Lumen Fidei - page 58

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39. Es ist unmöglich, allein zu glauben. Der
Glaube ist nicht bloß eine individuelle Option,
die im Innersten des Glaubenden geschieht, er
ist keine isolierte Beziehung zwischen dem „Ich“
des Gläubigen und dem göttlichen „Du“, zwi-
schen dem autonomen Subjekt und Gott. Der
Glaube öffnet sich von Natur aus auf das „Wir“
hin und vollzieht sich immer innerhalb der Ge-
meinschaft der Kirche. Daran erinnert uns das in
der Taufliturgie verwendete Glaubensbekenntnis
in Dialogform. Das Glauben drückt sich als Ant-
wort auf eine Einladung, auf ein Wort aus, das
gehört werden muss und nicht aus einem selbst
kommt. Deshalb fügt es sich innerhalb eines
Dialogs ein und kann nicht das bloße Bekenntnis
sein, das vom Einzelnen kommt. Es ist nur des-
halb möglich, in erster Person mit „Ich glaube“
zu antworten, weil man zu einer größeren Ge-
meinschaft gehört, weil man auch „wir glauben“
sagt. Diese Öffnung gegenüber dem „Wir“ der
Kirche geschieht gemäß der eigenen Öffnung
gegenüber der Liebe Gottes, die nicht nur eine
Beziehung zwischen Vater und Sohn, zwischen
einem „Ich“ und einem „Du“ ist, sondern im
Geist auch ein „Wir“, ein Miteinander von Per-
sonen. Deshalb gilt, wer glaubt, ist nie allein,
und deshalb breitet der Glaube sich aus, lädt er
andere zu dieser Freude ein. Wer den Glauben
empfängt, entdeckt, dass die Räume seines „Ich“
weiter werden, und in ihm wachsen neue Bezie-
hungen, die sein Leben bereichern. Tertullian
hat dies wirkungsvoll ausgedrückt, wenn er vom
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