Jahre des Christentums (die oft in einem allgemeinen
Sinn als „Apostel“ bezeichnet wurden), löste sie schließlich bis zu einem
gewissen Grad ab und wurde zur lokalen Leitungsstruktur der Kirche. Insbesondere
die Gestalt des Bischofs drückt die apostolische Dimension der Kirche aus. Ab
dem 4. Jahrhundert bildeten sich Kirchenprovinzen aus, welche die Gemeinschaft
zwischen den Teilkirchen zum Ausdruck brachten und förderten, mit einem
Metropoliten an der Spitze.
97. Aufgrund der Berufung der Christgläubigen, Christus zu verkünden und seine
Lehre und die Lehre der Apostel allen Nationen weiterzugeben, ist es nicht
verwunderlich, dass als zweites Charakteristikum des vornizänischen Christentums
die maßgebliche Bedeutung von Schulen und Lehrern zu nennen ist, die die
Katechumenen unterrichteten und die Heilige Schrift auslegten. Diese konnten
auch in späterer Zeit sowohl ordiniert als auch nicht ordiniert sein. Pelagius
zum Beispiel lehrte im frühen 5. Jahrhundert in Rom, obwohl er kein Priester
war, ebenso wie Melania die Ältere und Rufin in Jerusalem, und Hieronymus in
Bethlehem und später in Rom. Origenes leitete nach dem Tod seines Vaters
Leonidas die Schule in Alexandria noch vor seiner Priesterweihe.
98. Ab der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts und zu Beginn des
dritten Jahrhunderts, insbesondere in Kleinasien, nahm schließlich die Synode
einen immer wichtigeren Platz ein, um über Fragen der Disziplin, des
Gottesdienstes und der Lehre zu entscheiden. Anfangs waren die Synoden lokale
Versammlungen, doch die Tatsache, dass Synodal-Schreiben versandt wurden, in
denen die jeweiligen Entscheidungen (acta) den anderen Kirchen mitgeteilt
wurden, der Austausch von Delegationen und die Bitte um gegenseitige
Anerkennung, zeigen die „feste Überzeugung, dass die getroffenen Entscheidungen
Ausdruck der Gemeinschaft mit allen Kirchen sind“, da „jede Ortskirche Ausdruck
der Einen und Katholischen Kirche ist.“[154]
Zu beachten ist, dass die Synode als gesetzgebende Institution eine klare
rechtliche bzw. kirchenrechtliche Dimension hat. Die Dokumente und Sammlungen
von Synodenkanones werden in den bischöflichen Archiven, insbesondere in Rom,
aufbewahrt: Die Entwicklung des kanonischen Rechts und die Entwicklung der
Synoden gehen Hand in Hand und bedingen sich wechselseitig. Es ist nicht
möglich, allein Konstantins Legitimation der Kirche als Wendepunkt hin zu einer
institutionalisierten „Staatskirche“ anzusetzen. Ob als Polis, in der sich die
Stadt Gottes, das himmlische Jerusalem, widerspiegelt (vgl. Jes 60 und 62;
65,18; Offb 3,12; 21,1–27), oder als Synodos – im Sinne des Volkes, das
denselben Weg wie Jesus zum Königreich geht, mit Jesus an ihrer Spitze als ihrem
Pro-estos oder Vorsteher –, die Kirche ist konstitutiv „politisch“ und
institutionell.[155]
99. Die drei Charismen haben sich innerhalb der Kirche unterschiedlich und auf
ihre eigene Weise entwickelt, aber keines war von den beiden anderen getrennt
oder emanzipiert. Obwohl es verständlicherweise auch zu Spannungen zwischen
ihnen und innerhalb ihrer kam, haben sie einander bereichert, beeinflusst und
gestärkt. Lehrer nahmen häufig als Mitglieder an Synoden teil. Ebenso waren die
Bischöfe von Anfang an Lehrer und Prediger nach dem Beispiel des Ignatius von
Antiochien. Augenscheinlich führten die Bischöfe den Vorsitz auf den Synoden und
hatten dort eine führende Rolle als Hüter des wahren Glaubens und der rechten
Glaubenspraxis inne. Darüber hinaus stand der Bischof der Eucharistiefeier vor,
die jede Synode eröffnete und schloss, als Quelle und Höhepunkt des „gemeinsamen
Gehens“, das die Synodos[156]
darstellt. Als Zeichen der Annahme der Synodenbeschlüsse und der Gemeinschaft
der Gläubigen mit ihren Bischöfen, die durch die apostolische Sukzession in der
Catholica, der einen und einzigen Kirche Gottes eingesetzt sind,
manifestierte und verwirklichte die Eucharistie sichtbar die Zugehörigkeit zum
Leib Christi und die gegenseitige Zusammengehörigkeit unter den Gläubigen (vgl.
1 Kor 12,12).[157]
100. Diese Elemente der Ausbildung kirchlicher Strukturen zeigen nicht nur ihre
Verwurzelung im Christusereignis, sondern lassen auch eine gewisse Analogie zu
dem Prozess des oben beschriebenen “Ereignisses der Weisheit” erkennen. So wie
das menschliche Denken, das durch das Christusereignis zutiefst erneuert wurde,
die menschlichen Kulturen annimmt und verwandelt, ausgehend insbesondere von der
Begegnung des semitischen Denkens, das bereits durch die Offenbarung von innen
heraus geformt worden war, mit der griechischen Kultur und anderen Kulturen, so
waren auch die angeführten drei Dimensionen oder Charismen sowohl aus jüdischen
als auch aus lokalen Varianten griechisch-römischer Institutionen der ersten
Jahrhunderte unserer Zeitrechnung hervorgegangen, sowohl ziviler als auch
sakraler Institutionen. Einerseits hatte das Judentum des Zweiten Tempels seine
eigene Priesterhierarchie, seine Schulen und Synoden. Da es andererseits keine
speziellen Schulen für christliche Lehrer gab, wurden diese fast alle in der
enkyklios paideia oder dem allgemeinen Bildungssystem der
griechisch-römischen Welt zu „Rednern“ ausgebildet und bedienten sich daher der
Rhetorik und der Philosophie, die sie mit ins Erbe der christlichen Lehre
einbrachten. Auch die Synode (lat. concilium) war bereits eine bewährte
Institution in der griechisch-römischen Welt, als die Christen ihr einen
bedeutenden Platz gaben. Diese verschiedenen Aspekte gewinnen eigene, wenn man
so will, „verwandelte“ Dimensionen, wenn sie dem Auftrag der Kirche dienen, das
Evangelium zu verkünden und ein wirksames Zeichen der Einheit für das
Menschengeschlecht zu sein.
3.3 Das ökumenische Konzil von Nizäa
101. Im Jahr 325 wurde in Nizäa eine Synode abgehalten, die zum Teil als
Endpunkt dieses Prozesses zu sehen ist, aber aufgrund ihrer ökumenischen
Bedeutung auch eine außergewöhnliche Form darstellt. Vom Kaiser begünstigt, um
einen lokalen Streit beizulegen, der sich auf alle Kirchen des Oströmischen
Reiches und viele Kirchen des Westens ausgeweitet hatte, versammelte sie
Bischöfe aus verschiedenen Teilen des Ostens und Legaten des Bischofs von Rom.
Zum ersten Mal kommen also Bischöfe aus der ganzen Oikoumene zu einer
Synode zusammen. Ihr Glaubensbekenntnis und ihre kirchenrechtlichen
Entscheidungen werden als normativ für die gesamte Kirche verkündet. Die
einzigartige Gemeinschaft und Einheit, die durch das Christusereignis in der
Kirche gestiftet ist, wird hiermit auf neue Weise durch ein Procedere von
universaler Bedeutung sichtbar und wirksam, wie auch die Verkündigung der Frohen
Botschaft Christi in ihrer unermesslichen Weite ein Instrument von bislang nicht
dagewesener Autorität und Reichweite erhält:
„Im Konzil von Nizäa drückt sich zum ersten Mal durch die synodale Ausübung des
Bischofsamtes die ἐξουσία des auferstandenen Herrn, der den Weg des Volkes
Gottes im Heiligen Geist führt und leitet, institutionell auf einer universalen
Ebene aus. Ähnliche Erfahrungen verwirklichen sich in den nachfolgenden
Ökumenischen Konzilen des ersten Jahrtausends, durch die sich die Identität der
Einen und Katholischen Kirche als Norm abzeichnet.“[158]
102. Mit dem Konzil von Nizäa setzte sich die Idee einer ökumenischen Synode
oder eines ökumenischen Konzils durch. Obwohl allem Anschein nach die acta
nicht erhalten geblieben sind, und ungeachtet eines langsamen und mühsamen
Rezeptionsprozesses, hatten die Verkündigung des homoousios und die
Bestimmungen von Nizäa Bestand. Nach dem langen Rezeptionsprozess – der wohl
jedem Konzil beschieden sein wird – wurde Nizäa in den Augen vieler zum
Idealbild eines Konzils. Seine traditionelle Darstellung als ein einheitliches,
vom Heiligen Geist inspiriertes Konzil trug dazu bei, dass es in der späteren
Tradition zum exemplarischen Konzil wurde; dadurch wuchs unter den Christen
Schritt für Schritt die Hochschätzung ökumenischer Konzilien. Nizäa ebnete den
Weg für die folgenden ökumenischen Konzilien und damit für eine neue Art der
Synodalität oder Konziliarität, die das Leben der Kirche bis heute prägt, sowohl
in ihrer Aufgabe, den Glauben zu verbindlich zu verkünden, als auch in der
Manifestation der Einheit der gesamten Oikoumene, die hier repräsentiert
wird.
Kapitel 4
Den Glauben für das ganze Volk Gottes zugänglich halten
Auftakt: Das Konzil von Nizäa und Grundlage der Glaubwürdigkeit des christlichen
Mysteriums
103. Zuerst, und durchaus mit Recht, denkt man bei „Nizäa“ an die dogmatische
Bedeutung dieses Konzils, das die christologische und trinitarische fides
quae verteidigt und präzisiert hat. In diesem letzten Kapitel ist nun zu
verdeutlichen, wie das Ereignis des Konzils auch ein bestimmtes institutionelles
Mittel der einen und katholischen Kirche darstellte, um einen dogmatischen
Konflikt so zu lösen, dass seine Entscheidung annehmbar wurde. Die
fundamentaltheologische Betrachtung muss also die dogmatische und historische
Untersuchung ergänzen. Es ist die fides quae, die Heilswahrheit, welche
die Zustimmung zum Heil, die fides qua, hervorbringt; aber in Nizäa wurde
die fides qua selbst in den Dienst der Annahme und des Verständnisses der
fides quae gestellt. Wenn man die Entfaltung der fides qua und
damit die Bedingungen für die Definition und den Empfang der fides quae
betrachtet, erklärt man zugleich das Wesen und die Aufgabe der Kirche. Es ist
freilich klar, dass die „Auffindung“ dieses institutionellen Mittels
schrittweise erfolgte, dass es nicht wie Athene aus dem Kopf des Zeus geboren
wurde; kurz gesagt, dass das dogmatische Konzept des „ökumenischen Konzils“
nicht genau zeitgleich mit dem Ereignis von 325 entstanden sein kann. Wie in
Kapitel 2 erläutert wurde, ist der Ort schlechthin, an dem fides qua und
fides quae zusammenkommen, die Taufe. Hier wird der Einzelne in den
Glauben der Kirche aufgenommen, den er von der Mutter Kirche erhält. In diesem
Kontext der Taufe und der Initiationskatechese hat die Alte Kirche die Regula
fidei als dichteste Zusammenfassung des Glaubens ausgeformt. Aufgrund ihrer
hohen Bedeutung wurde sie eingesetzt, um den wahren Glauben von der Häresie
abzugrenzen (z. B. bei Irenäus, Tertullian, Origenes). Die Regula fidei
ist die Vorstufe zum Symbolum, als lehrmäßiger Zusammenfassung der normativen
Elemente des Glaubens. Dieses Bewusstsein einer Norm (regula; kănōn)
ist bereits im Verfahren der vor-nizänischen Synoden präsent, wenn es um die
Unterscheidung des Glaubens geht.
104. Auf der Grundlage der vielfältigen Erfahrungen der regionalen oder lokalen
Synoden des 2. und 3. Jahrhunderts kann man jedoch die dogmatische
These vertreten, dass eine bestimmte ekklesiologische Wahrheit, a priori
als funktional erachtet, zur Lösung des Problems herangezogen wurde, dass eine
trinitarische, christologische und soteriologische Wahrheit von Veränderung,
Verfälschung oder Verschwinden bedroht war. Die Prozesse der fides qua
machen das Wesen der Kirche sichtbar. Das fleischgewordene Wort Gottes (Joh
1,14) wirkt die wahrhaftige Erkenntnis des Vaters, und diese Erkenntnis ist
durch die Kraft des Heiligen Geistes der Kirche anvertraut, die sie bewahren und
weitergeben muss. Diese Sendung setzt voraus, dass die Kirche die Heilige
Schrift mit Autorität auslegen kann. Ebenso wird deutlich, dass das Bekenntnis
zur Kirche („ich glaube… die Kirche“) und die Überzeugung, sie habe die
Autorität, die christologische und trinitarische Lehre zu definieren, im Akt des
Glaubens an Jesus Christus und die Dreifaltigkeit begründet ist, in einer Art
wechselseitigen „Priorität“ bzw. wechselseitigen „Kausalität“, wie es ein
thomistischer Ausdruck gelungen formuliert.[159]
Schließlich muss unser Augenmerk auch auf das Endziel dieses ganzen kirchlichen
Procedere gerichtet werden. Wir stellen die Hypothese auf, dass das konziliare
Procedere in den Dienst der Kleinen gestellt wurde, ja in den Dienst am Glauben
der Kinder, der in den Augen Jesu, des Herrn, das Paradigma für den Glauben der
wahren Jünger ist, und damit in den Dienst der Verkündigung des Evangeliums an
alle. Dadurch wird die Bedeutung des Lehramts der Kirche erhellt, dessen Ziel
eine schützende Liebe zu den „Geringsten“ unter den „Brüdern“ Christi ist (vgl.
Mt 25,40).
1. Die Theologie im Dienst der Vollständigkeit der Heilswahrheit
1.1 Christus, die eschatologisch wirksame Wahrheit
105. Da Nizäa in Fragen, die die Erlösung betreffen, eine Wahrheit vorlegt und
sie vom Irrtum unterscheidet, besteht die erste Herausforderung aus
fundamentaltheologischer Sicht darin, den Stellenwert der Wahrheit in der
Soteriologie zu bestimmen. Diese Überzeugung ergibt sich zunächst aus der
Gestalt der Offenbarung selbst; indem sie sich in geschriebenen Worten
aufzeichnen lässt, zeigt sie, dass die Dimension der Wahrheit für sie
konstitutiv ist. Der christliche Glaube setzt voraus, dass die Wahrheit Christi
seinen Jüngern zugänglich wird. Denn der Erlöser ist selbst die Wahrheit: „Ich
bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6). Im Christentum ist die
Wahrheit eine Person. Die Wahrheit ist nicht mehr nur eine Sache der Logik oder
der Argumentation, man kann sie nicht besitzen, und sie ist nicht abtrennbar von
anderen Attributen, die mit der Person Christi selbst identifiziert werden, wie
das Gute, die Gerechtigkeit oder die Liebe. Es bleibt dabei, dass die
Verbundenheit mit Christus immer das Verstehen der Jünger aufruft: „Credo ut
intelligam“[160]. Denn es ist
weder vorstellbar noch kohärent, dass der Gott, der den Menschen mit
Erkenntnis und freiem Willen erschaffen hat – einer der Aspekte der
Erschaffung nach dem Bild und Gleichnis des Schöpfers selbst (Gen 1,26–27) –,
als erlösender Gott das Interesse daran verlieren könnte, den Zugang zur
Erkenntnis seiner Wahrheit und der Wahrheit des Heils zu ermöglichen.
Darüber hinaus besitzt diese Heilswahrheit eine gemeinschaftliche Dimension.
Nizäa war eine gemeinschaftliche Äußerung der Wahrheit, um sie der ganzen Kirche
mitzuteilen. Tatsächlich ist es ebenso wenig vorstellbar oder kohärent, dass der
Schöpfer der Menschheitsfamilie und insbesondere deren Fähigkeit zur
Verständigung mittels Sprachen (vgl. Gen 11,1–9 – Turmbau zu Babel, und Apg
2,1–11 – Pfingsten) sich nicht für den gemeinschaftlichen Zugang zu
seiner Wahrheit, der Heilswahrheit, interessieren könnte. Daher gefährdet der
Zerfall der Einheit des Glaubens die Kraft und Wirksamkeit der Erlösung in Jesus
Christus.
106. Diese für das Heil konstitutive Stellung der Wahrheit strahlt auf das Wesen
der Kirche selbst zurück, die „Trägerin der Wahrheit“ (alēthefora) ist.
Sie trägt einen anderen als sich selbst, Christus die Wahrheit, und wäre ohne
diesen nicht sie selbst. Die Kirche ist von ihrem Ursprung her notwendigerweise
ein Ort der Suche, der Entdeckung, des Schutzes und der Entfaltung der im Wort
Gestalt gewordenen Wahrheit, zum persönlichen und kirchlichen Wohl seiner Jünger
und zum Wohl aller Menschen. Sie ist auch ein Ort der Gemeinschaft mit der
lebensspendenden Kraft dieser Wahrheit, die in ihr fließt und gleichzeitig auch
die Wahrheitssuche der Welt, ihr Denken und ihre Kultur belebt.[161]
„Lebensstiftende Weitergabe der heilsamen Wahrheit selbst“ ist daher eine
ausgesprochen zutreffende Umschreibung und vielleicht die tiefste Bedeutung, die
der dogmatische Begriff der kirchlichen Tradition annehmen kann.[162]
107. Die herausragende Stellung der Wahrheit erklärt die entschiedene Ablehnung
des Götzendienstes in der Heiligen Schrift. Der Heilige Israels ist ein
sprechender Gott, im Gegensatz zu den Götzen. „Sie haben einen Mund und reden
nicht“, heißt es in den Psalmen (115,5 und 135,15), die in 1 Kor 12,2 wieder
aufgegriffen werden: „Als ihr noch Heiden wart, zog es euch, wie ihr wisst, mit
unwiderstehlicher Gewalt zu den stummen Götzen“. Überdies wurden die Wahrheit,
die Macht, die Gerechtigkeit und die Heiligkeit Gottes biblisch immer in
Verbindung mit seinem Anspruch verstanden, wahres und umfassendes Heil zu
bringen, während die götzendienerischen Praktiken nur beanspruchen, ein
partielles und regional begrenztes Geschenk zu bieten. Da die Wahrheit zudem
jene Person ist, die von Gott kommt und Gott und Herr ist (vgl. Joh 13,14), muss
die Wahrheit des Heils empfangen werden, während der Götzendienst das Göttliche
aus dem Menschlichen erbauen will. Die Tatsache, dass Gott nicht wie eine
Götzenstatue geformt werden kann (vgl. die Ironie in Weish 13,11–19), verweist
auf den Begriff der göttlichen Selbstoffenbarung, der frontal der Idee der
Selbstverwirklichung entgegengesetzt ist, die so häufig in religiösen Angeboten
vorkommt – selbst in frühen, wie der Gnostizismus beweist, den Irenäus korrekt
als Häresie und als die „fälschlich sogenannte Erkenntnis“ bezeichnet. Die
Gnosis „lügt“, sie widerspricht dem Begriff der Heilswahrheit selbst, denn sie
ist nicht die von Gott empfangene und frei in Liebe aufgenommene Wahrheit.
Demgegenüber fordert das Wort Gottes durch seine Menschwerdung den kirchlichen
und persönlichen Glaubensakt als ein Empfangen der rettenden Geheimnisse im
Heiligen Geist, mit dem Verstand und der ganzen Existenz: „Ihr betet an, was ihr
nicht kennt, wir beten an, was wir kennen; denn das Heil kommt von den Juden“
(Joh 4,22). Zuletzt schließlich ist Jesus das Wort Gottes, das in die Welt
gesandt wurde, um das Wort zu verkünden, das Wort der umfassenden Wahrheit, das
die Glaubensantwort des Menschen fordert. Deshalb handelt es sich hier um eine
wahrhaft heilbringende, eschatologisch wirksame Wahrheit: „Heute noch
wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lk 23,43). Die Entscheidung von Nizäa, eine
umfassende Heilswahrheit für alle in Worte zu fassen, die im Glauben zu
empfangen ist, ist treu nicht nur der christologischen Wahrheit (fides quae),
sondern auch der persönlichen Beziehung zu der Wahrheit, die Christus selbst ist
(fides qua).
1.2 Errettung und der Weg zur Gotteskindschaft
108. Diese soteriologische Wahrheit ist im stärksten Sinne seinshaft/ontologisch
zu verstehen. Ohne den Anspruch zu erheben, ein erschöpfendes Verständnis zu
bieten, das dem Geheimnis der Erlösung als Geheimnis schaden würde, eröffnet sie
dennoch den Zugang zur eigentlichen Wahrheit der Sohnschaft und Vaterschaft
Gottes. Der Gott der Wahrheit wollte die Menschen sozusagen auf die Probe
stellen, was den unerhörten Anspruch seines einzigen Sohnes Jesus auf die
Sohnschaft betrifft. Die von Gott geoffenbarte Wahrheit konzentriert sich
also in der Wahrheit seines einzigen „Sohnes“. Dieser Begriff lässt sich nicht
auf eine einfache Metapher oder Analogie reduzieren, denn was hier metaphorisch
ist, öffnet sich von selbst dem Bereich der Ontologie, so wie das Symbolon,
im eigentlichen Sinne des Wortes, tatsächlich und wirksam Zugang zu der Realität
schafft, die es bezeichnet. Das Zeugnis des Vaters, das Jesus gegeben wurde,
begründet diese Wahrheit: „Wenn wir von Menschen ein Zeugnis annehmen, so ist
das Zeugnis Gottes größer; denn das ist das Zeugnis Gottes: Er hat Zeugnis
abgelegt von seinem Sohn.“ (1 Joh 5,9). Der Autor fügt hinzu: „Wer Gott nicht
glaubt, hat ihn zum Lügner gemacht“ (1 Joh 5,10). Unsere alten
Katechismen formulierten diese innerste Überzeugung des Glaubensaktes der
Christen gerne in direkter Einfachheit: „Gott, der weder sich noch uns täuschen
kann“,[163]
in dem Thomas von Aquin seine eigenen Formulierungen wiedererkannt hätte.[164]
So findet sich die ontologische Option des Neologismus von Nizäa, des
homoousios, gerechtfertigt, um die biblische und hymnische Terminologie
fortzuführen und zu präzisieren. Die Bestätigung der ontologischen Wahrheit der
göttlichen Sohnschaft Jesu liegt darin, wie wir im ersten und dritten Kapitel
gesehen haben, dass das Verhältnis von Vaterschaft und Sohnschaft zwischen dem
Göttlichen und dem Menschlichen auf geheimnisvolle Weise umgekehrt wird: Die
menschliche und irdische Vaterschaft ist zu einer zweiten, abgeleiteten
Benennung ihres Prototyps, Gott, dem Vater, geworden (vgl. Eph 3,14; Mt 23,9).
Es ist die Wahrheit der göttlichen Sohnschaft, in die der Gläubige eingeladen
ist einzutreten, die der Wahrheit des „Sohn-Werdens“ in der Taufe zugrunde
liegt.[165]
Gerettet zu werden, bedeutet nach dem Evangelium Jesu, in die volle Wahrheit der
Sohnschaft einzutreten, die in die ewige Sohnschaft Christi eingefügt ist.
2. Die Vermittlung der Kirche und die Umkehrung der dogmatischen Reihenfolge:
Trinität, Christologie, Pneumatologie, Ekklesiologie
2.1 Die Vermittlungen des Glaubens und das Amt der Kirche
109. Diese heilbringende und heilswirksame Wahrheit wird in Nizäa in einem Akt
der Auslegung des biblischen Textes mit Begriffen aus der Sprache der Dichtung
und der Philosophie sowie durch die Anwendung des intellectus fidei (der
Glaubenseinsicht) entfaltet und vermittelt. In der Tat bezeugt die gesamte
Heilsgeschichte gemäß der biblischen Offenbarung, dass eine starke Überzeugung
von der christologischen Wahrheit keineswegs im Sinne eines Fundamentalismus
verstanden werden sollte, für den die Bedeutung der Heiligen Schrift einzig und
allein auf unmittelbare Weise verfügbar ist. Die Auslegungstradition der
kirchlichen Lehre und die theologische Forschung zeigen vielmehr, dass der
Glaube vieler Vermittlungen bedarf, angefangen bei der ersten,
einzigartigen und grundlegenden: der Menschheit des eingeborenen Sohnes, die er
von Maria hat. Gott hat beschlossen, dass seine unvorstellbare göttliche
Wahrheit durch die Vermittlung seines fleischgewordenen Wortes eine Bewegung zur
Menschheit hin vollziehen werde: „Dieser ist mein geliebter Sohn, auf ihn sollt
ihr hören“ (Mt 17,5; 3,17). Darüber hinaus erfordern die verschiedenen
literarischen Gattungen, in denen die biblischen Bücher die Offenbarung zum
Ausdruck bringen, entsprechende hermeneutische Rücksichten[166].
Das Symbolum, das aus der Liturgie hervorgegangen ist und innerhalb der Liturgie
verkündet wird, bezeugt, dass die interpretative Vermittlung sich nicht auf
einen Textkommentar beschränkt, sondern gestis verbisque erfolgt, wo der
Glaube in einer Gemeinschaft des Gebets und der Gnade gelebt wird.[167]
Wir lesen dies in der Erzählung von Lk 24, wo der Auferstandene selbst sich
nicht nur durch die Auslegung von Gesetz und Propheten erklärt, sondern
schließlich auch durch seine Gegenwart und seine eucharistische Selbsthingabe
beim „Brechen des Brotes“, wie Papst Benedikt XVI. in Verbum Domini
erläuterte:
Wort und Eucharistie gehören so eng zueinander, dass eines nicht ohne das andere
verstanden werden kann: Das Wort Gottes wird im eucharistischen Geschehen
sakramentales Fleisch. Die Eucharistie öffnet uns für das Verständnis der
Heiligen Schrift, ebenso wie die Heilige Schrift ihrerseits das eucharistische
Geheimnis beleuchtet und erklärt. In der Tat: Ohne die Erkenntnis der
Realpräsenz des Herrn in der Eucharistie bleibt das Verständnis der Schrift
unvollständig.[168]
110. So kann die innere Verknüpfung der Mysterien, wie sie sich in der Dogmatik
darstellt, in der Fundamentaltheologie sinnvoll umgekehrt werden. Gerade durch
das Mysterium der Kirche, „das am schwersten zu glaubende Mysterium“[169],
eröffnen sich die ungeahnten Geheimnisse des christlichen Glaubens, Geheimnisse,
von denen sie selbst logisch und ontologisch abhängt. Es ist deshalb in erster
Linie Aufgabe der Kirche, den Rahmen für die Glaubwürdigkeit des Glaubensweges
vorzugeben. Offensichtlich gibt es „eine Ordnung bzw. ‚Hierarchie‘ der
Wahrheiten der katholischen Lehre, da ihr Zusammenhang mit dem Fundament des
christlichen Glaubens verschieden ist.“[170]
Die christologische, trinitarische und soteriologische Lehre des
Glaubensbekenntnisses bildet dieses Fundament. Doch innerhalb des nexus
mysteriorum der Dogmen[171]
erhellt der Interpretationsakt des Konzils die Teilhabe der Kirche an der
Heilsordnung, entsprechend ihrem spezifischen Platz und ihrer spezifischen
Rolle.
2.2 Dissens und Synodalität
111. Die auslegende Vermittlung der Kirche zeigt sich in Form von
Schiedssprüchen, insbesondere angesichts von Meinungsverschiedenheiten oder der
Notwendigkeit, den heiligen Text zu übersetzen. Das „Konzil von Jerusalem“ in
Apg 15 bezeugt zum ersten Mal einen konfliktträchtigen Dissens in Lehre (das
Verhältnis der Jünger Christi aus den Heidenvölkern zum mosaischen Gesetz) und
Praxis (Beschneidung, Götzendienst und Unzucht), dessen Beilegung und Lösung in
Form des wiedererlangten kirchlichen Konsenses zunächst durch eine Prüfung durch
das versammelte Kollegium der „Apostel und Ältesten“ (Apg 15,6) erfolgte. Es
zeichnet sich ein Prozess ab: Zunächst gibt es eine Reihe von autorisierten
Zeugenaussagen (Petrus, Paulus und Barnabas, Jakobus), die in gegenseitigem
Zuhören aufgenommen wurden,[172]
dann eine Berufung auf die Autorität des Mose, die Einsetzung von
bevollmächtigten Boten im Gegensatz zu den Boten „ohne Auftrag“ (Apg 15,24) und
schließlich die Abfassung einer verbindlichen Schrift, die der Versammlung in
Antiochia (Apg 15,30–31), die auf Initiative dieser bevollmächtigten Boten
zusammengekommen war, offiziell überreicht werden sollte. Alle sind Akteure,
denn die Frage wird der gesamten Gemeinde in Jerusalem vorgelegt (Apg 15,12),
die während des Verlaufs der kirchlichen Urteilsfindung anwesend ist und in die
endgültige Entscheidung einbezogen wird (Apg 15,22).[173]
Ein Zeichen für diesen Gemeinschaftsaspekt ist, dass die Boten zu zweit
ausgesandt werden (Apg 15,27). Für unsere Überlegungen ist wesentlich, dass die
vom Heiligen Geist unterstützte und synodal arbeitende Kirche, die sich auf den
sensus fidei fidelium[174]
und die besondere Autorität der Apostel stützt, das lebendige und wirkende
Geheimnis darstellt, in dem die lehrmäßige Entwicklung betreffend die
Unterscheidung zwischen den Jüngern Christi aus dem jüdischen Volk und denen aus
den Nationen im Blick auf die Praxis des mosaischen Gesetzes ausgearbeitet
wurde. Der Schiedsspruch in Glaubensfragen, der das universale Ziel Gottes und
den Eintritt der Heidenvölker in das zuallererst Israel geoffenbarte Geheimnis
betraf, wurde hier, im Wechselspiel zwischen fides qua und fides quae,
innerhalb des dynamischen Mysteriums der Kirche vollzogen.
112. Bereits in der Zeit vor der Menschwerdung des Wortes hatte sich das
auserwählte Volk mit einem ähnlichen Problem auseinandersetzen müssen, was die
Bewahrung, aber vor allem die Verbreitung der Offenbarung in der Diaspora
Israels und darüber hinaus unter den Völkern betraf, die das Neue Testament als
„Proselyten“ (Mt 23,15 und Apg 2,10 und 6,15) und „Gottesfürchtige“ (Apg 10,2)
heidnischer Herkunft bezeichnet. Diese grundlegende Option, deren tatsächlicher
Ursprung sich in Legenden verliert (Brief des Aristeas oder
Talmud-Soferim 1,7), erlaubte die Übersetzung der hebräischen Bibel ins
Griechische und führte so zur alexandrinischen Version der Septuaginta. Denn
diese Übersetzungen, wie auch später die Verwendung des Neologismus
homoousios, werden zahlreiche lexikalische Abwägungen erfordert haben, damit
der wahre Sinn des Originaltextes, im semitischen Sprachfeld entworfen, nicht
verloren ging, als der Text in das semantische Feld einer indoeuropäischen
Sprache übertragen wurde.
113. Diese Abwägungen bringen das Wesen der Kirche zum Ausdruck und ermöglichen
es, die Bedeutung des von ihr ausgeübten Lehramts zu erfassen. Denn die Kirche
ist eine in die Geschichte eingebettete Wirklichkeit der Gnade. Sie wird vom
Heiligen Geist gebildet und bewegt, demselben Geist, der die Menschwerdung des
Wortes wirkte und auch weiterhin die Eingliederung der Gläubigen in den
mystischen Leib bewirkt, der wiederum den Freuden, Versuchungen und
Wechselfällen der Geschichte ausgesetzt ist. Die Heilssendung der Kirche
vollzieht sich nicht nur durch die Predigt, die Unterweisung in der Heiligen
Schrift und die Feier der Sakramente, sondern auch durch das Lehramt, das von
den Bischöfen, den Nachfolgern der Apostel, in Gemeinschaft mit dem Bischof von
Rom, dem Nachfolger Petri, ausgeübt wird. Damit ist nicht gemeint, dass die
Wahrheit des Glaubens historisch und veränderlich wäre: Es soll vielmehr gesagt
werden, dass die Anerkennung der Wahrheit und die Vertiefung ihres
Verständnisses eine geschichtliche Aufgabe des einen Subjekts Kirche darstellen.
Die Kirche verfügt also nicht über die Wahrheit, die nicht hergestellt werden
kann, da es sich grundsätzlich um Christus selbst handelt, sondern sie empfängt
sie, ruft sie in Erinnerung und interpretiert sie. Mit der Kirche zu glauben
bedeutet für jede Generation, an ihren unaufhörlichen Bemühungen um ein tieferes
und vollständigeres Verständnis des Glaubens teilzunehmen. Die Pflicht zur Treue
kann nicht nur auf eine passive Folgsamkeit reduziert werden: Sie ist eine
Pflicht zur aktiven Aneignung für alle Jünger, mit der Unterstützung und unter
der Obhut des lebendigen Lehramts des Bischofskollegiums. Die Bischöfe besitzen,
wenn sie übereinstimmen, die Autorität, verbindlich zu entscheiden, ob eine
theologische Interpretation treu zur Quelle – Christus und der apostolischen
Tradition – ist oder nicht. Das Lehramt fügt der in Christus vollendeten und
durch die Schrift bezeugten Offenbarung nichts hinzu, außer den Erläuterungen
der dogmatischen Entwicklung, denn die Kirche übt darin ihre Rolle als
authentische Interpretin des Wortes Gottes in Akten schöpferischer Treue zur
Offenbarung aus[175]: „Daher
kommt es, dass das Urteil über die Authentizität des sensus fidelium
letzten Endes weder den Glaubenden selbst zukommt, noch der Theologie, sondern
dem Lehramt.“[176]. Das
sogenannte ordentliche Lehramt der Nachfolger der Apostel besteht aus der
gewöhnlichen Unterweisung, welche die Tradition – bereits im Neuen Testament als
„die gesunde Lehre“ (2 Tim 4,3) bezeichnet – kontinuierlich entfaltet. Im
Vergleich dazu wird das außerordentliche Lehramt selten ausgeübt, jedoch
immer dann, wenn eine lehrmäßige Entscheidung von universalkirchlicher Tragweite
getroffen werden muss, insbesondere angesichts einer Infragestellung durch einen
Teil der Kirche. Dies geschah in herausragender und ausdrücklicher Weise auf dem
Ökumenischen Konzil von Nizäa.
2.3 Bildung und Erneuerung des Konsenses durch die „Zungen des Heiligen Geistes“
114. Im Grunde genommen war die Aufgabe der Kirche also zunächst die vom Geist
gewirkte Metaphrase (genaue Umschreibung, Übertragung). Es handelt sich um eine
Übersetzungstätigkeit, wie die Septuaginta und die Targumim, die die
Treue zum hebräischen Text suchen, während sie sich entschieden in der dem
Griechischen und dem Aramäischen eigenen Denkweise und Geistigkeit bewegen. Es
ist anzunehmen, dass derselbe Vorgang bei der Übersetzung der auf Aramäisch
gesprochenen Worte Jesu in das Griechisch der Evangelien stattfand. Es geht auch
um die exegetische Arbeit am heiligen Text, die mit den Midraschim und
den Schriften der frühen Kirchenväter einsetzte. Es ist diese doppelte Bewegung,
die sich im lebendigen Austausch eines ökumenischen Konzils entfaltete, das
unter der Leitung des Pfingstgeistes gefeiert wurde und bei dem die Sprecher aus
der syrischen, griechischen, koptischen oder lateinischen Welt stammen konnten,
und die zu Definitionen führte, die ihrerseits in andere Sprachen und
Ausdrucksformen übersetzt werden konnten. Wir werden damit Zeugen einer
doppelten Kühnheit, die vom Heiligen Geist empfangen wurde: Erstens eine
Stärkung des Verständnisses des in Nizäa bekannten Glaubens auf Seiten derer,
die ihn mit parrēsia und wirksam zum Nutzen des Volkes Gottes in den
verschiedenen Kontexten dieser Welt verkünden; zweitens die Kühnheit im Heiligen
Geist auf Seiten derer, die diese Verkündigung hören (auditus fidei) und
empfangen (obsequium fidei)[177].
Diese Bewegung zeigt sowohl das Wesen der Kirche als auch die Selbigkeit des
Geistes der Wahrheit, der an die Worte Christi „erinnert“ und in die „ganze
Wahrheit“ (Joh 16,13; cf. 14,26) hineinführt. Es ist nicht überraschend, dass
eine solche ekklesiologische Aufgabenstellung, die das Wirken der dritten
göttlichen Person voraussetzt, von der Heilsgeschichte bis zum ursprünglichen
Geheimnis der trinitarischen Beziehungen, von der ökonomischen Trinität bis zur
immanenten Trinität aufsteigen musste.
115. Angesichts dieser geistgewirkten Metaphrase, die das berühmte homoousios
als einen neuen, der Heiligen Schrift unbekannten Begriff einführt, müssen
wir zur Kenntnis nehmen, dass weder die biblischen Erzählungen noch die
Metaphern der Schrifttexte durch die spekulativen Umschreibungen beseitigt oder
verdunkelt werden, vielmehr bündeln und erhellen diese deren inhaltliche
Substanz. Die dogmatische Klärung ist nur dann von Wert, wenn sie ihre
Verwurzelung im biblischen Nährboden und in der liturgischen
Glaubensgemeinschaft beibehält, woraus sie lebt. Dies ist im Text des Symbolums
eindeutig der Fall. Unter Bedingungen wie denen der arianischen Krise, in denen
das Wort Gottes scheinbar zwiespältige Stützen für die Bewahrung der
Glaubenswahrheit bietet (Lk 18,19: „Warum sagt ihr, dass ich gut bin? Niemand
ist gut außer Gott allein“), wird es notwendig, dass die spekulative
Formulierung den exegetischen Streit entscheidet. Die lehrmäßige Entwicklung,
samt ihrem Potential, sprachliche Neubildungen vorzunehmen, muss sich jedoch
damit begnügen, die der Offenbarungssprache innewohnenden Wahrheiten zu
entfalten. Ähnlich hat Christus selbst in Mt 13,3–9 sein Gleichnis vom Sämann
erzählt und nachfolgend erklärt (13,18–23). An dieser Stelle darf man es nicht
unterlassen festzuhalten, dass es in der Geschichte der Kirche alles in allem
nur wenige dogmatische Neologismen gab; sie entsprachen den wirklich
entscheidenden Knotenpunkten des christlichen Mysteriums : „Konsubstantialität –
Wesensgleichheit“ und „hypostatische Union“ in der Christologie; und in der
Trinitätstheologie die Begriffe „subsistierende Relationen“ und „Perichorese“;
aber auch „Person“ (prosôpon und hypostasis) in ihrer spezifisch
christlichen Bedeutung in der Trinitätstheologie, Christologie und
Anthropologie.
3. Das Glaubensgut hüten: Liebe im Dienst an den Geringsten
3.1 Der einmütige Glaube des Gottesvolkes, der allen Menschen angeboten wird
116. Das Glaubensbekenntnis und die vom Konzil von Nizäa verabschiedeten Kanones
sind nicht einfach nur kirchliche Akte der Interpretation, Übersetzung und
Umschreibung, sondern wollen das von den Aposteln überlieferte Glaubensgut
„bewahren“, „hüten“ (phȳlaxein: 1 Tim 6,20). Dieser Schutz kommt jedoch
insbesondere den am meisten gefährdeten Menschen zugute. So wie auf der Ebene
der fides quae das homoousios im Hinblick auf alle Menschen bis
hin zum Geringsten, Prinzip und Grundlage der koinonia in Christus ist,
so schützt auf der Ebene der fides qua die Entscheidung des Konzils, ein
gemeinsames Glaubensbekenntnis zu formulieren, alle Gläubigen. Denn die Klarheit
der Lehre befähigt den Glauben, den Kräften des verabsolutierten kulturellen
Partikularismus und der geopolitischen Zerrissenheit ebenso zu widerstehen wie
den Kräften der Häresie, die oft mit einer Form elitärer Raffinesse verbunden
ist.
117. Unterstreichen wir diesen letzten Aspekt. Im vierten Jahrhundert, in der
Zeit des „Kirchenfriedens“, in der die Gefahr bestand, dass die christliche
Überzeugung im Zuge ihrer universellen Ausbreitung verwässerte, versuchten im
Gegenzug die Anhänger des antiken Heidentums, diesem seine verlorene Kraft
zurückzugeben, indem sie betonten, dass die Götter seines Pantheons, seiner
Praxis und der Bräuche der Vorfahren für die Normalsterblichen zugänglich seien.
Der Glaube, den Jesus den einfachen Menschen predigte, ist nun kein
simplifizierender Glaube. Gleichnisse und andere Aussprüche oder bestimmte
johanneische Erklärungen wie das meisterhafte: „Ich und der Vater sind eins“
(Joh 10,30) zeugen von der Tatsache, dass der Zugang zum Geheimnis Gottes
zumindest paradox ist. Weder das, was das Dogma die Trinität nennen wird, noch
die hypostatische Vereinigung, die auf dem Konzil von Chalkedon verkündet wurde,
noch der dynamische Dyotheletismus, der in der Soteriologie von Maximus dem
Bekenner bewahrt wurde, kann man als „einfache“ Aussagen bezeichnen. Jedoch hat
sich das Christentum selbst nie für eine esoterische Weltanschauung gehalten,
die einer Elite von Eingeweihten vorbehalten wäre. Christus bekräftigt dies in
einer grundlegenden Aussage: „Ich habe offen vor aller Welt gesprochen. Ich habe
immer in der Synagoge und im Tempel gelehrt, wo alle Juden zusammenkommen.
Nichts habe ich im Geheimen gesprochen. Warum fragst du mich? Frag doch die, die
gehört haben, was ich zu ihnen gesagt habe; siehe, sie wissen, was ich geredet
habe“ (Joh 18,20). Selbst die mystagogische Arkandisziplin während einer Zeit
des frühen Christentums spricht nicht etwa für eine eifersüchtige Sorge um das
Geheimnis, sondern dafür, dass die Ernsthaftigkeit der christlichen Initiation
und ihre Schritte beachtet wurden. Und mit dem Fortschreiten der Jahrhunderte
scheint der christliche Glaube seinen entschieden exoterischen und volksnahen
Stil voll aufgenommen zu haben. Im Grunde drückt jeder Christ, wenn er sich mit
dem Zeichen des Kreuzes bezeichnet, auf angemessene und volle Weise das
Herzstück des trinitarischen und österlichen Glaubens aus.[178]
Das ganze Volk Gottes soll den Grund für seinen Glauben und seine Hoffnung
angeben können (vgl. 1 Petr 3,5): In diesem Sinne ist das Volk Gottes
„Theologe“.[179]
118. In demselben Sinne begründet die Ausübung des Lehramts, wie sie auf dem
Konzil von Nizäa erfolgt ist, und die der Unterweisung der „katholischen“ Kirche
einen genuin öffentlichen und institutionellen Stil verleiht, dadurch die
Gleichheit aller gegenüber dem Inhalt des Glaubens. Das liturgische
Glaubensbekenntnis, das von allen Gliedern des mystischen Leibes in einer
öffentlichen und gemeinsamen Liturgie abgelegt wird, bildet einen Prüfstein für
die von Tertullian so sehr geschätzte contesseratio (das Band der
Gastfreundschaft) in der kirchlichen Gemeinschaft.[180]
Das Gemeingut der Offenbarung wird hier wirklich allen Gläubigen „zur Verfügung“
gestellt, was die katholische Lehre von der Unfehlbarkeit des Volkes der
Getauften in credendo bestätigt: „Die Gesamtheit der Gläubigen, welche
die Salbung von dem Heiligen haben (vgl. 1 Joh 2,20.27), kann im Glauben nicht
fehlgehen.“[181]
Die Bischöfe haben eine besondere Rolle bei der Feststellung des Glaubens,
können diese aber nicht wahrnehmen, ohne in der kirchlichen Gemeinschaft des
gesamten Gottesvolkes zu stehen.[182]
In diesem Sinne weist das neue Gesetz des Neuen Testaments die Merkmale des
alten Gesetzes auf, dessen öffentliche Dimension normalerweise nicht ausreichend
gewürdigt wird: Da das Gesetz feierlich bekannt gemacht wird, ist es allen als
göttliches Gesetz bekannt. So sind selbst die führenden Männer durch die
Öffentlichkeit des Gesetzes an dessen Einhaltung gebunden. „Auf die Person zu
schauen“, die Bevorzugung von Personen ohne gerechten Grund, die in der Tora
häufig angeprangert wird, wird umso klarer als eine objektive Verfehlung gegen
die gleiche Würde der Kinder Gottes erscheinen (vgl. Lev 19,5; Dtn 10,17; Apg
10,34; Röm 2,11).
3.2 Der Schutz des Glaubens angesichts politischer Macht
119. So war das Konzil von Nizäa mit allem, was es der Initiative Kaiser
Konstantins verdankt, dennoch ein Meilenstein auf dem langen Weg zur libertas
Ecclesiae, die überall eine Garantie für den Schutz des Glaubens der
einfachen und verletzlichsten Menschen vor der politischen Macht ist. Zweifellos
entstand zur gleichen Zeit eine Gegenbewegung in Richtung dessen, was später als
„Cäsaropapismus“ bezeichnet werden sollte, und was eine bleibende Versuchung für
die christlichen Kirchen darstellt. Sollte man also in diesem Konzil die Anfänge
einer kirchlichen Garantie für die Gewissensfreiheit der Kleinen erkennen oder
die einer politischen Instrumentalisierung der christlichen Religion? In der Tat
wird heute oft das politische Interesse Kaiser Konstantins geltend gemacht; es
wird betont, dass das Konzil von Nizäa unter anderem dazu bestimmt war, den
zwanzigsten Jahrestag seiner Herrschaft zu feiern, und in einigen Fällen wird
sogar angedeutet, dass das in Nizäa angenommene Glaubensbekenntnis vor allem die
Eintracht im Reich wiederherstellen wollte. Ebenso wird die Verknüpfung des
Begriffs der Ketzerei mit der repressiven Macht des konfessionellen Staates
kritisiert. Ohne im Rahmen dieses Dokuments eine ausführliche Behandlung dieser
komplexen Fragen vornehmen zu können, können wir hier dennoch zwischen den
Formen der Einheit und den jeweiligen Zielen unterscheiden, der Einheit des
Glaubens unter den Christen und der Einheit der Bürger. Einerseits ließ es der
trinitarische Monotheismus von Nizäa in seiner dogmatischen Wahrheit eben nicht
zu, den Anspruch des Basileus, das staatliche und religiöse Symbol der römischen
Einheit zu sein und die Grundlage für eine theologisch-politische Ordnung im
strengen Sinne zu schaffen, im selben Maße zu würdigen wie der Arianismus.[183]
Andererseits hätten die Geheimnisse des Glaubens, die durch die
Selbstoffenbarung des fleischgewordenen, gekreuzigten und auferstandenen Wortes
mitgeteilt wurden, gegenüber dem Widerstand der Häresie gegen das Unerhörte der
Offenbarung ohne die lehramtliche Wachsamkeit der vom Heiligen Geist
unterstützten apostolischen Kirche der Zersplitterung und Kakophonie nicht
standgehalten.
120. Dass es um den Schutz des Glaubens aller sowie auf das Hören der Stimme
selbst der Letzten und der am wenigsten Gehörten ging, zeigt sich in der
Tatsache, dass Nizäa gerade nicht den Weg des Arianismus beschritt. Hieronymus
betont die zahlenmäßige Mehrheit der Arianer und die ebenfalls zahlenmäßige
Mehrheit der Bischöfe, die sich dem Arianismus angeschlossen hatten. Historisch
gesehen muss man Hieronymus’ Lesart wahrscheinlich nuancieren, da die Mehrzahl
der Bischöfe und Christen nicht direkt für den Arianismus optierte, sondern sich
eher vor einer Terminologie scheute, die nicht im Neuen Testament zu finden war.
Da das Konzil jedoch eine von der politischen Autorität ausgehende Kraftwirkung
hatte, konnte es den sensus fidelium des Gottesvolkes bewahren.[184]
In diesem Sinne kann man sagen, dass das Glaubensbekenntnis von Nizäa ein
getreues Echo des Jubels Christi im Leben der Kirche ist: „Ich preise dich,
Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du das vor den Weisen und Klugen
verborgen und es den Unmündigen offenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir
gefallen“ (Mt 11,25–26).
Fazit: Allen Menschen Jesus als unsere Erlösung heute verkünden
121. Die Feierlichkeiten zum 1700. Jahrestag des Konzils von Nizäa sind eine
dringende Einladung an die Kirche, den ihr anvertrauten Schatz wiederzuentdecken
und daraus zu schöpfen, um ihn mit Freude zu teilen, mit neuem Schwung, ja in
einer „neuen Etappe der Evangelisierung.“[185]
Jesus, unsere Erlösung, zu verkünden, ausgehend von dem in Nizäa zum Ausdruck
gebrachten Glauben, wie er im Symbolum von Nizäa-Konstantinopel bekannt wird,
bedeutet in erster Linie, dass wir uns von der Unermesslichkeit Christi in
Staunen versetzen lassen, damit alle darüber staunen, das Feuer unserer Liebe
für den Herrn Jesus neu entfachen, damit alle in Liebe zu ihm brennen mögen.
Nichts und niemand ist schöner, lebensspendender und notwendiger als er.
Dostojewski ruft es gewissermaßen laut heraus: „Ich [habe] mir ein
Glaubensbekenntnis aufgestellt, in dem mir alles klar und heilig ist. Dieses
Glaubensbekenntnis ist höchst einfach, hier ist es: Ich glaube, daß es nichts
Schöneres, Tieferes, Sympathischeres, Vernünftigeres, Männlicheres und
Vollkommeneres gibt als den Heiland.“[186]
In Jesus, homoousios zum Vater, kommt Gott selbst, um uns zu retten, Gott
selbst hat sich für immer mit der Menschheit verbunden, um unsere Berufung als
Menschen zur Erfüllung zu bringen. Als eingeborener Sohn macht er uns sich
selbst ähnlich, durch die lebensspendende Kraft des Heiligen Geistes, als
geliebte Söhne und Töchter des Vaters. Wer die Herrlichkeit (doxă)
Christi gesehen hat, kann sie besingen und die Doxologie in eine hochherzige
brüderliche Verkündigung münden lassen, d. h. in das Kerygma.
122. Die Verkündigung Jesu, unseres Heils, auf der Grundlage des in Nizäa zum
Ausdruck gebrachten Glaubens ignoriert nicht die menschliche Realität. Sie
wendet sich nicht von den Leiden und Erschütterungen ab, die die Welt quälen und
heute jede Hoffnung zu erschüttern scheinen. Im Gegenteil, sie stellt sich dem
entgegen, indem sie die einzig mögliche Erlösung bekennt, die von demjenigen
errungen wurde, der die Gewalt der Sünde und der Ablehnung, die Einsamkeit der
Verlassenheit und den Tod kannte, und der aus dem Abgrund des Unheils selbst
auferstanden ist, um auch uns in seinem Sieg zur Herrlichkeit der Auferstehung
zu tragen. Diese erneuerte Verkündigung übergeht auch nicht die Kultur und die
Kulturen, sondern hört im Gegenteil auch hier mit Hoffnung und Liebe auf sie und
wird durch sie bereichert, lädt sie zur Läuterung ein und hebt sie über sich
hinaus. In eine solche Hoffnung einzutreten, erfordert natürlich eine Bekehrung,
und zuallererst von dem, der Jesus durch Leben und Wort verkündet, denn sie
stellt eine Erneuerung der Erkenntnis gemäß dem Denken Christi dar. Nizäa ist
das Ergebnis einer Umgestaltung des Denkens, die im Christusereignis sowohl
impliziert ist als auch durch dieses möglich gemacht wird. Ebenso wird eine neue
Phase der Evangelisierung nur möglich sein durch Menschen, die sich durch dieses
Ereignis erneuern lassen, die sich von der Herrlichkeit des immer neuen Christus
ergreifen lassen.
123. Jesus, unser Heil, auf der Grundlage des in Nizäa zum Ausdruck gebrachten
Glaubens zu verkünden, bedeutet, besonders auf die Kleinsten und Verletzlichsten
unter den Brüdern und Schwestern zu achten. Das neue Licht, das Christus, der
wesensgleiche (homoousios) Sohn des Vaters, der die gemeinsame
menschliche Natur teilt, auf die Brüderlichkeit zwischen allen Gliedern der
Menschheitsfamilie wirft, erleuchtet vor allem diejenigen, die der Hoffnung auf
die Gnade am meisten bedürfen. Wir sind durch ein unzerstörbares Band zutiefst
mit allen Leidenden und Verstoßenen verbunden; wir sind alle dazu berufen, uns
dafür einzusetzen, dass das Heil besonders sie erreichen kann. Verkündigung
bedeutet hier „zu essen geben“, „zu trinken geben“, „aufnehmen“, „kleiden“ und
„besuchen“ (Mt 25,34–40), die demütige Herrlichkeit des Glaubens, der Hoffnung
und der Liebe für den strahlen lassen, dem man nicht glaubt, auf den niemand
hofft und der von der Welt ungeliebt ist. Verkünden bedeutet, diese
theologischen Tugenden in Erniedrigung und Leiden zum Leuchten zu bringen: Dies
kann nur von Christus, unserem Erlöser, herrühren und daher ihn bezeugen und die
Begegnung mit ihm ermöglichen. Lassen wir uns nicht irreführen: Diese
Gekreuzigten der Geschichte sind Christus unter uns, im eigentlichen
Sinn: „Mir habt ihr es getan“ (Mt 25,40). Der Gekreuzigte und
Auferstandene kennt ihre Leiden von innen heraus und sie kennen seine Leiden.
Sie werden dadurch Apostel, Lehrer und Evangelisten für Reiche und Wohlhabende.
Es geht darum, den Armen zu helfen, aber vor allem darum, mit ihnen in Beziehung
zu treten und mit ihnen zu leben, um sich von ihnen lehren zu lassen: Sie
verstehen besser als alle anderen die unermessliche Gabe des wesensgleichen (homoousios)
Sohnes, die bis zum Kreuz geht – wie es in Nizäa bekannt wurde. Sie können uns
in die Hoffnung einführen, die stärker ist als der Tod, in die Nachfolge des
Wortes Gottes, das sich unter uns so völlig erniedrigt hat, um uns mit sich zur
höchsten Höhe zu erheben.[187]
124 Die Verkündigung Jesu, unseres Heils, auf der Grundlage des in Nizäa zum
Ausdruck gebrachten Glaubens, bedeutet, ihn in der Kirche zu verkünden. Es
bedeutet, ihn durch das Zeugnis der einzigartigen Brüderlichkeit zu verkünden,
die in Christus begründet ist. Es bedeutet, die Wunder bekannt zu machen, durch
die die „eine, heilige, katholische und apostolische“ Kirche das „universale
Sakrament des Heils“ ist und Zugang zu neuem Leben ermöglicht: den Schatz der
Schrift, den das Glaubensbekenntnis auslegt, den Reichtum des Gebets, der
Liturgie und der Sakramente, die aus der Taufe hervorgehen, wozu sich Nizäa
bekannte, das Licht des Lehramts, das dem gemeinsamen Glauben dient. Diesen
Schatz „tragen wir jedoch in irdenen Gefäßen“ (2 Kor 4,7). Das ist durchaus
angemessen, denn die Verkündigung wird nur dann fruchtbar sein, wenn es eine
Übereinstimmung zwischen der Form der Botschaft und ihrem Inhalt gibt, zwischen
der Form Christi und der Form der Evangelisierung. In der Welt von heute geht es
insbesondere darum, sich vor Augen zu halten, dass die Herrlichkeit, die wir
geschaut haben, die Herrlichkeit Christi ist, der „sanftmütig und von Herzen
demütig“ (Mt 11,29) ist, der verkündet hat: „Selig die Sanftmütigen, denn sie
werden das Land erben.“ Der Gekreuzigte und Auferstandene ist wirklich
siegreich, aber es ist ein Sieg über Tod und Sünde und nicht über Gegner – es
gibt keine Verlierer im Ostergeheimnis, außer dem eschatologischen
Verlierer, Satan, dem Spalter.[188]
Die Verkündigung Jesu, unseres Heils, ist kein Eroberungskampf, sondern vielmehr
ein Gleichförmig-Werden mit Christus, der die Menschen, denen er begegnete, mit
Liebe und Erbarmen ansah (Mk 10,21; Mt 9,36), und sich von einem Anderen, vom
Geist des Vaters, leiten ließ.[189]
Die Verkündigung wird fruchtbar sein, wenn es Christus ist, der in uns wirkt:
Erinnern wir uns daran: „Der Herr stand ihnen bei“ (Mk 16,20), als er die Jünger
zur Mission aussandte. Er ist da, arbeitet, kämpft und tut Gutes mit uns. Es ist
seine Liebe, die sich in unserem Dienst auf geheimnisvolle Weise zeigt, er
selbst ist es, der zur Welt in jener Sprache spricht, die manchmal keine Worte
hat.[190]
[1] Franziskus, Bulle über das Ordentliche Jubiläum des Jahres 2025
Spes non confundit,
Nr. 17.
[2] Ephraem von Nisibis, Hymnen de Nativitate, III, 3 (CSCO 186, 21; CSCO 187, 18–19).
[3] Franziskus,
Ansprache an die Mitglieder der Internationalen Theologischen Kommission,
30. November 2023.
[4] „Weil aber zunächst darin Übereinstimmung bestand, daß die Bischofssynode in Ancyra in Galatia stattfinden sollte,
so scheint es uns jetzt aus vielen Gründen gut, daß es passend sei, daß sie
sich in Nicaea in Bithynia versammle: Sowohl wegen der Bischöfe, die aus Italia
und den übrigen Gegenden Europas sind, als auch wegen der guten Mischung der
Luft und damit ich als Augenzeuge und Teilnehmer dem Geschehen nahe sei.“ (Konstantin,
Brief an die Bischöfe (Athanasius Werke III/1, 3. Lfg., 105,
Urkunde 20; Dokument 22; FNS 30)).
[5] Vgl. Konzil von Chalkedon, Prooemium definitionis (DH 300).
[6] Vgl. Konzil von Ephesus, 6. Sitzung der Kyrillianer (DH 265).
[7] Zitiert in K. Schatz,
Allgemeine Konzilien – Brennpunkte der
Kirchengeschichte, Paderborn 22008, 41.
[8] Päpstlicher Rat zur Förderung der Einheit der Christen, Die griechische und die lateinische Überlieferung über den Ausgang des
Heiligen Geistes, in: US 50 (1995), 316–324, hier 316: „Die Katholische
Kirche anerkennt die konziliare, ökumenische, normative und unwiderrufliche
Geltung des Symbolums, das in griechischer Sprache im Jahre 381 in
Konstantinopel vom Zweiten Ökumenischen Konzil bekannt worden ist, als Ausdruck
des einen gemeinsamen Glaubens der Kirche und aller Christen. Kein
Glaubensbekenntnis, das einer besonderen liturgischen Überlieferung eigen sein
mag, kann diesem Ausdruck des Glaubens, wie ihn die ungeteilte Kirche gelehrt
und bekannt hat, widersprechen.“
[9] Franziskus,
Ansprache an die Teilnehmer der Vollversammlung des Dikasteriums für die
Glaubenslehre, 26. Januar 2024.
[10] Wir folgen der griechischen Version des Symbolums von Nizäa-Konstantinopel (DH
150), wenn nicht anders angegeben.
[11] Die Thematik des Vaters als Schöpfer ist bei den frühen Kirchenvätern sehr
präsent. Clemens von Rom sagt „Vater und Schöpfer der ganzen Welt“:
1 Clem
19,2 und 35,3 (FC 15, 112–113.148–149; SC 167, 133.157); Justin spricht vom
„Vater und Herrn des Universums“: 1. Apologie 12,9; 61,3 (FC 91,
182–183); auch Tatian der Syrer erwähnt den „Urheber der Geister“ und den „Vater
des Sinnlichen und Sichtbaren“, Oratio ad Graecos IV,3. – Diese
Vorstellung findet sich bereits bei griechischen Autoren: Platon betrachtet Gott
als „Urheber und Vater des gesamten Universums“ (Timaios 28c; 41a; vgl.
auch Epiktet, Diss. I,9,7).
[12] Im Gegensatz zu Aischylos, der vom „τῶν θεῶν φθόνος“, dem „Neid der Götter“ (Die
Perser, v. 362), spricht, vgl. Thomas von Aquin, Summa ctr. gent. I
cap. 89 n. 12: „Invidiam igitur in Deo impossibile est esse, etiam secundum suae
speciei rationem: non solum quia invidia species tristitiae est, sed etiam quia
tristatur de bono alterius, et sic accipit bonum alterius tanquam malum sibi.“
[13] Hilarius von Poitiers,
De Trinitate IX, 61 (CCSL 62A, 440–441).
[14] Vgl. Hippolyt,
C. Noet. 10,1–2. Tertullian, Adversus Praxean 5,2
(CCL 2, 1163): „Ante omnia enim Deus erat solus, ipse sibi et mundus et locus et
omnia. Solus autem quia nihil aliud extrinsecus praeter illum. Ceterum ne tunc
quidem solus; habebat enim secum quam habebat in semetipso, rationem suam“.
[15] Vgl. das
Martyrium des heiligen Polykarp, bes. n. 14 (in: R. Klein – P.
Guyot (Hrsg.), Das frühe Christentum bis zum Ende der Verfolgungen, Bd. 1,
Darmstadt 1993, 48–65, bes. 58–61); Justin, 1. Apologie 63 (FC 91,
186–191).
[16] Vgl. den gegen Arius gerichteten Anathematismus am Ende des Symbolum von Nizäa
(DH 126).
[17] Arius,
Brief an Eusebius von Nikomedia 5 (H.-G. Opitz, Athanasius Werke,
III/1, S. 3; Urkunde 1).
[18] In einer Predigt über die Taufe, Sermo 18, 4 (SC 164, 14), bekräftigt Chromatius von Aquileia: „So wie wir durch das Wirken der
Dreifaltigkeit erschaffen wurden, so werden wir auch neu geboren: Der Vater tut
nichts ohne den Sohn und den Heiligen Geist; denn das Werk des Vaters ist das
Werk des Sohnes, und das Werk des Sohnes ist das Werk des Heiligen Geistes. Ein und dieselbe ist die Gnade der Dreifaltigkeit – Sicut prima figuratio
nostra per Trinitatem, ita secunda figuratio per Trinitatem. Nullum enim opus Patris sine Filio, nec sine Spiritu Sancto, quia opus Patris
opus Filii est; opus Filii opus Spiritus Sancti est. Una enim atque eadem gratia
Trinitatis est“.
[19] Zu diesen Formen der „Geist-Vergessenheit“ vgl. Y. Congar,
Je crois en
l’Esprit Saint, Bd. 1, Paris 42012, 218–226. Congars Analysen betreffen vor allem das 19. bis 20. Jahrhundert, aber die Phänomene, die er
beschreibt, existieren auf sehr subtile Weise immer noch.
[20] „Credimus […] Patrem […] fontem et originem totius divinitatis“ : 6. Konzil von Toledo (DH 490). Vgl. auch Augustinus, für den der Vater
„Ursprung der ganzen Gottheit“ ist, De Trinitate, IV, xx, 29 (PL 42, 908;
CCSL 50, 200).
[21] Version des Symbolums von Nizäa (325).
[22] Hilarius von Poitiers,
De Trinitate VIII, 41 (CCSL 62A, 354): „Es gibt keinen Gott von anderer
Art, sondern der Vater und der Sohn sind ein einziges Wesen – Neque alterius
generis Deus est, sed Pater et Filius unum sunt“.
[23] Vgl. B. Sesboüé,
Histoire des Dogmes, Bd. 1. Le Dieu du Salut,
Paris 1994, 246.
[24] Lateinische Version des Symbolums von Nizäa-Konstantinopel, ausgehend von der
Version, die Rusticus im 6. Jahrhundert übersetzt hat (vgl. I. Ortiz de Urbina,
Storia dei Concili Ecumenici, Bd. 1, Vatikanstadt 1994, 172).
[25] Vgl. Ephraem und Gregor Palamas, aber auch Ambrosius:
Splendor paternae
gloriae als Kommentar zu lumen de lumine, in: Sant’Ambrogio, Opere
poetiche e frammenti. Inni – Iscrizioni – Frammenti, a cura di G. Banterle, G. Biffi, I. Biffi, L.
Migliavacca, Mailand – Rom 1994, Inno II, 34–37.
[26] Karl Rahner hält fest, „daß die Trinitätslehre nicht als Zusatz oder
Abschwächung des christlichen Monotheismus, sondern als dessen Radikalisierung
verstanden werden kann und muß“ (Einzigkeit und Dreifaltigkeit Gottes im Gespräch mit dem Islam (1978), in: KRSW 22/1B, 656–669, hier: 659).
[27] Vgl. M. Wyschogrod,
Abraham’s Promise, Judaism and Jewish-Christian Relations,
London 2006, 178.
[28] Vgl. D. Boyarin,
Le Christ Juif, Paris 2019, 42–66; P. Lenhardt,
L’Unité de la Trinité. À l’écoute de la tradition d’Israël, Paris 2011; P. Schäfer,
Two Gods in Heaven: Jewish Concepts of God in
Antiquity, Princeton/NJ 2020.
[29] Vgl. z. B. Boyarin,
Le Christ Juif, 55–56. Diese Position wird in der jüdischen Welt tatsächlich als eine mögliche
Interpretation von Daniel im aramäischen Text und verschiedenen Texten aus der
Zeit des Zweiten Tempels angesehen, auch wenn sie ebenfalls sehr umstritten ist.
[30] Spr 1,9.14; 8,1–36; Weish 1,7; 7,22–27; Sir 24,1–22. Einige Exegeten verwenden
auch den Ausdruck „Duotheismus“ in Bezug auf die personifizierte Weisheit; vgl.
J. Trublet (Hrsg.), La Sagesse Biblique. De l‘Ancien au Nouveau Testament (LeDiv 160), Paris 1995.
[31] Vgl. L. W. Hurtado,
One God, one Lord. Early Christian Devotion and Ancient Jewish Monotheism, Edinburg
21998 (1988); R. Bauckham, God Crucified (1996),
in: Ders., Jesus and the God of Israel, Crownhill (UK) 2008, 1–59. Beispielsweise wurde ein Teil des Symbolums von Nizäa in der frühesten
jüdisch-christlichen Literatur, den Oden Salomos, formuliert, die auf
etwa 70–125 n. Chr. datiert werden (vgl. Ode 14:12–17, in A. Rahlfs – R. Hanhart
(Hrsg.), Septuaginta: SESB Edition, Stuttgart 2006).
[32] Die lateinische Version des Symbolums unterscheidet zwischen der Tatsache,
dass Christus Fleisch angenommen hat „de – vom“ Heiligen Geist und „ex
– aus“ der Jungfrau Maria.
[33] J. Ratzinger,
Einführung in das Christentum, Vorlesungen über das
Apostolische Glaubensbekenntnis, Vorwort zur Neuausgabe (2000), in: JRGS 4,
52.
[34] „In der Nachfolge der heiligen Väter also lehren wir alle übereinstimmend,
unseren Herrn Jesus Christus als ein und denselben Sohn zu bekennen: derselbe
ist vollkommen in der Gottheit und derselbe ist vollkommen in der Menschheit;
derselbe ist wahrhaft Gott und wahrhaft Mensch aus vernunftbegabter Seele und
Leib; derselbe ist der Gottheit nach dem Vater wesensgleich und der Menschheit
nach uns wesensgleich, in allem uns gleich außer der Sünde (vgl. Hebr 4,15);
derselbe wurde einerseits der Gottheit nach vor den Zeiten aus dem Vater
gezeugt, andererseits der Menschheit nach in den letzten Tagen unseretwegen und
um unseres Heiles willen aus Maria der Jungfrau und Gottesgebärerin geboren“:Ökumenisches Konzil von Chalcedon (DH 301).
[35] Athanasius,
Contra Arianos (Oratio ctr. Arianos) II, 70, 1–2 (Athanasius Werke I/1,
247; vgl. BKV1 13, 218):„Der Mensch wäre nicht vergöttlicht worden, wenn der Sohn nicht wahrer Gott wäre.
Auch hätte sich der Mensch nicht in der Gegenwart des Vaters halten können, wenn
der, welcher den Leib anzog, nicht sein wesenhaftes und wahres Wort wäre. Und
wie wir von der Sünde und dem Fluch nicht befreit worden wären, wenn das
Fleisch, welches das Wort annahm, nicht von Natur her menschliches Fleisch wäre
– denn mit dem, was uns fremd ist, haben wir nichts gemein –, so wären wir auch
nicht vergöttlicht worden, wenn das Wort, das fleischgeworden ist, nicht seiner
Natur nach aus dem Vater stammte und sein eigenes (idion), wahrhaftiges (alethinon)
Wort wäre.“
[36] Ebd., III, 7,3, Athanasius Werke I/1, 297; vgl. BKV1 13, 251.
[37] Dieser Ausdruck findet sich bei den Vätern, wo manchmal auch andere
Akteure der Geschichte zusammen mit Pilatus erwähnt werden, wie „Herodes der
Tetrarch“: Ignatius von Antiochien, An die Smyrnäer 1,2 (Die
Apostolischen Väter, Bd. I, eingel., hrsg., übertragen und erläutert von J. A.
Fischer, Darmstadt 1993, 204–205) oder „Tiberius Caesar“: Justin,
1. Apologie
13,3 (FC 91, 87).
[38] „Der Alte Bund, ein Bund, der von Gott nie gekündigt wurde“: Johannes Paul II.,
Begegnung mit Vertretern der Jüdischen Gemeinde Mainz, 17. November 1980,
Nr. 3. „Der Alte Bund ist nie widerrufen worden“: Katechismus der
Katholischen Kirche, Nr. 121; vgl. Franziskus, Apostolisches Schreiben
Evangelii Gaudium, 24. November 2013, IV, Nr. 247.
[39] Zweites Vatikanisches Konzil, Erklärung
Nostra Aetate, Nr. 4.
[40] Bereits bei Irenäus von Lyon,
Adversus haereses IV, 34, 3 (FC 8/4,
280–281; SC 100, 850–853): „Woher konnten die Propheten aber die Ankunft des Königs vorhersagen und die von
ihm gegebene Freiheit im voraus verkündigen und alles, was Christus tat,
predigte, wirkte und litt, voraussagen und den neuen Bund verkünden, wenn sie
ihre Inspiration von einem anderen Gott hatten, der den unaussprechlichen Vater
nach eurer Vorstellung gar nicht kannte noch sein Reich und seine
Heilsplanungen, die der Sohn Gottes am Ende der Tage erfüllt hat, als er auf die
Erde kam?“ – Vgl. A. De Halleux, La profession de l‘Esprit-Saint dans le Symbole de
Constantinople, in: RTL 10 (1979), 5–39. Ein Symbolum des Epiphanius von
Salamis aus dem Jahr 374 (DH 44) führt dieses Thema weiter aus: „…auch an den Heiligen Geist glauben wir, der gesprochen hat im Gesetz und
verkündigt hat durch die Propheten, der auf den Jordan herabgestiegen ist, der
spricht in den Aposteln und wohnt in den Heiligen…“.
[41] Johannes II., Brief
Olim quidem, März 534 (DH 401).Zweites Konzil von Konstantinopel, Anathema 10 (DH 432): „Wer leugnet, dass unser im Fleisch gekreuzigter Herr Jesus Christus
wahrer Gott und Herr der Herrlichkeit und einer der heiligen Dreifaltigkeit ist,
der sei mit dem Anathem belegt.“
[42] Päpstliche Bibelkommission,
Das jüdische Volk und seine heilige Schrift in der christlichen Bibel, II., Nr. 21:„Was sich in Christus bereits erfüllt hat, das muss sich in uns
und in der Welt noch erfüllen. Die endgültige Vollendung wird die des Endes
sein, mit der Auferstehung der Toten und dem neuen Himmel und der neuen Erde.
Die jüdische Messiaserwartung ist nicht gegenstandslos. Sie kann für uns
Christen ein starker Ansporn sein, die eschatologische Dimension unseres
Glaubens lebendig zu erhalten. Wir wie sie leben von der Erwartung. Der
Unterschied ist nur, dass Derjenige, der kommen wird, die Züge Jesu tragen wird,
der schon gekommen ist, unter uns gegenwärtig ist und handelt.“
[43] Vgl.
Katechismus der Katholischen Kirche, III, Nr. 1848.
[44] Vgl. Konzil von Orange (529), Kanon 1 (DH 371) und Kanon 2 (DH 372).
[45] Nach Irenäus von Lyon meint Jesus hier „die, welche die Annahme als Söhne
Gottes“ in ihm erhielten: Adversus Haereses III, 6,1 (FC 8/3, 54–55).
[46] J. Ratzinger,
Christi Himmelfahrt, in: JRGS 6/2, 859–864, hier
861): „Christus, der Mensch, der in Gott ist, ewig eins mit Gott, ist zugleich
die immerwährende Öffnung Gottes für den Menschen. Er selbst ist so das, was wir
‚Himmel‘ heißen, denn der Himmel ist kein Raum, sondern eine Person, die Person
dessen, in dem Gott und Mensch für immer trennungslos eins sind. Und wir gehen
in dem Maß auf den Himmel zu, ja, in den Himmel ein, in dem wir zugehen auf
Jesus Christus und eintreten in ihn.“ Vgl. auch H. U. von Balthasar, Eschatologie, in: J. Feiner – J. Trütsch – F. Böckle (Hrsg.),
Fragen der
Theologie heute, Einsiedeln u. a. 1957, 403–421, hier: 407–408.
[47] Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution
Gaudium et spes,
I, Nr. 22.
[48] Vgl. Johannes vom Kreuz,
Der Geistliche Gesang A 38, 3–7; B 39, 2–7
(Poesie und Prosa, Gesamtausgabe, Bd. 2, Die Prosakommentare, hrsg.,
eingel. und vollständig neu übers. von U. Dobhan OCD und E. Peeters OCD,
Freiburg im Breisgau 2024, 244–249.513–517).
[49] Paul VI.,
Schlussansprache des Zweiten Vatikanischen Konzils, 7.
Dezember 1965, § 8 (HThKVatII 5, 570–571).
[50] Vgl. Konzil von Chalkedon (DH 301).
[51] Vgl. das Symbolum Apostolicum.
[52] Vgl. Thomas von Aquin,
Summa ctr. gent. IV, cap. 81.
[53] „L’homme passe infiniment l’homme“ : B. Pascal, Les Pensées, hrsg.
von Jacques Chevalier (ed. Pléiade, Paris 1954, Laf. 131, S. 1207). Vgl. Franziskus, Apostolisches
Schreiben Sublimitas et Miseria hominis zum vierhundertsten Jahrestag der
Geburt von Blaise Pascal, 19. Juni 2023.
[54] Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution
Lumen Gentium,
VII, Nr. 48; Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung
Dominus Iesus,
2000, VI, Nr. 20.
[55] [Hippolyt von Rom],
Traditio Apostolica 6 (FC 1, 229).
[56] Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution
Lumen Gentium,
VIII, Nr. 62: „Wie die eine Güte Gottes in den Geschöpfen auf verschiedene
Weisen wirklich ausgegossen wird, so schließt auch die einzige Mittlerschaft des
Erlösers bei den Geschöpfen eine mannigfaltige Mitwirkung, die an der einzigen
Quelle Anteil hat, nicht aus, sondern erweckt sie.“
[57] Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution
Gaudium et spes,
II, Nr. 24–25.
[58] Ebd., II, Nr. 22.
[59] Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution
Lumen Gentium,
Nr. 1.
[60] Zweites Vatikanisches Konzil, Konstitution
Sacrosanctum Concilium,
Anhang.
[61] Vgl. Theodoret von Cyrus,
Kirchengeschichte I, 9: „Synodalbrief an
die Kirche von Alexandria“ (SC 501, 220–221.227).
[62] Vgl. auch Theodoret,
Kirchengeschichte I, 10: „Brief des Kaisers
Konstantin an die Kirchen“ (SC 501, 226–235); Eusebius, Vita Constantini,
3.17–20. „Purtroppo con questa decisione venne abbandonata la data comune di Pasqua tra
cristiani ed ebrei“: Card. K. Koch, Verso una celebrazione ecumenica del
1700° anniversario del Concilio di Nicea (325–2025), in: L’Osservatore
Romano [it. Ausgabe], 30. April 2021.
[63] Johannes Paul II.,
Begegnung mit der jüdischen Gemeinde in Rom, 13.
April 1986, Nr. 4; Benedikt XVI., Licht der Welt, in: JRGS 13/2, 909.
[64] Vgl. Athanasius,
Vita Antonii 69 (FC 69, 258–263).
[65] Franziskus, Apostolisches Schreiben
Desiderio desideravi, 29. Juni
2022, Nr. 10–11: „Wenn wir nicht auch die Möglichkeit einer echten Begegnung mit
Ihm hätten, wäre das so, als würde man die Neuheit des Fleisch gewordenen Wortes
für erschöpft erklären. Stattdessen ist die Inkarnation nicht nur das einzige
neue Ereignis, das die Geschichte kennt, sondern auch die Methode, welche die
Heiligste Dreifaltigkeit gewählt hat, um uns den Weg der Gemeinschaft zu öffnen.
Der christliche Glaube ist entweder eine Begegnung mit Ihm, dem Lebendigen, oder
er ist es nicht. Die Liturgie gewährleistet uns die Möglichkeit einer solchen
Begegnung.“
[66] Vgl.
An Diognet 10–12 (Die Apostolischen Väter, hrsg. von A.
Lindemann – H. Paulsen, Tübingen 1992, 318–322; auch: CMe 18, 27–32).
[67] Athenagoras,
Legatio (Supplicatio) pro Christianis (176–180 n. Chr.)
cap. 12,3; vgl. cap. 24,2 (SC 379, 108–109.160–161).
[68] Ambrosius, De fide ad Gratianum I, 1 n. 8 (CSEL 78, 7).
[69] Hilarius, De trin. 2,1 (CCSL 62, 38; SC 443, 274 ff.).
[70] Ephraem,
De fide (adv. Scrut. – Against the Disputers) transl. J. B. Morris,
Select Works of St. Ephrem the Syrian, 1847,
rhythm 52, n. 1 (Morris, S. 273); 59, n.2 (S. 300); 76, n.1 (S. 347).
[71] Athanasius, Contra Arianos II, 41 n. 4.5 (Athanasius Werke I/1, 218).
[72] Vgl.Basilius,
De spiritu sancto 26 (FC 12, 146–147; SC
17bis, 337): „Was macht uns zu Christen? Der Glaube, wird man antworten. Auf welche Weise werden wir gerettet? Offenbar durch
die Wiedergeburt in der Taufe. … Wenn wir anerkennen, dass dieses Heil durch den
Vater und den Sohn und den Heiligen Geist gewirkt wird, sollen wir dann die Form
der Lehre (Röm 6,17: typos didaches), die wir empfangen haben,
preisgeben? In der Tat wären wir sehr beklagenswert, wenn wir jetzt von unserem
Heil weiter entfernt wären als damals, als wir gläubig wurden…“. Bezüglich des
Heiligen Geistes: Athanasius,1. Brief an Serapion 30 (Athanasius Werke I/1, 523–526).
[73] Athanasius, Contra Arianos II, 42 n. 3 (Athanasius Werke I/1, 219); Basilius,
De spiritu sancto 26 (FC 12, 146–148; SC 17bis, 336–339); Gregor von Nyssa,
Oratio catech. (ed. E. Mühlenberg, 1996).
[74] Vgl. Ambrosius,
De fide ad Gratianum I, 9 n.58 (CSEL 78, 25), auch Zeno von Verona,
Sermones, liber II, serm. II, 5 n.9 (CCSL 22, 167).
[75] Eusebius von Caesarea,
Ep. Ad Caesarienses 3–4.7–8 (Athanasius Werke III/1, 43–45 = Urkunde 22).
[76] Vgl. Hilarius von Poitiers,
Contra Constantium, n. 16 (SC 334, 200; PL
10, 594), verteidigt das Nizänum gegen den Vorwurf, es sei nicht schriftgemäß:
Neue Krankheiten erfordern eine neue Zusammenstellung von Heilmitteln.
„Ungezeugt“ sei ja ebenfalls kein biblisches Wort für den Vater; auch stehe im
NT nirgends, der Sohn sei dem Vater „ähnlich“.
[77] Athanasius, Ep. Ad Afr.
1,1 (Athanasius Werke II/1, 322–323; ed. A. von Stockhausen, PTS 56, 75); das Bekenntnis von Nizäa ist „ausreichend“. Vgl. Athanasius,
Ep. an Epiktet 1 (Athanasius Werke I/1, 705–706).
[78] Als „nizänisch“ konnten auch Bekenntnis-Formulierungen gelten, welche das
Nizänum erweiterten, solange sie den Inhalt bewahrten und keine
entgegengesetzten Lehren aufnahmen.
[79] Konzil von Chalkedon, Actio 3, 10.12 (ACO 2,1,2, 79 [gr.]; ACO 2,3,2, 5–6 [lat.]); die
„Definition“ (horos) von Chalkedon gründet sich auf das Nizänum zusammen
mit dem Symbolum der 150 in Konstantinopel versammelten Väter, wie im Proömium
festgehalten wird (ACO 2,1,2 , 126–129 [gr]; COeD, 1962, 60; DH 300): „Es würde
nun zwar zur vollständigen Erkenntnis und Festigung des rechten Glaubens dieses
weise und heilsame Bekenntnis der göttlichen Gnade genügen; denn seine Lehre
über den Vater und den Sohn und den Heiligen Geist ist vollkommen, und es stellt
denen, die es gläubig annehmen, die Menschwerdung des Herrn dar.– Sufficeret quidem ad plenam cognitionem pietatis et confirmationem sapiens hoc
et salutare divinae gratiae symbolum; de Patre enim et de Filio et de Spiritu
sancto perfectionem docet et inhumanationem fideliter accipientibus
repraesentat.“
[80] Franziskus,
Spes non confundit, Nr. 17.
[81] Es handelt sich um einen symbolischen Verweis auf Gen 14,14.
[82] Athanasius,de syn. 5, 3 aus dem Jahr 359 n. Chr. (Athanasius Werke II/1, 234; dt. Übers.: M. Fiedrowicz,
Handbuch der Patristik, Freiburg im Breisgau 2010, Nr. 522, S. 422).
[83] Basilius, Homilia 16 in illud „In principio erat Verbum” (PG 31, 471–482).
[84] Wer wie Photinus oder Arius „nicht glaubt, dass Christus Gott ist, oder
dass der Sohn aus dem Vater hervorgeht“, beleidigt den Evangelisten Johannes,
Sermo 21,3: „Amaricavit [Ioannem evangelistam] Arrius, qui non credidit de
Patre Filium processisse, cum Verbum Patris non alia ratione Filius, nisi
proprie de paterno corde processisset, credatur“ (SC 164, 44). „Für denjenigen, der
Christus nachfolgt, ist immer Tageslicht, denn er
wandelt im ewigen Licht“, Sermo 18,1 (SC 164, 8). „Der Thron
Gottes ist ein einziger, der Thron der Majestät des Vaters und der Majestät des
Sohnes“, „es besteht kein Unterschied in der Würde“, Sermo
8, 4 (SC 154,
192–195).
[85] Zeno von Verona,
Sermones, liber II, sermo II, 5 nn. 9.10 (CCSL 22,
167); sermo II, 8 (176–178).
[86] Vgl. Johannes Chrysostomus,
Cat. 3/1,21 (FC 6/2, 308–309).
[87] Augustinus, De agone christiano
18; vgl. De fide et symbolo 5.18. Die eigentlich theologische Auseinandersetzung mit den Homöern führt Augustinus
in De trinitate I – VII sowie in Contra sermonem Arrianorum und
Contra Maximinum Arrianum (Augustinus Opera – Werke lat.-deutsch:
Antiarianische Schriften, hg. von H. J. Sieben, 2008).
[88] Gregor von Nyssa,
Oratio catech.39, 2 (ed. Mühlenberg, 1996, 100–101); dt. Übersetzung: BKV1 56, 80:
„…wer die heilige Dreiheit ohne Ausnahme als unerschaffen bekennt, geht in deren
wechsel- und wandelloses Leben ein; wer dagegen infolge seines Irrwahnes
innerhalb der Dreiheit eine geschaffene Natur annimmt und sich auf dieselbe
taufen lässt, wird zu einem wandelbaren und veränderlichen Leben wiedergeboren;
denn der Gezeugte hat notwendig die nämliche Natur wie der Zeugende.“
[89] Ambrosius,
In Lucam IV, 67 (CSEL 32, 173).
[90] A. Grillmeier,
Das „Gebet zu Jesus“ und das „Jesus-Gebet“, in: Ders.,
Fragmente zur Christologie. Studien zum altkirchlichen
Christusbild, Freiburg 1997, 357–371.
[91] 2 Kor 12,8.9; Röm 10,12; 2 Petr 3,18; im Gottesdienst beheimatete Anrufungen: 1
Kor 16,22; Offb 22,20; vgl. Did 10,6.
[92] Bes. Phil 2,6–11; Kol 1,15–20; Eph 1,3–10; 1 Tim 3,16; Offb 5,6–14.
[93] Origenes, De oratione 15; 16,1 (in: Origenes Werke griech.-deutsch, übers.
von M. B. von Stritzky, vol. 21, 158–163); Contra Celsum VIII,13 (SC 150,
200–203).
[94] Basilius, De spiritu sancto 25–29.68 (FC 12, 144–159.282–285; SC
17bis, 334–350.488–490).
[95] Z. B. Athanasius, der die traditionelle Doxologie anti-sabellianisch verwendet,
und Basilius, De spiritu sancto 3.4.16 (FC 12, 78–81.112–117; SC
256–260.298–300), der auf den Unterschied zwischen oikonomia (Heilsmittlerschaft Christi) und
theologia (gleichwesentlicher Sohn)
hinweist.
[96] Z. B.
Traditio Apostolica 3.4.7: Bei der Bischofs- und
Presbyter-Weihe, sowie beim Eucharistie-Gebet, lautet die Schluss-Doxologie:
„durch deinen Knecht Jesus Christus, durch den Herrlichkeit ist dem Vater und
dem Sohn und dem Heiligen Geist“ (FC 1, 220–221, 226–227, 232–233).; Origenes,
In Luc. Hom. 37 (PG 13, 1896D): „…laudemus Deum in Patre, et Filio et
Spiritu sancto, cui est gloria et imperium in saecula saeculorum. Amen“; Gregor von Nazianz,
Or. 19, n. 17 (PG 35, 1064): „ein und dieselbe göttliche Ehre –
dem Vater, dem Sohn, dem Hl. Geist“; Or. 17, n. 13 (PG 35, 981):
„… in Christus Jesus, unserem Herrn, dem die Herrlichkeit und Macht, die Ehre
und Herrschaft sei mit dem Vater und dem Heiligen Geist, wie es war und sein
wird, jetzt und in alle Ewigkeit!“
[97] Basilius,De spiritu sancto 73 (FC 12, 300–303). – Wie brisant die Frage der Doxologie-Form im Leben
der Ortskirchen werden konnte, zeigt das Beispiel des Bischofs Leontius von
Antiochien: Um es sich mit keinem der Kontrahenten zu verderben, sprach er die
Worte der Doxologie nicht mehr laut aus, sondern „man hörte nur mehr den
Abschluss: in alle Ewigkeit“: Theodoret, Hist. eccl. 2,24,3 (SC 501, 446).
[98] Basilius,
ep. 159, 2; ep. 125, 3 (ed. Courtonne II, 86–87; 33–34), vgl.
De spiritu sancto 16.24.26.67–68 (FC 12, 112–117.142–145.146–149.280–285).
[99] Text bei Grillmeier,
Fragmente zur Christologie, 365.
[100] Gregor von Nyssa,
ep. 24 (PG 46, 1088.1092; SC 363, 276–284).
[101] Cassiodor,
Expos. in ps., prooem. n. 17 (CCSL 97, 22–23).
[102] 2. Synode zu Vaison (524 n. Chr.) canon 5 (Mansi 8, 727): „Quia non solum
in sede apostolica, sed etiam per totum Orientem et totam Africam vel Italiam
propter Haereticorum astutiam, qui Dei filium non semper cum patre fuisse, sed a
tempore coepisse blasphemant, in omnibus clausulis post Gloria [patri
etc.] Sicut erat in principio dicitur; etiam et nos in universis
ecclesiis nostris hoc ita dicendum esse decernimus.“
[103] Sozomenos, hist. eccl. 8, 8, 1–3 (GCS NF 4, 360–361); Ambrosius,
Contra
Auxentium sermo de basilicis tradendis n. 34 (CSEL 82/3, 105).
[104] De nativ. IV und XI; de nativ. III: „While He was lying on His Mother’s bosom – in His bosom were all creatures
lying. He was silent as a Babe – and yet He was making His creatures execute all
His commands. For without the First-born no man can approach unto the Essence,
to which He is equal.“ (Morris, 13 Rhythms on the Nativity, 22).
[105] Über den Glauben gegen die Grübler – 80 Rhythms upon Faith against the
Disputers LXXVI,1 (Morris 347); VI,5 (126–129), VIII (140).
[106]Über den Glauben,
XL und LXXIII.
[107] Über den Glauben,LII n. 1 (Morris 273–274).
[108] Gegen die Häresien XXII,20 (CSCO 170, 82). Ephraems Lehre stimmt zwar mit der nizänischen
Orthodoxie vollkommen überein, aber Vokabular und Ausdrucksweise sind nicht die
von Nizäa, was sicherlich auf die bewusst gewählte poetische und nicht
diskursive Form der Lehre zurückzuführen ist. Vgl. Wikes, 36–39.
[109] Mar Baläus, Gebete
(dt. in: BKV1 6, 92–93); Isaak von Antiochien,
1. Gedicht über die Menschwerdung (S. Isaaci Antioch. Opera omnia
I, ed. G. Bickell, Gießen 1873, 23).
[110] Prudentius,
Apotheosis (CCSL 126, 87, lin. 309–311).
[111] Vgl. Irenäus, der so oft von Henri de Lubac zitiert wird: „Omnem novitatem
attulit, semetipsum afferens“, Irenäus von Lyon, Adversus haereses, IV,
34, 1 (SC 100/2, 846–847); vgl. auch Franziskus, Apostolisches Schreiben
Evangelii gaudium,
Nr. 11.
[112] Zu dieser Unterscheidung vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische
Konstitution
Dei Verbum, I, Nr. 2–5 und II, Nr. 7–8.
[113] „Ohne Gott war es unmöglich Gott zu erkennen; daher lehrt Gott durch sein
Wort die Menschen, ihn zu kennen – Quoniam impossibile erat sine Deo discere
Deum, per verbum suum docet homines scire Deum“: Irenäus von Lyon, Adversus
haereses IV,5,1 (FC 8/4, 36–38; SC 100, 426–427).
[114] „Wenn wir das Zeugnis der Menschen annehmen, ist das Zeugnis Gottes
größer, denn das ist das Zeugnis Gottes: Er hat Zeugnis abgelegt für seinen
Sohn. Wer an den Sohn Gottes glaubt, hat das Zeugnis in sich“ (1 Joh 5,9).
[115] Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution
Dei Verbum,
I, Nr. 2.
[116] J. Ratzinger,
Jesus von Nazareth, in: JRGS 6/1, 408–409.
[117] Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution
Dei Verbum,
I, Nr. 2; vgl. 2 Petr 1,4.
[118] Vgl. Thomas von Aquin,
Summa theol. II-II, q.25, a.1, Resp.
[119] Paulus betont, dass Christus uns „in Gottes Gedanken“ einführt, denn er
zitiert Jesaja 40,13: „Wer hat den Gedanken des Herrn (LXX: noun Kuriou;
Heb: ruah Adonai) erkannt, um ihn zu lehren? Wir aber haben den Gedanken
des Herrn“ (vgl. auch Röm 11,34). Vgl. M. Quesnel, La première épître aux Corinthiens
(Commentaire
Biblique, Nouveau Testament 7), Paris 2018, 88–92.
[120] Franziskus, Enzyklika
Lumen Fidei, 29. Juni 2013, Nr. 18.
[121] Ebd., Nr. 27, Zitat Gregor der Grosse,
Homiliae in Evangelia II,
27, 4 (PL 76, 1207; FC 28/2, 504–505).
[122] Vgl. Franziskus,
Ansprache in Neapel aus Anlass der Konferenz
„Theologie nach Veritatis Gaudium im Kontext des Mittelmeerraumes“,
21. Juni 2019.
[123] „Denn aus der Größe und Schönheit der Geschöpfe wird in Entsprechung ihr
Schöpfer erschaut“ (Weish 13,5). Vgl. Thomas von Aquin, Scriptum super
Sententiis lib. I, q. 1, a. 2, ad 2, wo die „analogia creaturae ad
creatorem“ erwähnt wird.
[124] Vgl. M. Lochbrunner,
Analogia Caritatis. Darstellung und Deutung
der Theologie Hans Urs von Balthasars (FThSt 120), Freiburg im Breisgau u.
a. 1981, 62, 292–293. Vgl. auch: Internationale Theologische Kommission,
Theologie –
Christologie – Anthropologie (1981), D, Nr. 1: „Die Verkündigung über Jesus
Christus, den Sohn Gottes, wird unter dem biblischen Vorzeichen des pro nobis
vorgelegt. Daher muss die ganze Christologie unter soteriologischem Aspekt
behandelt werden. So haben einige moderne Autoren mit einem gewissen Recht und
verdienstvollerweise versucht, eine Art ‚funktionaler‘ Christologie
auszuarbeiten. Umgekehrt ist aber auch festzuhalten, dass sich die ‚Existenz für
andere‘ bei Jesus Christus nicht von seinem innigsten Verhältnis und Austausch
(communio) mit dem Vater trennen lässt und daher in seiner ewigen Sohnschaft
grundgelegt ist. Die Pro-Existenz Jesu Christi, durch die Gott sich selbst den
Menschen mitteilt, setzt die Präexistenz voraus.“
[125] Aus diesem Grund betont der heilige Thomas von Aquin, dass Adam bei seiner
Erschaffung mit der Gnade ausgestattet wurde, da er sonst seine menschliche
Berufung nicht hätte umsetzen können (vgl. Scriptum super Sententiis
lib. II, d. 29, q. 1, a. 2; d. 30, q. 1, a. 1; Summa theol. I, q. 95, a. 1;
I-II, q. 109, a. 5).
[126] J. Ratzinger,
Schauen auf den Durchbohrten (JRGS VI/2, 701–702).
[127] Ebd., 30–31 (JRGS VI/2, 702).
[128] „Amen, amen, ich sage euch: Der Sohn kann nichts von sich aus tun, sondern
nur, wenn er den Vater etwas tun sieht. Was nämlich der Vater tut, das tut in
gleicher Weise der Sohn. Denn der Vater liebt den Sohn und zeigt ihm alles, was
er tut, und noch größere Werke wird er ihm zeigen, so dass ihr staunen
werdet“ (Joh 5,19–20); „Das ist die Botschaft, die ihr von Anfang an gehört habt: Wir
sollen s einander lieben“ (1 Joh 3,11).
[129] Ratzinger,
Schauen auf den Durchbohrten (JRGS VI/2, 707).
[130] Vgl. Benedikt XVI., Enzyklika
Caritas in veritate, 29. Juni 2009, Nr. 33.
[131] P. Florenskij,
Säule und Sockel der Wahrheit.Versuch einer
orthodoxen Theodizee in zwölf Briefen. Moskau 1914, aus dem Russischen übers.,
mit Anm. (Fußnoten) und einem Appendix vers. von Bernd Groth, Unterhaching 2021,
65 [Übersetzung leicht geändert].Wenn Florenskij von der „Definition der Kirche“
und nicht von der kirchlichen Institution spricht, meint er das Geheimnis der
Kirche in seiner ganzen mystischen und theologischen Tiefe.
[132] „Τοῦ Θεοῦ Λόγον ἀρνούμενοι, εἰκότως καὶ λόγον παντός εἶσιν ἕρημοι“,Athanasius,
De decretis Nicaenae
synodi, 2,1 (Athanasius Werke II/ I, S. 2).
[133] Vgl. Augustinus,
Conf. III, vi, 11 (CCL 27, 33); Thomas von Aquin,
Summa theol. I, q. 104, a. 1, Resp.
[134] Vgl. oben, die Nummern 32–37.
[135] Vgl. Internationale Theologische Kommission,
Theologie – Christologie –
Anthropologie (1981), Abschnitt C.
[136] Franziskus, Apostolisches Schreiben
Evangelii Gaudium, III, Nr.
115.
[137] Zweites Vatikanisches Konzil,
Gaudium et spes, II, Kap. II, Nr. 53, § 1: „In der Person des Menschen selbst liegt es begründet, dass sie nur durch
Kultur, das heißt, durch die entfaltende Pflege der Güter und Werte der Natur,
zur wahren und vollen Verwirklichung des menschlichen Wesens gelangt.“
[138] Franziskus, Apostolisches Schreiben
Evangelii Gaudium, III, Nr.
115. Vgl. auch, als Beispiele, Ders.,
Brief über die Bedeutung der Literatur
in der Bildung, 17. Juli 2024;
Brief zur Erneuerung des Studiums der
Kirchengeschichte, 21. November 2024.
[139] Franziskus, Apostolische Konstitution
Veritatis Gaudium, 27.
Dezember 2017, Nr. 2, die sich an das Apostolische Schreiben von Papst Paul VI.,
Evangelii nuntiandi, 8. Dezember 1975, Nr. 19 anlehnt.
[140] Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret
Ad gentes, II, Nr. 11.
[141] Zum Beispiel das
Egô eimi des vierten Evangeliums, die Terminologie
von Hebr 1,3 oder 2 Petr 1,4.
[142] Johannes Paul II., Enzyklika
Fides et ratio, 14. September 1998,
VI, Nr. 72 : „Wenn die Kirche mit großen Kulturen in Kontakt tritt, mit denen sie vorher noch
nicht in Berührung gekommen war, darf sie sich nicht von dem trennen, was sie
sich durch die Inkulturation ins griechisch-lateinische Denken angeeignet hat.
Der Verzicht auf ein solches Erbe würde dem Vorsehungsplan Gottes zuwiderlaufen,
der seine Kirche die Straßen der Zeit und der Geschichte entlangführt.“
[143] Ebd., VI, Nr. 71.
[144] Vgl. die Thematik der „Theologie des Zuhörens“ als Gegenmittel gegen das
„Babel-Syndrom“ bei Franziskus,
Ansprache in Neapel aus Anlass der Konferenz
„Theologie nach Veritatis Gaudium im Kontext des Mittelmeerraumes“,
21. Juni 2019.
[145] Diese Reinigung und Verwandlung der Kulturen ist das, was die Gefahr des
Relativismus vermeidet, die von der Kongregation für die Glaubenslehre
hervorgehoben wurde (Erklärung
Dominus Iesus, 6. August 2000, Nr. 4).
[146] „Die Begegnung des
Glaubens mit den verschiedenen Kulturen hat
tatsächlich eine neue Wirklichkeit ins Leben gerufen“: Johannes Paul II.,
Enzyklika
Fides et ratio, VI, Nr. 70. Zur Wahrung der kulturellen
Identität vgl. ebd., Nr. 71.
[147] Vgl.
An Diognet, 5,1–4 (Die Apostolischen Väter, ed. A. Lindemann – H. Paulsen, Tübingen 1992,
310.312; auch: CMe 18, 19).
[148] „Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg des Hauses des Herrn steht
fest gegründet als Höchster der Berge; er überragt alle Hügel. Zu ihm strömen
alle Nationen. Viele Völker gehen und sagen: Auf, wir ziehen hinauf zum Berg des
Herrn und zum Haus des Gottes Jakobs. […] Denn vom Zion zieht Weisung aus und
das Wort des Herrn von Jerusalem. […] Sie erheben nicht das Schwert, Nation
gegen Nation, und sie erlernen nicht mehr den Krieg.“ (Jes 2,2–4; vgl. Mi 4,1–4); „Mein Haus wird genannt werden: ‚Haus des Gebets für alle Völker‘“ (Jes
56,7; vgl. Sach 14,16).
[149] Es ist auffällig, wie Paulus bei der Verkündigung des Evangeliums im
Gefolge von Pfingsten auf dem Areopag die Einheit der Menschheitsfamilie rühmt:
„Er hat aus einem einzigen Menschen das ganze Menschengeschlecht erschaffen,
damit es die ganze Erde bewohne. Er hat für sie bestimmte Zeiten und die Grenzen
ihrer Wohnsitze festgesetzt.“ (Apg 17,26).
[150] Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika
Fides et ratio, VII, Nr. 95–96.
[151] Vgl. Alexander von Alexandria,
Brief an Alexander von Byzanz, 5
(Athanasius Werke III/1, Urkunde 14, Dokument 17, 91–98; FNS 8,5, 46–55).
[152] Vgl. Internationale Theologische Kommission,
Die Synodalität in Leben
und Sendung der Kirche, I, Nr. 19.
[153] Cyprian,
Epistula 14,4 (CSEL III, 2, 512). Diese Gedanken über
Ignatius von Antiochien und Cyprian von Karthago folgen der Darstellung im
Dokument der Internationalen Theologischen Kommission, Die Synodalität in Leben und Sendung der Kirche, I, Nr. 25, wo sich weitere Präzisierungen
finden.
[154] Internationale Theologische Kommission,
Die Synodalität in Leben
und Sendung der Kirche, I, Nr. 28.
[155] Vgl. J. A. Brundage,
Medieval Canon Law, London – New York 1995, 5.
[156] Eine Synode wird grundsätzlich „ geleitet vom Prinzip des Konsenses und
der Eintracht (homonoia), was durch die eucharistische Konzelebration
angedeutet wird, wie in der Schlussdoxologie des oben erwähnten Apostolischen
Kanon 34 mit einbegriffen ist“: Gemeinsame Internationale Kommission für den theologischen Dialog zwischen der
Römisch-Katholischen Kirche und der Orthodoxen Kirche,
Kirchliche und kanonische Konsequenzen der sakramentalen Natur der Kirche:
kirchliche Communio, Konziliarität und Autorität, Ravenna, 13. Oktober
2007, Nr. 26 (DWU 4, 840). „Die Kirche [offenbart] sich selbst als
katholisch in der synaxis der Ortskirche“: ebd., Nr. 22 (DWU 4, 839).
[157] Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Konstitution
Sacrosanctum Concilium,
I, Nr. 10; Internationale Theologische Kommission,
Die Synodalität in Leben
und Sendung der Kirche, II, Nr. 47.
[158] Internationale Theologische Kommission,
Die Synodalität in Leben
und Sendung der Kirche, II, Nr. 29.
[159] Pierre Rousselot war der Ansicht, dass einige heuristische Verfahren des
heiligen Thomas einer „gegenseitigen Priorität und Vorrangigkeit“ zweier
untrennbarer und aufeinander bezogener Prinzipien entsprächen (Les yeux de la
foi, in: RSR 1 (1910), 241–259, 444–475, hier: 448).
[160] Vgl. Augustinus: „Crede ut intelligas“,
Sermo 43,7.9 (CCSL 41, Pars
XI,1. Sermones de Vetere Testamento, 511.512); Anselm von Canterbury:
„Credo ut intelligam“, Proslogion 1 (Opera omnia, ed. F. S. Schmitt, Bd.
1, Stuttgart – Bad Cannstatt 1968, 100).
[161] Paul VI., Enzyklika
Ecclesiam suam, 1964, III, Nr. 70: „Wollte man nicht, und mit Recht, dem Konzil selbst einen pastoralen Zweck
geben, ganz hingeordnet auf die Einfügung der christlichen Botschaft in das
Denken, die Sprache, die Kultur, die Sitte, den Geist der Menschheit, wie sie
heute auf Erden lebt?“
[162] Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution
Dei Verbum,
II, Nr. 7–8.
[163] Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 156 mit Bezug auf
Dei
Filius I, 3 (DH 3008).
[164] „Hoc autem testimonium vel est hominis tantum: et istud non facit virtutem
fidei, quia homo et fallere et falli potest. Vel istud testimonium est ex
iudicio divino: et istud verissimum et firmissimum est, quia est ab ipsa
veritate, quae nec fallere, nec falli potest. Et ideo dicit, ad Deum, ut
scilicet assentiat his quae Deus dicit“ : Thomas von Aquin, Super Epistolam
B. Pauli ad Hebraeos lectura [rep. vulgata], cap. 6, l. 1.
[165] Der übliche Begriff ist „Sohnschaft“, aber hier geht es darum, den Beginn
der Sohnschaft zu betonen, die Bewegung selbst, durch die man Sohn und Tochter
Gottes wird.
[166] Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution
Dei Verbum,
III, Nr. 12: „Um die Absicht der Hagiographen zu ermitteln, sind unter anderem
auch die literarischen Gattungen zu berücksichtigen. Jeweils anders
nämlich wird die Wahrheit in Texten, die auf vielfältige Weise historisch,
prophetisch oder poetisch sind, oder in anderen Redegattungen vorgelegt und
ausgedrückt. […] Weil aber die Heilige Schrift in demselben Geist, in dem sie
geschrieben wurde, auch zu lesen und auszulegen ist, ist für die rechte
Ermittlung des Sinnes der heiligen Texte nicht weniger sorgfältig auf den Inhalt
und die Einheit der ganzen Schrift zu achten, unter Berücksichtigung der
lebendigen Überlieferung der ganzen Kirche und der Analogie des Glaubens.“
[167] Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution
Dei Verbum,
I, Nr. 2: „Dieses Offenbarungsgeschehen ereignet sich in Taten und Worten, die
inwendig miteinander verknüpft sind, so dass die Werke, die in der
Heilsgeschichte von Gott vollbracht wurden, die Lehre und die durch die Worte
bezeichneten Dinge kundtun und bekräftigen, die Worte aber die Werke verkündigen
und das in ihnen enthaltene Mysterium ans Licht bringen.“
[168] Benedikt XVI., Nachsynodales Apostolisches Schreiben
Verbum Domini,
30. September 2010, Nr. 55.
[169] „Das Mysterium der Kirche ist, wenn möglich, noch tiefer, ‚schwerer zu
glauben‘ als das Mysterium Christi, das seinerseits schon ‚schwerer zu glauben‘
war als das Mysterium Gottes.“, H. de Lubac, Glauben aus der Liebe,
übertr. und eingel. von H. U. von Balthasar, Freiburg 31992, 67.
[170] Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret
Unitatis redintegratio, II,
11.
[171] Vgl. den Referenztext
Die Interpretation der Dogmen (1989), B, III,
3, in B. Hallensleben [Hrsg.], Theologie in weltkirchlicher Verantwortung.
Die Dokumente der Internationalen Theologischen Kommission (1969–2020) (StOeFr 100), Münster 2022, 244; vgl. auch Erstes Vatikanisches Konzil,
Dogmatische Konstitution Dei Filius, IV (DH 3016).
[172] Man könnte an die Idee des „Gesprächs im Heiligen Geist“ denken, vgl. Franziskus,
Ansprache zur Eröffnung der XVI. Sitzung der Bischofssynode,
4. Oktober 2023: „Die Kirche, eine einzige Harmonie von Stimmen, mit vielen
Stimmen, bewirkt vom Heiligen Geist: So müssen wir uns die Kirche vorstellen.“
[173] Vgl. Internationale Theologische Kommission,
Die Synodalität in Leben
und Sendung der Kirche, I, Nr. 19–21.
[174] Vgl. Internationale Theologische Kommission,
Sensus fidei
und sensus fidelium im Leben der Kirche, 5. März 2014, III, Nr. 67–86.
[175] Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution
Dei Verbum,
II, Nr. 10.
[176] Internationale Theologische Kommission,
Sensus fidei
und sensus
fidelium im Leben der Kirche, 5. März 2014, III, Nr. 77.
[177] Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret
Ad gentes, III, Nr. 15.
[178] „Toute ma foi est dans le plus banal de mes signes de croix, et, quand je
prononce ‚Notre Père‘, j’ai inclus déjà tout ce dont la connaissance ne me sera
livrée que dans la Révélation de gloire“ : Y. Congar,
La Tradition et les
traditions. Essai théologique, Bd. 2, Paris 1963, 185.
[179] Internationale Theologische Kommission,
Theologie heute: Perspektiven,
Prinzipien und Kriterien, 29. November 2011, Nr. 33: „Subjekt des Glaubens
ist das Volk Gottes als Ganzes, das in der Kraft des Heiligen Geistes dem Wort
Gottes zustimmt. Deshalb erklärt das Konzil, dass das gesamte Volk Gottes an dem
prophetischen Amt Jesu Anteil hat, und dass es – gesalbt mit Heiligem Geist
(vgl. 1 Joh 2,20.27) – ‚in Angelegenheiten des Glaubens nicht irren kann‘“.
[180] Vgl. Tertullian,
praescr. haer., XX, 8–9 (SC 46, 113–114).
[181] Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution
Lumen Gentium,
II, Nr. 12.
[182] Ebd., III, Nr. 24 am Ende und Nr. 25.
[183] „Dieser politisch-theologische Propagandabegriff wird von der Kirche bei ihrer
Ausbreitung im Römischen Reich übernommen. Er stößt dann auf einen Begriff der
politischen Theologie der Heiden, wonach der göttliche Monarch wohl herrschen,
aber die nationalen Götter regieren müssen. Um dieser heidnischen, auf das
Imperium Romanum zugeschnittenen Theologie entgegentreten zu können, wurde nun
von christlicher Seite behauptet, die nationalen Götter könnten gar nicht
regieren, da durch das Imperium Romanum der nationale Pluralismus aufgehoben
worden sei. In diesem Sinn wurde die Pax Augusta dann als die Erfüllung der
alttestamentlichen eschatologischen Weissagungen gedeutet. Doch die Lehre von
der göttlichen Monarchie musste am trinitarischen Dogma und die Interpretation
der Pax Augusta an der christlichen Eschatologie scheitern. Damit ist nicht nur
theologisch der Monotheismus als politisches Problem erledigt und der
christliche Glaube aus der Verkettung mit dem Imperium Romanum befreit worden,
sondern auch grundsätzlich der Bruch mit jeder ‚politischen Theologie‘
vollzogen, die die christliche Verkündigung zur Rechtfertigung einer politischen
Situation missbraucht. [...] die christliche Verkündigung von dem drei-einigen
Gotte steht jenseits von Judentum und Heidentum, gibt es doch das Geheimnis der
Dreieinigkeit nur in der Gottheit selber, nicht in der Kreatur. Wie denn auch
der Friede, den der Christ sucht, von keinem Kaiser gewährt wird, sondern allein
ein Geschenk dessen ist, der ‚höher ist als alle Vernunft‘“: E. Peterson,
Der
Monotheismus als politisches Problem. Ein Beitrag zur Geschichte der politischen
Theologie im Imperium Romanum, Leipzig 1935, 98–100.
[184] Vgl. Internationale Theologische Kommission,
Sensus fidei
und sensus fidelium im Leben der Kirche: vgl. Nr.
26 zu Newman und dem Kriterium des sensus fidei fidelium gegen die
Divergenzen der Bischöfe des 4. Jahrhunderts; vgl. Nr. 34 zum aktiven und nicht
rein passiven Charakter des sensus fidei fidelium, dessen Konzept im 19.
Jahrhundert erneuert wurde; vgl. Nr. 113 und 118 zum Verhältnis von sensus
fidei und öffentlicher Mehrheitsmeinung, in und außerhalb der Kirche.
[185] Franziskus, Apostolische Konstitution
Veritatis Gaudium, Nr. 3.
[186] Brief an Natalia Dmitrievna Fonwisina, Omsk, zwischen 20. und 28. Februar
1854, in: F. M. Dostojewski, Gesammelte Briefe 1833–1881, übers., hrsg. und komm. von F. Hitzer, unter Benutzung der Übertr. von
Alexander Eliasberg, München 21986, 86–87.
[187] „[Die Armen] haben uns viel zu lehren. Sie haben nicht nur Teil am
sensus fidei, sondern kennen außerdem dank ihrer eigenen Leiden den
leidenden Christus. Es ist nötig, dass wir alle uns von ihnen evangelisieren
lassen. Die neue Evangelisierung ist eine Einladung, die heilbringende Kraft
ihrer Leben zu erkennen und sie in den Mittelpunkt des Weges der Kirche zu
stellen. Wir sind aufgerufen, Christus in ihnen zu entdecken, uns zu Wortführern
ihrer Interessen zu machen, aber auch ihre Freunde zu sein, sie anzuhören, sie
zu verstehen und die geheimnisvolle Weisheit anzunehmen, die Gott uns durch sie
mitteilen will“: Franziskus, Apostolisches Schreiben
Evangelii Gaudium,
III, Nr. 198.
[188] Vgl.
Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 540: „Christus hat
für uns den Versucher besiegt“. Vgl. auch Nr. 394, Nr. 677.
[189] Zweites Vatikanisches Konzil, Erklärung über die Religionsfreiheit
Dignitatis humanae, II, Nr. 11: „Die Apostel sind, durch das Wort und Beispiel Christi belehrt, demselben
Weg gefolgt. Schon von den Ursprüngen der Kirche an bemühten sich die Jünger
Christi, die Menschen dazu zu bekehren, Christus, den Herrn zu bekennen, nicht
durch Zwangshandlung und auch nicht durch Kunststückchen, die des Evangeliums
unwürdig sind, sondern vor allem durch die Kraft des Wortes Gottes. Tapfer
verkündeten sie allen das Vorhaben Gottes, des Erlösers, ‚der will, dass alle
Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen‘ (1 Tim 2,4);
zugleich aber achteten sie die Schwachen, auch wenn sie im Irrtum weilten, wobei
sie so zeigten, wie ‚ein jeder von uns für sich Gott Rechenschaft geben wird‘
(Röm 14,12) und insofern gehalten ist, seinem Gewissen zu gehorchen. So wie
Christus waren die Apostel stets bestrebt, Zeugnis für die Wahrheit Gottes
abzulegen, indem sie in überreichem Maße wagten, vor dem Volk und den Fürsten
‚das Wort Gottes mit Zuversicht‘ (Apg 4,31) zu sagen.“
[190] Franziskus, Enzyklika
Dilexit nos, 24. Oktober 2024, V, Nr. 214.
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